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Kepler aufgehen zu lassen). Wenn aber irgendwo, so ist bei einer so complicirten weltgeschichtlichen Entwicklung die scharfe Einsicht in ihre Momente vom wesentlichsten Belang, und wiederum ist diese Einsicht, wenn irgendwo, so gerade hier, im höchsten Grad belohnend durch das herrliche Bild vom Ineinandergreifen geistiger Kräfte, welches sie darbietet.

Dieses Bild zu entfalten, ist der Hauptzweck dieser Einleitung, keineswegs aber eine vollständige Geschichte der Astronomie in dem genannten Zeitraum). Habe ich im Vorhergehenden schon das Verhältniß der Hauptrollen zu den Nebenrollen vorläufig angedeutet, so stelle ich hier sogleich in derselben vorläufigen Zusammenfassung jene Ansicht von den Hauptrollen selbst auf, welche von selbst zur richtigen Beur

4) Deinhardt kleine Schriften, herausgegeben von H. Schmidt 1869; darin zwei Vorträge über Kepler, wovon der erste „Kepler's Leben und Charakter“ sehr lesenswerth ist, der zweite aber „Kepler als Reformator der Astronomie" so viele und große Fehler in sachlicher und geschichtlicher Hinsicht enthält, daß der Verfasser nicht zu den Sachverständigen gerechnet werden darf. Er meint nicht nur, Kepler habe die Bewegungen der Planeten auf die Anziehungskraft der Sonne zurückgeführt und daher Newton nur noch die Lehre von den Störungen überlassen, sondern auch, Kepler habe seine erste Hypothese von den fünf regulären Körpern verlassen, nachdem er gefunden, daß die Entfernungen der Planeten gemäß den Tychonischen Beobachtungen damit nicht übereinstimmen. Er meint, Copernicus habe an die Stelle des scheinbaren jährlichen Umlaufs der Sonne von Westen nach Osten den wirklichen Umlauf der Erde in der entgegenge= setzten Richtung gesetzt; er meint, der Unterschied zwischen der größten und kleinsten Entfernung der Erde von der Sonne betrage 2 Millionen Meilen und die „erste Ungleichheit“ der alten Astronomie beziehe sich auf die Aenderung der Entfernungen, die „zweite“ auf die Aenderung der Geschwindigkeiten u. s. w.

5) In dieser Hinsicht verweise ich auf Apelt „die Reformation der Sternkunde“ 1852, wo der Zeitraum von Nikolaus von Cusa bis auf Kepler, und auf Frisch „Opera Kepleri“, wo im letzten Bande der Zeitraum von der Publication des Werkes von Copernicus (de Revolutionibus etc.) 1543 bis zu Keplers Erstlingswerk 1597 eingehend behandelt wird.

theilung des Ganzen führt und, soweit sie bekannt geworden ist, des entschiedenen Beifalls der Sachverständigen sich erfreut hat).

Das Werk eines jeden von diesen Männern, welche die drei Hauptstadien oder Hauptschritte bezeichnen, zerfällt nämlich wesentlich in zwei Theile oder Momente, und zwar in der Art, daß der eine Theil in einer, sei es Berichtigung oder Vereinfachung oder Verallgemeinerung der vorhandenen Theorie besteht, zwischen den Grenzen einer bloßen Folgerung aus derselben und ihrer gänzlichen Aufhebung; daß dagegen der andere Theil eine durchaus neue und ursprüngliche Wahrnehmung des Genius ist. Das erste Moment ist bei Copernicus die Beziehung der Planetenläufe auf die Sonne oder die heliocentrische Theorie als eine Vereinfachung der alten Epicykeltheorie; bei Kepler die in seinen beiden ersten Gesezen enthaltene elliptische Theorie als eine so radicale Berichtigung der alten Theorie von den excentrischen Kreisen, daß sie einer gänzlichen Aufhebung des Alten gleicht; bei Newton das formelle Gesetz der Centralbewegung, auf welches er die Keplerschen Gesetze zurückführte, was also eine Verallgemeinerung der vorhandenen Theorie war. Das andere Moment aber, das ursprünglich Neue, ist bei Copernicus die Bewegung der Erde unter den Planeten; bei Kepler die in seinem dritten Gesetz enthaltene Beziehung zwischen den verschiedenen Pla

