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eines Sohnes zu seinem Vater; ähnlich aber verschieden. Die Aehnlichkeit liegt öfters nur in einem einzigen Zuge; die übrigen alle haben unter sich nichts gleiches, als daß sie mit dem ähnlichen Zuge, in dem einen sowohl als in dem andern harmoniren.

Da übrigens die Homerischen Meisterstücke der Poesie älter waren, als irgend ein Meisterstück der Kunst; da Homer die Natur eher mit einem mahlerischen Auge betrachtet hatte, als ein Phidias und Apelles: so ist es nicht zu verwundern, daß die Artisten verschiedne ihnen besonders nüßliche Bemerkungen, ehe ste Zeit hatten, sie in der Natur selbst zu machen, schon bey dem Homer gemacht fanden, wo sie dieselben be= gierig ergriffen, um durch den Homer die Natur nachzuahmen. Phidias bekannte, daß die Zeilen:d

Η, και κυανῃσιν ἐπ' ὀφρυσι νευσε Κρονίων·

Αμβροσιαι δ' άρα χαιται επερρώσαντο ἀνακτος, Κρατος ἀπ' ἀθανατοιο· μεγαν δ' έλελιξεν Ολυμπον ihm bey seinem Olympischen Jupiter zum Vorbilde gedienet, und daß ihm nur durch ihre Hülfe ein göttliches Antlig, propemodum ex ipso coelo petitum, gelungen sey. Wem dieses nichts mehr gesagt heißt, als daß die Phantasie des Künstlers durch das erhabene Bild des Dichters befeuert, und eben so erhabener Vorstellungen fähig gemacht worden, der, dünkt mich, übersicht das Wesentlichste, und begnügt sich mit etwas ganz allgemeinem, wo sich, zu einer weit gründlichern Befriedigung, etwas sehr specielles angeben läßt. So viel ich urtheile, bekannte Phidias zugleich, daß er in dieser Stelle zuerst bemerkt habe, wie viel Ausdruck in den Augenbraunen liege, quanta pars animi e fich in ihnen zeige. Vielleicht, daß sie ihn auch auf das Haar mehr Fleiß zu wenden bewegte, um das einigermaassen auszudrücken, was Homer ambrosisches Haar nennet. Denn es ist gewiß, daß die alten Künstler vor dem Phidias das Sprechende und Bedeutende der Mienen wenig verstanden, und besonders das Haar sehr vernachlässiget hatten. Noch Myron war in beyden Stücken tadelhaft, wie Plinius anmerkt, f und nach, eben demselben, war Pythagoras Leontinus der erste, der sich durch ein zierliches Haar

d) Iliad. A. v. 528. Valerius Maximus lib. III. cap. 7.

e) Plinius lib. X. sect. 51. p. 616. Edit. Hard.

f) Idem lib. XXXIV. sect. 19. p. 651. Ipse tamen corporum tenus curiosus, animi sensus non expressisse videtur, capillum quoque et pubem non emendatius fecisse, quam rudis antiquitas instituisset.

hervorthat. g Was Phidias aus dem Homer lernte, lernten die andern Künstler aus den Werken des Phidias.

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Ich will noch ein Beyspiel dieser Art anführen, welches mich allezeit sehr vergnügt hat. Man erinnere sich, was Hogarth über den Apollo zu Belvedere anmerkt. h Dieser Apollo, sagt er, und der Antinous find „beyde in eben demselben Pallaste zu Rom zu sehen. Wenn aber Anti„nous den Zuschauer mit Verwunderung erfüllet, so sezet ihn der Apollo „in Erstaunen; und zwar, wie sich die Reisenden ausdrücken, durch einen „Anblick, welcher etwas mehr als menschliches zeiget, welches sie gemeinig„lich gar nicht zu beschreiben im Stande find. Und diese Wirkung ist, „sagen sie, um desto bewunderswürdiger, da, wenn man es untersucht, „das Unproportionirliche daran auch einem gemeinen Auge klar ist. Einer „der besten Bildhauer, welche wir in England haben, der neulich dahin „reisete, diese Bildsäule zu fehen, bekräftigte mir das, was ißo gesagt „worden, besonders, daß die Füsse und Schenkel, in Ansehung der obern „Theile, zu lang und zu breit sind. Und Andreas Sacchi, einer der „größten Italiänischen Mahler, scheinet eben dieser Meinung gewesen zu „seyn, sonst würde er schwerlich (in einem berühmten Gemählde, welches „izo in England ist) seinem Apollo, wie er den Tonkünstler Pasquilini „krönet, das völlige Verhältniß des Antinous gegeben haben, da er übri„gens wirklich eine Copie von dem Apollo zu seyn scheinet. Ob wir „gleich an sehr grossen Werken oft sehen, daß ein geringerer Theil aus „der Acht gelassen worden, so kann dieses doch hier der Fall nicht seyn. ,,Denn an einer schönen Bildsäule ist ein richtiges Verhältniß eine von „ihren wesentlichen Schönheiten. Daher ist zu schliessen, daß diese Glieder mit Fleiß müssen seyn verlängert worden, sonst würde es leicht haben „können vermieden werden. Wenn wir also die Schönheiten dieser Figur durch und durch untersuchen, so werden wir mit Grunde urtheilen, daß „das, was man bisher für unbeschreiblich vortrefflich an ihrem allgemeinem „Anblicke gehalten, von dem hergerühret hat, was ein Fehler in einem „Theile derselben zu seyn geschienen.“ Alles dieses ist sehr einleuchtend; und schon Homer, füge ich hinzu, hat es empfunden und angedeutet, daß es ein erhabenes Ansehen giebt, welches bloß aus diesem Zusaße von Grösse in den Abmessungen der Füsse und Schenkel entspringet. Denn

