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Was hat Vater, was Mutter genützt dem Ismarischen Orpheus?
Was, dafs seinem Gesang staunten die Tiere des Walds?
Aelinos, Aelinos liefs der nämliche Vater erschallen,

Sagt man, im hohen Wald, bis ihm die Leier versagt.
Auch Mäoniens Sohn, aus dem wie aus ewiger Quelle

Stets sich der Sänger Mund netzt mit Pierischem Nafs, Ihn auch versenkte der Tag des Tods in den schwarzen Avernus; Gierigen Scheitern entgehn seine Gesänge allein.

Bleibend ist Sängers Werk: der Ruhm des Trojanischen Kampfes, Und das Gewebe, zertrennt wieder mit nächtlicher List.

So wird Nemesis haben und Delia ewigen Namen,

Jene, sein jüngstes Lieb, diese, die erst er geliebt.

Was euch nützen die Opfer? was jetzt die Ägyptischen Klappern? Was in dem leeren Bett einsam gelegen zu sein?

Da die Edlen der Tod wegrafft verzeiht das Geständnis,

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Werd' ich, dafs Götter es nicht gebe, zu glauben versucht. Lebe fromm und du wirst fromm sterben; es wird aus dem Tempel Dich in die hohle Gruft schleppen der schreckliche Tod.

Guten Gedichten vertrau'; es liegt da, siehe! Tibullus.

Kaum, was ein kleiner Krug fasst, von dem Ganzen verbleibt. Dich denn, heiliger Sänger! verzehrten die Flammen der Scheiter, Scheuten an deiner Brust Nahrung zu suchen sich nicht? Hätten verbrennen vielmehr sie mögen der heiligen Götter Goldene Tempel, die ach! liefsen den Frevel geschehn. Trüb' abwandte den Blick, die haust auf den Zinnen des Eryx; Selber der Thränen enthielt, sagt man, die Göttin sich nicht. Doch ist besser noch dies, als wenn in unrühmlichem Boden

Unbekannt ihn gelegt hätte Phäaciens Volk.

Hier die Mutter doch hat beim Scheiden die schwimmenden Augen
Zu ihm gedrückt und dem Staub letzte Geschenke geweiht.
Hier hat Teil an dem Schmerz der unglücklichen Mutter genommen
Doch die Schwester, zerrauft jammernd das fliegende Haar.
Und mit den Deinen vereint gab Nemesis dir und die erste
Liebe noch Küsse, und nicht standen die Scheiter verwaist.
Delia sprach beim Scheiden: „Beglückter bei unserer Liebe
Warst du; du hast gelebt, während dein Feuer ich war."

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,Wie?" sprach Nemesis drauf,,,du trauerst ob meinem Verluste? Mich hielt sterbend er noch mit der versagenden Hand.“

Doch wenn irgend Etwas noch von uns als Name und Schatten
Bleibet, so wird Tibull sein im Elysischen Thal.

Magst du entgegen, bekränzt die Jünglingsschläfe mit Epheu,
Kommen ihm dort mit Freund Calvus, gelehrter Catull!

Du auch, ist falsch die Schuld an dem Freund dich vergangen zu haben,
Gallus! der nicht du geschont eigenes Leben und Blut.
Diese begleitet dein Schatten, hat Etwas von Körper ein Schatten.
Glatter Tibullus, vermehrt hast du der Seligen Schar.

Ruht ihr Gebeine denn friedlich, bewahrt in der sicheren Urne,
Und mag deinem Staub drückend die Erde nicht sein!

Wir sehen also, wie Ovidius in dieser Elegie den eben erfolgten Tod des Tibullus beklagt, wie er die noch lebende Mutter und Schwester desselben erwähnt und dann die beiden Mädchen, Delia und Nemesis, die der Dichter in seinen bald allgemein verbreiteten und gerühmten Elegienkränzen verherrlichte. Kein Wort von dem Vater des Tibullus, kein Wort von Sulpicia und Cerinthus, keines von Neära und noch weniger von einer Glycera. Und das sollte bei Ovidius, dem stoffreichen und gewandten Dichter, dem nur wenig jüngeren Zeitgenossen des Tibullus, im entferntesten denkbar sein? Wohl brauchte er die anderen Gelegenheitsdichtungen nicht zu erwähnen, aber wer einmal Delia und Nemesis nannte, der hätte ebenso die anderen Mädchen, wenn Tibullus sie wirklich in Gedichten verherrlichte, erwähnen müssen. Nächst dieser Stelle des Ovidius verdienen auch aus der oft genannten 10. Elegie des 4. Buches der Tristien, in der Ovidius so schön sein eigenes Leben schildert, noch folgende Worte (Vs. 41-54) angeführt zu werden.

,,Temporis illius colui fovique poetas,

Quotque aderant vates, rebar adesse deos.

