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Genugthuung zu verschaffen. Die deutschen Blätter vereinigen sich wenigstens zu dem Rathe: den Weg über Liverpool wie die Pest zu meiden. Die Hamburger und Bremer Schiffe, so gering auch immer der Comfort sein mag, welchen sie namentlich Zwischendeckspassagieren gewähren, sind doch wahre Paläste und Heilanstalten im Vergleich zu den Liverpooler Mordkasten.

Trotzdem Präsident Pierce in seiner Jahresbotschaft an den Congress ausdrücklich gebeten hat, die Bedeutung der Einwanderung für Amerika nicht zu überschätzen, stimmen doch so ziemlich alle Organe der öffentlichen Meinung darin überein, dass sie ein unberechenbarer Segen, oder vielmehr ein berechenbarer, für die Union ist, denn es hat vor einigen Wochen der hiesige Herald sehr kaltblütig calculirt, dass jeder Einwanderer mindestens so viel Capitalwerth habe, als ein Negersclave, etwa $ 1000, und dass somit an dem Schiffe Constellation allein ein baarer Schade von $ 100,000 erwachsen sei. Allein so gewinnbringend immer die Emigration vom allgemeinen volkswirthschaftlichen Gesichtspunkte erscheinen möge, so peinliche Wirkungen äussert sie in den engeren localen Kreisen, gegen welche der Hauptstrom zuerst anbrandet. Während die wohlhabenden Einwanderer, die straffen, markigen Bauern aus Oldenburg, Mecklenburg etc. nach Westen ziehen und sich dort in den Urwäldern oder auf den weiten fruchtbaren Prärien eine Heimath gründen, bleibt das ärmste und jammervollste Bettelvolk, bleiben namentlich die systematisch verlumpten und verganteten Schwaben in New-York kleben, überfüllen den Arbeitsmarkt und drücken von Jahr zu Jahr die Löhne tiefer herab. In manchen Fällen sind sie schon wenn auch nur auf der obersten Stufe der deutschen Lohnscala angekommen. Solche Gewerbe, in welchen der Natur der Sache nach die Immigration nur wenig concurriren kann, z. B. die der Schiffszimmerleute, Schiffsschreiner etc. sind immer noch lohnend genug und der durchschnittliche Tagelohn sinkt wohl selten unter 21/4 Doll.,. dagegen müssen Schneider, Schuhmacher, Bäcker etc. schon seelensfroh sein, wenn sie nur 4-5 Dollars die ganze Woche verdienen und im Winter behelfen sie sich wohl mit noch wenigerm. Dabei müssen Sie bedenken, dass nachweislich in New-York das Leben noch mindestens um 10 Procent theurer ist, als in London. Es begreift sich unter solchen Umständen leicht, dass besonders die arbeitenden Volksklassen die von Jahr zu Jahr steigende Einwanderung mit scheelen Augen ansehen.

Doch wenn ich Ihnen hier die ersten Anfänge eines Uebergangs in das Proletariat zeige, so habe ich damit noch keineswegs das Maass der Missstände erschöpft, welche die Einwanderung in unsern localen Verhältnissen hervorbringt. Auf der tiefsten Stufe des Elendes stehen die Aermsten, welche, ohne Kenntniss eines bestimmten Gewerbes, als blosse Handarbeiter oder Taglöhner herüberkamen und nicht mehr die Mittel hatten, um nach dem Westen zu gehen, wo (z. B. an der Illinois-Eisenbahn) der Taglohn des gewöhnlichsten Erdarbeiters noch auf $ 1,12 (1 Thlr. 1712 Sgr.) steht. Meistens sind dies arme Landbewohner aus Süddeutschland, wo in einigen Gegenden die Behörden so barbarische Philanthropen sind, um ihre armen Gemeindemitglieder kostenfrei nach New-York zu schaffen, wo sie ohne einen rothen Kreuzer in der Tasche, oft mit zahlreicher Familie anlangen. Wenn sie die ersten Hungertage oder Wochen glücklich überstanden haben, ohne sich die Kehle abzuschneiden oder ins Wasser zu springen, wobei sie noch die Freude haben können, von einer heuchlerischen Wassermuckerjury zu Trunkenbolden gestempelt zu werden, so bequemen sie sich meist dazu, Haken und Korb in die Hand zu nehmen und die schon an 3000 Mann starke Armee der Lumpensammler zu vermehren, die zu mindestens 95 Procent ausschliesslich aus Deutschen besteht. Diese Chiffoniers (Rag gatherers) bewohnen fast sämmtlich ein eigenes Quartier der Stadt, das unter dem Namen Little Germany bekannt ist. Es besteht aus hohen kasernenartigen Gebäuden von je 4 Fenstern Front (ich habe wohl schon früher notirt, dass hier fast alle Häuser nach der Schablone gebaut werden; in ganz New-York hat man nur drei Hausmuster, die sich in zehntausenden von Copien wiederholen); jedes Stockwerk enthält 4 Wohnungen, die je aus einer Stube (von 12' Länge bei 10' Breite) und einer Kammer oder vielmehr einem Alkoven ohne Fenster bestehen, so dass die ganze verfügbare Grundfläche der Wohnung ungefähr 200 Quadratfuss beträgt. Die Miethe dafür ist je nach der Höhe des Stockes und danach,

