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HERAUSGEGEBEN VON HANS LIETZMANN

119

TEXTE ZU DEM STREITE

ZWISCHEN

GLAUBEN UND WISSEN IM ISLAM

DIE LEHRE VOM PROPHETEN UND DER OFFEN-
BARUNG BEI DEN ISLAMISCHEN PHILOSOPHEN
FARABI, AVICENNA UND AVERRAES

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EINLEITUNG

Es ist allgemein die ansicht verbreitet, die bekannten philosophen griechischer richtung im islam seien mehr oder weniger freigeister gewesen. Die religion des propheten Muhammed hätten sie nicht oder doch kaum als eine übernatürliche offenbarung anerkannt. Das natürliche wissen sei höher zu stellen als der glaube und berufen, die dogmen des Koran umzudeuteln und umzugestalten. Die philosophie habe über den glauben zu gebieten. Sie sei eine vollkommenere form der erkenntnis, als sie die „,offenbarung" darstelle. Die vorliebe Renans für Averroes beruht wesentlich auf solchen voraussetzungen. Es ist nun die aufgabe der parteilosen geschichtsforschung, nachzuprüfen ob diese vorgefassten meinungen, die modernen religiösen kämpfen entspringen und in das mittelalter projiziert wurden, den tatsachen entsprechen.

Das problem der harmonie (oder disharmonie) zwischen glauben und wissen im mittelalter wird dadurch in die richtige beleuchtung gestellt und gelöst, dass man die lehre über den propheten auseinandersetzt. Wird ihm in einem systeme ein übernatürliches wissen zugestanden, dann ist seine lehre das massgebende moment in einem konflikte mit dem wissen. Dieses ist an die zweite stelle gedrängt und darf höchstens dunkele aussprüche der offenbarung interpretieren - jedoch nur so, dass diese auslegung mit anderen aussprüchen der offenbarung nicht in widerstreit tritt. Bekannt sind die grossen streitigkeiten zwischen theologie und philosophie im christlichen mittelalter. Der vergleich mit dem islam, der schwesterreligion des christentums, ist hier besonders reizvoll. Es wird sich zeigen, dass der islam, wenn nicht in derselben, so doch in verwandter weise seinen standpunkt fixiert hat. Dabei ist zu betonen, dass die bekannten philosophen Farabi, Avicenna und Averroes nicht etwa den islam angreifen oder gar überwinden, sondern dass sie ihn verteidigen wollen. Ihre systeme sind, vom religionsgeschichtlichen standpunkt aus betrachtet, nichts anderes als apologetische versuche, die koranischen dogmen mit dem wissen ihrer zeit zu harmonisieren. Sie bedeuten also bemühungen, die der islam selbst in seinen berufenen vertretern und verteidigern macht, mit dem natürlichen, weltlichen wissen ins gleichgewicht zu kommen.

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