Saepe suas volucres legit mihi grandior aevo,
Quaeque necet serpens, quae juvet herba, Macer.
Saepe suos solitus recitare Propertius ignes,
Jure sodalicio qui mihi junctus erat.
Ponticus heroo, Bassus quoque clarus iambis
Dulcia convictus membra fuere mei.
Et tenuit nostras numerosus Horatius aures,
Dum ferit Ausonia carmina culta lyra.
Virgilium vidi tantum; nec amara Tibullo
Tempus amicitiae fata dedere meae.

Successor fuit hic tibi, Galle! Propertius illi;

Quartus ab his serie temporis ipse fui."

Ferner ist zu bemerken, dafs Ovidius in den Tristien II, 447 flg. auf eine der Elegien des Tibullus (die 7. in meiner Ausgabe, gewöhnlich Buch I, Eleg. 6) Rücksicht nimmt, indem er fast wörtlich Entlehntes uns bietet. Allerdings erwähnt Ovidius unseren Dichter auch noch einige Male, aber nur ganz allgemein, ohne weitere nähere Mitteilungen; so als vortrefflichen Elegiendichter mit Gallus (69-27 v. Chr.) und Propertius (49-15 v. Chr.) in seiner Ars amandi III, 333 flgde, und in den Tristien V, 1, 15-18; mit Gallus allein Amor. I, 15, 27-28 und Tristien II, 445 flgde; mit Propertius in Remedia Amoris 763. Von anderen Römischen Schriftstellern gedenken seiner lobend C. Vellejus Paterculus (um 30 nach Chr.) lib. II, cap. 36; M. Fabius Quintilianus (36-95 n. Chr.) in seiner Institutio Oratoria lib. X, cap. 1, § 93 (,,Elegia quoque Graecos provocamus, cujus mihi tersus atque elegans maxime videtur auctor Tibullus"); Publius Papinius Statius (45-96 n. Chr.) in seinen Silvae lib. I, silv. 2, Vs. 255; M. Valerius Martialis Epigramm. IV, 6, 4; VIII, 73, 7 und XIV, 193 (in beiden letzteren Stellen erwähnt er die Nemesis des Tibullus), um die flüchtigen Notizen noch Späterer, wie des Sidonius Apollinaris und der Grammatiker zu übergehen. Schliesslich dürfen wir das Epigramm des Domitius Marsus (54-19 v. Chr.) nicht vergessen, aus dem man das Todesjahr des Tibullus zu bestimmen gesucht hat. Domitius sagt: ,,Te quoque Virgilio comitem non aequa, Tibulle!

Mors juvenem campos misit ad Elysios,
Ne foret, aut elegis molles qui fleret amores,
Aut caneret forti regia bella pede."

Tibullus selbst bietet uns in den Elegien, die als unbestritten echt zu betrachten sind, für sein Leben weiter keine Notizen, als dafs er mit dem angesehenen und reichen M. Valerius Messalla Corvinus nahe befreundet (vielleicht sogar verwandt) war und in ihm einen hohen Gönner hatte; ferner, dafs er an einem Feldzuge im Oriente Anteil nehmen sollte, auch schon von Italien abgefahren war, aber in Corcyra (Korfu) schwer erkrankte und dann wieder heimkehrte. Bei dieser Gelegenheit (in einer der Delia-Elegien, nämlich No. 4, oder vulgo I, 3, Vs. 5-8) gedenkt er seiner Mutter und Schwester. Das ist Alles. Allerdings hat man behauptet, er habe dem Aquitanischen Feldzuge unter der Führung des Messalla Ende 31 oder Anfang 30 v. Chr. bei

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er auch

gewohnt, aber da diese Annahme nur auf einer verdorbenen und jetzt erst sicher von Baehrens verbesserten Stelle (Eleg. 1. vulgo I, 7 Vs. 9) beruht, so ist sie hinfällig geworden und man kann wohl eher annehmen, dass Tibullus, der gar keinen kriegerischen Sinn hatte und das gemütliche Leben vorzog, lieber zuhause blieb, wenn später, als Messalla seinen Aquitanischen Triumph feierte (27 v. Chr.), diesen an seinem gleichzeitigen Geburtstage wegen seiner kriegerischen Erfolge in einem Gedichte verherrlichte. Möglich ist es allerdings, dass Tibullus, der jedenfalls ziemlich jung an diesem Feldzuge teilgenommen haben müsste, gerade durch ihn zu solchem Abscheu vor dem Kriege getrieben worden sei, wie er ihn in der 2. Elegie (vulgo I, 10) ausspricht; nur läfst das keinen sicheren Rückschlufs zu. Nach diesen wenigen Anhaltspunkten hat man das Leben des Tibullus in die Jahre 54-19 v. Chr. (700-735 a. u. c.) verlegt und, da ein Pränomen in den Handschriften nicht angegeben ist, vermutet, dafs er Aulus hiefs, dieses A. aber durch das folgende Albius verloren ging. Nicht unerwähnt darf ich hier noch lassen, dafs man bis auf die neueste Zeit den bei Horatius in den Oden (I, 33) und Episteln (I, 4) erwähnten Albius, einen Bekannten und Freund dieses Dichters, mit unserem Tibullus identificiert und des Tibullus Namen sogar in den Horatius eingeschmuggelt hat. Das ziemlich Selbstverständliche und ebenso das Nichtige des Schwatzens von einer dritten Geliebten des Tibullus, der Glycera, hat neuerdings Baehrens in seinen ,,Tibullischen Blättern" (Jena, 1878) nachgewiesen und so kommt für künftige Zeiten Alles, was man daraus bis ins Unglaubliche zusammengeschrieben hat, als reine Erfindung in Wegfall.

