Billeder på siden
PDF
ePub

Arsinoe, Gemahlin des Ptolemaeus II., grossartige Feierlichkeiten zum Adonisfeste veranstaltet hat. Praxinoa putzt sich unter dem nöthigen Schelten auf ihre Magd. Beide Freundinnen betreten die Strasse; ziehen unter dem Wogendrange der Menge zum Königshofe; fragen eine alte Frau, die ihnen begegnet, ob es leicht sei hineinzukommen und erhalten den orakelhaften Bescheid,, Wagner gewinnt" (v. 62); drängeln sich mit Mühe und Noth zu dem Schauplatze; bewundern die Herrlichkeiten; hören das Loblied, das eine Sängerin anstimmt, und kehren reich befriedigt nach Hause. Denn der Brummbär von Ehemann wartet auf das Frühstück. Das Alles erfahren wir aus dem Gespräche der Weiber, in welches sich insbesondere ein Mann (v. 87 flg.) mit hinein mengt, den unsere Freundinnen gehörig abtrumpfen, als er sich ihr,,braites" dorisches Gewäsch (lateiakovov), mit dem die,, Staarmätze" ihn schier todt machen, verbeten und ihnen Ruhe geboten hat. Ergötzen wir uns nun auch an der gelungenen Schilderung der weiblichen Charaktere, welche uns hier der Dichter vorführt, so liest man doch zwischen den Zeilen hindurch das künstlich angebrachte Lob auf den König Ptolemaeus (v. 46) und seine Gattin (v. 110), ein Lob, das um so feiner ist, als es aus dem Munde der plaudernden Weiber scheinbar zufällig, und in dem Liede der eingeführten Sängerinn völlig natürlich klingt.

[ocr errors]

Eine gleiche Bewandtniss hat es mit der vierzehnten Idylle. Dort klagt ein junger Brausekopf seinem Freunde, wie höhnisch seine Geliebte bei einem fröhlichen Gelage ihn behandelt habe, berichtet, dass er hinter ihre Treulosigkeit gekommen sei, und äussert, er wisse kein anderes Mittel seines Grames Meister zu werden, als in die weite Welt und unter die Soldaten zu gehen. Der Andere billigt dieses Vorhaben und räth ihm, sich nach Aegypten zum Heere des Ptolemaeus zu begeben. Denn einen besseren Soldherrn gebe es nicht für einen freien Mann. Der Erstere fragt weiter über den König, und so schliesst das Gedicht mit einem reichen Lobe der Herrschertugenden des Ptolemaeus, einem Lobe, was um so gelungener eingeflochten ist, als dasselbe im Verlaufe des Gespräches ganz ungesucht ausgesprochen wird.

Auch die zweite Idylle müssen wir als ein Monodrama betrachten, dessen Grundzüge unser Dichter einem Mimus des Sophron entlehnte, welcher den Titel qaquanɛvτqiαι hatte 18), was aber dem Ruhme unsres Dichters keinen Abbruch thut. Denn Originalität in der Behandlung kann ihm nicht abgesprochen werden; ja, die Gewalt der geschilderten Leidenschaft, der Wechsel der Gefühle, die treue Zeichnung des weiblichen Wesens, machen dieses Gedicht zu einem der schönsten des Alterthums. Racine soll gesagt haben:,, qu'il n'a rien vu de plus vif et de plus beau dans toute l'antiquité que la Magicienne de Théocrite". Longepierre

18) Siehe meine gr. Ausg. I p. 70.

urtheilt so:,, cette idylle est, à mon gré, la plus belle de Théocrite et peut-être nous reste-t-il peu de morceaux de l'antiquité aussi parfaits. Il y règne d'un bout à l'autre un génie, une vivacité, une force d'expression, et surtout un pathétique qui touche et qui attache agréablement "19). Diese Vorzüge sieht man besten, wenn man jene Dichtung mit Virgils Nachahmung (Eclog. 8, 64) vergleicht.

am

Aus dem bisher Gesagten erhellt, dass die drei besprochenen Idyllen Theokrits in ihrem Inhalte dem Leser etwas ganz anderes bieten, als er erwartet, wenn er das Wort Idylle bisher nur aus Gessners gleichnamigen Schilderungen einer harmlosen Schäferwelt gekannt hat. Aber allerdings führen uns eine Anzahl Theokritischer Gedichte auch in die Hirten- oder Schäferwelt, wenn auch nicht in so eine ideale 20), wie vielleicht mancher Idiot denkt. Das sind die Gedichte, welche wir schon oben mit dem Namen bukolische Gedichte bezeichnet haben.

