Der kluge Geist des Salomons der Britten, Die einst sich Alfreds Brust zum Tempel weyhten, Befruchteten sein Herz. Wie Davids Sohn Bat er von Gott nicht Macht, nicht Ruhm, nicht Gold, Er bat um Weisheit und er ward erhört! Der Tugend steilen Pfad, den Weg der Helden! Welch eine gelehrte Parentation auf ihren Mitschüler! Von allen ist etwas darinn: vaterländische Historie, Bibel und Mythologie! Die Geschichte sagt ausdrücklich, daß Johanna vornehmlich durch das ungestüme Zusehen ihres Gemahls, des Guilford Dudley, feh bewogen worden die Krone anzunehmen. Auch der Dichter adoptirt diesen häßlichen Umstand, der uns von dem Guilford eine sehr nichtswürdige Seite zeiget. Wenn Guilford seine Gemahlin bittet, den Thron zu besteigen, was bittet er anders, als ihn nachzuheben? Diese schimpfliche Eigennützigkeit, reimet sich zu dem edlen Charakter, den Herr Wieland dem Guilford sonst gegeben hat, im geringsten nicht. Ferner sagt die Geschichte, daß der Herzog von Northumberland als der feigste Bösewicht gestorben sey, und noch auf dem Blutgerüste seinen Glauben verleugnet habe. Herr Wieland will dieses nicht umsonst gelesen haben; er bringt es an, ohne zu überlegen, daß der Antheil welchen der Zuschauer an dem Schicksale feiner Johanna nimmt, unendlich dadurch geschwächt werde. Denn nunmehr, wie die Verfasser der Bibliothek mit Recht sagen, ist Johanna mehr eine betrogene, als eine verfolgte Unschuld, die sich mehr über die Ihrigen, als über ihre Feinde zu beklagen hat. Und so könnte ich Ihnen noch mehr als einen Umstand anführen, den Herr Wieland ganz roh aus der Geschichte genommen hat, und ber, so wahr er immer ist, dem Interesse seines Stücks schnur stracks zuwider läuft. Heißt das, als ein Genie arbeiten? Ich meinte, nur der Verfasser der Parisischen Bluthochzeit stehe in dem schülerhaften Wahne, daß der Dichter an einer Begebenheit, die er auf die tragische Bühne bringen wolle, weiter nichts ändern dürfte, als was mit den Lessing, sämmtl. Werke. VI. 11 Einheiten nicht bestehen wolle, übrigens aber genau bey den Charakteren, wie sie die Geschichte von seinen Helden entwirft, bleiben müsse. Aber wozu alle diese Anmerkungen? Das Trauerspiel des Herrn Wielands muß dem ohngeachtet ein vortrefliches Stück seyn; und davon überzeugt mich ein ganz besonderer Umstand. Dieser nemlich: ich finde, daß die deutsche Johanna Gray in ihrem wahren Vaterlande bekannt geworden ist, und da einen englischen Dichter gereizt hat, sie zu plündern; sie recht augenscheinlich zu plündern. Die englischen Highwaymen aber berauben, wie bekannt, nur lauter reiche Beutel und machen sie auch selten ganz leer. Folglich! Sollte nicht Milton auch einen Deutschen geplündert haben? Gottsched triumphirte über diese vermeintliche Entdeckung gewaltig! Aber es war eine Calumnie, und Gottsched hatte zu zeitig triumphirt. Hier will ich ihm also mit einem bessern, gegründetern Beyspiele an die Hand gehen, wie gern sich die englische Biene auf unsern blumenreichen deutschen Auen treffen läßt. Einfältig muß unterdeß mein englischer Plagiarius nicht seyn; denn er hat sich darauf verstanden, was gut ist. 3. E. die vortrefliche Stelle, wo Johanna zu ihrer Mutter sagt: Doch wenn Edward wirklich Berechtigt war, die Kron auf Heinrichs Schwesterkinder An mir? . . Was müßte meine Mutter seyn, Eh mir der Thron gebührte? und ihre Mutter antwortet: Deine Mutter! Und stolzer auf den Titel deiner Mutter Als auf den Ruhm die glänzende Monarchin Der ganzen Welt zu seyn! Diese vortreffliche Stelle, sage ich, die so hervorsticht, daß alle Recensenten des Wielandischen Stücks sie ausgezogen haben, hat sich der Engländer fein eigen gemacht. Er übersetzt sie so: Ev'n you my gracious Mother, what must you be Ere i can be a Queen? Duchess of Suffolk. That, and that only, Thy Mother; fonder of that tender Name, IV. Den 25. October. 