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FARABI 950 †

Farabi war seiner neigung nach ein mystiker. Das überirdische zieht ihn an, das indische stösst ihn ab. Er zog sich in vorgerücktem alter von der welt zurück und lebte als sufi bei dem fürsten Saifeddaula zu Aleppo. Danach steht zu erwarten, dass er seine lehre über den propheten stark ins übernatürliche steigern werde. Diese erwartung wird durch die äusserungen von ihm bestätigt. Das übernatürliche moment im propheten steigert er noch mehr, als es die nackte lehre des islam verlangt.

,,Die prophetie ist in ihrem geiste in eigentümlicher weise mit einer heiligen (göttlichen) kraft ausgestattet, der die innere natur der grossen welt der göttlichen schöpfung (des makrokosmos) gehorcht wie deinem geiste die der kleinen (des mikrokosmos). Daher vermag die prophetische kraft auch wirkliche wunder zu vollbringen, deren ausführung ausserhalb technischer fertigkeit (menschlicher list, eventuell natürlicher kraft) und gewohnheit liegt. Ihr spiegel rostet nicht, sodass er dann die unvergänglichen schriftzüge, die auf der wohlbewahrten tafel stehen, nicht mehr als einprägungen (,,einmeisselungen") empfangen könnte, und sodass er dann nicht mehr in verbindung stände mit den substanzen der engel, die die gesandten gottes (an die niedere schöpfung) sind. Auf diese weise erhält er kenntnis von dem, was bei gott ist." (Ringsteine Farabis: Zeitschr. f. Assyriologie u. verw. Gebiete bd. 18 s. 280 z. 6-10.),,Der prophetengeist (der heilige, göttliche geist) redet im wachen zustande die engel an, der menschliche geist verkehrt mit ihnen nur im schlafe." (ibid. z. 14-15, vgl. ibid. 284 z. 6-9): „Den prophetischen geist lenkt nicht das tiefer stehende (die niedere welt und die leidenschaften) von dem, was über ihm ist (dem göttlichen), ab, noch nimmt der äussere sinn den inneren in anspruch. Die einwirkungen dieses geistes gehen von seinem leibe aus auf die körper und alle

anderen bestandteile des weltalls (wunder wirkend). Dabei empfängt er die erkenntnisinhalte (direkt) vom dem geiste der engel ohne unterricht unterstützung) seitens der menschen."

Erklärung: Zum verständnisse dieses textes ist ein flüchtiger einblick in das weltbild Farabis erforderlich. Wir müssen wissen, auf welcher, Stufe des weltalls wir uns bei dem propheten befinden, um sein wesen und seine eigenschaften und funktionen würdigen zu können. In der seinsordnung steht der prophet unterhalb der engel und oberhalb der menschen Sein wesen, seine natur ist also etwas übermenschliches, das nie durch natürliche kräfte des menschen erreicht werden kann, und daher nicht graduell, sondern wesentlich von dem menschen verschieden ist. Daher ist es auch ganz natürlich, dass seine eigenschaften und funktionen, die unmittelbar aus seinem wesen fliessen, ebenfalls einer höheren ordnung, als das menschliche ist, angehören. Das wesen der engel besteht nun (Ringsteine no. 29) darin, dass sie subsistierende wesensformen der dinge, platonische ideen sind. Das, was der geist als wesenheit der dinge, als deren spezies erkennt, sind die engel in substanzieller form. In ihnen wird die wesensform der dinge nicht von einer individualisierenden form aufgenommen. Daher können sie keine individua nach art der materiellen dinge sein (vgl. die scholastische lehre, die die individualität der engel in demselben sinne logisch konsequent leugnet). Ihre einzelwesen", „einzelsubstanzen" (das wort individuum ist hier zu vermeiden) sind subsistierende,,spezies“ der dinge. Aus diesem grunde können die engel auch den einzelnen arten der dinge, deren wesen sie selbst darstellen, „,vorstehen“, sie „leiten“, beeinflussen, ihren individuen die wesensformen durch emanation verleihen usw. Die engel bilden den unteren teil der welt des logos, der geister, an deren spitze der nus, der erste intellekt steht,,,das zweite göttliche wissen" genannt.