ob die Wohnung nach der Strasse oder nach dem Hofraume zu geht, 51/2, 5, 4, in seltenen Fällen 312 Dollars pro Monat, so dass manche Häuser ihren Eigenthümern jährlich 30, 40, ja vielleicht 50 Procent des Anlagecapitals einbringen. Auf jenen 200 Quadratfuss Raum nun wohnt, kocht, isst, schläft eine Familie, deren grösster und einziger Segen in dem Abrahams besteht, und nicht bloss alles Das, sondern sie hat auch hier ihre 'Waare' für die wöchentlich ein oder zweimal vorsprechenden Aufkäufer in Stand zu setzen, d. h. die gesammelten Lumpen zu sortiren, etwas zu reinigen (in welchem Falle sie besser bezahlt werden) und zu trocknen, wenn für das Letztere nicht eine schmale hölzerne Gallerie an der Hinterseite des Hauses angebracht ist. Die ganze Familie, vom Grossvater bis zum 5jährigen Enkelkinde herab, ist von Tagesanbruch bis spät am Abend an ihrem ekelhaften Geschäfte. Wie in Paris haben die Chiffoniers sich zunftartig organisirt und die Strassen unter sich vertheilt. Der Ertrag ihrer wöchentlichen Arbeit hängt sehr von Umständen ab. Familien mit vielen Kindern bringen ihr Verdienst wohl bis zu 6 und 7 Doll. in der Woche, andere sind mit 3 oder 4 zufrieden. So viel ersieht sich aus diesen Zahlen, dass die Lage der Leute noch nicht eine so jammervolle ist, wie die der Pariser oder Londoner Lumpensammler. In der That würden Sie sich sehr irren, wenn Sie viele Exemplare des Pyatschen Chiffonier unter ihnen zu finden glaubten. In ihrer grossen Mehrheit sind die Bewohner von 'Little Germany' ein ziemlich zufriedenes, gemüthliches Völkchen, das sich in dem Unflath, worin es sich bewegt, ganz behaglich fühlt. Das Bewusstsein, in einem Lande zu leben, wo ihnen noch immer nicht die gewisse Aussicht auf eine bessere Zukunft abgeschnitten ist, giebt ihrem Geiste Elasticität. Sie betrachten ihre Lage nur als eine vorübergehende und fast Alle sparen sich durch Entbehrungen aller Art (und indem sie zu ihren Lebensbedürfnissen, wie Kleidung, Nahrung und Heizung, die auf den Gassen aufgelesenen Ueberreste verwenden) ein kleines Capital zusammen, mit welchem sie sich im Westen, sei es auch nur auf Congressland, ansiedeln können. 46 Jahre reichen in den meisten Fällen hin, um dies Capital zu schaffen. So weit geht dabei die Sparsamkeit nicht, dass nicht wenigstens der Sonntag der deutschen Gemüthlichkeit', diesem hier zu Lande etwas unklaren Begriffe, der meistens in Bier und Pfeife übersetzt wird, gewidmet werden sollte. An Sonntag-Abenden finden Sie die Kellerlocale in 'Klein Deutschland' dicht gefüllt mit den stattlich aufgeputzten Lumpensammlern und ihren ‘ladies', denen bei solcher Gelegenheit Niemand, oder sicher wenigstens kein Grüner ihr Wochengewerbe ansehen würde, denn für ein seidenes Kleid und ein weisses 'Atlasbonnet' muss selbst bei eines Lumpensammlers Weibe Rath geschafft werden. Manche ehrsame deutsche Bürgerfrau würde solch eine Lady für 'was Rechts' halten und ihr einen ergebensten Knix machen. Immerhin mögen Sie über derartige 'Nivellirung' die Nase rümpfen und auch mich ekelt es an, wenn die brutalste und stumpfsinnigste Unbildung, wie sie uns hier zum Theil aus dem Vaterlande Göthe's und Humboldt's importirt wird, sich hinter seidene Lappen zu verstecken sucht, ohne dass es ihr gelänge, den Verständigen über ihr Wesen zu täuschen; allein übersehen Sie auf der andern Seite auch nicht, dass die Gleichstellung der äussern Erscheinung und die Unerkennbarkeit verschiedener Gesellschaftsklassen an Rock und Kleid ein nicht unwesentliches Moment zur Erhaltung des republikanischen Selbstgefühls ist.