6) Ich habe diese Ansicht erstmals ausgesprochen in dem schon im Vorwort erwähnten Herbstprogramm des Stuttgarter Gymnasiums von 1841. Eine kurze Recension in den neuen Jahrbüchern von Seebode (33. Band 1841) von dem nachmaligen Professor der Mathematik und Astronomie in Tübingen, Dr. Jul. Zech, sagt unter anderem darüber: „Es wird hier die weltgeschichtliche Bedeutung Keplers aufgezeigt und sein Verhältniß sowohl zu Copernicus als auch zu Newton untersucht. Hier trennt und scheidet der Verfasser mit bewunderungswürdiger Klarheit und Schärfe und theilt jedem zu was ihm gebührt“.

netenbahnen oder das Systemgesetz; bei Newton die Gravitation oder die allgemeine Schwere. Diese Wahrnehmungen wirkten aber auch wie Gedankenblizze. Die Lehre von der Bewegung der Erde brachte die halbe Welt in Aufregung und wurde verkeßert. Die beiden andern Wahrheiten kamen unter der höchsten Aufregung ihrer Entdecker zur Welt, welche darin ihre Lebensaufgabe gelöst und ihre geheimste Sehnsucht gestillt sahen.

Da im Haupttheil dieser Schrift mit Keplers Leben und Wirken auch seine Studien und Leistungen zu eingehender Betrachtung kommen, so wird sich die Einleitung bei ihm auf das beschränken, was zum Verständniß seiner Stellung in der Mitte der ganzen Entwicklung unumgänglich ist. Da aber die ersten Theile in seinem Werk sowohl als in dem des Copernicus auf die vorhandenen Theorien der alten Astronomie sich beziehen, ja aus ihnen sich herauswickeln, so ist hierüber einiges voranzuschicken, ehe wir näher auf die Auseinanderseßung unserer These eingehen. Die obersten Grundsätze und Gesichtspunkte sind diese: 1) die Erde ruht im Mittelpunkt der Welt, und um sie erfolgen zulegt, mittelbar oder unmittelbar, alle himmlischen Bewegungen; 2) alle Ortsveränderungen der Gestirne beruhen zulezt auf gleichförmigen und kreisförmigen Bewegungen; 3) nach physischen Ursachen wird gar nicht gefragt, höchstens daß an die Stelle der Kräfte die festen Sphären oder die „Firmamente" treten. Diese Säße galten bis auf unsere großen Männer als Axiome schlechthin. Alle Abweichungen, welche man bei den Bewegungen der Himmelskörper von jener höchsten Regelmäßigkeit wahrnahm und ,,Ungleichheiten" nannte, mußten durch geometrische Constructionen auf gleichförmige Kreisbewegungen zurückgeführt werden. Dies geschah durch die excentrischen Kreise und durch die Epicykel, von welchen sofort mehr die Rede sein wird, und wirklich gelang es den beiden großen Astronomen des Alterthums zu Alexandrien, Hipparch (im zweiten