Die menschenseele d. h. der menschengeist ist demgegenüber unvollkommen. Sie ist aus der welt des Logos herabgesunken und in eine materie,,versenkt" worden. Dieser menschliche geist stellt keine spezies der dinge dar. Er ist eine noch unbeschriebene tafel, gleichsam inhaltlos und muss alle seine inhalte aus der geisterwelt durch emanation empfangen. Er verhält sich also passiv,

formaufnehmend, die engel aktiv, formgebend. Zwischen diesen beiden welten steht als mittelglied der prophet, der sphäre des menschlichen entrückt und direkt unterhalb der engel. Nunmehr wird der obige text verständlich. Die prophetie" bedeutet die biblischen propheten einschliesslich Christi, besonders aber Muhammed,,,in eigentümlicher weise", dass das folgende dem propheten ausschliesslich zukommt, sodass kein mensch jemals auf solche vorzüge anspruch erheben kann, wenn er sich auch noch so vervollkommnet. Die höchste graduelle steigerung der menschlichen vollkommenheiten erreicht den propheten nicht. Es liegt eine wesentlich verschiedene ordnung oder stufe des weltenbaus vor. ,,Heilig" bezeichnet was direkt mit gott (kuds) in beziehung steht, also in das gebiet des übernatürlichen gehört. Der mensch steht in seinen höchsten funktionen mit dem aktiven intellekte (dem geiste der mondsphäre) in beziehung, der die potenz des menschlichen geistes zur akluatität, zum wirklichen denken hinüberführt. Diese verbindung ist für den menschen natürlich. Einer ganz anderen ordnung gehört der prophetengeist an, dem eine direkt aus gott fliessende kraft innewohnt. Diese ist nicht etwa den naturkräften unterworfen, sondern beherrscht dieselben, ein schwaches, aber noch deutliches abbild der göttlichen macht. Daher vermag der prophet in den lauf der natur einzugreifen, regen herbeizuführen, wasser aus seinen fingern strömen zu lassen, zur tränkung der verdurstenden heere und andere bekannte wunder des propheten. Als deutliches beispiel wird das verhältnis unserer seele zu unserem leibe, dem mikrokosmos, einem spiegelbilde des weltalls (parallelismus der welten), angeführt. Ebenso wie wir unsere glieder willkürlich bewegen können usw., vermag der prophet teile des weltalls willkürlich zu beeinflussen z. b. den mond zu spalten.

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Es gibt zwei arten von wundern. Die wirklichen, eigentlichen wunder (mugizát) übersteigen jedes menschliche können. Nur der prophet, der übermenschliche kräfte hat, kann sie ausführen. Die scheinbaren wunder sind solche vorgänge in der natur, die als wunder erscheinen (mira, nicht miracula). Sie werden von den heiligen vollbracht und überschreiten die kräfte der gewöhnlichen sterblichen. Unter,,gewohnheit" ist hier der gewohnheitsmässige verlauf der naturvorgänge, das gesetzmässige naturgeschehen d. h. das gewohnheitsmässige handeln gottes, das das naturgeschehen

hervorbringt, zu verstehen. Es ist ein den theologen entlehnter terminus, die den gesetzmässigen verlauf der naturereignisse als eine unmittelbare wirkung gewohnheitsmässigen göttlichen handelns bezeichnen. Die philosophen lassen (nach Plotin) gott nur durch vermittlung der causae secundae auf die welt wirken.