War es nämlich von vorn herein besonders Sophrons Beispiel, welches unseren Dichter zu einer poetischen Schilderung aus dem Leben gegriffener Charaktere veranlasste, so führte vorzüglich eine Seite des Lebens in Sicilien durch seinen besonderen Reiz ihn zu dem Gebiete der Poesie, in welchem er unsterblich geworden ist. Sicilien war ein Hirtenland; Pindar (Olymp. 1, 12) nennt es geradezu πολύμαλος Σικελία. Das Leben der Hirten in ihrer Waldeinsamkeit übt auf jedes unverdorbene Gemüth einen mächtigen Zauber. Musik und Gesang sind der natürliche Zeitvertreib der Hirten auf ihren Triften. Denn Gesang, Lied, Syrinxklang sind so alt als das Geschlecht der Hirten, die schon auf Achilles' Schilde Hephästos' kundige Hand (Iliad. 18, 525) ausprägte, wie am Spiele der Syrinx sie sich ergötzen. Wahr ist es, was Lucr. 5, 1378 singt:

At liquidas avium voces imitarier ore

Ante fuit multo, quam levia carmina cantu
Concelebrare homines possent, aureisque iuvare.
Et Zephyri cava per calamorum sibila primum
Agresteis docuere cavas inflare cicutas.
Inde minutatim dulceis didicere querelas,
Tibia quas fondit, digiteis pulsata canentum,
Avia per nemora ac silvas saltusque reperta,
Per loca pastorum deserta, atque otia dia.

Das Poetische, was das Hirtenleben überhaupt hat, mochte sich bei den sicilischen Hirten noch besonders deutlich zeigen. Sie waren reich an Liedern, Gesängen und Weisen, reich an Sagen

19) Adert, Théocr. p. 49. Didot les idylles de Théocrite, traduites en vers français par Firmin Didot. Paris 1833, 8. p. 423.

20) Hora. Art. poet. 317 respicere exemplar vitae morumque iubebo doctum imitatorem, et veras hinc ducere voces.

von Hirten, unter denen Daphnis der berühmteste ist 21). Ueber diesen Daphnis gab es verschiedene Sagen. Nach Diodor. Sic. 4, 84, Parthen. Erot. 29 und Aelian. Var. Hist. 10, 18 war er der Sohn des Hermes und einer Nymphe. Diese setzte ihn aus in einem Lorbeerhaine, wovon er den Namen Дáqvis erhielt. Die Nymphen erzogen ihn, Pan selbst unterwies ihn im Flötenspielen (Serv. zu Virg. Ecl. 5, 20). Er ward ein Hirte, der viele Herden weidete. Die Lieder, die er erfand, lebten nach ihm in Sicilien fort. Er jagte auch mit der Artemis und ergötzte die Göttin mit seiner Syrinx und seinen bukolischen Weisen. Als treuer Diener der jungfräulichen Artemis vermass er sich und betheuerte, er werde nie der Macht der Liebe unterliegen. Dadurch erregte er den Zorn der Aphrodite, welche ihm Liebe zu einem Mädchen einflösste, das ihn ihrerseits auch leidenschaftlich liebte (Id. 1, 82). Daphnis mied sie, die ihn nun vergebens in Wald und Berg suchte. Er suchte die Leidenschaft in seinem Herzen zu bezwingen, er wollte mit Eros ringen (Id. 1, 97). Aber der Kampf war vergeblich. Er unterlag und schmachtete (étýxeto, Id. 1, 66), sein Lebensfaden riss (Id. 1, 139-140), er verschied zum Leidwesen der Musen und Nymphen. So erzählt Theokrit Id. 1, 64 flg. die Leiden des Daphnis. Nach einer anderen Sage liebte er eine Nymphe, welche ihm verkündigte, dass er erblinden werde, wenn er je eine Sterbliche liebe. Eine Königstochter wusste ihn aber trunken und der Nymphe ungetreu zu machen. Alsbald ging die Drohung der Nymphe in Erfüllung. Nach einer Sage beim Schol. zu Theocr. 8, 92 stürzte er in der Blindheit einen Abhang herab. Ovid. Met. 4, 278 lässt ihn von der eifersüchtigen Nymphe in einen Stein verwandelt werden. Nach Servius 1. 1. entrückte ihn Hermes in den Himmel und liess an jener Stätte einen Brunnen entspringen, an dem noch später geopfert wurde 22).

