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Der Begriff der capitis deminutio wird von den Alten ganz un

zureichend erklärt; sie schreiten meist sogleich zur Definition der drei Arten, welche sie unterscheiden, der maxima, media oder minor, minima1). Aber auch diese erklären sie nicht ausreichend, so dass man genöthigt ist aus den einzelnen Fällen, in denen capitis deminutio eintrat, auf das Wesen der Institution selbst zu schliessen. Eine Aufführung dieser Fälle können wir auch hier nicht ersparen.

Capitis deminutio maxima erlitt derjenige, welcher die Freiheit und in Folge dessen die Civität verlor. Wer der Freiheit ermangelt, ist servus und Eigenthum eines Anderen). Als festestes Eigenthum galt in den ältesten Zeiten, was durch den Krieg gewonnen war3). Desshalb erlitt capitis deminutio maxima, weil Freiheitsverlust,

1. der Kriegsgefangene1). Aber nicht nur, wer im eigentlichen Kriege gefangen genommen wurde, sondern auch derjenige, welcher zur Friedenszeit im Auslande, d. h. in späterer Zeit bei den nicht föderirten Völkern, von den Fremden (hostes) 5) festgehalten und zum servus gemacht worden war 6). Wenn der captivus oder deditus die Freiheit wiedererlangte, so trat er bei der Heimkehr durch das ius postliminii in seine ganze frühere Stellung zurück").

1) Gai. I, 159; Ulp. fr. XI, 10; Paull. Dig. IV, 5, 11; Inst. I, 16, 1; Boeth. ad Cic. top. 4, p. 302 Or.

2) Gai. I, 9; Ulp. fr. XIX, 1.

3) Gai. IV, 16: maxime sua esse credebant, quae ex hostibus cepissent. 4) Paul. Diac. p. 70 M; Caes. b. civ. II, 32; Liv. XXII, 60, 15; Hor. carm. III, 5, 42.

5) Varro 1. 1. V, 1, p. 14; Cic. off. I, 12.

6) Dig. XLIX, 15, bes. 5 § 2.

7) Dig. XLIX, 15.

Der Gefangennahme verwandt ist nach römischem Begriff der Kauf und Verkauf eines Menschen und begründet desshalb ebenfalls die Stellung als servus. Wer konnte aber ausser dem Feinde über einen Freien das Recht erlangen, ihn verkaufen zu dürfen? Der Staat nahm dasselbe in Anspruch, doch nur in gewissen Fällen. Wer

2. seiner Dienstpflicht nicht genügte (miles factus non est) 8) oder den Census umging (censeri noluit)), was ursprünglich bei der Identität des exercitus militaris und civilis eng zusammenhing), blieb damit aus der Bürgerschaft fern. Als Fremder (hostis) angesehen, konnte er desshalb von der Staatsgewalt ergriffen (captus) in die Knechtschaft verkauft werden (sub hasta venire) sammt seinem Hab und Gut 10). Er erlitt somit capitis deminutio maxima. Eine Manumission führte zweifellos nicht zur Restitution, da der Wille des Volkes ihn zum Sklaven gemacht hatte"), und postliminium nicht stattfand 19).

3. Das römische Volk entschloss sich in gewissen Fällen einen seiner Bürger durch den pater patratus dem Feinde zu übergeben. Es lässt sich dies leicht aus der väterlichen Gewalt erklären, der die Staatshoheit nachgebildet war. Der Betroffene erlitt capitis deminutio maxima 13), wie alle capti und hostibus dediti, denn er ward servus hostium. Aber während die andern dediti das ius postliminii besassen 14), war dem deditus per patrem patratum dieses nicht gewährt 15). Nun kam es jedoch vor, dass der Feind einen solchen nicht annahm. Alsdann entstand ein schwerer Zweifel 16). Die einen

8) Cic Caec. 34; Ulp. XI, 11.

9) Vgl. »Die servianische Centurienverfassung«. Programm. Sorau 1874. 10) Gai. I, 160; Ulp. XI, 11; Varr. bei Non. I, 67, p. 11 G; cf. Liv. III, 69; Epit. XIV.

11) Dig. L, 7, 17.

12) Cic. de or. I, 40, 181.

13) Dig. L, 7, 17. Stellen bei Becker R. A. II, 1, p. 105.

14) Dig. XLIX, 15, 4.

15) Cic. de or. I, 40, 181.