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Auf dem Lande, wo noch nirgends durch schroffe gesellschaftliche Gegensätze die republikanische Sitte zur Carricatur geworden ist, zeigt sich diese Gleichstellung in erquicklichster Weise. Ihr Correspondent kennt das aus eigner unmittelbarster Anschauung, denn er hat sich selbst im Farmerleben versucht. Ich verkaufte einmal einem jungen Manne, welcher die Stelle eines Pferdeknechtes (driver) bei einem Bauern bekleidete, eine selige deutsche Reminiscenz in Form eines Paares buttergelber Pariser Glacéhandschuhe, die der Jüngling zur Vervollständigung seiner aus modernstem schwarzen Frack, ditto What-do-you-call'ems und der unvermeidlichen schwarzen Sammetweste (mit goldener Cylinderuhr) bestehenden Sonntagstoilette bedurfte. Beiläufig, Ihre Leser dürfen mich nicht für einen Handschuh-Hausirer halten. Doch als rasch acclimatisirter Yankee konnte ich unmöglich auf die Frage: 'How d'ye sell 'em' eine ausweichende Antwort geben. Halten Sie es nun für Uebertreibung oder nicht, aber es ist wirklich wahr, dass man auf manchen

Yankeedörfern in Gefahr kommt, für einen Simpel zu gelten, wenn man sich nicht bereit zeigt, zur Noth selbst seine Kleider vom Leibe zu verkaufen, vorausgesetzt natürlich, dass man einen anständigen Profit daran macht.

Indessen, das beiläufig. Was ich eigentlich sagen wollte ist dies, dass es in den grossen Küstenstädten und namentlich hier in der Empire City schon sehr anders als auf dem Lande ist. An Wochentagen macht New-York fast den Eindruck einer europäischen Stadt. Die Aehnlichkeit erstreckt sich sogar bis auf die Bettler, noch vor einem Jahrzehnte eine völlig unbekannte Figur. Namentlich zerlumpte Kindergestalten nicht bloss die fliegenden Buchhändler, news boys, bei welchen der schlechte Anzug wesentlich mit zur Geschäftsspeculation gehört, sondern dürftige, abgehärmte und sieche kleine Mädchen, die mit Streichhölzern, Zahnstochern oder dergl. handeln, resp. betteln, erinnern lebhaft an Berlin. Eben jetzt sind diese Gestalten ein Modeartikel in jener süsslich-sentimentalen Feuilletonliteratur geworden, für welche jede Zeitung, die auf den Namen eines familypaper Anspruch macht, einen kleinen Winkel übrig haben muss. Besonders sind es die Times und der Tribune, welche täglich larmoyante und verwässerte Armuthsgeschichten mit christenthümelndem Schlussreim auftischen. Unter den Damen unserer haute volée ist die Eugen Sue'sche Rudolpherei schon seit einiger Zeit förmliche Rage und wenigstens hat diese Mode das Gute, dass wirklich in substantiellster Weise jenes ursprünglich aus prickelnden Nerven hervorgegangene Mitleid bethätigt wird. Es hat sich eine 'Mission' für die 'five points' (das verrufenste und elendeste Stadtviertel, entsprechend der nächsten Umgebung des Pariser Justizpalastes) gebildet, die es sich schweres Geld kosten lässt, um neben der moralischen auch die materielle Lage der tief gesunkenen Bewohner unserer Stadt zu heben.

