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nicht die einzige Gelegenheit, bei der wir von einer heiligen Bedeutung des Weines reden können. Es gibt enge Beziehungen des Weines zum Blut, und diese machen noch auf ganz andere Bräuche aufmerksam, die dem modernen Menschen gewiß nicht mehr rituell vorkommen, die es aber vielleicht doch einmal gewesen sind, die Trinkbräuche. Ferner muß, wer die sakrale Bedeutung des Weines im Altertum beobachten will, die antike Tradition über die Bräuche der Römer heranziehen. Auch volkskundliche Parallelen anderer Völker und Zeiten werden mit Nutzen verwendet. Warum es sich lohnt, der sakralen Bedeutung gerade des Weines nachzugehen, mögen die folgenden Untersuchungen zeigen. In diesen muß der sakralen Substanz des Blutes und ihrer Bedeutung größerer Raum vergönnt werden: sie ist es ja, die uns neue Aufschlüsse gewähren soll. Den Hinweis darauf, die Anregung zu dieser Arbeit, und manche Förderung im Einzelnen verdanke ich meinem Lehrer R. Wünsch.

Für unsere Frage ist es nicht allzusehr vom Belang, zu wissen, wie und wann der Wein zu den einzelnen Völkern kam, doch sei einiges darüber im Anschluß an die gründlichen Untersuchungen von Bassermann-Jordan gesagt, zumal seine allgemein interessanten Ergebnisse bei dem außerordentlichen Umfang seiner Geschichte des Weinbaues wenig Verbreitung finden werden.

Es ist noch gar nicht lange her, daß man die Rebe mit dem Dionysoskult von Osten nach Westen einwandern ließ. Aber außer Dionysos gibt es manchen sagenberühmten Stifter, über die sämtlich Viktor Hehn richtig so urteilt: „Fragen wir, wo diese so allgemein verbreitete Kultur in Griechenland zuerst aufgetreten war, so scheint die Antwort in zahlreichen Ursprungs- und Stiftungssagen gegeben, die aber als bloße mythische Spiegelbilder des Keimens, Blühens, Verdorrens der Rebe oder des Gegensatzes der neuen Kulturart gegenüber dem rohen Wald- und freien Hirtenleben dem, der sie fassen möchte, größtenteils unter den Händen zergehen." So wird,

1 Baumeisters Auffassung, s. u. Kap. III Ende.
2 Kulturpflanzen und Haustiere?, Berl. 1902, 66.

um nur ein Beispiel anzuführen, neben Dionysos Orestheus, des Deukalion Sohn, zu einem der ersten Pflanzer1 gemacht. Mag der Kern dieser Mythen von Erfindern des Weinbaues noch so dürftig sein, sie zeigen doch, daß man eine Erinnerung daran hatte, daß dem Weinbau eine weinlose Zeit vorangegangen war. Darauf deuten auch die weinlosen Opfer (Ivoiαi doivoi, mpáλia), die man den Nymphen, Helios, Eos, Selene, Zeus bringt, alten Gottheiten, denen noch aus der weinlosen Zeit solch nüchterne Verehrung zukommt 2. Die Weinkultur tritt also erst verhältnismäßig spät auf. Ganz anders steht es mit der Verbreitung der Rebe, wie Bassermann-J. zum erstenmal gezeigt hat. Danach war in der Tertiärperiode die Rebe verbreiteter als in geschichtlicher Zeit. In der Eiszeit erlitt sie einen bedeutenden Rückgang, hat sich aber alsdann rasch wieder ausgebreitet. Auch als Genossin der Pfahlbaumenschen fehlt sie nicht: in Gräbern dieser Periode in Orchomenos war an der Lage der Kerne zu ersehen, daß sie sich bei der Bestattung im Unterleib des Toten befunden hatten. Der Mensch des Bronzezeitalters hat also wie andere Beeren des Waldes auch die Trauben der Weinreben gegessen. Von der Bereitung des Weines durch alkoholische Gärung wird man dagegen lange Zeit keine Ahnung gehabt haben. Diese Kenntnis wird mehr als Ergebnis des Zufalles denn der Überlegung von den Bewohnern eines Landes zuerst erlangt worden sein, wo der Weinstock in großer Menge wild vorkam und in solchem Zustand ein so reifes Produkt erzeugte, daß der Übergang vom Most zum Wein besonders gut zu beobachten war. In dieser Hinsicht

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1 FHG I 26 Müller, Hekataios Fr. 341; über den Stifter Dionysos u. a. vgl. FHG I 387, Philochoros Fr. 18; Philonides b. Athenaios XV 675 ABC; die Ägypter haben gleichfalls einen Erfinder des Weinbaues, den Osiris, die Chinesen ebenso den Fohi; mehr bei Bassermann aa0. 11 A. 1.