Der „spiegel" ist die aufnehmende, passive erkenntniskraft des prophetischen geistes, in die die inhalte (die erkenntnisse) der geisterwelt eingezeichnet werden sollen. Unter dem „rost" des metallspiegels ist seine trübung durch die niederen begierden und triebe und seine ablenkung zur sinnlichen welt zu verstehen. Die,,wohlbewahrte tafel" ist die welt der universellen erkenntnisinhalte (alkullīja no. 11), also der rein geistigen ideen, die die geschicke der niederen welt enthalten und zur ausführung bringen. In diese tafel sind durch den „,schicksalsgriffel" d. h. den nus, den göttlichen befehl, die geschicke für alle zukunft eingetragen und prädestiniert. Erfasst also den prophetengeist das, was auf dieser tafel, der schicksalstafel steht, dann kann er die zukunft mit sicherheit voraussagen. Dem verstande der nichtpropheten, der gewöhnlichen sterblichen ist dieser kontakt mit der höheren welt des logos durchaus versagt. Der prophetengeist steht ferner in beziehung mit denjenigen der höchsten engel, die direkt von gott befehle empfangen, um sie der niederen welt, den tiefer stehenden engeln und den menschen zu überbringen. Auf diese weise tritt der prophet mit der innergöttlichen welt in verbindung - den engeln fast gleichstehend. Dieses zeigt sich auch daran, dass der prophet wie ein gleichstehender den umgang mit engeln pflegen kann, während die menschen nur im traume, der vielfach eine form der übernatürlichen erkenntnis, der offenbarung ist, mit ihnen in kontakt treten. Aus diesem grunde bedarf er keiner natürlichen mittel, z. b. des unterrichtes, um erkenntnisse zu erwerben.

Das verhältnis zwischen glauben und wissen ist dadurch ganz unzweideutig bestimmt. Der prophet ist im besitze einer wesentlich höheren ordnung der erkenntnis. Es wäre ein knabenhaftes unterfangen des philosophen, mit seinem rein natürlichen wissen den propheten korrigieren zu wollen. Die weltliche wissenschaft kann durch annahme der offenbarung nur gewinnen, da sie dadurch in den besitz von wahrheiten gelangt die direkt aus der welt des Logos stammen also untrüglich das wesen der dinge wiedergeben. Bedient

sich der prophet aber bildlicher ausdrücke, so darf der philosoph dieselben geistig interpretieren. Er muss sich aber immer bewusst bleiben, dass er es mit aussprüchen einer übernatürlichen weisheit zu tun hat.

AVICENNA 1037 †

Farabi hat durch seine lehren über den propheten im allgemeinen die linien gezeichnet, die die philosophische spekulation im islam seitdem im grossen und ganzen eingehalten hat. Sie bedeuten durchaus das gegenteil von dem, was wir heute als freigeisterei bezeichnen. Der offenbarungsstandpunkt ist nicht nur nicht geleugnet, sondern sogar als unentbehrliches glied des kosmos aufgefasst. Der prophet gehört zum integrierenden bestande des weltalls. Bei griechischphilosophischen spekulationen hätte die gefahr naheliegen können, den propheten als den idealmenschen zu schildern, als die höchste, im bereiche des natürlichen liegende vollendung der menschlichen natur. Diese naturalisierung und rationalisierung der religion und der offenbarung wird nun bei unseren philosophen a limine abgewiesen. Der durchaus übernatürliche charakter der offenbarung wird auf das peinlichste und genaueste gewahrt, wie folgender text Avicennas (Horten: Die Metaphysik Avicennas s. 651, 18 ff. Original, lithographie Teheran s. 640 mitte) zeigt. Nachdem das natürliche ideal des vollkommensten menschen, der im denken und handeln den höchsten, natürlich erreichbaren grad erlangt hat, entworfen ist, heisst es:

,,Der vollkommenste dieser idealmenschen (der philosophen im sinne Platos) ist derjenige, der für die rangstufe der prophetie disponiert ist. Er (der prophet) besitzt in seinen seelischen kräften drei ihm in eigentümlicher weise zukommende eigenschaften: erstens er hört das wort gottes; zweitens: er sieht die engel gottes, und drittens: diese verwandeln 1 sich manchmal in eine bestimmte gestalt, die er sieht. Der mit einer offenbarung begnadigte stellt sich, wie wir gezeigt haben die engel in bildern vor. Dabei ertönt in seinem gehöre eine stimme, die er vernimmt und

1) tahauwalat. Andere lesart: tahaijalat: sie stellen sich in phantasiebildern dar.

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