Wie seiner Zeit der Onkeltomismus, so ist jetzt diese sentimental ausgeblümte Anatomie der gesellschaftlichen Krebsschäden auch in den weniger ausgewählten Kreisen beliebt geworden. So macht denn das National Theatre volle Häuser mit einer dramatischen Simpelei des Tribune, welche diesem Genre angehört und den etwas seltsamen Titel führt: 'the hot corn girl'. Zur Erklärung diene, dass hot corn eine beliebte Speise der unteren Volksklassen ist (es ist in Wasser weich gesottenes, unreifes, noch milchiges Welschkorn, das den Geschmack junger Zuckererbsen hat) und um die Saison des Maises von armen Mädchen auf der Strasse feil geboten wird. Dieses Stück hat gute Aussicht, an Popularität dem Onkel Tom gleichzukommen, von dem heute die 143. Vorstellung angekündigt wurde. Der Geschmack des New-Yorker deutschen Publikums ist ein sehr verschiedener, denn auf dem seit einigen Monaten bestehenden deutschen Theater fiel eine Bearbeitung des Negerromanes vollständig durch und erlebte nicht einmal die zweite Aufführung.

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Dass ein deutsches Theater hier schon seit mehreren Monaten existirt, ist eine naturgeschichtliche Seltenheit, von der man schon Notiz nehmen darf. Von den unzähligen Versuchen, die in dieser Beziehung im Laufe der Zeit gemacht worden sind, gingen die meisten nach einer Dauer von wenigen Wochen zu Grabe. Diesmal steht ein sehr praktischer Mann an der Spitze des Unternehmens, Herr Wilhelm Böttner, ein Name, der einem grossen Theile Ihrer Leser nicht unbekannt sein wird, denn es ist wohl in der ganzen Provinz Sachsen und den kleinen dort liegenden Fürstenthümern keine Stadt über 5000 Einwohner, wo er nicht schon einmal ein Theater geleitet hätte, und wenn ich mich recht erin nere, stand er am Publicationsorte der Atlantis eine Zeit lang an der Spitze des Hoftheaters. Es freut mich, seinen etwaigen Bekannten anzeigen zu können, dass er noch immer ein wirklich guter Komiker und ein jovialer Thespiskarrenkutscher ist, obschon er dem nüch ternen Geiste des Yankeethumes so weit Rechnung getragen hat, um utile dulci zu verbinden und neben seiner Theaterdirection noch einen Laden mit apokryphen Havanna - Cigarren führt. Ueberhaupt hat das ganze Theaterpersonal eine entschiedene Hingebung zum Soliden, und dies allein erklärt auch den Fortbestand des Unternehmens. Jn einem AuswandererHandbuche (von G. M. Ross, wenn ich nicht irre) finden Sie die Notiz: 'Schauspieler haben in Amerika keine Aussicht, wenn sie nicht zugleich es klingt prosaisch, ist aber wahr ein ordentliches Handwerk nebenher betreiben'. Und so ist es in diesem Falle. Der erste Liebhaber des Theaters ist nebenbei upholsterer (Sattler und Tapezierer zugleich), ein zweiter

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Portemonnaie - Arbeiter, ein dritter Marqueur etc. Das Buffet dagegen ist an einen ehemaligen sächsischen Gardelieutenant Reichsfreiherrn v. G. verpachtet, der dabei, um in amerikanischem Deutsch zu reden, recht gut ausmacht' und sich in seiner Stellung recht behaglich fühlt. So würfelt das Schicksal hier die Loose durcheinander.

