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,,bewußten Portraits gestochen; aber nicht aus freyem Willen, sondern „weil es mir aufgetragen ward, weil mir die Arbeit bezahlt ward, und „ich von dieser Beschäftigung lebe. Ich habe mein Bestes gethan. Allein „man hat mir ein so schlechtes Gemählde geliefert, daß ich nichts besseres „daraus habe machen können. Ich sage Ihnen, daß alle die Fehler, die fie in meinem Stiche tadeln, in dem Gemählde gewesen sind; und daß „ein Kupferstecher keinen Fehler des Gemähldes nach Gutdünken verbessern „kann, ohne in Gefahr zu seyn, die Aehnlichkeit auf einmal zu vernichten. „Was weis ich, ob Herr Gellert ein Adonis ist, oder ein saures „Gesicht mit Runzeln hat? Was weis ich, ob der andere Dichter (den „ich nicht einmal gestochen habe) schief und mürrisch aussieht? Wir Kupfer„stecher stechen die Leute, wie wir sie gemahlt finden. Und als Kupferftecher, sollte ich meinen, hätte ich doch immer noch einen Stichel gezeigt, „der fester und kühner ist, und mehr verspricht, als daß er eine so öffent„liche Beschimpfung verdient hätte. Doch dem sey wie ihm wolle. Wenn „ich auch schon der allerelendeste Kupferstecher wäre, warum gehen Sie „aus den Schranken des kritischen Tadels? Warum muß ich noch etwas „schlimmeres als der elendeste Kupferstecher, warum muß ich ihr Kuppler „seyn? Muß ich ihr Kuppler seyn, weil ihre Freunde das Unglück „durch mich gehabt haben, nicht so schön und artig in der Welt zu erschei= „nen, als sie sich in ihren Spiegeln erblicken? Dieses einzige frage ich „Sie: muß ich darum ihr Kuppler feyn? Wenn, sage ich, der Künstler zu dem Aufseher so spräche; was könnte der fromme, redliche, großmüthige Mann antworten?

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Herr Basedow möchte gar zu gern meinen Namen wissen. Gut; er soll ihn erfahren, sobald einer von ihnen, entweder Herr Cramer, oder Herr Klopstock, oder Er selbst, das Herz hat, sich zu diesem Pasquille zu bekennen.

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XII. Den 18. September. 1760.

Hundert und fieben und zwanzigster Brief.

Sie kennen doch den Aesopischen Zahnschreyer, Hermann Axel, den die Schweizerischen Kunstrichter vor einigen Jahren mit so vieler zujauchzenden Bewunderung austrommelten? Er unterschied sich von andern Zahnschreyern besonders dadurch, daß er sehr wenig redte. Wenn er aber seinen Mund aufthat, so`geschah es allezeit mit einer Fabel. Der schnackische Mann war in der Schweiß überall willkommen; er durfte ungebeten bey den Tafeln und Gastmählern vornehmer und geringer Personen erscheinen; man hielt dafür, daß seine Zeche durch die Fabeln, die er unter die Gespräche mischte, überflüßig bezahlt sey. Unter andern wußte er sehr viel von Gauchlingen zu erzehlen; wie die Gauchlinger über ihre böse Bach rathschlagen; wie die Gauchlinger nicht Spizhosen anstatt Pluderhosen tragen wollen; wie die Gauchlinger 2c. Alle diese Gauchlingiana haben seine Freunde zu Papiere gebracht, und sie in den Freymüthigen Nachrichten, in den Critischen. Briefen, in der Vorrede zu M. v. K. Neuen Fabeln, zum ersten, zweyten, dritten, und der Himmel gebe, leßten male drucken lassen.

