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Wir übergehen die Kapitel, in welchen die landwirthschaftlichen Werkzeuge der Reihe nach unter Bezugnahme auf die Catonische Liste von Varro aufgezählt werden und die er unter der Rubrik instrumentum mutum eigenthümlicher Weise zusammenfasst. Wichtiger und interessanter sind dagegen die Stellen, wo von den Wirthschaftsobjecten, wie sie auf diesen altrömischen Musterstationen gebaut wurden, die Rede ist. Von Getraide wurde Spelt und Weizen, Gerste und Hirse gebaut; daneben auf feuchten Lagen (si ager nebulosus sit) Rettig, Rüben und Buchweizen (panicum); zum Viehfutter Lupinen, die auch zum Dung benutzt wurden, Erbsen, Bohnen, Wicken und andere Futterkräuter. In fettem, sonnenreichem Boden baute man die guten Arten des Oelbaums und den Rebstock, von denen jener zwischen die Saaten, dieser auf besonders liegenden Weinbergen gepflanzt ward. An wasserreichen Stellen wurden Pappeln und Schilfrohrgebüsche (arundineta) angepflanzt, aus denen man das Bindematerial für Rebstöcke bezog. An ähnlichen Plätzen säete man auch die wilde Spargel (corruda) an, unde asparagi fiant. Es wäre demnach die eigentliche Spargel (asparagus) eine Hybridation der wilden corruda. Feigen-, ApfelBirn- und andre Obstbäume zog man ebenfalls, sowie, theils wegen Holzes, theils zu Viehfutter, Ulmen, Pappeln und anderes Gebüsch.

Zum Zwecke rationeller Saat und Ernte theilt Varro die Tage des Jahres in acht Gruppen, innerhalb welcher die verschiedenen landwirthschaftlichen Arbeiten sich unterzutheilen haben. Da natürlich das Klima Italiens bei der Aufstellung dieses landwirthschaftlichen Almanachs maassgebend war, so beginnt Varro den Frühling mit dem ersten Wehen des Thauwindes (favonius), was also etwa in die Mitte des Februars fällt. Er theilte also:

1) Unser Roggenkorn und der wohl als Unkraut ihnen bekannte Hafer wurde von den Alten nicht gebaut. Haferbrei (das noch in gewissen Gegenden altererbte Hafermus) galt bei den Römern für ein deutsch-barbarisches Gericht.

2) Varro I, 24, 4.

Varro's Almanach für Ackerbauer.

I. Vom Frühlingsanfang (15. Febr.) bis

Tage

45

zum Frühlingsäquinoctium.

Säe Getraide aller Art, behacke den (V. 15. Feb.-30. März)

Weinstock, reinige die Wiesen, jäte

aus der Saat das Unkraut (sarrire)

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Mache Stroh (stramenta) und häufele (V. 24. Juli―30. Sept.)

das Getraide (acervos construi)! Hole

Laub und mähe zum zweiten Mal die

Wiesen (Grummet)!

VI. Von da bis zum Untergang des

Siebengestirns (occasus vergili

arum).

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Säe Getraide, setze Bohnen, lese die (V. 30. Sept.-14. Nov.)
Trauben; darnach beschneide die Rebe

und pfropfe sie! Pfropfe Aepfel!1

VII. Von da bis zum kürzesten Tag

(bruma) oder Wintersanfang

44

Säe die Lilien und den Safran (crocum)! (V. 14. Nov.-28. Dec.)

1) Dies letztere solle, bemerkt Varro, in Gegenden, wo der Winter rauher auftrete, besser im Frühling (verno tempore) geschehen!

Beschneide von der Wurzel aus (radi

citus) den Rosenstock und lege ihn
unter (obruito)!

VIII. Von da bis zum Wiederbeginn des

Frühlings (favonius)

Tage

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Entwässere die Saaten! Trocknen Boden (V. 29. Dec.-15. Febr.)

behacke und bejäte! Beschneide Wein

rebe und Obstbäume! Bereite zu die
Geräthschaften vor Tagesanbruch (ante-
lucano tempore hiberno)!

365 Tage.

Vorstehender Kalender würde für unsern Himmelsstrich nicht anwendbar sein, und zwar aus klimatischen und natürlichen Gründen. Zu Varros Zeiten muss derselbe mit grosser Gewissenhaftigkeit gehandhabt worden sein, da er selbst davon sagt: quae dixi, scripta et posita habere in villa oportet, maxime ut vilicus norit.1 Auch lässt sich aus Vergils Ackerbaugedichten erkennen, dass dergleichen landwirthschaftliche Kalender und Anweisungen bekannte Dinge waren. Damit ist freilich nicht gesagt, dass nun auch später der von Varro aufgestellte Kalender genau von Allen beobachtet und befolgt wurde. Wenigstens sehen wir, dass Vergil, beispielsweise, rücksichtlich der Bohnensaat anderer Ansicht war, indem er sie nicht, wie oben Varro, in den October, sondern in die Mitte des Frühlings verweist.2 Ueber das Verhalten Vergils zu den landwirthschaftlichen Regeln Cato's und Varro's werden wir uns in dem Abschnitt über unsres Dichters Originalität weiter auszusprechen haben.

