Billeder på siden
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nicht betrachtet werden kann.. Das Unglück des Laokoon und die Zerstörung sind beh dem Dichter kein Gemählde neben einander; sie machen beyde kein Ganzes aus, das unser Auge auf einmal übersehen könnte oder sollte; und nur in diesem Falle wäre es zu besorgen, daß unsere Blicke mehr auf den Laokeon, als auf die brennende Stadt fallen dürften. Behder Beschreibungen folgen auf einander, und ich sehe nicht, welchen Nachtheil es der folgenden bringen könnte, wenn uns die vorhergehende auch noch so sehr gerührt hätte. Es sey denn, daß die folgende an sich selbst nicht rührend genug wäre.

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Noch weniger Ursache würde der Dichter gehabt haben, die Windungen der Schlangen zu verändern. Sie beschäftigen in dem Kunstwerke die Hände, und verstricken die Füsse. So sehr dem Auge diese Verthei= lung gefällt, so lebhaft ist das Bild, welches in der Einbildung davon zurück bleibt. Es ist so deutlich und rein, daß es sich durch Worte nicht viel schwächer darstellen läßt, als durch natürliche Zeichen.

micat alter, et ipsum

Laocoonta petit, totumque infraque supraque
Implicat et rabido tandem ferit ilia morsu

At serpens lapsu crebro redeunte subintrat

Lubricus, intortoque ligat genua infima nodo.

Das sind Zeilen des Sadolet, die von dem Virgil ohne Zweifel noch mahlerischer gekommen wären, wenn ein sichtbares Vorbild seine Phantasie befeuert hätte, und die alsdann gewiß besser gewesen wären, als was er uns ist dafür giebt:

Bis medium amplexi, bis collo squamea circum

Terga dati, superant capite et cervicibus altis. Diese Züge füllen unsere Einbildungskraft allerdings; aber sie muß nicht dabey verweilen, sie muß sie nicht aufs reine zu bringen suchen, sie muß işt nur die Schlangen, ißt nur den Lackoon sehen, sie muß sich nicht vorstellen wollen, welche Figur beyde zusammen machen. Sobald sie hierauf verfällt, fängt ihr das Virgilische Bild an zu mißfallen, und sie findet es höchst unmahlerisch.

Wären aber auch schon die Veränderungen, welche Virgil mit dem ihm geliehenen Vorbilde gemacht hätte, nicht unglücklich, so wären fie doch bloß willkührlich. Man ahmet nach, um ähnlich zu werden; kann

Lessing, sämmtl. Werke. VI.

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man aber ähnlich werden, wenn man über die Noth verändert? Vielmehr, wenn man dieses thut, ist der Vorsatz klar, daß man nicht ähnlich werden wollen, daß man also nicht nachgeahmet habe.

Nicht das Ganze, könnte man einwenden, aber wohl diesen und jenen Theil. Gut; doch welches sind denn diese einzeln Theile, die in der Beschreibung und in dem Kunstwerke so genau übereinstimmen, daß fie der Dichter aus diesem entlehnet zu haben scheinen könnte? Den Vater, die Kinder, die Schlangen, das alles gab dem Dichter sowohl als dem Artisten, die Geschichte. Ausser dem Historischen kommen sie in nichts überein, als darinn, daß sie Kinder und Vater in einen einzigen Schlangenknoten verstricken. Allein der Einfall hierzu entsprang aus dem veränderten Umstande, daß den Vater eben dasselbe Unglück betroffen habe, als die Kinder. Diese Veränderung aber, wie oben erwähnt worden, scheinet Virgil gemacht zu haben; denn die griechische Tradition sagt ganz etwas anders. Folglich, wenn in Ansehung jener gemeinschaftlichen Verstrickung, auf einer oder der andern Seite Nachahmung seyn soll, so ist sie wahrscheinlicher auf der Seite der Künstler, als des Dichters zu vermuthen. In allem übrigen weicht einer von dem andern ab; nur mit dem Unterschiede, daß wenn es der Künstler ist, der die Abweichungen gemacht hat, der Vorsaß den Dichter nachzuahmen noch dabey bestehen kann, indem ihn die Bestimmung und die Schranken seiner Kunst dazu nöthigten; ist es hingegen der Dichter, welcher dem Künstler nachgeahmet haben soll, so sind alle die berührten Abweichungen ein Beweis wider diese vermeintliche Nachahmung, und diejenigen, welche sie dem ohngeachtet behaupten, können weiter nichts damit wollen, als daß das Kunstwerk älter sey, als die poetische Beschreibung.

