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Selten genesen wir eher ron ter verächtlichen Nachahmung gewiffer französischen Muster, als bis der Franzose selbst diese Muster zu verwerfen anfängt. Aber oft auch dann noch nicht.

Es wird also darauf ankommen, ob der Mann, dem nichts angelegener ist, als das Genie in seine alte Rechte wieder einzuseßen, aus welchen es die mißverstandene Kunst verbrenget; ob der Mann, der es zugestehet, daß das Theater weit stärkerer Eindrücke fähig ist, als man von den berühmtesten Meisterstücken eines Corneille und Racine rühmen kann; ob dieser Mann bey uns mehr Gehör findet, als er bey seinen Landsleuten gefunden hat.

Wenigstens muß es geschehen, wenn auch wir einst zu den gesitteten Völkern gehören wollen, deren jedes seine Bühne hatte.

Und ich will nicht bergen, daß ich mich einzig in solcher Hofnung der Uebersetzung dieses Werks unterzogen habe.

Das Theater des Herrn Diderot.

Aus dem Französischen überseßt.

von

Gotthold Ephraim Lessing.

Erster Theil.

Zweyte, verbesserte Ausgabe.

1781.1

Vorrede des Uebersegers zu dieser zweyten Ausgabe.

Ich bin ersucht worden, dieser Uebersezung öffentlich meinen Namen zu geben.

Da es nun vorlängst unbekannt zu sehn aufgehöret hat, daß ich wirklich der Verfasser derselben bin; da ich mich des Fleißes, den ich darauf gewandt habe, und des Nußens, den ich daraus gezogen, noch immer

1 Berlin, 1781. bey Christian Friedrich Voß und Sohn. Erfter und zweyter Theil. #1. 8.

mit Vergnügen erinnere: so sehe ich nicht, warum ich mich einer Anförderung weigern sollte, die mir Gelegenheit giebt, meine Dankbarkeit einem Mann zu bezeugen, der an der Bildung meines Geschmacks so großen Antheil hat.

Denn es mag mit diesem auch beschaffen seyn, wie es will: so bin ich mir doch zuwohl bewußt, daß er, ohne Diderots Muster und Lehren, eine ganz andere Richtung würde bekommen haben. Vielleicht eine eigenere: aber doch schwerlich eine, mit der am Ende mein Verstand zufriedener ge= wesen wäre.

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Diderot scheint überhaupt auf das deutsche Theater weit mehr Einfluß gehabt zu haben, als auf das Theater seines eigenen Volks. Auch war die Veränderung, die er auf diesem hervorbringen wollte, in der That weit schwerer zu bewirken, als das Gute, welches er jenem nebenher verschafte. Die Französischen Stücke, welche auf unserm Theater gespielt wurden, stellten doch nur lauter fremde Sitten vor: und fremde Sitten, in welchen wir weder die allgemeine menschliche Natur, noch unsere besondere Volksnatur erkennen, sind bald verdrengt. Aber je mehr die Franzosen in ihren Stücken wirklich finden, was wir uns nur zu finden einbilden: desto hartnäckiger muß der Widerstand seyn, den ihre alten Eindrücke jeder, wie sie dafür halten, unnöthigen Bemühung, sie zu verwischen oder zu überstempeln, entgegensetzen.

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Wir hingegen hatten es längst satt, nichts als einen alten Laffen im kurzen Mantel, und einen jungen Geck in bebänderten Hosen, unter ein Halbduzend alltäglichen Personen, auf der Bühne herumtoben zu sehen; wir sehnten uns längst nach etwas bessern, ohne zu wissen, wo dieses Bessere herkommen sollte: als der Hausvater erschien. In ihm erkannte sogleich der rechtschafne Mann, was ihm das Theater noch eins so theuer machen müsse. Seh immerhin wahr, daß es seitdem von dem Geräusche eines nichts bedeutenden Gelächters weniger ertönte! Das wahre Lächerliche ist nicht, was am lautesten lachen macht; und Ungereimtheiten sollen nicht blos unsere Lunge in Bewegung seßen.

Selbst unsere Schauspieler fingen an dem Hausvater zuerst an, sich selbst zu übertreffen. Denn der Hausvater war weder Französisch, noch deutsch: er war blos menschlich. Er hatte nichts auszudrücken, als was jeder ausdrücken konnte, der es verstand und fühlte.

Und daß jeder seine Rolle verstand und fühlte, dafür hatte nun

freylich Diderot vornemlich gesorgt. Wenn ich aber doch gleichwohl auch meiner Uebersezung ein kleines Verdienst in diesem Punkte zuschreibe: so habe ich, wenigstens bis ißt, von den Kunstrichtern noch keinen besondern Widerspruch zu erfahren gehabt.

Nicht als ob ich meine Uebersetzung frey von allen Mängeln halten wollte; nicht als ob ich mir schmeichelte, überall, auch da den wahren Sinn des Verfassers getroffen zu haben, wo er selbst in seiner Sprache sich nicht bestimmt genug ausgedrückt hat! Ein Freund zeigt mir nur erst izt eine dergleichen Stelle; und ich bedaure, daß ich in dem Terte von diesem Winke nicht Gebrauch machen können. Sie ist in dem natürlichen Sohne in dem dritten Auftritte des ersten Aufzuges, wo Theresia ihrer Sorgfalt um Rosaliens Erziehung gedenkt. Ich ließ mir es ,,angelegen seyn, sagt sie, den Geist und besonders den Charakter dieses ,,Kindes zu bilden, von welchem einst das Schicksal meines Bruders ab„hangen sollte. Es war unbesonnen, ich machte es bedächtig. Es war „heftig, ich suchte dem Sanften seiner Natur aufzuhelfen." Das es ist in allen vier Stellen im Französischen durch il ausgedruckt, welches eben sowohl auf das vorhergehende enfant, auf Rosalien, als auf den Bruder gehen kann. Ich habe es jedesmal auf Rosalien gezogen: aber es kann leicht seyn, daß es die beiden erstenmale auf den Bruder gehen, und so nach heißen soll. „Er war unbesonnen, ich machte sie bedächtig. Er war heftig, ich suchte dem Sanften ihrer Natur aufzuhelfen." Ja dieser Sinn ist unstreitig der feinere.

Es kann jemand keinen einzigen solchen Fehler sich zu Schulden kommen lassen, und doch noch eine sehr mittelmässige Uebersetzung ge= macht haben!

Laokoon:

oder

über die Grenzen der Mahlerey und Poesie.

Υλη και τροποις μιμήσεως διαφερουσι.

Πλουτ. ποτ. Αθ. κατα Π. ή κατα Σ. ἐνδ.

Mit beyläufigen Erläuterungen verschiedener Punkte der alten Kunstgeschichte;

von

Gotthold Ephraim Lessing.

Erster Theil.

1766.

Berlin, bey Christian Friedrich Voß. 1766. 8. Die Handschrift nach der die Ausgabe von 1766 gedruckt ist und ein vollständiges Correktur - Exemplar derselben hat Herr B. Friedländer in Berlin dem Herausgeber zur Benußung freundlichst mitgetheilt. Es schien indessen nicht rathsam die verworfenen Lesarten anzugeben, sondern es sind nur einige Druckfehler verbessert worden. Die späteren Ausgaben sollen aus einem Eremplar gedruckt sein, in welchem der Verfasser einige wenige Stellen geändert hatte": es fand sich aber daß in diesen Ausgaben die Verbesserungen auf den Cartons der ersten ganz oder zum Theil vernachlässigt worden sind. (K. Lachmann. 1839.)

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