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g) Ibid. Hic primus nervos et venas expressit; capillumque diligentius. h) Zergliederung der Schönheit. S. 47. Berl. Ausg.

wenn Antenor die Gestalt des Ulysses mit der Gestalt des Menelaus ver, gleichen will, so läßt er ihn sagen: i

Σταντων μεν, Μενελαος ὑπειρεχεν ένρεας ὠμους,

Αμφω δ ̓ ἑζομενω, γεραρώτερος ήεν Οδυσσευς. Wann beyde standen, so ragte Menelaus mit den breiten Schultern hoch hervor; wann aber beyde fassen, war Ulysses der ansehnlichere." Da Ulysses also das Ansehen im Sigen gewann, welches Menelaus im Sißen verlor, so ist das Verhältniß leicht zu bestimmen, welches beyder Oberleib zu den Füssen und Schenkeln gehabt. Ulysses hatte einen Zusat von Grösse in den Proportionen des erstern, Menelaus in den Proportionen der letztern.

XXIII.

Ein einziger unschicklicher Theil kann die übereinstimmende Wirkung vieler zur Schönheit stören. Doch wird der Gegenstand darum noch nicht Häßlich. Auch die Häßlichkeit erfodert mehrere unschickliche Theile, die wir ebenfalls auf einmal müssen übersehen können, wenn wir dabey das Gegentheil von dem empfinden sollen, was uns die Schönheit empfinden läßt.

Sonach würde auch die Häßlichkeit, ihrem Wesen nach, kein Vorwurf der Poesie seyn können; und dennoch hat Homer die äusserste Häßlichkeit in dem Thersites geschildert, und sie nach ihren Theilen neben einander geschildert. Warum war ihm bey der Häßlichkeit vergönnet, was er beh der Schönheit so einsichtsvoll sich selbst untersagte? Wird die Wirkung der Häßlichkeit, durch die aufeinanderfolgende Enumeration ihrer Elemente, nicht eben sowohl gehindert, als die Wirkung der Schönheit durch die ähnliche Enumeration ihrer Elemente vereitelt wird?

Allerdings wird sie das; aber hierinn liegt auch die Rechtfertigung des Homers. Eben weil die Häßlichkeit in der Schilderung des Dichters zu einer minder widerwärtigen Erscheinung körperlicher Unvollkommenheiten wird, und gleichsam, von der Seite ihrer Wirkung, Häßlichkeit zu seyn aufhöret, wird sie dem Dichter brauchbar; und was er vor sich selbst nicht i) Iliad. F. v. 210. 11.

nußen kann, nußt er als ein Ingrediens, um gewisse vermischte Empfindungen hervorzubringen und zu verstärken, mit welchen er uns, in Ermangelung reinangenehmer Empfindungen, unterhalten muß.