16) Dig. XLIX, 15, 4: An qui hostibus deditus nec a nobis receptus (nämlich durch besondere Gewährung des postliminium) civis Romanus sit, inter Brutum et Scaevolam varie tractatum est. Dig. L, 7, 17: Quem hostes si non recepissent, quaesitum est, an civis Romanus maneret, quibus existimantibus manere, aliis contra, quia quem populus semel iussisset dedi, ex civitate expulisse videretur, sicut faceret, quum aqua et igni interdiceret. In qua sententia

meinten, er wäre nun niemals servus hostium gewesen, also in der civitas geblieben, hätte demnach nicht capitis deminutio erlitten. Die andern dagegen betonten, dass der Wille des Volkes ihn zum Sklaven gemacht habe, wesshalb er capitis deminutus sei und zwar ohne ius postliminii. Durch ein besonderes Gesetz ist dem C. Mancinus das postliminium gewährt 17), und so durch seine Wiederaufnahme seitens des Volkes selbst der erste Willensact des Volkes annullirt worden.

4. Wegen aes confessum wurde im Namen des Volkes der Schuldner dem Gläubiger addicirt, der addictus oder adiudicatus war aber damit nicht servus, erfuhr also dadurch auch nicht capitis deminutio. Aber dem Gläubiger stand in der ältesten Zeit das Recht zu, ihn trans Tiberim zu verkaufen 18). That er dies, so trat capitis deminutio ein. Ward der Betroffene hernach frei, so ist an seiner völligen Restitution nicht zu zweifeln, da er iussu populi nur in die Stellung des adiudicatus, nicht des servus gekommen war, der Gläubiger aber durch den Verkauf sein Recht erhalten. hatte. Ob der für manifestus nach den XII Tafeln dem Bestohlenen als servus oder als adiudicatus übergeben wurde, ist zweifelhaft 19). Die Entscheidung wegen der Deminution und eventuellen Restitution hängt von der Entscheidung dieser Frage ab. War er durch Richterspruch servus, so war eine Restitution bei Wiedererlangung der Freiheit ausgeschlossen. Es ist dies unwahrscheinlich.

5. In der Kaiserzeit ward auch in einigen anderen Fällen die Knechtschaft als Strafe verhängt. So wurden servi poenae genannt 20), wie es scheint, diejenigen, welche ad metallum, ad bestias u. s. w. verurtheilt worden waren und als Sklaven gelten sollten, ohne doch einen Herrn zu haben 21). Nach dem S. C. Claudianum 22) wurde die Freie, welche von einem Sklaven ein Kind hatte ohne Einwilligung von dessen Herrn, die Sklavin dieses Herrn (später

videtur P. Mucius fuisse. Nach letzterer Ansicht wäre der Entlassene factisch frei, aber nicht civilrechtlich. Diese Auffassung scheint die correcte.

17) Dig. L, 7, 17; Cic. top. 8.

18) Gell. XX, 1, 47.

19) Gell. XX, 1, 7; XI, 18, 8; Gai. III, 189.

20) Inst. I, 16, § 1.

21) Dig. XXVIII, 1, 8; Inst. I, 12, 3.

22) Gai. 1, 83–86; cf. Tac. ann. XII, 53; Suet. Vesp. 11.

etwas anders). Undankbare liberti wurden wiederum Sklaven 23). Endlich sollte, wer sich selbst durch einen andern (in betrügerischer Absicht) verkaufen liess, der Sklave des Käufers bleiben 24). Im letzteren Falle hatte das Wort »homo liber nullo pretio aestimatur. keine Geltung. Wie der Wille des Volks neben dem Kaufpreise aus einem liber einen vollständigen servus zu machen im Stande war, so in diesem Falle auch sein eigner Wille. Er wurde daher, wenn auch später freigelassen, nur libertus des Freilassers, nicht ingenuus 25) und trat nicht wieder in seine frühere Stellung zurück. In allen erwähnten Fällen trat natürlich capitis deminutio maxima ein.