Ueber die Leistungen der deutschen 'Künstler' ist (mit Ausnahme Böttner's) natürlich kein Wort zu verlieren. Nur das verdient Anerkennung, dass sie ihre Kräfte nicht überschätzen und sich nur an kleine Lustspiele und Possen wagen. Vor einigen Wochen machten einige gar nicht üble Sänger den Versuch, eine deutsche Oper zu gründen und führten den Freischütz in verhältnissmässig recht guter Weise auf, so dass selbst die englischen Blätter, die sich sonst um das gesellige Treiben der Deutschen wenig kümmern, lobende Besprechungen darüber brachten. Mangel an Mitteln und Einigkeit machte das Unternehmen scheitern. Gleichwohl hat die deutsche Oper hier eine bessere Zukunft als das Theater. Die zahllosen Gesangvereine von Dilettanten haben neben grossen Massen Ballast doch auch recht wackere Kräfte in sich, so namentlich der Liederkranz', der unter Leitung der verdienstvollen Directoren Windmüller und Paur sehr Tüchtiges leistet. Es ist möglich, dass sich aus diesen Kreisen mit der Zeit eine recht zufriedenstellende Oper bildet.

Unterdessen müssen wir uns mit der italienischen in Niblos Garten begnügen, die uns alle bedeutenden Novitäten so brühwarm bringt, dass wir z. B. vor 14 Tagen die erste Aufführung des Meyerbeer'schen Propheten oder vielmehr der reichlichen Hälfte desselben erlebten, denn auf diesen Umfang ist die Oper zusammengestrichen. Hinken wir NewYorker auf musikalischem Gebiete etwas weit hinter der Front nach, so stürmen dagegen die Bostoner als ungestüme Löffelbande weit voran, denn die dortigen musikalischen Autoritäten lassen Kopf und Kragen für die jüngstdeutsche Richtung, zu welcher man auf gut Leipzigerisch den genialen Richard Wagner ausgesponnen und fortgesetzt hat, mit demselben Aufwande von Genie, mit dem Heinrich Laube den Dichter der Reisebilder zu manieriren oder zu mariniren suchte.

Literarische Besprechungen.

Speeches of the Right Hon. T. B. Macaulay, M. P. Corrected by himself. London, Longman 1854. pp. 538. 12 s.

Wie Jedermann erwartet, ist es auch in diesem Werke mehr der Historiker als der Redner, den wir zu bewundern haben. Nach rhetorischem Effect strebt Macaulay nirgends, er lässt überall die Sache für sich selbst sprechen, aber seine meisterhafte Anordnung der Thatsachen, seine Fülle und Tiefe von Anschauungen erhebt oft die Summe des Ueberzeugenden zu einer solchen Culminationshöhe, dass der kältere Ton zu ihrem Ausdruck nihct mehr genügt, und die angreifendste rednerische Sprache von selbst eintritt. Hier und da bringt ihn auch Indignation aus der gewöhnlichen philosophischen Gemessenheit; aber im Ganzen sind seine Reden nicht die Gefühle aufregend, nicht hinreissend, sondern belehrend und überzeugend. Ein wahrer Künstler erscheint er in der Klarheit, womit er seine grossen Stoffe zu zerlegen, den Reichthum seiner Anschauungen zu beherrschen weiss; der Adel seiner Gesinnungen und die philosophische Würde der Gedanken erheben uns über das Alltägliche; es ist als habe der Mann nur einen Kritiker im Auge, die Geschichte selbst. Dazu ist es eine Freude, wie man einen Strom von Belehrung von dieser Lectüre über sich ergossen fühlt, es scheint Einem immer, als habe man nicht eine Rede, sondern ein ganzes Buch über den jedesmaligen Gegenstand gelesen. Es sind im Ganzen 29 Reden, 5 davon sind in Edinburg und Glasgow, die andern sämmtlich im Unterhause gehalten. Die zehn ersten aus den Jahren 1831-33 fallen in die Zeit des Whigministeriums; 6 von diesen sind für die Parlamentsreform; eine gegen die Repeal of the Union of Ireland, eine ganze Geschichte des grossen Unglücks dieser Nation. An diese reihen wir gleich 3 spätere aus seiner Op

positionszeit, die von 1844, als O'Connell vernrtheilt worden war, eine ergreifende Zornrede gegen die Tories, denen das Strafgericht wegen ihrer Versündigung am Schwesterlande damals über dem Haupte hing, und zwei über die irische Kirche und Maynooth College. 1839 wurde M. in Edinburg in die Opposition gewählt; wir erhalten hier in seiner Candidatenrede das Glaubensbekenntniss seines Whiggismus, wozu die Rede gegen the People's Charter als Ergänzung dient; auch die zweite Edinburger ist abgedruckt, über die wir ihrer Zeit berichtet haben (Atl. I. 16.). Ueber indische und chinesische Fragen sind 5 höchst interessante Reden da; sie gemahnen uns fast an das römische Capitol: gleich dem römischen Senate verhandelt das Haus der Gemeinen von England über die Geschicke fremder Völker und Welttheile. Macaulay geisselt den Governor von Indien, Lord Ellenborough, wie Sallust einst die pflichtvergessenen Consuln. Wir hören unsern Redner ferner über Education, Literature of England, Copyright, Jewish Disabilities und über die Cornlaws sprechen.