[ocr errors]

Der Ruf der sicilischen Hirtenlieder war weit verbreitet, das Eigenthümliche ihrer Weisen anziehend. An gewissen Festen kamen die Hirten singend in die Stadt - man könnte an die Pifferari erinnern, die in der Adventszeit aus den Abruzzen nach Rom kommen und liessen sich dort in Wettgesängen 23) hören, von denen wir uns aus Id. 5 und 8 eine genaue Vorstellung machen können. Ueberbleibsel solcher poetischer Wettstreite will man noch in neuerer Zeit in Sicilien und auf den balearischen Inseln angetroffen haben 24). Ein offenes, für die Freuden der Natur empfängliches Gemüth, wie es Theokrit hatte (vgl. Id. 7 Schluss,

21) Dazu kommen Komatas (Theokr. 7, 78), Menalk as (s. Anm. zu 8, 2), Diomus (Athen. 14 p. 619, A. Welcker kl. Schr. 1 p. 410). 22) Weiteres über Daphnis, dessen tragisches Ende schon Stesichorus besang, s. grosse Ausg. I p. 12.

23) S. de poet. bucol. p. 13. Hauler p. 43.

24) S. de poet. buc. p. 14 ***). Areth. p. 7. Nachtr. zu Sulzer 1, 1 p. 103 *).

Id. 6 Schluss), konnte leicht durch diese poetische Seite des Hirtenlebens angezogen werden, um so mehr in der Zeit, in welcher er lebte. Es ist dies die Epoche der griechischen Litteratur, welche man kurz die alexandrinische nennt. Nach dem Untergange von Griechenlands politischer Freiheit waren zwei der mächtigsten Triebfedern aller wahren Poesie verschwunden, die volle, hingebende Liebe für das Vaterland und die religiöse Begeisterung, ohne welche auch dem Heiden kein Gedicht von bleibendem Werthe möglich war. Denn fehlte ihm auch die reine Gotteserkenntniss, so belebte ihn doch, wie wir namentlich an Pindar sehen, die Ahnung des lebendigen, ihnen,, unbekannten Gottes" (Apostelgesch. 17, 23), der, da die Zeit erfüllet war, sich der Welt offenbarte. Dieser Offenbarung hatte von der Zeit des peloponnesischen Krieges an die berufene Zweifelsucht der Sophisten und später die der Philosophen der sogenannten neueren Akademie - um Anderes hier zu übergehen vorgearbeitet. Der Glaube an die Wirklichkeit der Götzen war bereits wankend geworden, Ptolemäus hatte seinen Aeltern Tempel und Altäre errichtet (Id. 17, 123), die Zeit der von Schiller fälschlich so genannten Ideale war verschwunden. Aber ein Ersatz war der ängstlich aufschauenden Seele nicht geboten. Es war die Zeit der ,,harrenden Creatur" (Röm. 8, 22), da erst unter Kaiser Augustus das wahrhaftige Licht, das alle Welt erleuchtet, erscheinen sollte, dessen Abglanz auch die wahre, die christliche Poesie hervorrief. Die Namen der Musen und übrigen Gottheiten waren dem Gebildeten damals nur Schemen und allegorische Figuren. Eben so wenig aber konnte in der Zeit der Ptolemäer das Herz so warm für das Vaterland schlagen, wie damals, als Aeschylos den Sieg der Griechen über die Perser verherrlichte. So entfremdete sich die Poesie immer mehr dem Leben. Nun war aber in Alexandrien unter den Ptolemäern eine Stubengelehrsamkeit entstanden, welche die Meistersänger des alten Hellenenthums, vor allen Homer, studirte, ihn als Quelle und Mittelpunkt der Poesie betrachtete und sich in seiner Nachahmung gefiel; freilich nur in äusserer Nachahmung. Der Genius war gewichen. Kunst oder Künstelei trat an die Stelle der Natur. Durch Prunk mit Gelehrsamkeit suchte man den Mangel an Ideen zu verdecken und es entstanden langweilige Gedichte, wie z. B. die Argonautica des Apollonius Rhodius. Siehe da! Was mühsam angeeignete Büchergelehrsamkeit nicht bieten konnte, das fand Theokrits scharfes, klares Auge noch im Volke, im Leben der Hirten, eine Ader der Poesie mit dem reinsten Metall. Man denke ferner an die bürgerlichen und Kriegsunruhen, denen Sicilien vor dem Beginn des ersten punischen Krieges ausgesetzt war, beachte die Sehnsucht nach dem Frieden, welche Id. 16, 82 flg. ausgesprochen ist, und glücklich erscheint da der Hirt in seinen einsamen Bergen, wo nicht die Waffen erklirren mit eisernem Klang, wo nicht der Wahn und

