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Einleitung.

Theokrit gilt als Erfinder und Meister der Idylle oder, wie wir richtiger sagen, der antiken Hirtenpoesie oder der ẞovnoAixά. Als solcher hat er in alter und neuer Zeit begeisterte Lobredner und Nachahmer gefunden. Admirabilis in suo genere Theocritus, sagt Quintil. 10, 1, 551). Aus der römischen Litteratur nennen wir namentlich Virgil 2), welcher in den Eclogen auf mannigfache Weise, in Anlage der Gedichte, in Gedanken, in Gedankenausführung, in sprachlichem Ausdrucke und im Verse den Theokrit nachgeahmt oder mit ihm gewetteifert hat. Im vorigen Jahrhundert war es, um hier Anderes (vgl. S. 18) zu übergehen, Salomon Gessner, der sich ihn zum Muster für seine Idyllen nahm und den Namen des deutschen Theokrit erwarb, obwohl zwischen Gessners Idyllen und den gleichnamigen Dichtungen Theokrits ein viel grösserer Unterschied ist, als die meisten Halbgebildeten ahnen, und Hebel ein bedeutenderes Anrecht auf diesen Ehrennamen hat (s. S. 18). Wollen wir uns nun eine klare Vorstellung von dem Wesen dieser Poesien verschaffen, so müssen wir zunächst das Leben des Dichters und die Verhältnisse betrachten, unter welchen er dichtete.

Theokrits Leben 3).

Theokrit, der Sohn des Praxagoras und der Philine 4), war von Geburt ein Syrakusier oder, nach Anderen, ein Koer 5).

1) Vgl. p. 22 Anm. 45, p. 25 Anm. 56.

2) Die richtige Schreibart ist Vergilius, allein im Deutschen hat sich Virgil so eingebürgert, dass es eben so pedantisch oder manirirt aussieht, wenn Vergil geschrieben wird, wie es pedantisch oder manirirt aussieht, wenn man Lukianos u. dgl. schreibt.

3) Ueber das Leben des Theokrit s. Ad. Th. H. Fritzsche, de poetis Graecorum bucolicis. Gissae 1844, 8. J. Hauler, de Theocriti vita et carminibus. Friburgi Brisg. 1855, 8. J. Adert, Théocrite. Genève 1843, 8. Arethusa oder die bukolischen Dichter des Alterthums (von Finkenstein). 1. Th. Berlin 1789, 4. pag. 59. Aeltere Schriften s. bei Fabricius Bibl. Gr. 3 p. 764 Harl.

4) S. Epigr. 22,

5) S. de poet. buc. p. 3, wo ich mich für Kos als Geburtsort entschieden habe. Die von Ameis in Jahns Jahrbb. 1846 Band 45 p. 197 dagegen THEOKRIT VON FRITZSCHE, 2. Aufl.

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Erinnerungen an Kos sind in der schönen siebenten Idylle aufbewahrt. Er lebte in der Mitte des dritten Jahrhunderts vor Christi Geburt, sicher in den Jahren 265 bis 259 oder 2586). Wenn er sich in der siebenten Idylle (21 flg.) unter dem Namen Zuzidas einführt, so berechtigt uns das Scholion zu dieser Stelle in Verbindung mit anderen Notizen zu der Annahme, dass nach dem Tode seines Vaters sich seine Mutter mit einem Manne Namens luixos verheirathete7), dessen wahrhaft väterlicher Liebe Theokrit in jenem Gedichte ein Denkmal gesetzt hat, gerade so wie seinem Lehrer Philetas (7, 40) und seinen Freunden Phrasidamus und Antigenes (7, 3-4), Sicher ist dies, dass er einen grossen Theil seiner Bildung dem im Alterthum, namentlich von Properz (siehe Anm. zu Id. 7, 40) hochgefeierten Grammatiker — wir würden sagen Philologen- und Dichter Philetas schuldete, von dem er Id. 7, 40 mit der grössten Hochachtung spricht. Wo er den Unterricht dieses Mannes genossen habe, ob in Kos, oder in Alexandrien, ist nicht gewiss 8). Jedenfalls hielt sich aber Theokrit eine Zeit lang in Alexandrien, dem Sammelplatze der damaligen gelehrten Bildung, auf. Jedenfalls dort verfasste er Id. 17, das Loblied auf den König Ptolemaeus Philadelphus, welches im Jahr 259 oder 258 geschrieben ist; ingleichen Idylle 14 und Idylle 15, deren letzter Zweck ein Preis des Ptolemaeus ist, und das Gedicht Berenike, von dem sich ein Fragment erhalten hat. Dass er mit diesen Gedichten sich der Gunst des Königs empfehlen wollte, liegt auf der Hand; ob er aber sich dieser Gunst wirklich erfreut, oder ob er sie vielleicht später wieder verscherzt habe, das wissen wir nicht).