2 Vgl. von Fritze aa0. 35 ff. Auch in dem Kult einer jüngeren Gottheit kann der Wein unter Umständen verboten sein: so war im Tempel des Heros Eudromos zu Delphi jede Verwendung von Wein untersagt. Eudromos war ein heros agonisticus und erhielt keinen Wein, weil auch die Athleten sich seiner enthalten mußten (Prott-Ziehen Leges Graecorum sacrae e titulis collectae II 1, 258 Nr. 90).

3 AaO. 3 ff.

4 Bassermann-J. aaO. 6 A. 1.

sind die Schilderungen 1 aus den Ländern südlich des kaspischen Meeres von großem Interesse, die man so gern als Urheimat des Rebstocks angesehen hat. Sie mögen für Europa die Heimat des Weines sein, von dort aus mag sich die Kenntnis der Weinbereitung verbreitet haben; die Heimat des Rebstocks brauchen sie nicht zu sein. Die Einzelheiten der Wanderung der Weinkultur können wohl niemals aufgeklärt werden, meint Bassermann (aaO. S. 11). Nur das ist sicher, daß der Weinbau der Deutschen von den Römern entlehnt ist; darauf deutet die Etymologie der Namen mancher Weingefäße: Becher aus bicarium, Seidel aus situlus, vor allem der Name selbst, Wein aus vinum 2. Woher aber die Griechen und Römer die Kunst der Weinbereitung haben, läßt sich schlechterdings nicht sagen. Jedenfalls zeigt die geringe Zahl der weinlosen Opfer, daß man ihn dort früh in den Kreis kultischer Bräuche zog. Sakrale Bedeutung hat der Wein auch in der germanischen Frühzeit. Regel ist das aber nicht bei allen Völkern; der Islam verbietet den Weingenuß, weil er den Gläubigen am Gottesdienst hindert.

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Im Folgenden wird von der Herkunft der Weinbereitung nicht weiter die Rede sein. Dagegen soll eine dreifache Beziehung des Weines geschildert werden: Wein und Gott, Wein und Mensch, Wein und Blut; die Einteilung wird sich von selbst rechtfertigen.

1 Hehn aaO. 70 zahlreiche Belege aus der Reiseliteratur.

2 Weitere verwandte Wörter bei Bassermann-J. aaO. 550 f.

3 Bei den Galliern Livius XXIII 24, 12. Vgl. Hehn aaO. 530; WuttkeMeyer, Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart 3, Berlin 1900, § 194, vgl. dazu unten Kap. IV; J. Grimm, Deutsche Mythologie, Berlin 1875–1878, I 48 A. 4, wonach die deutsche Sprache allerdings kein dem griechischen oлévdeiv entsprechendes Wort kennt. Neben und wohl früher als Wein findet bei den Germanen das Bier kultische Verwendung (H. Usener, Götternamen, Bonn 1896, 100). Noch St. Kolumban fand bei den Südschwaben solche Bieropfer (J. Lippert, Die Religionen der europäischen Kulturvölker, Berlin 1881, 176).

4 Goldziher, Die Religion des Islams, Kultur der Gegenw. I 3, 1 S. 97; vgl. Vorländer, Geschichte der Philosophie I 187 über die jüdische Sekte der Essener.

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ERSTES KAPITEL

Wein und Gott

§ 1. Anlässe zu Spenden

Zur Gottheit tritt der Wein in Beziehung durch das Opfer. Seine Darbringung bedeutet in letzter Linie nichts anderes wie die von Mehl, Salz, Brot, Fleisch, Honig, Öl, Bier. Das Genießbare bildet im allgemeinen das Material des Opfers, weil die Götter nicht anders und besser lebten als die Menschen" 1. Das Weinopfer erscheint einmal in Verbindung mit anderen, meist Brandopfern, dann als selbständige Zeremonie. Beide Hauptarten sind ferner danach verschieden, ob sie einen mehr öffentlichen oder privaten Charakter haben.

