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durch eine eigene Ausgabe des Phädrus zu rechtfertigen.

Ich besorge sehr, unser Verfasser wird mit dieser Abhandlung am wenigsten durch= kommen, und er wird von Glück zu sagen haben, wenn man ihm keine schlimmere Absicht giebt, als die Absicht, seine eigene Art zu erzehlen, so viel als möglich, zu beschönigen.

Die fünfte Abhandlung ist die kürzeste, und redet von einem besondern Nußen der Fabeln in den Schulen. Es ist hier nicht die Frage von dem moralischen Nußen, sondern von einem Nußen, welchen der Verfasser den hevristischen nennet. Er glaubt nemlich, daß die Erfindung der Fabeln eine von den besten Uebungen sey, durch die ein junges Genie gebildet werden könne. Da aber die wahre Art, wie eine Fabel erfunden wird, vielen Schwierigkeiten unterworfen ist, so räth er vors erste die Fabeln mehr finden als erfinden zu lassen; „und die allmähligen Stuffen von diesem Finden zum Erfinden, sagt er, „sind es eigentlich, was ich durch verschiedene Versuche meines zwey„ten Buches habe zeigen wollen. Es sind aber diese Versuche nichts anders als Umschmelzungen alter Fabeln, deren Geschichte er bald eher abbricht, bald weiter fortführet, bald diesen oder jenen Umstand derselben so verändert, daß sich eine andere Moral darinn erkennen läßt. Aus einigen Beyspielen werden Sie sich einen deutlichern Begriff davon machen können. 3. E. die bekannte Fabel von der Krähe, die sich mit den ausgefallenen Federn anderer Vögel geschmückt hatte, führt er einen Schritt weiter, und macht folgende neue Fabel daraus.

Die sechste des zweyten Buchs. [f. Band I, S. 176.] Diese Fabel kann für neu gelten, ob sie gleich aus alten Stücken zum Theil zusammen gesezt ist: denn es liegt eine neue Moral darinn. „So geht es dem Plagiarius! 2. [f. Bd. V, S, 460.] Oder die Fabel von den Fröschen die sich einen König erbeten hatten.

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Die dreyzehnte des zweyten Buchs. [f. Band I, S. 179.] Diese Fabel fängt da an, wo die alte aufhöret, und erhält dadurch gleichsam eine Art von historischer Wahrscheinlichkeit. — Und aus diesen Proben werden Sie zugleich von dem Tone und der Schreibart unsers Fabulisten urtheilen können. Jedes von den drey Büchern enthält dreyßig Fabeln; und wenn ich Ihnen nunmehr noch einige aus dem ersten und zweyten Buche vorlege, so wird es hoffentlich alles seyn, was Sie diesesmal von mir erwarten. Die erste, welche ich anführen will, scheinet er

mit Rücksicht auf sich selbst und die einfältige Art seines Vortrages gemacht zu haben.

Der Besiker des Bogens. [f. Band I, S. 186.]

Die Schwalbe. [S. 195.]

Der Geist des Salomo. [S. 187.]

X. Den 6. December. 1759.

Gin und siebenzigster Brief.

Ein Gelehrter, den Sie, so viel ich weis, in Frankfurt an der Oder suchen müssen, fieng bereits im vorigen Jahre an, eine Sammlung ungedruckter Briefe gelehrter Männer herauszugeben. In dem ersten Buche derselben nahmen sich besonders verschiedene Briefe von des Vignoles und Theoph. Sig. Bayern aus, indem sie an nüzlichen Sachen ungleich reicher waren, als die übrigen. In dem zweyten Buche versprach der Herausgeber den gelehrten Briefwechsel des Stephanus Vinandus Pighius zu liefern. Es scheinet aber, daß ihn ein sehr glücklicher Umstand dieses Versprechen aufzuschieben, verleitet hat. Sein Unternehmen selbst hat nehmlich so viel Beyfall gefunden, daß ihm nicht nur verschiedene Gelehrte ihre `litterarischen Schäße von dieser Art mitgetheilet haben, sondern daß ihm auch, durch Vermittelung des Herrn von Münchhausen der ganze Vorrath ungedruckter Briefe in der königlichen Bibliothek zu Hannover, zu beliebigem Gebrauche angetragen worden. Durch diesen Beytrag also ist er in den Stand gesetzt worden, uns noch vorher mit andern lesenswürdigern Briefen zu unterhalten, als ihm die Briefe des Pighius mögen geschienen haben.