Jahrhundert vor Christus) und Ptolemäus (300 Jahre später), alle jene Ungleichheiten, soweit sie ihnen bekannt waren, theils durch Annahme besonderer Punkte innerhalb der Kreise, theils durch Verbindungen von Kreisen geometrisch darzustellen, dergestalt, daß die darauf gegründeten Vorausberechnungen mit den freilich noch sehr ungenauen Beobachtungen genügend übereinstimmten. Immerhin eine große und scharfsinnige Erfindung, welche eine astronomische Praxis möglich machte! Von solchen Ungleichheiten kannten die Alten hauptsächlich nur zwei, einmal diejenige, welche von der wirklichen Ungleichförmigkeit der Bewegung und von der wirklichen Abweichung der Bahnen von der Kreisgestalt herrührt, und welche auch bei Sonne und Mond vorkommt, wie bereits Hipparch wahrgenommen und zu ihrer Construction oder geometrischen Erklärung den excentrischen Kreis erfunden hatte. Dieß ist die sogenannte erste Ungleichheit. Noch beträchtlicher aber ist die zweite, welche sich unter anderem in den scheinbaren Stillständen und Nückgängen der Planeten zeigt, und davon herrührt, daß die Planeten nicht um die Erde, sondern um die Sonne sich bewegen, und daß die Erde selbst ebenfalls im Umlauf um die Sonne begriffen ist. Diese zweite Ungleichheit ließ sich nur durch die Epicykel beseitigen, um auch die Bewegungen der Planeten auf mittelbare Kreisbewegungen um die Erde zurückzuführen, wie Ptolemäus in seinem „Almagest", einem Lehrbuch, welches bis auf Copernicus die Rolle astronomischer Pandecten gespielt hat, gezeigt und noch eine dritte nur beim Mond vorkommende Ungleichheit, die sogenannte „Evection", hinzngefügt hat, welche zu einem ueuen Epicykel führte, während sie in der That (nebst vielen anderen) von dem störenden Einfluß der Sonne auf den Mondlauf herrührt.

So sette also die alte Astronomie die himmlischen Bewegungen aus Kreisen über Kreisen und aus Umläufen um eingebildete, rein geometrische Punkte zusammen. Das ganze

Weltall aber, das man sich nur als begränzt denken konnte, baute man zulezt aus festen durchsichtigen Sphären (Krystallhimmeln) auf, welche, nur mit gehörigen Zwischenräumen, in einander stecken, wie die Schichten eines Zwiebels, eine Erfindung, die bis auf Eudoxos, einen griechischen Astronomen zu Platons Zeit, zurückgeht und wohl am schreiendsten mit den frei im Weltraum schwebenden Himmelskörpern der neuen Astronomie contrastirt. Auf diesen Sphären ergehen sich der Reihe nach die sieben Planeten (geordnet nach ihren Umlanfszeiten: Mond, Mercur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn) in ihren verwickelten eigenen Bewegungen, bis zu der äußersten achten, an welcher die Fixsterne feststehen. Diese reißt bei ihrem täglichen Umschwung, der sogenannten ersten und allgemeinen Bewegung (,,motus primi mobilis"), alle übrigen, die Planetensphären, mit sich fort, und wird selbst durch eine zweite Fisternsphäre langsam in einem Zeitraum von etwa 25000 Jahren herumgeführt. Durch dieses Sphärenwerk erklärte man einestheils die tägliche Bewegung aller Gestirne, an welchen auch die Planeten Theil nehmen, anderntheils die schon von Hipparch durch Vergleichung seiner eigenen mit den frühesten alexandrinischen Beobachtungen entdeckte allgemeine Berschiebung der Firsterne (ihre sogenannte „Präcession“), welche in Wirklichkeit ebenfalls auf einer Bewegung der Erde beruht, bei welcher sich ihr Aequator längs ihrer Bahn verschiebt.

Kepler bezieht sich öfters auf die,,solidas sphaeras“ oder,,solidos orbes" und schreibt Tycho das Verdienst zu, deren Nichtigkeit aus den Durchgängen der Kometen aufs gründlichste bewiesen zu haben, indem derselbe aus Beobachtungen auf ihre großen Entfernungen und somit auf ihre Stellungen in den Planetenräumen (anstatt, wie man sonst glaubte, in der Atmosphäre der Erde) schließen konnte. Wurde Tycho wegen der Versetzung der Kometen unter die Himmelskörper angefeindet und selbst verkezert, so legte

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