Von den Griechen wurde bei den von Staats wegen dargebrachten Opfern auf die der Gottheit bestimmten Stücke eine Weinspende gegossen, sobald sie mit Fett umwickelt auf dem Altar brannten:

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Καῖε δ ̓ ἐπὶ σχίζῃσ ̓ ὁ γέρων, ἐπὶ δ ̓ αἴθοπα οἶνον
λεῖβε 2.

1 E. Curtius, Sitzb. d. Berl. Ak. d. W. 1890, 2, S. 1840. Adolf Erman, Die ägyptische Religion, Berlin 1909, 58 schildert anschaulich, wie im ältesten ägyptischen Kult dem Gott seine Pflege ganz nach Menschenart zuteil wird. Da wird das Götterbild gewaschen, mit farbigen Leinenbinden bekleidet, mit Öl gesalbt und mit Schminke bestrichen. Schließlich setzt man dem Gott zur Labung gebratene Gänse, Stierschenkel, Wein und Wasser vor.

2 Hom. Il. I 462 f.; vgl. IV 48 f., XI 775; Od. III 459 f., XII 362. Na

Dieses Genusses wurden nicht nur einzelne Gottheiten teilhaftig, im Gegenteil bei Aristophanes klagt sogar der Chor der Wolken: Δαιμόνων ἡμῖν μόναις οὐ θύετ ̓ οὐδὲ σπένδετε 1. Wie selbstverständlich den Griechen, der zum Braten seinen Wein trinkt, diese Verbindung von Fleisch- und Weinopfer erscheint, zeigt Herodots (IV 60) verwundertes Erstaunen, wenn die Skythen ihre Tieropfer ohne Wein darbringen. Bei den Römern ist das Staatsopfer etwas anders beschaffen: wenn der Opfernde die eigentliche immolatio vollzieht, besprengt er das Opfertier mit Wein, bestreut es mit gesalzenem Schrot (mola salsa) und deutet die Tötung durch einen Gestus mit dem Messer an 2. Dem römischen Brauch ähnlich verfahren die Ägypter des Herodot (II 39) und die Skythen, allerdings nur bei ihren Menschenopfern: Ὅσους ἂν τῶν πολεμίων ζωγρήσωσι, ἀπὸ τῶν ἑκατὸν ἀνδρῶν ἄνδρα ἕνα θύουσι τρόπῳ οὐ τῷ αὐτῷ καὶ τὰ πρόβατα, ἀλλ ̓ ἑτεροίῳ· ἐπεὰν γὰρ οἶνον ἐπι· σπείσωσι κατὰ τῶν κεφαλέων ἀποσφάζουσι τοὺς ἀνθρώπους ἐς ἄγγος καὶ ἔπειτα ἀνενείκαντες ἄνω ἐπὶ τὸν ὄγκον τῶν φρυγάνων καταχέουσι τὸ αἷμα τοῦ ἀκινάκεω 3. Bei den Semiten wird in gleicher Weise die Weinspende jedem vollen Brandopfer zugefügt, soweit nur die Traube bekannt war.

Soviel über den Zusammenhang von Weinspende und staatlichem Opfer; sein Vorhandensein ist zweifellos bezeugt. Für das private Opfer bezweifelt Bernhardi in seinen Untertürlich wird man nur eine geringe Menge Wein auf das Feuer gegossen haben, um die Flamme nicht zu beeinträchtigen. Das beim Libieren momentane Aufflackern des Feuers erklärt Theophrast daraus, daß bei jeder Wärmebildung ein gewisses Maß von Feuchtigkeit vorteilhaft ist (de igne 67, hg. v. Wimmer, Leipz. 1866): à touto (scil. èxeì dè avev vypótηtos ἢ ἀναθυμιάσεώς τινος οὐκ ἔστι θερμότης, aa. 65) γὰρ καὶ ὁ οἶνος ὁ χεόμενος ἐπὶ τὴν φλόγα καθάπερ τοῖς σπένδουσιν ἐκλάμπει.

1 Wolken 578; vgl. ebd. 426; Friede 1059; CAF III 82f. Kock, Menander Fr. 292; Ath. VIII 363 D; Pollux I 26 f., VI 26.

2 Belege bei Wissowa, Religion und Kultus der Römer, 352 A. 3 u. 4; dazu Vergil Aen. VI 244.

3 IV 62, das Blut fließt also auf den axıránys: damit ist dieser wohl als Empfänger des Opfers gedacht.

4 Robertson-Smith, Die Religion der Semiten, übers. v. Stübe, 166 f. 5 Das Trankopfer bei Homer, Leipz. Gymn. Pr. 1885, 3.

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