Die ersten vier Bücher, auf welche die Sammlung nunmehro angewachsen ist, und welche den ersten Band derselben ausmachen, enthalten hundert und neunzig Briefe.! Bynckershoed, Beverland, Gisbert Cuper, d'Orville, J. A. Fabricius, Grävius, Gramm, Schannat, I. P. von Ludewig, Gesner x. sind die berühmten Namen ihrer Verfasser.

Sogar von Leibnizen finden sich in dem vierten Buche ein Dußend

Sylloge nova Epistolarum varii argumenti. Volumen I. libros III. priores continens. Norimbergae impensis Hered. Felseckeri 1760. 2 Alph. 4 Bogen.

Briefe, und Sie können leicht glauben, daß ich diese zu lesen am begierigsten gewesen bin. Die ersten zwey derselben sind an P. 3. Spenern geschrieben und enthalten wenig mehr, als einige jezt veraltete Neuigkeiten. Die folgenden sechse aber an den berühmten Huetius sind desto interessanter und enthalten Gedanken eines Philosophen, die noch immer unterrichten können. Die zwey ersten sind von dem Jahre 1673 und zu Paris geschrieben, aus welchen Datis, wenn Sie sich der Lebensgeschichte unsers Weltweisen erinnern, Sie ohngefähr den Inhalt errathen können. Huetius hatte damals die Besorgung der Ausgabe der klassischen Schriftsteller, welche vornehmlich zum Gebrauche des Dauphins eingerichtet seyn sollten; und er glaubte, daß er sich bey dieser Arbeit auch unsers Leibnig versichern müßte. Ob dieser nun gleich damals sich mit ganz andern Dingen beschäftigte, und besonders an seiner Rechenmaschine arbeitete: so lies er sich doch bewegen; denn ihm war in dem ganzen Bezirke der Wissenschaften nichts zu klein, so wie ihm nichts zu groß war. Nur bat er sich aus, daß man ihm einen Autor geben möchte, bey welchem sich Philosophie, und eine gesunde Philosophie anbringen liesse. Man schlug ihm in dieser Absicht den ältern Plinius, den Mela, die Schriftsteller vom Ackerbaue, den Apulejus, den Capella, und den Boethius vor. „Mich zum Plinius zu entschliessen, schreibt er, ver„stehe ich zu wenig von der Arzneygelahrtheit; und von den Schriftstellern „des Ackerbaues schreckt mich meine geringe Kenntniß der Oekonomie ab. Er wählte also den Martianus Capella, und das Urtheil, das er von diesem Schriftsteller fällt, ist sehr vortheilhaft, und sollte hinlänglich genug seyn, dem Capella mehr Leser zu verschaffen, als er ißiger Zeit wohl haben mag: Martianum Capellam, usus ingentis auctorem, gratum yarietate, scientias non libantem tantum, sed intrantem, solum ex superstitibus scriptorem cujusdam artium liberalium encyclopaediae. Er fing auch schon wirklich an daran zu arbeiten, und wollte die Anmerkungen des Grotius, die dieser in seinem funfzehnten Jahre gemacht hat, seiner Ausgabe ganz einverleiben. Allein welch Schicksal war es, das uns derselben beraubte? Jaucourt sagt in seiner Lebensbeschreibung unsers Weltweisen, daß ihm alles, was er dazu aufgeschrieben, boshaft entwendet worden, und daß er in der Folge keine müßigen Augenblicke finden können, es wieder herzustellen. Leibniz muß diesen Verlust noch in Paris erlitten haben, denn in den Briefen, die er 1679.

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aus Hannover an den Huetius schreibet, wird des Capella gar nicht mehr gedacht, als einer ohne Zweifel schon längst aufgegebenen und abgethanen Sache. Jaucourt kann übrigens aus diesem Briefe darinn verbessert werden, daß Leibniz den Capella selbst aus eigenem Antriebe gewählet, und daß es eben nicht der Einsicht des Huetius zuzuschreiben, daß er sich nur mit diesem und keinem andern Autor abgeben wollen. Denn Leibniz kannte sich wirklich besser, als ihn Huetius kannte; welches unter anderen auch daraus zu ersehen, daß ihm dieser mit aller Gewalt auch den Vitruvius aufdringen, wollte, mit dem er sich aber abzugeben rund abschlug, weil er nicht hoffen könne, etwas ausserordentliches dabey zu leisten. - Uebrigens muß es ein wenig verdriessen, daß Leibniz bey dieser Gelegenheit nicht allein allzuklein von sich selbst, (denn ein bescheidner Mann kann sich selbst so viel vergeben, als er will,) sondern auch allzuklein von seiner Nation spricht: Id enim fateor, tametsi neque ingenium, neque doctrinam mihi arrogem, diligentiae tamen laudem aliquando apud aequos censores consecutum. Et quid aliud expectes a Germano, cui nationi inter animi dotes sola laboriositas relicta est? Nun wundere man sich noch, wie es komme, daß die Franzosen einen deutschen Gelehrten so gering schäßen, wenn die besten deutschen Köpfe ihre Landesleute unter ihnen so erniedrigen, nur damit man ihnen Höflichkeit und Lebensart nicht absprechen könne. Denn das bilde man sich ja nicht ein, daß diese aus Complimenten zusammengesetzte Nation, auch das für Complimente halte, was gewissermassen zur Verkleinerung ihrer Nachbarn dienen kann.