1) Varro I, 36 extr.

2) Verg. G. I, 215 (vere fabis satio).

II. Studie.

Ueber Vergil's Originalität in den Georgiken.

Dass die Landwirthschaft bei den Römern durchaus original und specifisch war, hing damit zusammen, dass das Landleben (vita rustica) wie überhaupt, so aber besonders bei den Latinern, primitiver sich entwickelte als das Stadtleben (vita urbana). Den Nachweis liefert Terentius Varro (lib. III init.), aus dessen Erörterungen auch namentlich hervortritt, wie die altererbten Römischen Tugenden hiermit in inniger Verbindung standen. Dabei war ein Hauptvehikel des Ackerbaus, ein Hauptantriebsmittel zu landwirthschaftlichen Beschäftigungen, der Kultus, die Religion. Darum ruft Vergil im dritten Buche der Georgica die altitalische Göttin Pales an, die er zugleich mit Apollo verherrlichen und feiern wolle.1 Denn der pastor ab Amphryso ist kein andrer als Apollo, der Gott, welcher am Ufer des Amphrysos als Hirte der Heerden des Königs Admetos wartete. in dieser Erniedrigung eines Gottes zu einem dienenden Hirten auch eine gewisse Irreverenz liegt, mit welcher die Alten von ihren Gottheiten dachten und sprachen, so ist dieser Fall nicht ein vereinzelter und zeigt, namentlich an unsrer Stelle, wie innig die Götter einst zu der Landwirthschaft in Beziehung standen. Vielleicht spielte dabei auch eine gewisse Politik der Priester und Gesetzgeber eine Rolle, welche, indem sie die alten Völker aus ihrem wilden, ungezügelten Jägerleben herausziehen wollten, sich bemühten, ihnen Geschmack für den Ackerbau einzuflössen, der die Basis jeder Civilisation ist. Diese Neigung zu landwirthschaftlicher Arbeit konnte aber durch nichts so nachhaltig

1) Vergil Georg. III, 1 u. 2.

Wenn

geweckt und gefördert werden, als durch die Religion.1 Aus diesen wohlerkannten und erwogenen Gründen versuchten es die Engländer im Westen von Nord-America in neuerer Zeit die wilden Schoschonen für den Ackerbau zu gewinnen dadurch, dass sie ihre Neuerung mit der Religion in Verbindung brachten. Die Häuptlinge des wilden Stammes lassen sich die Sache schon gefallen und erkennen es gerne an, dass im Ackerbau viel Gutes stecke, aber doch nur für die Weissen mit ihrer weissfarbigen (palefaced) Gottheit; ihr Gott Manitou dagegen habe eine rothe Haut und sei ein grosser Jäger und Krieger. 2 Dass mit dem religiösen Glauben angefangen werden muss, wenn ein wilder Volksstamm reformirt und zu einer höheren Civilisationsstufe hinübergeführt werden soll, wird uns durch dieses moderne Beispiel dargethan.

Die Göttin Pales, zu deren Ehren jährlich die Palilien gefeiert wurden, ist eine originale Gottheit Italiens, und wird von Vergil gewiss mit Absicht und Nachdruck an die Spitze der Fortsetzung seiner Georgica gestellt. Er will ja den Originalpfad betreten, wie er mit einem wegwerfenden Seitenblick auf die zur Genüge und bis zum Ueberdruss besungenen griechisch-mythischen und epischen Dichterstoffe sagt.,, Tentanda via est, qua me quoque possim Tollere humo victorque virûm volitare per ora. Wald und Feld mit Hirten und

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Heerden will er besingen eine naturwüchsige, originale Sache auf originale Weise. Dahin sind zu deuten die Worte saltus intactos sequamur, tua, Maecenas, haud mollia jussa (Georg. III, 40 und 41). Denn Mäcenas war ohne Zweifel die Veranlassung, dass Vergil seine landwirthschaftliche Conception und Dichtung auch auf das Vieh und die Heerden von Hain und Flur ausdehnte, einen Stoff, der sich, wie er fühlt, grade nicht leicht dichterisch behandeln lässt (haud mollia jussa). In dem ersten und zweiten Buche der Georgica

1) Delille zu Vergil. Georg. III, 2.

2) Marryat Adventures of Monsieur Violet, p. 10.

3) Ovid. Met. XIV, 774. Die Palilien sind gewiss nicht erst von Romulus gestiftet worden, wie wohl mit Unrecht früher angenommen wurde, sondern sind so alt, wie der italische Ackerbau selbst.

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