6. Wie der Staat in gewissen Fällen den einzelnen Bürger der Freiheit beraubte, so stand vielleicht noch zweifelloser dem Vater das Recht zu seinen Sohn zu verkaufen 26). Doch ward der Sohn frei, so trat Restitution ein in den status prior, und zwar ohne postliminium 27). Der Act konnte sich daher wiederholen. Dreimal stand dem Vater nach den XII Tafeln jene Befugniss zu. Dann war der Sohn aus seiner potestas ganz frei, d. h. er hörte auf sein Sohn zu sein. Ward er nun auch von dem Herrn freigelassen, so war er sui iuris und zwar als ingenuus 28). Eine restitutio in pristinum statum ist dies freilich dennoch nicht zu nennen 29).

Dies sind, so weit uns bekannt, die Fälle der capitis deminutio maxima.

Erfolgte Verlust der Civität ohne Freiheitsverlust, so galt dies als capitis deminutio minor oder media. Veranlasst wurde dieselbe 1. durch die Annahme eines andern Bürgerrechts nach dem Satze des Civilrechts, dass niemand zweien Bürgerschaften zugleich

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26) Lex XII tab. Ulp. fr. X, 1; Gai. IV, 79; I, 132; Dion. II, 27; Paull. V, 1, 1.

27) Cic. de or. I, 40, 181.

28) Paull. V, 1, 1: qui filios suos vendiderunt, statui ingenuitatis eorum non praeiudicant: homo enim liber nullo pretio aestimatur.

29) Seine Stellung war der des Emancipirten ähnlich. S. unten p. 59f.

angehören könne 3o). Es war ein freiwilliger Act 31), und der Schritt, wie es scheint, nicht unwiderruflich, sondern Restitution erfolgte durch postliminium 32), unter Aufhebung des fremden Bürgerrechts. Hierher würde auch der Fall gehören, dass ein Fremder, der römisches Bürgerrecht gewonnen hatte (z. B. als servus nach Rom gekommen, dann libertus geworden war), sein angeborenes Bürgerrecht wieder aufsuchte. Dass er ohne den Willen zu haben beim blossen Betreten des väterlichen Bodens durch postliminium wiederum Bürger seiner Vaterstadt geworden wäre und aufgehört hätte römischer Bürger zu sein (nach Anschauung des römischen Civilrechts), wird als ein Irrthum bezeichnet 33).

2. Es bleibt der Fall des Exils. Hier liegt die Sache nicht ganz einfach. Cicero hat in seiner Argumentation pro Caec. 33 ff. und pro Balbo 11 ff., wo er zu beweisen sucht, dass niemand nach römischem Rechte wider Willen Exil, Verlust der Civität und Libertät erleide, wie mir scheint, wenigstens den Anhalt 34), dass direct weder das Exil, noch der Civitätsverlust, in älterer Zeit auch nicht der Libertätsverlust als Strafe ausgesprochen ward. Exilium bezeichnet der Wortbedeutung nach einen freiwilligen Act; es ward, so zu sagen, stets vor dem Eintritt der Strafe angetreten, um derselben zuvorzukommen. Das wirklich freiwillige exilium unterschied sich überhaupt nach dem Gesetz zunächst nicht von einer peregrinatio; es zog nicht capitis deminutio nach sich, wenn nicht Annahme eines andern Bürgerrechts oder andere Umstände mitsprachen. Verschieden lag die Sache, wenn der populus durch den Beschluss iustum esse exilium die Verbannung bestätigte oder wenn durch aquae et ignis interdictio jemand zum Fernbleiben genöthigt

30) Cic. Balb. 11 u. 12; Caec. 33; Gai III, 56; Paul Diac. p. 70 M. Häufig in früherer Zeit bei Auswanderung in eine latinische Stadt. Cf. Gai. I, 181. 31) Cic. Balb. 11: sua voluntate; cf. pro domo 30.

32) Cic. Balb. 12: nisi postliminio recuperassent.

33) Cf. Cic. Balb. 11; de or. I, 40, 182; Dig. XLIX, 15, 5 § 3.

34) Richtig ist auch, was Cic. Caec. 33 u. pro dom. 30 über die Municipien gesagt wird, denen Sulla durch Volksbeschluss die Civität nehmen liess. Es war ungesetzlich. Anders liegt die Sache bei Liv. XXVI, 34, wo von den wieder unterworfenen Campanern mit Recht gesagt ist, dass sie, die früher cives waren, durch eignen Willen, nämlich durch den Abfall, hostes geworden, nun in der Lage der dediticii oder servi sich befanden. Sie konnten daher mit der libertas beschenkt werden. Cf. Dig. IV, 5, 5 § 1: qui deficiunt, capite minuuntur.

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