[ocr errors]

der Hass die Herzen verwirren. Hierzu kommt endlich der natürliche Contrast zwischen Stadt und Land 25), der sich um so nachdrücklicher dem Gefühl aufdrängt, je höher oder verfeinerter die Cultur des Städters ist. Der Geschäftsmann unter seinen Sorgen und Mühen, um von dem Hofmann gar nicht zu reden, preist den Landbewohner glücklich in seinem dolce far niente. Beatus ille qui procul negotiis, Ut prisca gens mortalium,

Paterna rura bobus exercet suis
Solutus omni fenore,

Neque excitatur classico miles truci
Neque horret iratum mare,

Forumque vitat et superba civium
Potentiorum limina.

In diesen Versen des Horaz (Epod. 2) liegen die Motive des ländlichen Gedichtes.

Tityre, tu patulae recubans sub tegmine fagi

ist nicht zufällig der erste Vers in Virgils Eclogen. Vgl. Theokr. 7, 69. 7, 88. 7, 133. So war es denn ein glücklicher Griff, den Theokrit that, als er dieses frische Leben des Landvolkes zum Gegenstande seiner Dichtungen machte; und diese Naturpoesie wurde von den Zeitgenossen mit Freude begrüsst, weil sie die Gefühle des Dichters theilten, weil ein Interesse für dieses Naturleben vorhanden war, ungefähr wie bei unseren Zeitgenossen ein Interesse für die Dorfgeschichten oder die Volkslieder. Wir sind berechtigt, ihn den Erfinder des bukolischen Gedichtes zu nennen, wenn auch Aelian Var. Hist. 10, 18 den Beginn der bukolischen Poesie schon bei Stesichorus, welcher den Tod des Daphnis besang, finden will, ja wir, noch weiter zurückgehend, sagen können, dass die ersten Keime bei Homer liegen. Oder wer dächte nicht sofort an das neunte Buch der Odyssee, an die Herden des Polyphem und seine völlig eingerichtete Milchwirthschaft? Oder wem schwebte nicht die Episode des sechsten Buches der Odyssee vor, wo Nausikaa Wäsche hält und dann mit ihren Jungfrauen am Meergestade Ball spielt? Theokrit aber hat das Verdienst, dass er die bukolische Poesie als solche zuerst in die Litteratur einführte.

Theokrits bukolische Gedichte können wir also als Mimen bezeichnen, die entweder als Monologe (Id. 3, Id. 11), oder als Dialoge (Id. 1, 4 u. s. w.) in sich abgeschlossene Scenen des ländlichen Lebens in poetischer Form

25) Bernhardy in der gr. Litteraturgeschichte behauptet mit Unrecht, Theokrit kenne diesen Contrast nicht. Aber er ist die Grundlage der ganzen siebenten Idylle (vgl. 7, 2 x mólios). Siehe auch Id. 16, 84 (ἄστυ) 95 (ποιμένας κτλ.). Iliad. 4, 455 τῶν δέ τε τηλόσε δοῦπον ἐν οὔρεσιν ἔκλυε ποιμήν.

« ForrigeFortsæt »