Als sein eigentliches Heimathsland betrachtete Theokrit Sicilien. Daher sagt er von dem Polyphem Id. 11, 7: ô Kúxlwy

ausgesprochenen Einwände sind beachtenswerth, aber eben so wenig schlagend als das von Hauler p. 6 Gesagte, was zum Theil auch nur auf Vermuthungen beruht.

6) Um das Jahr 265 a. Chr. ist Idylle 16, 259 oder 258 Idylle 17 geschrieben. S. meine grosse Ausg. II p. 61 und Arg. Id. 17.

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7) So Hauler p. 6 flg. Es hängt nämlich alles ab von dem richtigen Verständnisse des Scholion zu 7, 21. Dieses lautet bei Duebner P; 52 so: of μὲν αὐτόν φασι Θεόκριτον, καθὸ Σιμιχίδου (lies Σιμίχου) ἦν υἱός, ἢ κατὰ σιμὸς ἦν. οἱ δὲ ἕτερόν τινα τῶν σὺν αὐτῷ καὶ οὐ Θεόκριτον. φασὶ δὲ τὸν τοιοῦτον ἀπὸ πατρίου κληθῆναι Σιμιχίδου τοῦ Περικλέους τῶν Ορχομενίων, οἵτινες πολιτείας παρὰ Κῴοις τετυχήκασιν. Ameis, adn. in Theocr. p. 39 bezieht diese Worte auf den Grossvater des Theokrit. Für πατρίου hat aber cod. L πατρωιοῦ, wofür Hauler p. 6 πατρωοῦ conjicirt, was Ahrens schol. p. 244 mit eben dem Rechte aufgenommen hat, mit welchem er das diplomatisch begründete Σιμίχου für Σιμιχίδου schreibt. Unstatthaft ist Hartung's Conjectur Tatoos für naτowlov. Im litt. Centralbl. 1859 p. 39 wird nάrondev άluevos conjicirt Landesflüchtiger".

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8) Erstere Ansicht habe ich de poet. buc. p. 4, letztere Hauler p. 8 zu begründen gesucht.

9) Dass Id. 16, 64 auf Ptolemaeus gehe, lässt sich nicht beweisen.

ó лα' àμïv. Hier muss er, bevor er nach Alexandrien ging, sich um das Jahr 265 a. Chr. aufgehalten haben, als er die sechzehnte Idylle zur Verherrlichung des Königs Hiero II. von Syrakus schrieb, der aus der Geschichte des ersten punischen Krieges sattsam bekannt ist. Allein, so wahrscheinlich es auch ist, so lässt es sich doch nicht mit Bestimmtheit behaupten, dass Theokrit von Alexandrien aus, wo wir ihn um 259-258 treffen, wieder nach Sicilien zurückgekehrt sei. Wir können nur aus Id. 4 und 5 schliessen, dass er auch in Unteritalien wohl bekannt war. Eine Reise nach Milet unternahm er — wir wissen nicht wann zu seinem lieben Freunde, dem Arzte und Dichter Nicias, über den wir zu Id. 11 Einl. und 11, 6 gesprochen haben. Das lehrt Id. 28.

Als Theokrits theurer Freund erscheint ausserdem Id. 7, 98 Aratus, der bekannte Dichter aus Soli, der Verfasser der uns noch erhaltenen gaivóueva, dem Theokrit die 6. Idylle gewidmet und dessen Liebe er Id. 7, 98 flg. besungen hat. Ueber mehrere der in der siebenten Idylle ausser Aratus von Vers 1 an noch genannten Personen hat die Poesie theilweise einen solchen Schleier gewebt, dass wir hinter ihm zwar wirkliche Personen errathen, aber die Gesichter nicht erkennen können, während die Namen der edlen Männer von Kos, Phrasidamus und Antigenes (7, 3-4), und des Dichters Philetas (7, 40) feststehen.

Ein Mährchen über Theokrits Tod, dass er nämlich den Sohn des Hiero verspottet und, weil er mit Schimpfen nicht aufgehört habe, endlich auf Hieros Befehl gehenkt oder geköpft worden sei, wurde vor Zeiten geglaubt, ist aber von mir bereits früher widerlegt worden 10).

Mehr lässt sich über das Leben Theokrits nicht sagen. Wir wenden uns zu näherer Betrachtung seiner Dichtungen.