VII.

Wenn man sagt, der Künstler ahme dem Dichter, oder der Dichter ahme dem Künstler nach, so kann dieses zweyerlei bedeuten. Entweder der eine macht das Werk des andern zu dem wirklichen Gegenstande seiner Nachahmung, oder sie haben beyde einerley Gegenstände der Nachahmung, und der eine entlehnet von dem andern die Art und Weise es nachzuahmen.

Wenn Virgil das Schild des Aeneas beschreibet, so ahmet er dem

Künstler, welcher dieses Schild gemacht hat, in der ersten Bedeutung nach. Das Kunstwerk, nicht das was auf dem Kunstwerke vorgestellet worden, ist der Gegenstand seiner Nachahmung, und wenn er auch schon das mit beschreibt, was man darauf vorgestellet sieht, so beschreibt er es doch nur als ein Theil des Schildes, und nicht als die Sache selbst. Wenn Virgil hingegen die Gruppe Laokoon nachgeahmet hätte, so würde dieses eine Nachahmung von der zweyten Gattung seyn. Denn er würde nicht diese Gruppe, sondern das, was diese Gruppe vorstellet, nachgeahmet, und nur die Züge seiner Nachahmung von ihr entlehnt haben.

Bey der ersten Nachahmung ist der Dichter Original, bey der andern ist er Copist. Jene ist ein Theil der allgemeinen Nachahmung, welche das Wesen seiner Kunst ausmacht, und er arbeitet als Genie, sein Vorwurf mag ein Werk anderer Künste, oder der Natur seyn. Diese hingegen seßt ihn gänzlich von seiner Würde herab; anstatt der Dinge selbst ahmet er ihre Nachahmungen nach, und giebt uns kalte Erinnerungen von Zügen eines fremden Genies, für ursprüngliche Züge seines eigenen.

Wenn indeß Dichter und Künstler diejenigen Gegenstände, die sie mit einander gemein haben, nicht selten aus dem nehmlichen Gesichtspunkte betrachten müssen: so kann es nicht fehlen, daß ihre Nachahmungen nicht in vielen Stücken übereinstimmen sollten, ohne daß zwischen ihnen selbst die geringste Nachahmung oder Beeiferung gewesen. Diese Uebereinstimmungen können bey zeitverwandten Künstlern und Dichtern, über Dinge, welche nicht mehr vorhanden sind, zu wechselsweisen Erläuterungen führen; allein dergleichen Erläuterungen dadurch aufzustußen suchen, daß man aus dem Zufalle Vorsaß macht, und besonders dem Poeten bey jeder Kleinigkeit ein Augenmerk auf diese Statue, oder auf jenes Gemählde andichtet, heißt ihm einen sehr zweydeutigen Dienst erweisen. Und nicht allein ihm, sondern auch dem Leser, dem man die schönste Stelle dadurch, wenn Gott will, sehr deutlich, aber auch trefflich frostig macht.

Dieses ist die Absicht und der Fehler eines berühmten englischen Werks. Spence schrieb seinen Polymetis a mit vieler klaßischen Gelehrsamkeit,

a) Die erste Ausgabe ist von 1747; die zweyte von 1755 und führet den Titel: Polymetis, or an Enquiry concerning the Agreement between the Works of the Roman Poets, and the Remains of the antient Artists, being on Attempt to illustrate them mutually from one another. In ten Books, by the Revd. Mr. Spence. London. printed for Dodsley. fol. Auch ein Auszug, welchen N. Tindal aus diesem Werke gemacht hat, ist bereits mehr als ein mal gedruckt worden.

und in einer sehr vertrauten Bekanntschaft mit den übergebliebenen Werken der alten Kunst. Seinen Vorsatz, aus diesen die römischen Dichter zu erklären, und aus den Dichtern hinwiederum Aufschlüsse für noch unerklärte alte Kunstwerke herzuhohlen, hat er öfters glücklich erreicht. Aber dem ohngeachtet behaupte ich, daß sein Buch für jeden Leser von Geschmack ein ganz unerträgliches Buch seyn muß.