Das alles wissen Sie. Aber wissen Sie auch, daß Hermann Axel noch lebt? Daß er nunmehr auf seine eigene Hand ein Autor geworden ist? Daß er einen kläglichen Beweis gegeben, wie wirksam das Gift seiner Schmeichler auf seinen gesunden Verstand gewesen seyn müsse? Diese bösen Leute hatten ihn und den Aesopus so oft zusammen genennt,

bis er sich wirklich für einen zweyten Patäcus (ós épaσxɛ tyv’Aiowлov v xn v exɛiv 1) gehalten. Nun fiel Leßingen vor kurzem ein, an dieser Seelenwanderung zu zweifeln, und verschiedenes wider die Axelische Fabeltheorie einzuwenden. Wer hieß ihm das? Er hätte die Schweizer besser kennen sollen. Er hätte wissen sollen, daß sie den geringsten Widerspruch mit der plumpften Schmähschrift zu rächen gewohnt find. Hermann Axel spricht zwar wenig; aber er kann desto mehr schreiben. Er wird eine Sündfluth von Fabeln wider ihn ausschütten. Er wird mit Stoppeln und Kräuterbündeln um sich werfen. Er wird alles thun, was er wirklich in folgendem Buche gethan hat. Leßingische unäsopische Fabeln: enthaltend die sinnreichen Einfälle und weisen Sprüche der Thiere. Nebst damit einschlagender Untersuchung der Abhandlung. Herrn Leßings von der Kunst Fabeln zu verfertigen. 2

Dieses Buch, welches um die Helfte stärker ist als die Leßingischen Fabeln selbst, hat so viel sonderbare Seiten, daß ich kaum weis, von welcher ich es Ihnen am ersten bekannt machen soll. So viel läßt sich gleich aus dem Titel abnehmen, daß es aus Fabeln und Abhandlungen bestehet. Jene sollen spöttische Parodieen auf Leßings Fabeln seyn; und in diesen soll die Leßingische Theorie von der Fabel mit Gründen bestritten werden. Hermann Axel dünkt sich in Schimpf und Ernst maitre passé; er will nicht bloß die Lacher auf seiner Seite haben, sondern auch die denkenden Köpfe; er fängt mit Fraßengesichtern an, und höret mit Runzeln auf. Aber woher weis ich es, werden Sie fragen, daß Hermann Axel der Verfasser von diesen Leßingischen unäsopischen Fabeln ist? Woher? Er hat sich selbst dazu bekannt, indem er verschiedene von den Fabeln, die ihm in den Critischen Briefen beygelegt werden, hier wieder aufwärmt, hier zum piertenmale drucken läßt. Mit was für Recht könnte er das thun, wenn nicht diese sowohl als jene seine wären; wenn er nicht beyde für Geburten von ihm erkannt wissen wollte?

Lesen Sie nur gleich die erste Fabel, um alle die Beschuldigungen. auf einmal zu übersehen, die er seinem wißigen Antagonisten macht. Wißig ist hier ein Schimpfwort, muß ich Ihnen sagen. Denn mit

1 Plutarch im Leben des Solops,

2 Zürich, bey Orell und Compagnie, in Octav.

allem würde Leßing vor ihm noch eher Gnade finden, als mit seinem Wize. Den kann er durchaus nicht leiden.

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Die neue Fabel-Cheorie.

„Ich saß an einem murmelnden Bache auf einem glatten Steine, „und rief die Muse an, die den Aesopus seine Fabeln gelehrt hatte. Indem kam mit seltsamen Bockssprüngen eine Gestalt wie eines Faunus „aus dem nahen Walde hervor; er kam gerade auf mich zu, und sagte: „Die Muse hört dich nicht, sie ist igo beschäftiget einem Poeten beyzustehen, der den Tod Sauls und Jonathans singt: Ich will statt ihrer dir bey deiner Geburt helfen. Ich bin von dem Gefolge der Musen, ,,und diene den Poeten und Mahlern nicht selten bey ihrer Arbeit; fie nennen mich Capriccio, ich bin jener Geist

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ille ciens animos et pectora versans,

Spiritus a capreis montanis nomen adeptus.

