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Einleitung.

1.

Ueber englische Poesie und Poetik im Allgemeinen.

Obwohl die englische Poesie gleich der englischen Sprache sich aus den verschiedensten Elementen bildete, welche sich nur allmählig und im Laufe der Jahrhunderte miteinander verbanden bis sie endlich ein Ganzes ausmachten, so gehört doch die Gestaltung Beider so vollständig dem wirklichen Leben an und die Theorie übte erst so spät einen nachhaltigen Einfluss auf dieselben aus, dass die Wirkung der Letzteren nur eine untergeordnete bleibt und fast gar nicht in Betracht kommt, während die Darstellung der Entwickelung Jener, stets die aufmerksamste Beobachtung ihres Zusammenhanges mit dem ganzen geschichtlichen Entwickelungsgange der Nation selbst fordert. Dadurch unterscheidet sich die englische Poesie namentlich von der französischen, dass sie als das künstlerische Bewusstsein zu der poetischen Hervorbringung sich gesellte, dennoch durchaus freies Eigenthum des Volkes blieb, und die Schicksale und Kämpfe desselben weit mehr zu den Richtungen welche sie nahm und den Stoff, den sie sich aneignete, beitrugen, als der Einfluss des Hofes und der Gelehrten, während sie dagegen sich bei den Franzosen gleich nach dem ersten Eintreten des künstlerischen Bewusstseins von dem Volke ablöste und unter dem mächtigen Einflusse des Hofes Eigenthum der Wissenschaft ward, die jetzt erst wieder, auf dem Wege der Schulbildung, sie der Nation und in dieser eigentlich nur den Gebildeten von Neuem zuführte. Darin mag auch wohl der Grund zu finden sein, dass die Franzosen eine so ausgebildete Poetik, die Engländer so gut wie gar keine haben und Jeder die Form gestaltet, entweder, wie er es seinen Vorgängern und Vorbildern abgelauscht, oder wie die Idee, durch deren Verwirklichung die Form allein erst entstehen kann, poetischen Tact und Geschmack, sowie als gelungen anerkannt Vorhandenes als Leiter zu Hülfe rufend, es von ihm verlangt. Diese Freiheit der äusseren Gestaltung, welche sich nur gewissen Gesetzen ursprünglicher

Nothwendigkeit im Allgemeinen unterwirft, geht durch die ganze englische Poesie hindurch von dem Augenblicke an, wo die verschiedenen Elemente sowohl in ihr selbst, wie in der Sprache zusammentraten und nun ein gemeinschaftliches, in welchem sie sich verschmolzen, das englische Element bildeten. Dies ist um so eigenthümlicher, als gerade jene Elemente, insofern sie bei der Poesie in Anwendung kamen, während der Zeit ihrer Absonderung den strengsten Gesetzen hinsichtlich der äusseren Form in wissenschaftlicher Feststellung damaliger Weise unterworfen waren. Die Poesie musste in jenen Zeiten nicht allein einer Poetik, sondern auch noch einem besonderen Ceremoniell, das zum Theil mit der ersteren in genauestem Zusammenhange stand, gehorsamen. Die alt bretonische Poesie war eine Wissenschaft im strengsten Sinne des Wortes, die noch dazu zunftmässig erlernt werden musste und nur ebenso zunftmässig ausgeübt werden durfte. Ihre Jünger waren die Träger der Wissenschaft überhaupt, und die Poesie eben das Gefäss in welchem sie jene aufbewahrten. Sie mussten sich wenigstens drei Jahre dem Studium derselben gewidmet haben, dann wurde ihnen aber erst der unterste Grad zu Theil, der eines Clerwr (1. Cleruhr) oder eines fahrenden Sängers, der sich seine Zuhörer nur im niederen Volke zu suchen hatte. Wer den höchsten Grad erreichen wollte, bedurfte dazu eines zwölfjährigen Studiums. Einem Examen mussten sich Alle am Ende jedes zurückgelegten Trienniums unterwerfen und von diesem und dem Siege bei Wettgesängen hing es ab, ob ihnen die beiden höheren Stellungen, die eines Prududd oder Hof-Barden und die eines Teluwr (1. Telu-uhr) oder Barden des Mittelstandes zu Theil wurden. Ueberhaupt spielte die Zahl drei, sowohl in ihrer Hierarchie wie in der Ausübung ihrer Kunst und endlich in ihrer Poetik eine überaus wichtige Rolle. An den drei Hauptfesten am Hofe musste der Prududd singen, aber erst das dritte Lied; zwei Lieder vorher, eines zum Preise Gottes, das andere zur Verherrlichung des Fürsten, lagen dem Pemerdd (ein Barde, der den Studien zwölf Jahre gewidmet) vorzutragen ob. Die Form der Gesänge ward wiederum durch die drei bestimmt; die Strophen bestanden nur aus drei Zeilen, von denen in gewissen Gesängen die dritte didactischer Art sein musste und was dergleichen Gesetze mehr waren. Aehnlichen Bestimmungen waren auch die irischen und die von diesen entsprungenen schottischen Barden unterworfen und selbst die später in England eingedrungenen nordfranzösischen Trouvères beobachteten, wenn gleich mit grösserer Freiheit, gewisse überlieferte Formen in ihren Dichtungen. Als aber im Laufe der Jahrhunderte das angelsächsische und das dänische Element, beide germanischen Ursprunges sich mit dem kymrischen und dem französischen so verschmolzen hatten, dass sich aus ihnen die gegenwärtige englische Sprache bildete, welche unter Eduard III. die gesetzliche Oberherrschaft gewann (um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts), da begann auch die Nationalliteratur sich selbstständig zu entwickeln und zwar aus dem innersten Wesen des Volkes, das hier den bedeutendsten Einfluss übte und schon lange sich seine eigenen Weisen und Formen gebildet hatte. So kam es, dass weder Althergebrachtes noch die Poetik fremder Nationen bestimmenden und nachhaltigen Einfluss gewann, jeder neue Dichter ging seinen eigenen. Weg, ersann oder bildete nach, wie er es für gut fand und ordnete sich bei seiner Behandlung nur allgemein nothwendigen, aus den natürlichen Verhältnissen der Poesie überhaupt entspringenden Gesetzen oder auch dem herrschenden Geschmack