Theokrits Dichtungen.

Die schönsten Gedichte Theokrits sind die bukolischen (von βουκόλος, der Rinderhirt, βουκολιάζεσθαι überhaupt ein Hirtenlied singen, Id. 7, 36), d. h. diejenigen, welche das Hirtenleben oder Landleben (Id. 10, 7) im Allgemeinen schildern, nämlich Id. 1. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. Sie haben meist die Form des Gespräches, weshalb wir die Mehrzahl auch mimisch nennen und der Form nach mit Id. 14. 15 in Verbindung bringen können, wo ebenfalls mehrere Personen redend eingeführt sind. Hierzu kommt ein Monodrama (um so zu sagen), die zweite Idylle, wo

10) S. de poet. buc. p. 9 flg. Von Theokrit dem Chier erzählt Plut. Symp. 2, 1, 9 Αντίγονος Θεόκριτον τὸν Χῖον ἀπέκτεινεν, ὅτι, φήσαντός τινος, εἰς τοὺς ὀφθαλμοὺς ἂν τοῦ βασιλέως παραγένηται, σωθῆναι· ἀλλ ̓ ἐμοί, εἶπεν, ἀδύνατα φῂς τὰ τῆς σωτηρίας.

eine Zauberin die Hauptperson, ihre Dienerin (2, 1 flg.) stumme Person ist. Ausser diesen besitzen wir noch von Theokrit epische Gedichte (Id. 13. 16. 17. 22. 24. 25. 26), lyrische (Id. 12. 18. 28. 29. 30) und Epigramme. Idylle 19. 20. 21. 23. 27, das tändelnde Gedicht auf den Tod des Adonis und die Syrinx sind unächt. Was den Namen Idylle anbelangt, mit dem wir jetzt xar' oxýv ländliche Gedichte zu bezeichnen pflegen, so ist dieser nur allgemeiner Titel für die verschiedenartigen Poesien, welche wir hier vereinigt finden, und liesse sich, wie weiter unten gezeigt werden soll, etwa durch den modernen Ausdruck Genrebilder oder in sich abgeschlossene Kleinbilder wiedergeben. Letzterer Ausdruck passt insofern sehr gut, weil einzelne Momente uns in der That an Werke der alten plastischen Kunst erinnern, z. B. Id. 7, 711). Seinen Dichterruhm verdankt Theokrit den bukolischen und mimischen Gedichten. Ueber sie müssen wir zuerst handeln 12).

Wie bei den heutigen Italienern die Improvisatoren eine Rolle spielen, so hörten schon die alten Bewohner Unteritaliens und Siciliens die Vorträge und Spässe der γελωτοποιοί, ἠθολόγοι, αὐ τοκάβδαλοι, ἱλαρῳδοί, λογόμιμοι, scurrae, welche komische Momente oder Charaktere, Betrunkene, Verliebte, Schmarotzer u. dgl. bei Festen oder Gastmählern bald pantomimisch, bald in einem improvisirten Dialoge darstellten, mit Vorliebe an. Horaz erzählt Sat. 1, 5, 51 von der angenehmen Unterhaltung, welche dem Mäcenas und seinen Begleitern auf der Reise nach Brundisium

11) Vgl. Buecheler, Rhein. Mus. XV p. 454 flg.

12) Ueber die bukolische Poesie vgl. meine Abhandl. de poet. Gr. bucol. p. 11 flg. Zimmermann in der Uebersetzung des Theokrit, Stuttg. 1856, 16. p. 25 flg. Notter in Theokrit's Idyllen u. s. w. deutsch von Mörike und Notter, Stuttg. 1855. kl. 8. p. 1 flg. Adert p. 3 flg. Finkenstein in der Arethusa p. 4 fig. Naeke, opusc. phil. I. Bonn. 1842 p. 163. Welcker, über den Ursprung des Hirtenliedes, in dessen klein. Schriften 1. Thl. Bonn. 1844. P. Souillé, de idyllio Theocriteo, Paris et Andegav. 1860 p. 60 flg. E. Egger, mémoire sur la poésie pastorale avant les poètes buc. Paris. 1859 p. 2 flg. Sinner, recherches sur la poésie pastorale, Paris. 1842. E. Roux, de idyllio Theocr. Paris. 1847. Nur für den Litteraturhistoriker von Werth sind folgende Abhandlungen: Heyne, de carmine bucolico, in dessen Ausg. des Virgil Bd. 1. Warton, de poesi bucolica Graecorum, in dessen Ausg. des Theokrit tom. I p. XXI. Manso, Theokrit, in den Nachträgen zu Sulzers allg. Theorie der schönen Künste. 1. Bd. 1. Stück p. 89. R. Polwhele, the pastoral Idyllia, in dessen Uebersetzung der Bukoliker ed. Lond. 1811, II p. 12. Fr. Schlegel, über das Idyll und die bukol. Dichter der Alten, in dessen sämmtl. Werken. Wien 1822, Bd. 4 p. 60. Fraguier, sur l'eclogue, in den Mémoir. de l'Académ. des Inscriptions tom. II p. 132. Jacques Hardion, discours sur les bergers de Théocrite, in den Mémoir. de l'Académ. des Inscriptions tom. IV p. 534. tom. VI p. 459. Discourse on pastoral poetry, in Alex. Pope's Works. Lond. 1752. Bd. 1 p. 39. Ger. Ioann. Vossii poet. institt. Amstelod. 1647, 4. libr. III cap. 8.