Der Styl ist nicht in allen Reden derselbe; 9 davon sind gleich, nachdem sie gehalten waren, vom Verfasser durchgesehen worden; man erkennt sie an ihrer einfachern Sprache. Von den andern sagt er: 'The substance of the remaining speeches I have given with perfect ingenuousness'.

Nun aber noch ein Wort zur Geschichte dieses Buches. Wir kommen auf ganz sonderbarem Wege zu dem schönen Besitzthum. In der Vorrede sagt uns Macaulay, dass er diese Reden nie freiwillig herausgegeben haben würde, aber er sei gezwungen durch: ‘a gross injury to me and a gross fraud on the public'. Ein Buchhändler Vizetelli nämlich veranstaltete vor Kurzem, ohne es nur Macaulay anzuzeigen, eine Sammlung von dessen Reden. Er gab deren 56 in unglaublich fehlerhafter Gestalt und war frech genug anzuzeigen, er habe special license. Macaulay widmet ein paar Seiten seiner Vorrede einer derben Züchtigung dieses Herrn, soll aber schon von jenem desswegen verklagt sein, da Vizetelly mit seinem Verfahren den Buchstaben keines Gesetzes übertreten zu haben glaubt. Wie dem auch sein mag, 'unfair' ist es, einen Autor ohne sein Wissen und so in's Publicum zu bringen, bloss um Geld zu machen; aber wir wollen dem Speculanten vergeben, denn wir sind's, die bei der Sache gewonnen haben.

Bose und Distel, Poesien aus England und Schottland, übertragen von Gisbert Freiherrn Vincke. Dessau, Gebr. Katz. 1853. X u. 176 S. kl. 8.

Jede Bemühung, den Volksgeist unsers Bruderstammes auf den britischen Inseln auch den weitern Kreisen unserer Nation verständlich zu machen, die Erzeugnisse seiner eigenthümlich entwickelten Literatur für uns wieder zu gewinnen, und die unsrige dadurch zu vervollständigen jede solche Bemühung hat Anspruch auf unsre Dankbarkeit.

Doppelten Dank verdient sie, wenn die innige Anempfindung fremder Eigenthümlichkeiten mit dem Geschick, denselben in der eignen Sprache den entsprechenden Ausdruck zu verleihen, sich in so hohem Grade vereinigt, wie bei dem Verf. der vorliegenden Sammlung. Herr v. Vincke hat dieselbe in drei Bücher eingetheilt. In dem ersten herrscht die historische Anordnung und das Interesse der Nationalgeschichte und der Sage vor, in der zweiten erscheint das phantastische Element als der Hauptgesichtspunkt, der ihn bei der Aufnahme der betreffenden Gedichte geleitet, im dritten sind die sanfteren Stimmungen überwiegend, wie Liebe und schöne Natur sie einflösst, ohne darum das heitere Lied und den kräftigen Spruch auszuschliessen.

Am besten, und das ist kein geringes Lob, scheint uns der Uebersetzer das specifischnationale Element in der Ballade getroffen zu haben. 'Robin Hood', 'der Bettelmann', 'Blaumützen über die Gränze' und 'General Moorre's Bestattung' Wolfe's in jeder Beziehung einziges Gedicht sind so meisterhaft wiedergegeben, dass sie schwerlich jemals besser übersetzt werden dürften. In den 'Blaumützen' glaubt man den Taktschritt der Hochlands-Clane und die schrille Melodie der Sackpfeife mit dem leiblichen Ohre durchzuhören. Statt der Ueberschrift 'Bettelmann' hätten wir das schottische: 'Gaber lunzie-man' lieber durch das deutsch anklingende, ebenfalls volksthümliche: 'Haderlumpen-Mann' wiedergegeben gesehen.

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