Was nun die unter dem Namen des Tibullus uns überlieferten Gedichte betrifft, so sind diese in den Handschriften meist in vier Bücher verteilt und nur in einigen Citaten finden wir, wie Baehrens nachgewiesen hat, zwei Bücher erwähnt. In der neueren Zeit erst sind die Gelehrten nach sorgsamster Prüfung zu der Überzeugung gekommen, dafs diese Sammlung von Elegien allerdings in ihrem Anfange echt Tibullisches enthält, und sie fanden dabei, nächst sprachlichen und stofflichen Gründen, in den Bemerkungen des Ovidius eine hinreichende Bekräftigung ihrer Ansicht, dafs neben zwei Elegien und zwei Epigrammen nur die Elegien auf Delia und Nemesis dem Tibullus angehören, dafs aber die Elegien auf Sulpicia und Cerinthus einem anderen uns jetzt unbekannten Dichter und endlich die auf Neära be

züglichen einem Dichter, der sich selbst Lygdamus nennt, zugeteilt werden müssen. Ebenso richtig haben die Gelehrten der Neuzeit erkannt, dafs diese Sammlung und zwar in dieser Form, wie sie die uns bis jetzt bekannten Handschriften geben, nicht von Tibullus selbst herrühren kann; dafs vielmehr einige Zeit nach dem unerwartet schnell erfolgten Tode des Dichters Alles, was man in seinem Nachlasse gefunden hatte, ohne es zu prüfen und zu sichten, als echt Tibullisches zu einem Ganzen vereinigt wurde. Dabei kamen auch in die Delia- und Nemesis - Elegien einige nicht dahin gehörige Gedichte. So hat man sogar unter die Elegien des ersten Buches die widerlichen ja scheufslichen Produkte einer leider im Süden Europas damals wie noch jetzt besonders im Oriente heimischen Knabenliebe, die sogenannten Marathus-Elegien (vulgo lib. I, el. 4, 8 und 9) aufgenommen, die ich dem Tibullus, der in allen seinen sonstigen dichterischen Schöpfungen der Natur folgt, nicht beilegen mag, selbst wenn alle Kenner der Poesien des Tibullus es behaupteten. Wohl ist es möglich, dafs sie sich wie zwei ebenso häfsliche und langweilige Priapeia unter den Papieren des Tibullus befunden haben. Diese widerlichen Produkte habe ich nicht mit aufgenommen, weil ich Freunden des Altertums damit gewifs keine Freude und keinen Genufs bereitet hätte. Ebenso habe ich ein langes Gedicht von 211 Versen, das im heroischen Versmafse abgefafst ist, einen Panegyrikus auf Messalla in ziemlich schwacher Form und Haltung enthält und in den Handschriften und Ausgaben das 4. Buch beginnt, in dieser Ausgabe weggelassen, weil es eben keine Elegie ist; auch streitet man sich noch immer darüber, ob es dem Tibullus zuzuschreiben sei oder nicht, und wird wahrscheinlich nie zu einem festen Resultate kommen.

Von den unserem Tibullus nicht angehörigen Elegien stehen die auf das Liebesverhältnis der Sulpicia und des Cerinthus bezüglichen den Tibullischen am nächsten und ziehen den Leser durch ihre Lieblichkeit an. Weniger ist dies mit denen des Lygdamus auf Neära der Fall, die wohl auch des Tibullus Art und Weise nachahmen, aber weit von seinem Geiste entfernt bleiben, wie wohl jeder Leser bald selbst merken wird. Zum Sprachlichen in den Dichtungen des Lygdamus kann man die Abhandlungen von S. Kleemann (De libri tertii carminibus quae Tibulli nomine circumferuntur. Argentorati, Truebner. 1876. 8o) und von Lierse (Ueber die Unechtheit des dritten Tibullischen Buches nebst einer Untersuchung über die Conjunktionen

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