durch die in der That gemeinen Witze der scurrae Messius und Sarmentus bereitet worden sei: ,prorsus iucunde coenam producimus illam" (v. 70). Tarent wird namentlich als ein Hauptsitz der in Campanien bei Volksfesten gepflegten komischen Improvisation genannt 13). Ein heiteres Naturel und unverwüstliche Spottund Lachlust wird aber ganz besonders den Bewohnern Siciliens nachgerühmt. Nunquam tam male est Siculis, quin aliquid facete et commode dicant, sagt Cic. in Verr. act. II. libr. IV. cap. 43. Nicht nur die Komödie bildete sich bei ihnen durch Epicharmus (dessen Blüthezeit 490-480 a. Chr.) in eigenthümlicher Weise aus 14), sondern auch kleinere, Komödien ähnliche, Stücke wurden dort verfasst. Ich meine damit um Anderes zu übergehen namentlich die selbst von Plato hoch geschätzten uiuoi des Sophron um 420 a. Chr. und seines Sohnes Xenarchus. Diess waren nicht eigentliche Komödien, sondern Dialoge oder kleine Scenen in rhythmischer Prosa, in welchen das Leben und Treiben von Leuten aus der niedrigen Volksklasse in ihrer Denkund Redeweise dargestellt wurde, die bald durch Spässe ergötzten, bald durch einen ernsteren Gedanken und wär's nur Sprüchwort, wahr Wort, gewesen die Aufmerksamkeit fesselten. Selbst die gemeine Sprache, das rohe dorische, in Sicilien landläufige Patois, um die Sache durch einen modernen Ausdruck anzudeuten, hielt Sophron fest. Man könnte diese Mimen etwa mit dem Eckensteher Nante und den Berliner Guckkastenbildern oder mit Görge und Marje uf der Redutte in Alm'rig (= Altenburg) und ähnlichen Stückchen unserer Zeit vergleichen 15). Theokrit trat nun in Sophrons Fusstapfen 16) und bildete diese Mimen in Sprache und Vers (Hexameter) künstlicher aus. Am deutlichsten sieht man diess aus der fünfzehnten Idylle, welche nach den Berichten des Scholiasten 17) in der Anlage einem Mimus des Sophron nachgebildet ist. Wir haben dort ein kleines Drama. Es spielt in Alexandrien. Eine Frau, Gorgo, kommt zu ihrer guten Freundin, Praxinoa, klatscht mit ihr, zieht ächt weiblich über ihren lieben Ehegatten los, was die Andere ihrestheils auch thut, und fordert endlich die Freundin auf mit ihr zur Königsburg zu gehen, wo die Königin

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13) Vgl. Plat. Legg. 1 p. 637, B. Bode, Gesch. der hellen. Dichtk. 3 p. 96.

14) Vgl. Theokr. Epigr. 17. Aug. O. Fr. Lorenz, Leben u. Schriften d. Epicharm. Berl. 1864 p. 56. Die Fragmente Epicharms bei Ahrens, Dial. Dor. p. 435.

15) L. Botzon, de Sophrone et Xenarcho mimographis. Lyccae 1856. Derselbe Sophronis reliqq. Marienb. 1867. Die Fragmente auch bei Ahrens p. 464.

16) Der Beifall, den die planes des Rhinthon aus Tarent (um 300), die Dichtungen des Blaesus und ähnliche Stücke fanden, mag nebst anderen Umständen mit dazu gewirkt haben.

17) Hypoth. zu Theokr. 15 p. 26 Ahr. nagέnlace de tò noinuatiov ἐκ τῶν παρὰ Σώφρονι θεωμένων τὰ Ἴσθμια. Vgl. gr. Ausg. Band 2 p. 32.

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