„Die Deutschen haben mir noch keinen Namen gegeben, und nur wenige „von ihnen kennen mich. Ich machte eine tiefe Verneigung, und sagte, „daß ich bereit wäre, mit ihm auf die Fabeljagd zu gehen. Diese Mühe, „sagte er, können wir uns sparen; dafür wollen wir im Aelian und „Suidas und Antonius Liberalis jagen. Wenn wir ihre Geschichten bald „eher abbrechen, bald weiter fortführen, bald einzelne Umstände heraus„nehmen, und eine neue Fabel darauf bauen, oder eine neue Moral in „eine alte Fabel legen, werden wir an Fabelwildbret niemals Mangel haben. Jede Folge von Gedanken, jeder Kampf der Leidenschaften soll „uns eine Handlung seyn. Warum nicht? Wer denkt und fühlt so „mechanisch, daß er sich dabey keiner Thätigkeit bewußt sey? Zu derselben brauchen wir auch die innere Absicht der aufgeführten Personen „nicht, es ist genung an unserer Absicht. Nur laßt uns nicht vergessen, „unserer Fabel die Wirklichkeit zu geben mit dem Es war einmal „Ich erlasse dir auch die kleinen sonderbaren Züge in den Sitten der „Thiere. Du hast genung an den allgemein bekannten, und diese magst „du erhöhen, so weit du willst, und sie so nahe zur menschlichen Natur „bringen, als du willst. Der müßte ein Dummkopf seyn, der deine „Fabeln lesen wollte, um die Naturgeschichte darinn zu studieren.

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Gewiß, sagte ich, werden wir so Fabeln bekommen, aber es werden „wohl Stoppische seyn? Um Vergebung, versezte er, nicht Stoppische,

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sondern Leßingische: In diesen letzten Tagen ist Leßing den Men„schen geschenkt worden, Stoppens unverdaute Fabeltheorie zu verdauen, „zu verbessern, und unter die scientifische · Demonstration zu bringen. „Wir können ihm die Verantwortung überlassen. Er kann sich mit Wit „aushelfen, wenn es ihm an Natur fehlt, und er hat Unverschämtheit „übrig, den Mangel an Gründlichkeit zu erseßen.

„Lasset uns, sagte ich, das Werk ohne Verzug angreifen. Hilf mir, muntrer Capriccio, zu Reimen oder Herametern, zu Gemählden, zu' Zeichnungen der Oerter, der Personen, der Stellungen, zu Gedanken, „die hervorstechen, zu Anspielungen. Fort mit dem Plunder, versette „er, den können wir gänzlich entbehren. Wozu braucht die Fabel An„muth? Willst du das Gewürze würzen? Kurz und trucken; mehr verlangt unser Lehrer nicht; gute Prose

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‚Entschuldige dich dann mit deinem Unvermögen, gieb deine Grillen „für Orakel, du wirst weder der Erste noch der Lette seyn, der das ,,thut

„Alles, was er mir sagte, dünkte mich seiner satyrischen Gestalt „und seinem bocksmäßigen Namen zu entsprechen. Indessen folgte ich „ihm, und verfertigte auf einem Stein folgende Fabeln.

Wie gefällt Ihnen das? Die Schnacke ist schnurrig genug; aber lassen Sie uns doch sehen, auf wie viel Wahrheit sie sich gründet. Erst eine kleine Anmerkung über den Capriccio. Der arme Capriccio! Hat der es nun auch mit den Schweißern verdorben? Noch im Jahr 1749, als sie uns die Gedichte des Pater Ceva bekannt machen wollten, stand Capriccio bey ihnen in sehr grossem Ansehen. Da war er der poetische Taumel; da war er der muntere Spürhund, der in einer schallenden Jagd, die das Hüfthorn bis in die abgelegensten dunkelnsten Winkel der menschlichen Kenntnisse ertönen läßt, das seltsamste Wild aufjagt; da war er Musis gratissimus hospes; da hätte er dem Pater sein Gedicht auf den Knaben Jesus machen helfen; da hatte er auch deutschen Dichtern die trefflichsten Dienste gethan; den einen hatte er in einer zärtlichen Elegie feine Liebe derjenigen erklären lassen, die ihm das Schicksal zu lieben auferlegt und ihm ihre Gegenliebe geordnet, die er aber noch nicht kannte, noch niemals gesehen hatte;" der andere war durch ihn in einer choriambischen Ode bis in die Tiefen jener Philosophie gelangt, in welchen „er sich mit seinen Freunden noch als Atomos, die allererst aus der Hand

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