Die drey folgenden Briefe hat Leibniß bey Gelegenheit des Huetschen Werkes von der Wahrheit der christlichen Religion, geschrieben, und sie enthalten sehr vortrefliche Gedanken über den Gebrauch der Philologie und Critik. „Die Critik, sagt er, die sich mit Prüfung „der alten Handschriften, Münzen, und Inscriptionen beschäftiget, ist „eine sehr nöthige Kunst, und zur Festsetzung der Wahrheit unsrer Reli„gion, ganz unentbehrlich. Denn das glaube ich gewiß, gehet die Critik „verloren, so ist es auch mit den Schriften unsers Glaubens geschehen, und es ist nichts gründliches mehr übrig, woraus man einem Chineser oder Mohametaner unsere Religion demonstriren könne. Denn gesezt, ,,man könnte die fabelhaften Historien von Theodorico Veronensi, „wie sie bey uns die Ammen unter dem Namen Dietrichs von Bern,

„den Kindern erzehlen, von den Erzehlungen des Caßiodorus, eines ,,zeitverwandten Schriftstellers, der bey diesem Könige Canzler war, nicht „unterscheiden; gesetzt, es käme die Zeit, da man mit den Türken zweifelte, ,,ob nicht Alexander der Grosse des Königs Salomon oberster „Feldherr gewesen sey; gesezt, es wären uns, anstatt des Livins und „Tacitus weiter nichts als einige von den zierlichen aber im Grunde „abgeschmakten geheimen Nachrichten von den Liebeshändeln groffer Männer, wie sie ist geschrieben werden, übrig; gesezt, es kämen die fabelhaften „Zeiten wieder, dergleichen bey den Griechen vor dem Herodotus waren: „würde nicht alle. Gewißheit von geschehenen Dingen wegfallen? Wir würden nicht einmal zeigen können, daß die Bücher der heiligen Schrift „nicht untergeschoben wären, noch vielweniger, daß sie göttlichen Ursprungs „wären. Unter allen Hindernissen, welche die Ausbreitung der christlichen „Religion in den Morgenländern findet, ist dieses, meiner Meinung nach, „auch das vornehmste, daß das dasige Volk, weil es von der allgemeinen „Geschichte ganz und gar nichts weis, die historischen Beweise, auf welche sich die christliche Religion stüzet, nicht begreifen kann. - Er giebt hierauf eine sehr sinnreiche, aber aus dem vorhergehenden sehr natürlich fliessende Ursache an, warum zu Anfange des vorigen Jahrhunderts, die Critik so stark getrieben, und in den neuern Zeiten hingegen so sehr vernachläßiget worden. Die Critik, sagt er, wenn ich die Wahrheit gestehen „soll, ward damals durch die theologischen Streitigkeiten genähret. Denn es ist kein Uebel in der Welt, das nicht etwas gutes veranlassen sollte. „Indem man nehmlich von dem Sinne der Schrift, von der Uebereinstimmung der Alten, von echten und untergeschobenen Büchern häufig „streiten mußte, und nur derjenige von den Kirchenscribenten aller Jahrhunderte richtig urtheilen konnte, der sich in den übrigen Werken des Alterthums gehörig umgesehen hatte: so durchsuchte man aufs genaueste „alle Bibliotheken. Der König von England Iacobus selbst, und andere „von den vornehmsten Gliedern der Kirche und des Staats, gaben sich ,,mit dergleichen Streitigkeiten, vielleicht ein wenig nur allzusehr ab. Als aber diese Streitigkeiten, in Kriege ausbrachen, und nach so viel vergoffenem Blute, die Klügern wohl sahen, daß mit alle dem Geschrey „nichts ausgerichtet werde, so bekamen, nach wiederhergestelltem Frieden, sehr viele vor diesem Theile der Gelehrsamkeit einen Eckel. Und nun fieng sich ein neuer Periodus mit den Wissenschaften an; indem in

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