1759. Beschluß des drey und sechzigsten Briefes. Nicht schlimm übersetzt! Gewiß, man sieht, der Engländer muß ein Mann seyn, der etwas eben so schönes auch wohl aus seinem eigenen Kopfe hätte sagen können. Vergleichen Sie noch folgende Stellen, und Sie werden finden, daß er Herr Wielanden, in der Wahl der edelsten und stärksten Ausdrücke, fast erreicht hat. Wieland. Ach, Kerkerbande Und Schwerdt und Flammen find den Heiligen Der Priester schont des schwächeren Geschlechts, Der Engländer. Persecution, That Fiend of Rome and Hell, prepares her Tortures; Wieland. Heil dir, Prinzeßin, Heil dir, Enkelin Von alten Königen, du schönste Blume Von Yorks und Lancasters vereintem Stamme! Durch deren Eifer, unter deren Schuße Die göttliche Religion der Christen Hail, facred Princess! sprung from ancient Kings, By whose bright Zeal, by whose victorious Faith Wieland. Verwünscht seh mein fataler Rath! Verwünscht Die Zunge, die zu deinem Untergang Curs'd be my fatal Counsels, cours'd my Tongue Thy guiltless Feet to tread the Paths of Greatness! I have undone thee! Genug! Leben Sie wohl; und lernen Sie hieraus, wie bekannt wir deutschen Dichter unter den Engländern sind. Vier und sechzigster Brief. So? Vermuthen Sie, daß hinter meinem Engländer, der den Herrn Wieland soll ausgeschrieben haben, eine kleine Bosheit stecke? Sie meinen doch wohl nicht, daß ich, ein zweyter Lauder, die englische Verse selbst gemacht habe? Allzuviel Ehre für mich! Nein, nein; mein Engländer existiret; und heißt Nicholas Rowe. Was kann Herr Wieland dafür, daß Nicholas Rowe schon vor vierzig und mehr Jahren gestorben ist? Aber Scherz bey Seite! Es sey fern von mir, dem Herrn Wie= land ein Verbrechen daraus zu machen, daß er bey seinem Stücke einen der größten englischen Dichter vor Augen gehabt hat. Mich befremdet weiter nichts dabeh, als das todte Stillschweigen, welches er wegen dieser seiner Nachahmung beobachtet. Und wenn er dem Rowe nur noch blosse einzelne Stellen zu danken hätte! Allein so hat er ihm auch den ganzen Plan zu danken; und ich kann ohne die geringste Uebertreibung behaupten, daß fast keine einzige Situation sein eigen ist. Sie hiervon zu überzeugen, erlauben Sie mir, Ihnen den Plan der englischen Johanna Grah mit wenigen vorzuzeichnen. Edward lebt noch, und Johanna Gray ist mit ihrem Guilford noch nicht vermählet. Von diesem Punkte gehet Rowe aus. Die Herzoge von Northumberland und. Suffolk, nebst einem gewissen Johann Gates eröfnen die Scene. Wir erfahren, daß der König in den letzten Zügen lieget, und daß der Herzog von Northumberland bereits seine Maaßregeln genommen hat, die Nachfolge der päpstischen Maria zu verhindern, Die Gegenwart der Johanna ist dazu unumgänglich nöthig; und der Herzog von Suffolk gehet ab, ihre Ankunft bey Hofe zu beschleinigen; so wie kurz zuvor Gates abgehet, ihre Freunde auf allen Fall in Bereitschaft zu halten. Northumberland verräth in einer Monologue weitaussehende Anschläge, deren glücklicher Fortgang vornehmlich darauf beruhe, daß Johanna, noch vor Edwards Absterben, mit seinem Sohne, dem Guilford vermählt werde. Der Graf von Pembrock kömmt dazu; ein junger hißiger Mann, den Northumberland durch Schmeichelehen zu gewinnen sucht. Pembrock |