Es ist natürlich, daß wenn Valerius Flaccus den geflügelten Blizz auf den römischen Schilden beschreibt,

(Nec primus radios, miles Romane, corusci

Fulminis et rutilas scutis diffuderis alas)

mir diese Beschreibung weit deutlicher wird, wenn ich die Abbildung eines solchen Schildes auf einem alten Denkmale erblicke. b Es kann seyn, daß Mars in eben der schwebenden Stellung, in welcher ihn Addison über der Rhea auf einer Münze zu sehen glaubte, c auch von den alten

b) Val. Flaccus lib. VI. v. 55. 56. Polymetis Dial. VI. p. 50.

e) Ich sage es kann seyn. Doch wollte ich zehne gegen eins wetten, daß es nicht ist. Juvenal redet von den ersten Zeiten der Republik, als man noch von keiner Pracht und Ueppigkeit wußte, und der Soldat das erbeutete Gold und Silber nur auf das Geschirr seines Pferdes und auf seine Waffen verwantte. (Sat. XI. v. 100. 107.)

Tunc rudis et Grajas mirari nescius artes
Urbibus eversis praedarum in parte reperta
Magnorum artificum frangebat pocula miles,
Ut phaleris gauderet equus, caelataque cassis
Romuleae simulacra ferae mansuescere jussae
Imperii fato, geminos sub rupe Quirinos,

Ac nudam effigiem clypeo fulgentis et hasta,
Pendentisque Dei perituro ostenderet hosti.

Der Soltat zerbrach die kostbarsten Becher, die Meisterstücke grosser Künstler um eine Wölfin, einen kleinen Romulus und Remus daraus arbeiten zu lassen, womit er seinen Helm_ausschmückte. Alles ist verständlich, bis auf die leßten zwey Zeilen, in welchen der Dichter fortfährt, noch ein solches getriebenes Bild auf den Helmen der alten Soldaten zu beschreiben. So viel sieht man wohl, daß d'eses Bild der Gott Mars seyn soll; aber was soll das Bey= wort pendentis, welches er ihm giebt, bedeuten? Rigaltius fand eine alte Gloffe, die es durch quasi ad ictum se inclinantis erklärt. Lubinus meinet, das Bild sey auf dem Schilde gewesen, und da das Schild an dem Arme hänge, so habe der Dichter auch das Bild hängend nennen können. Allein dieses ist wider die Construction; denn das zu ostenderet gehörige Subjectum ist nicht miles sondern cassis. Britannicus will, alles was hoch in der Luft stehe, könne hangend heissen, und also auch dieses Bild über over auf dem Helme. Einige wollen gar perdentis dafür lesen, um einen Gegensaß mit dem folgenden perituro zu machen, den aber nur sie allein schön finden dürften. Was sagt nun Addison bey dieser Ungewißheit? Die Ausleger, sagt er, irren sich alle, und die wahre Meinung ist ganz gewiß diese. (S. dessen Reisen deut. Uebers. Seite 249.) „Da die römischen Soldaten sich nicht wenig auf den Stifter und kriegerischen Geist ihrer Rerublik einbildeten, so waren sie gewohnt auf ihren Helmen „die erste Geschichte des Romulus zu tragen, wie er von einem Gotte erzeugt, und von einer ,,Wölfin gesäuget worden Die Figur des Gottes war vorgestellt, wie er sich auf die Priesterin „Ilia, oder wie sie andere nennen, Rhea Sylvia, herabläßt, und in diesem Herablassen schien

Waffenschmieden auf den Helmen und Schilden vorgestellet wurde, und daß Juvenal einen solchen Helm oder Schild in Gedanken hatte, als er mit

