Billeder på siden
PDF
ePub

keine andere, als göttliche Macht retten kann: so läßt der Dichter ihn von der schüßenden Gottheit in einen dicken Nebel, oder in Nacht verhüllen, und so davon führen; als den Paris von der Venus, d den Idäus vom Neptun, e den Hektor vom Apollo. f Und diesen Nebel, diese Wolke, wird Caylus nie vergessen, dem Künstler bestens zu empfehlen, wenn er ihm die Gemählde von dergleichen Begebenheiten vorzeichnet. Wer sieht aber nicht, daß bey dem Dichter das Einhüllen in Nebel und Nacht weiter nichts, als eine poetische Redensart für unsichtbar machen, seyn soll? Es hat mich daher jederzeit befremdet, diesen poetischen Ausdruck realisiret, und eine wirkliche Wolke in dem Gemählde angebracht zu finden, hinter welcher der Held, wie hinter einer spanischen Wand, vor seinem Feinde verborgen stehet. Das war nicht die Meinung des Dichters. Das heißt aus den Grenzen der Mahlerey herausgehen; denn diese Wolke ist hier eine wahre Hieroglyphe, ein blosses symbolisches Zeichen, das den befreyten Held nicht unsichtbar macht, sondern den Betrachtern zuruft: ihr müßt ihn euch als unsichtbar vorstellen. Sie ist hier nichts besser, als die be= schriebenen Zettelchen, die auf alten gothischen Gemählden den Personen aus dem Munde gehen.

Es ist wahr, Homer läßt den Achilles, indem ihm Apollo den Hektor entrücket, noch dreymal nach dem dücken Nebel mit der Lanze stossen: τρις δ' ηερα τυψε βαθειαν. g 2lein and bas heißt in ber Gprade des Dichters weiter nichts, als daß Achilles so wüthend gewesen, daß er noch dreymal gestossen, ehe er es gemerkt, daß er seinen Feind nicht mehr vor sich habe. Keinen wirklichen Nebel sahe Achilles nicht, und das ganze Kunststück, womit die Götter unsichtbar machten, bestand auch nicht in dem Nebel, sondern in der schnellen Entrückung. Nur um zugleich mit anzuzeigen, daß die Entrückung so schnell geschehen, daß kein menschliches Auge dem entrückten Körper nachfolgen können, hüllet ihn der Dichter vorher in Nebel ein; nicht weil man anstatt des entrückten Körpers einen Nebel gesehen, sondern weil wir das, was in.einem Nebel ist, als nicht sichtbar denken. Daher kehrt er es auch bisweilen um, und läßt, anstatt das Object unsichtbar zu machen, das Subject mit Blindheit geschlagen werden. So verfinstert Neptun die Augen des Achilles, wenn er den

a) Iliad. I. v. 381.

e) Iliad. E. v. 23. f) Iliad. Y. v. 444.

g) Ibid. v. 446.

Aeneas aus seinen mörderischen Händen errettet, den er mit einem Rucke mitten aus dem Gewühle auf einmal in das Hintertreffen verseßt. h In der That aber find des Achilles Augen hier eben so wenig verfinstert, als dort die entrückten Helden in Nebel gehüllet; sondern der Dichter segt das eine und das andere nur bloß hinzu, um die äusserste Schnelligkeit der Entrückung, welche wir das Verschwinden nennen, dadurch sinnlicher zu machen.

Den homerischen Nebel aber haben sich die Mahler, nicht bloß in den Fällen zu eigen gemacht, wo ihn Homer selbst gebraucht hat, oder gebraucht haben würde; beh Unsichtbarwerdungen, bey Verschwindungen: sondern überall, wo der Betrachter etwas in dem Gemählde erkennen soll, was die Personen des Gemähldes entweder alle, oder zum Theil, nicht erkennen. Minerva ward dem Achilles nur allein sichtbar, als sie ihn zurückhielt, sich mit Thätigkeiten gegen den Agamemnon zu vergehen. Dieses auszudrücken, sagt Caylus, weis ich keinen andern Rath, als daß man sie von der Seite der übrigen Rathsversammlung in eine Wolke verhülle. Ganz wider den Geist des Dichters. Unsichtbar seyn, ist der natürliche Zustand seiner Götter; es bedarf keiner Blendung, keiner Abschneidung der Lichtstrahlen, daß sie nicht gesehen werden; i sondern es bedarf einer Erleuchtung, einer Erhöhung des sterblichen Gesichts, wenn

h) Iliad. Y. v. 321.

i) Zwar läßt Homer auch Gottheiten sich dann und wann in eine Wolke hüllen, aber nur alsdenn, wenn sie von andern Gottheiten nicht wollen gesehen werden. 3. E. Iliad. E. v. 282. wo Juno und der Schlaf ηega έóóɑμɛvo sich nach dem Ida verfügen, war es der schlauen Göttin höchste Sorge, von der Venus nicht entdeckt zu werden, die ihr, nur unter dem Vorwande einer ganz andern Reise, ihren Gürtel geliehen hatte. In eben dem Buche (v. 344.) muß eine güldene Wolke den wollufttrunkenen Jupiter mit seiner Gemahlin umgeben, um ihren züchtigen Weigerungen abzuhelffen:

Πως κ ἐοι, ἐιτις νωϊ θεων ἀιειγενετάων
Ενδοντ' ἀθρησειε;

Sie furchte sich nicht von den Menschen gesehen zu werden; sondern von den Göttern. Und wenn schon Homer den Jupiter einige Zeilen darauf sagen läßt:

Ηρη, μήτε θεων τογε δείδιθι, μήτε τιν άνδρων
Οψεσθαι τοιον τοι ἐγω νεφος ἀμφικαλύψω

Χρυσεον.

so folgt doch daraus nicht, daß sie erst diese Wolke vor den Augen der Menschen würde verborgen haben: sondern es will nur so viel, daß sie in dieser Wolke eben so unsichtbar den Göttern werden solle, als sie es nur immer den Menschen sey. So auch, wenn Minerva sich den Helm des Pluto auffeßet, (Iliad. E. v. 845.) welches mit dem Verhüllen in eine Wolke einerley Wirkung hatte, geschieht es nicht, um von den Trojanern nicht gesehen zu werden, die fie entweder gar nicht, oder unter der Gestalt des Sthenelus erblicken, sondern lediglich, damit fie Mars nicht erkennen möge.

sie gesehen werden sollen. Nicht genug also, daß die Wolfe ein willkührliches, und kein natürliches Zeichen bey den Mahlern ist; dieses willkührliche Zeichen hat auch nicht einmal die bestimmte Deutlichkeit, die es als ein solches haben könnte; denn sie brauchen es eben sowohl, um das Sichtbare unsichtbar, als um das Unsichtbare sichtbar zu machen.

XII.

[ocr errors]

Wenn Homers Werke gänzlich verloren wären, wann wir von seiner Ilias und Odyssee nichts übrig hätten, als eine ähnliche Folge von Gemählden, dergleichen Caylus daraus vorgeschlagen: würden wir wohl aus diesen Gemählden, sie sollen von der Hand des vollkommensten Meiich will nicht sagen, von dem ganzen Dichter, sondern bloß von seinem mahlerischen Talente, uns den Begriff bilden können, den wir ist von ihm haben?

fters feunt,

́Man mache einen Versuch mit dem ersten dem besten Stücke. Es set das Gemählde der Best. a Was erblicken wir auf der Fläche des Künstlers? Todte Leichname, brennende Scheiterhaufen, Sterbende mit Gestorbenen beschäftiget, den erzürnten Gott auf einer Wolke, seine Pfeile abdrückend. Der größte Reichthum dieses Gemähldes, ist Armuth des Dichters. Denn sollte man den Homer aus diesem Gemählde wieder herstellen: was könnte man ihn sagen lassen? „Hierauf ergrimmte Apollo, „und schoß seine Pfeile unter das Heer der Griechen. Viele Griechen starben und ihre Leichname wurden verbrannt." Nun lese man den Homer felbft:

[ocr errors]

Βη δε κατ' οὐλυμποιο καρήνων χωομενος κηρ,
Τοξ ώμοισιν ἐχων, ἀμφηρεφεα τε φαρέτρην.
Εκλαγξαν δ' άρ' οἴςοι ἐπ' ώμων χωομένοιο,
Αυτου κινηθεντος· ὁ δ ̓ ἦτε νυκτὶ ἐοικως.
Εζετ' έπειτ' ἀπανευθε νεων, μετα δ τον έγκε
Δείνη δε κλαγγη γενετ' ἀργυρεοιο βιοιο.
Ούρας μεν πρωτον ἐπῳχετο, και κυνας ἀργους.
Αυταρ έπειτ' ἀντοισι βελος έχεπευκες έφιεις
Βαλλ'· άιει δε πυραι νεκυων καιοντο θαμειαι.
a) Iliad. 4. v. 44-53. Tableaux tirés de l'Iliade p. 70.
Lessing, sämmtl. Werke. VI.

28

-

So weit das Leben über das Gemählde ist, so weit ist der Dichter hier über den Mahler. Ergrimmt, mit Bogen und Köcher, steiget Apollo von den Zinnen des Olympus. Ich sehe ihn nicht allein herabsteigen, ich höre ihn. Mit jedem Tritte erklingen die Pfeile um die Schultern des Zornigen. Er gehet einher, gleich der Nacht. Nun sitt er gegen den Schiffen über, und schnellet fürchterlich erklingt der silberne Bogen den ersten Pfeil auf die Maulthiere und Hunde. Sodann faßt er mit dem giftigern Pfeile die Menschen selbst; und überall lodern unaufhörlich Holzstösse mit Leichnamen. Es ist unmöglich die musikalische Mahlereh, welche die Worte des Dichters mit hören lassen, in eine andere Sprache überzutragen. Es ist eben so unmöglich, sie aus dem materiellen Gemählde zu vermuthen, ob sie schon nur der allerkleineste Vorzug ist; den das poetische Gemählde vor selbigem hat. Der Hauptvorzug ist dieser, daß uns der Dichter zu dem, was das materielle Gemählde aus ihm zeiget, durch eine ganze Gallerie von Gemählden führet.