Diese vermischte Empfindungen sind das Lächerliche, und das Schreckliche. Homer macht den Thersites häßlich, um ihn lächerlich zu machen. Er wird aber nicht durch seine blosse Häßlichkeit lächerlich; denn Häßlichkeit ist Unvollkommenheit, und zu dem Lächerlichen wird ein Contrast von Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten erfodert. a Dieses ist die Erklärung meines Freundes, zu der ich hinzusetzen möchte, daß dieser Contrast nicht zu krall und zu schneidend seyn muß, daß die Opposita, um in der Sprache der Mahler fortzufahren, von der Art seyn müssen, daß fie sich in einander verschmelzen lassen. Der weise und rechtschaffene Aesop wird dadurch, daß man ihm die Häßlichkeit des Thersites gegeben, nicht lächerlich. Es war eine alberne Mönchsfraße, das Tɛhoιov seiner lehrreichen Mährchen, vermittelst der Ungestaltheit auch in seine Person verlegen zu wollen. Denn ein mißgebildeter Körper und eine schöne Seele, find wie Oel und Eßig, die wenn man sie schon in einander schlägt, für den Geschmack doch immer getrennet bleiben. Sie gewähren kein Drittes; der Körper erweckt Verdruß, die Seele Wohlgefallen; jedes das seine für sich. Nur wenn der mißgebildete Körper zugleich gebrechlich und kränklich ist, wenn er die Seele in ihren Wirkungen hindert, wenn er die Quelle nachtheiliger Vorurtheile gegen sie wird: alsdenn fliessen Verdruß und Wohlgefallen in einander; aber die neue daraus entspringende Erscheinung ist nicht Lachen, sondern Mitleid, und der Gegenstand, den wir ohne dieses nur hochgeachtet hätten, wird interessant. Der mißgebildete gebrechliche Pope mußte seinen Freunden weit interessanter seyn, als der schöne und gesunde Wicherley den seinen. So wenig aber Thersites durch die blosse Häßlichkeit lächerlich wird, eben so wenig würde er es ohne dieselbe seyn. Die Häßlichkeit; die Uebereinstimmung dieser Häßlichkeit mit seinem Charakter; der Widerspruch, den beyde mit der Idee machen, die er von seiner eigenen Wichtigkeit heget; die unschädliche, ihn allein demüthigende Wirkung seines boshaften Geschwätzes: alles muß zusammen zu diesem Zwecke wirken. Der lettere Umstand ist das Ov qvaρtixov, welches Aristoteles b unumgänglich zu dem Lächerlichen verlanget;

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a) Philos. Schriften des Hrn. Moses Mendelssohn Th. II. S. 23. b) De Poetica cap. V.

so wie es auch mein Freund zu einer nothwendigen Bedingung macht, daß jener Contrast von keiner Wichtigkeit seyn, und uns nicht sehr interessiren müsse. Denn man nehme auch nur an, daß dem Thersites selbst seine hämische Verkleinerung des Agamemnons theurer zu stehen gekommen wäre, daß er sie, anstatt mit ein Paar blutigen Schwielen, mit dem Leben bezahlen müffen: und wir würden aufhören über ihn zu lachen. Denn dieses Scheusal von einem Menschen ist doch ein Mensch, dessen Vernichtung uns stets ein grösseres Uebel scheinet, als alle seine Gebrechen und Laster. Um die Erfahrung hiervon zu machen, lese man sein Ende bey dem Quintus Calaber. c Achilles betauert die Penthesilea getödtet zu haben: die Schönheit in ihrem Blute, so tapfer vergossen, fodert die Hochachtung und das Mitleid des Helden; und Hochachtung und Mitleid werden Liebe. Aber der schmähsüchtige Thersites macht ihm diese Liebe zu einem Verbrechen. Er eifert wider die Wollust, die auch den wackersten Mann zu Unsinnigkeiten verleite,

ἡτ' άφρονα φωτα τίθησι

Και πινυτον περ ἐοντα.

Achilles ergrimmt, und ohne ein Wort zu versetzen, schlägt er ihn so unsanft zwischen Back und Ohr, daß ihm Zähne, und Blut und Seele mit eins aus dem Halse stürzen. Zu grausam! Der jachzornige mörderische Achilles wird mir verhaßter, als der tückische knurrende Thersites; das Freudengeschrey, welches die Griechen über diese That erheben, beleidiget mich; ich trete auf die Seite des Diomedes, der schon das Schwerd zucket, seinen Anverwandten an dem Mörder zu rächen: denn ich empfinde es, daß Thersites auch mein Anverwandter ist, ein Mensch.

Gesezt aber gar, die Verhehungen des Thersites wären in Meuterey ausgebrochen, das aufrührerische Volk wäre wirklich zu Schiffe gegangen und hätte seine Heerführer verrätherisch zurückgelassen, die Heerführer wären hier einem rachsüchtigen Feinde in die Hände gefallen, und dort hätte ein göttliches Strafgerichte über Flotte und Volk ein gänzliches Verderben verhangen: wie würde uns alsdenn die Häßlichkeit des Thersites erscheinen? Wenn unschädliche Häßlichkeit lächerlich werden kann, so ist schädliche Häßlichkeit allezeit schrecklich. Ich weis dieses nicht besser zu erläutern, als mit ein Paar vortreflichen Stellen des Shakespear. Edmund, der Bastard des Grafen von Gloster, im König Lear, ist kein geringerer c) Paralipom. lib. I. v. 720-778.

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