seiner Zeit unter, dem er, war er selbst genial, nicht selten eine neue Richtung gab.

Eine englische Poetik in streng wissenschaftlichen Sinne existirt daher nicht und ist auch eigentlich nie vorhanden gewesen. Gewisse Formen und Bestimmungen sind allerdings allgemein als geltend angenommen worden, aber sich ihrer zu bedienen war keine Nothwendigkeit und innerhalb derselben herrschte die grösste Freiheit. So ist es z. B. mit dem Reim; er wird nicht als unerlässlich betrachtet, wie bei den Franzosen, und der ungereimte Vers ist nicht minder eine anerkannte Form wie der gereimte. Reimt der Engländer, so reimt er eben sowohl für das Ohr wie für das Auge und jene genauen Bestimmungen des Reims, jener Unterschied zwischen reinen und unreinen Reimen, jene strenge Abwechselung von männlichen und weiblichen Reimen, wie sie andere Nationen in ihrer Poetik als gesetzlich festgestellt haben, kümmert ihn nicht. Byron reimt z. B. prayer und despair, mirth und earth, release und peace, might und height, Moore remain und again, wood und blood, roll und soul (diese Beispiele sind sämmtlich Gedichten ernsten Inhalts entnommen) u. s. w. und keinem Kritiker wird es je einfallen, ihnen deswegen einen Vorwurf zu machen. So ist es auch mit der Kürze und Länge der Verse; nur bei dem blank verse (dem fünffüssigen ungereimten iambischen Verse) und dem heroic verse (dem gereimten fünflüssigen iambischen Verse) herrscht einige Regelmässigkeit vor; doch ist auch hier innerhalb derselben grosse Freiheit gestattet, denn bei dem ersten kommt es nur darauf an, dass er zehn, höchstens elf Sylben mit regelmässig wechselndem Tonfall habe und bei dem zweiten noch ausserdem dass die erste Zeile mit der zweiten, die dritte mit der vierten u. s. w. reime; auf gleichen Wechsel männlicher und weiblicher Reime wird dabei nicht gesehen, und es ist auch noch hergebracht, statt zwei Zeilen drei unmittelbar auf einander folgende mit einander zu reimen. So z. B. kommen bei dem als correct gepriesenen Blair (S. 152 dieser Sammlung) blank verse vor, wie: Sweetner of life and solder of society und (cbendaselbst) Mended his song of love; the sooty black-bird, bei Thomson (S. 154) Of the green earth, to distant barbarous climes, bei Armstrong (S. 169) Vers'd in the woes and vanities of life u. s. w. und Dreireim-Zeilen wie z. B. bei Moore (Lalla Rookh)

Where

having deep refresh'd each weary limb
With viands such as feast Heav'ns cherubim
And kindled up your souls now sunk and dim

oder bei Byron (im Corsair XIV.)