[ocr errors]

Aber vielleicht ist die Pest kein vortheilhafter Vorwurf für die Mahlerey. Hier ist ein anderer, der mehr Reiße für das Auge hat. Die rathpflegenden trinkenden Götter. b Ein goldner offener Pallast, willkührliche Gruppen der schönsten und verehrungswürdigsten Gestalten, den Pocal in der Hand, von Heben, der ewigen Jugend, bedienet. Welche Architektur, welche Massen von Licht und Schatten, welche Contraste, welche Mannigfaltigkeit des Ausdruckes! Wo fange ich an, wo höre ich auf, mein Auge zu weiden? Wann mich der Mahler so bezaubert, wie vielmehr wird es der Dichter thin! Ich schlage ihn auf, und ich finde mich betrogen. Ich finde vier gute plane Zeilen, die zur Unterschrift eines Gemähldes dienen können, in welchen der Stoff zu einem Gemählde liegt, aber die selbst kein Gemählde sind.

[ocr errors]

Οι δε θεοι παρ Ζηνι καθημενοι ἠγοροωντο

Χρυσεῳ ἐν δαπεδῳ, μετα δε σφισι ποτνια Ήβη
Νεκταρ ἐφνοχόει· τοι δε χρυσεοις δεπάεσσι

Δείδεχατ ̓ ἀλληλους, Τρωων πολιν εἰσορόωντες.

Das würde ein Apollonius, oder ein noch mittelmäßigerer Dichter, nicht schlechter gesagt haben; und Homer bleibt hier eben so weit unter dem Mahler, als der Mahler dort unter ihm blieb.

Noch dazu findet Caylus in dem ganzen vierten Buche der Ilias b) Iliad. 4. v. 1-4. Tableaux tirés de l'Iliade p. 30.

sonst kein einziges Gemählde, als nur eben in diesen vier Zeilen. So sehr sich, sagt er, das vierte Buch durch die mannigfaltigen Ermunterungen zum Angriffe, durch die Fruchtbarkeit glänzender und abstechender Charaktere, und durch die Kunst ausnimt, mit welcher uns der Dichter die Menge, die er in Bewegung setzen will, zeiget: so ist es doch für die Mahlerey gänzlich unbrauchbar. Er hätte dazu seßen können: so reich es auch sonst an dem ist, was man poetische Gemählde nennet. Denn wahrlich, es kommen derer in dem vierten Buche so häufige und so vollkommene vor, als nur in irgend einem andern. Wo ist ein ausgeführteres, täuschenderes Gemählde als das vom Pandarus, wie er auf Anreißen der Minerva den Waffenstillestand bricht, und seinen Pfeil auf den Menelaus losdrückt? Als das, von dem Anrücken des griechischen Heeres? Als das, von dem beyderseitigen Angriffe? Als das, von der That des Ulysses, durch die er den Tod seines Leucus rächet?

Was folgt aber hierans, daß nicht wenige der schönsten Gemählde des Homers keine Gemählde für den Artisten geben? daß der Artist Gemählde aus ihm ziehen kann, wo er selbst keine hat? daß die, welche er hat, und der Artist gebrauchen kann, nur sehr armselige Gemählde seyn würden, wenn sie nicht mehr zeigten, als der Artist zeiget? Was sonst, als die Verneinung meiner obigen Frage? Daß aus den materiellen Gemählden, zu welchen die Gedichte des Homers Stoff geben, wann ihrer auch noch so viele, wann sie auch noch so vortrefflich wären, sich dennoch auf das mahlerische Talent des Dichters nicht schliessen läßt.

XIV.

Ist dem aber so, und kann ein Gedicht sehr ergiebig für den Mahler, dennoch aber selbst nicht mahlerisch, hinwiederum ein anderes sehr mahlerisch, und dennoch nicht ergiebig für den Mahler seyn: so ist es auch um den Einfall des Grafen Caylus gethan, welcher die Brauchbarkeit für den Mahler zum Probiersteine der Dichter machen, und ihre Rangordnung nach der Anzahl der Gemählde, die sie dem Artisten darbieten, bestimmen wollen, a

a) Tableaux tirés de l'lliade, Avert. p. V. On est toujours convenu, que plus un Poeme fournissoit d'images et d'actions, plus il avoit de uperiorité en Poesie. Cette

« ForrigeFortsæt »