„fie über der Jungfrau in der Luft zu-schweben, welches denn durch das Wort pendentis sehr „eigentlich und poetisch ausgedruckt wird. Außer dem alten Basrelief beym Bellori, welches „mich zuerst auf diese Auslegung brachte, habe ich seitdem die nehmliche Figur auf einer Münze ..gefunden, die unter der Zeit des Antoninus Pius geschlagen worden.“ — Da Spence diese Entdeckung des Addison so ausserordentlich glücklich findet, daß er sie als ein Muster in ihrer Art, und als das stärkste Beysriel anführet, wie nüßlich die Werke der alten Artisten zur Erklärung der klassischen römischen Dichter gebraucht werden können: so kann ich mich nicht enthalten, sie ein wenig genauer zu betrachten. (Polymetis Dial. VII. p. 77.) — Vors erste muß ich anmerken, daß bloß das Basrelief and die Münze dem Addison wohl schwerlich die Stelle des Juvenals in die Gedanken gebracht haben würde, wenn er sich nicht zugleich erinnert hätte, bey dem alten Scholiasten, der in der lezten ohn einen Zeile anstatt fulgentis, venientis gefunden, die Gloffe gelesen zu haben: Martis ad Iliam venientis ut concumberet. Nun nehme man aber diese Lesart des Scholiasten nicht an, søndern man nehme die an, welche Addison selbst annimt, und sage, ob man sodann die geringste Spur findet, daß der Dichter die Rhea in Gedanken gehabt habe? Man sage, ob es nicht ein wahres Hysteronproteron von ihm seyn würde, daß er von der Wölfin und den jungen Knaben rede, und sodann erst von dem Abentheuer, dem sie ihr Daseyn zu danken haben? Die Rhea ist noch nicht Mutter, und die Kinder liegen schon unter dem Felsen. Man sage, ob eine Schäferstunde wohl ein schickliches Emblema auf dem Helme eines römischen Soldaten gewesen wäre? Der Soldat war auf den göttlichen Ursprung seines Stifters stolz: das zeigten die Wölfin und die Kinder genuğsam; mußte er auch noch den Mars im Begriffe einer Handlung zeigen, in der er nichts weniger als der fürchterliche Mars war? Seine Ueberraschung der Rhea mag auf noch so viel alten Marmorn und Münzen zu finden seyn, paßt sie darum auf das Stück einer Rüstung? Und welches sind denn die Marmor und Münzen auf welchen sie Addison fand, und wo er den Mars in dieser schwebenden Stellung sahe? Das alte Basrelief, worauf er sich beruft, soll Bellori haben. Aber die Admiranda, welches seine Sammlung der schönsten alten Basreliefs ist, wird man vergebens darnach durchblättern. Ich habe es nicht gefunden, und auch Spence muß es weder da, noch sonst wo gefunden haben, weil er es gänzlich mit Stillschweigen übergeht. Alles kömmt also auf die Münze an. Nun betrachte man diese bey dem Addison selbst. Ich erblicke eine liegende Rhea; und da dem Stempelschneider der Raum nicht erlaubte, die Figur des Mars mit ihr auf gleichem Boden zu stellen, so stehet er ein wenig höher. Das ist es alles; schwebendes hat sie ausser diesem nicht das geringste. Es ist wahr in der Abbildung die Spence davon giebt, ist das Schweben sehr stark ausgedrückt; die Figur fällt mit dem Obertheile weit vor; und man sieht deutlich, daß es kein stehender Körper ist, sondern daß, wenn es kein fallender Körper seyn soll, es nothwendig ein schwebender seyn muß. Spence sagt, er befize diese Münze selbst. Es wäre hart, obschon in einer Kleinigkeit, die Aufrichtigkeit eines Mannes in Zweifel zu ziehen. Allein ein gefaßtes Vorurtheil kann auch auf unsere Augen Einfluß haben; zu dem konnte er es zum Besten seiner Leser für erlaubt halten, den Ausdruck, welchen er zu sehen glaubte, durch seinen Künstler so verstärken zu lassen, daß uns eben so wenig Zweifel desfalls übrig bliebe, als ihm selbst. So viel ist gewiß, das Spence und Addison eben dieselbe Münze meinen, und daß sie sonach entweder bey diesem sehr verstellt, oder bey jenem sehr verschönert seyn muß. Doch ich habe noch eine andere Anmerkung wider dieses vermeintliche Schweben des Mars. Diese nehmlich: daß ein schwebender Körper, ohne eine scheinbare Ursache, durch welche die Wirkung seiner Schwere verhindert wird, eine Ungereimtheit ist, von der man in den alten Kunstwerken kein Erempel findet. Auch die neue Mahlerey erlaubet sich dieselben nie, sondern wenn ein Körper in der Luft hangen soll, so müssen ihn entweder Flügel halten, oder er muß auf etwas zu ruhen scheinen, und sollte es auch nur eine bloße Wolke seyn. Wenn Homer die Thetis von dem Gestade sich zu Fuße in den Olymp erheben läßt, Tηv μev ág 'Ovìvμñovde nodes pepov (Iliad. ♬ v. 148) so verstehet der Graf Caylus die Bedürfnisse der Kunst zu wohl, als daß er dem Mahler rathen sollte, die Göttin so frey die Luft

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