Oh! that this dotage of his breast would cease!
Or seek another and give mine release,

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wọ höchstens erforderlich ist, durch eine Klammer (wie auch hier geschehen) zu bezeichnen, dass keine Zeile dazwischen fehlt, sondern dass absichtlich drei Zeilen denselben Reim haben sollen.

Das einzige Gesetz, welchem sich der englische Dichter zu unterwerfen hat, hinsichtlich der Form ist daher nur: diese soll dem Inhalt durchaus und in jeder Hinsicht angemessen sein. Es schliesst demgemäss Alles was man sonst verlangt,

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namentlich Correctheit und Wohlklang ein, überlässt dies aber dem Dichter selbst und schreibt ihm dabei nichts Besonderes vor. Natürlich gilt es für jede Gattung der Poesie, um so mehr als es nirgends die Freiheit beschränkt, können doch selbst in den einzelnen Scenen eines Drama Prosa oder Verse, je nachdem es dem Inhalte angemessen scheint mit einander wechseln.

Die antiken Formen haben, den fünffüssigen iambischen Vers ausgenommen, nie Eingang in der englischen Poesie gefunden, obwohl hin und wieder der Versuch gemacht wurde; der Engländer fühlte bei seinem richtigen practischen Tacte, dass die Sprache sich nicht dazu herleihe und dass sie immer etwas Fremdartiges bleiben würden, er wies sie daher gänzlich ab, oder gestaltete sie so um, wie er sie gebrauchte. Von den neueren bei anderen Nationen üblichen Formen entlehnte er nur das Sonnett, band sich jedoch wenig an dessen Gesetze und hat erst wieder in neuester Zeit angefangen, diese genauer zu beobachten. Wordsworth kann hier als Muster dienen.

Die einzige einheimische Form, welche seit ihrer Einführung ihre unveränderte Geltung behielt, ist die Spenserstanze, nach dem berühmten Dichter Spenser (S. Seite 17 und fgde. dieser Sammlung), ihrem Erfinder, so genannt. Sie besteht aus neun Verszeilen (es wird gebeten den Druckfehler, der sich a. a. 0. Zeile 2 von unten findet, dahin abzuändern) welche zehnsylbig mit Ausnahme der Letzten, die zwölfsylbig ist, eine eigene Reimverschränkung bilden. Es klingen nämlich die erste und dritte mit demselben Reime, die zweite, vierte, fünfte und siebente mit einem anderen Reime und die sechste, achte und neunte Verszeile mit einem dritten Reime unter einander an. (S. die Beispiele S. 18-19 d. S.) Thomson in seinem Castle of Indolence (S. S. 155 d. S.) und Byron in seinem Childe Harold haben sie mit grossem Erfolge nachgeahmt, im Ganzen hat man sich derselben jedoch wenig bedient.

2.

Ueberblick der Geschichte der englischen Poesie.

Wir haben bereits oben bemerkt, dass gleich der Sprache auch die englische Poesie sich aus der Verschmelzung verschiedener Elemente entwickelte, dann aber durch die innige Verbindung mit dem wirklichen Leben selbst und durch dessen Einfluss ihre eigentliche noch immer keinesweges erschöpfte Gestaltung bekam. Diese Elemente das bretonische, das angelsächsische und dänische und das nordfranzösische gehörten mehr oder weniger schon der Kunstpoesie an; das bretonische war das umfangreichste und nationalste, es behandelte den ganzen Kreis der damaligen Weltanschauung: Sage und Geschichte des Volkes, Naturkunde in Verbindung mit dem Uebersinnlichen, Weisheitslehre und Gefühlsleben, aber es ward, wie wir schon früher andeuteten mit dem Bewusstsein künstlerichen Zweckes behandelt; das angelsächsische, weniger stoffreich, nahm dagegen schon früh eine christlich religiöse und somit gelehrte Richtung, sich der Allegorie mit Vorliebe zuwendend; das französische Element dagegen, vorherrschend episch, trug einen grossen stofflichen Reichthum mit sich (die Sagenkreise in die es den altbretonischen Sagenkreis von Arthur und der Tafelrunde mit hereinzog und sich aneignete) und verdrängte

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