Perfida, sed, quamvis perfida, cara tamen! 50 55 Herausgeber mit vollem Rechte die schöne Emendation des Heinsius (subdola, die betrügerische) aufgenommen. 47. jurarit] haben Dousa und Fruterius hergestellt, auch Passeratius in einer Handschrift gefunden statt juravit oder juvabit der übrigen Handschriften. Bei den Augen (Äuglein), als einem der teuersten Körperteile, besonders in Bezug auf die Liebe, zu schwören war etwas Gewöhnliches. Man vergleiche Ovid. Amor. II, 16, 43: „juraras Per me perque oculos, sidera nostra, tuos" - III, 3, 13: „Perque suos illam nuper jurasse recordor Perque meos oculos" und Propert. I, 15, 34: „ocelli, Per quos saepe mihi credita perfidia est! Hos tu jurabas, si quid mentita fuisses, Ut tibi suppositis exciderent manibus". 49. perjuria] sind die Schwüre, welche sich die Liebenden geben, ohne sie gewissenhaft halten zu wollen, die eben nur für den Augenblick geäussert sind. Zu „irrita ferre" s. 29, 96. 52. seria verba] ernstliche Reden; hier sind die Worte statt der Gesinnungen gesetzt. Der Dichter will sich dem Leichtsinn ergeben und geniefsen, ohne sich weiter um Treue oder Untreue zu kümmern. precor ist die Lesart der guten Handschriften, während die überarbeiteten späteren dafür,,procul" ohne alle Nötigung geben. 55. Treulos (bist du) gegen mich, der ich dies nicht verdient habe, aber auch dem, der es verdient, bist du nicht befreundet, d. h. du bist mir untreu ohne meine Schuld, und wie sehr ich auch Liebe verdienen mag (merenti), dennoch erwiederst du meine Liebe nicht. Der sehr einfache Gedanke ist von dem Dichter höchst geschraubt ausgedrückt. 57. Da das Klagen nichts hilft, so fordert der Unglückliche den Diener auf, ihm (und seinen Gästen) brav einzuschenken. Er sagt: Bacchus liebt die Najade. Naïs, Naïdis oder Naïas, Naïadis, bezeichnet eine Wassernymphe, eines der göttlichen Wesen der Landgewässer und spezieller der Quellen. Hier aber deutet der Dichter mit dieser Liebe des Bacchus zur Najade weiter nichts an, als dafs der Wein mit Wasser zu mischen sei, was auch der folgende Vers klar ausspricht, denn es heifst da: Was säumest du, träger Diener? es mildere den bejahrten (annosus reich an Jahren; nur dichterisch) Reinwein das klare Marcische Wasser, die Marcische Quelle. Über diese giebt Plinius Hist. Natural. XXXI, 3, 24 § 41 die interessante Mitteilung: Das berühmteste unter allen Gewässern auf der ganzen Erde ist durch die ihm nachgerühmte Kühle und Zuträglichkeit nach dem allgemeinen Urteile Roms das Marcische Wasser, eines der Geschenke der Götter für die Stadt [Rom]. Ehedem hiefs es das Aufejische, die Quelle selbst die Pitonische. Es entspringt auf den äufsersten Bergen der Peligner Temperet annosum Marcia lympha merum. Tu puer, i, liquidum fortius adde merum! Debueram sertis implicuisse comas. 60 [in den heutigen Abruzzen], fliefst durch das Gebiet der Marser und den 59. Nun endlich fühlt er sich stark genug, die Verschmähung von 62. fortius] wird von den meisten Erklärern als Adjectiv gefasst, offen 63. Der Dichter schliefst sein Poem damit, dafs er sagt, er sei so 31. (III, 5.) IV. Klage und Bitte an die fernen Freunde. Vos tenet, Etruscis manat quae fontibus unda, 5 31. (III, 5.) Dies kleine Gedicht ist von einem Unbekannten, der eben kein Dichtergenie war, an seine Freunde gerichtet, die nach Beginn des Frühlings nach Etrurien in eines der dasigen Bäder gegangen waren und, setzen wir hinzu, ihn aufgefordert hatten, auch dahin zu kommen. Er meldet ihnen, dafs er schwer erkrankt, ja dem Tode nahe sei, und bittet, dafs sie für ihn die Götter um Genesung anflehen möchten. Da man das Gedicht, das den Tibullischen beigefügt und mitten in die Lygdamischen Elegien, als zu den Gedichten des Lygdamus auf Neära gehörig, eingefügt war, lange Zeit (bis auf Joh. Heinr. Vofs) sogar als echt Tibullische Schöpfung betrachtete, so haben die Gelehrten durch eine Menge falscher Mitteilungen, die sie aus diesem armseligen Produkte entlehnten, das Leben des Tibullus mit Irrtümern bereichert, die leider auch in besseren Litteraturgeschichten noch beibehalten sind. Dem Verfasser sind die Elegien des Tibullus, aber auch die des Ovidius bekannt gewesen; aus letzteren hat er sogar einen ganzen Vers (18) entlehnt. 1. Der Anfang hat den Kritikern und Erklärern viele Not gemacht und Heyne hatte ganz Recht, als er auf den Gedanken kam, dafs der 2. und 3. Vers am besten ganz gestrichen würden, um den Verfasser nicht zu Fades sagen zu lassen. Da es aber eben ein höchst mittelmäfsiger Dichter ist, um dessen vereinzeltes Produkt es sich handelt, so habe ich die zwei Verse stehen gelassen und nur statt des ganz unsinnigen maxima“ im 3. Verse mit den neueren besseren Kritikern des Scioppius Verbesserung „proxima“ aufgenommen. Der Dichter sagt also: Euch fesselt die Welle, das Wasser, welches Etruskischen Quellen entsprudelt, das man nicht besuchen (gebrauchen) kann, wenn der sommerliche Hund (der Hundsstern, Sirius) am Himmel steht, das jetzt aber den heiligen Gewässern Bajäs am nächsten kommt, da das Erdreich sich im purpurnen Frühlinge entfesselt (remittit). Purpureus, das wir lieber durch „rosig" ersetzen würden, ist eben ein zierendes Beiwort und wird meist auf die im Frühlinge hervorbrechenden Blüten und Blumen bezogen. Man vergleiche Virgil. Eclog. IX, 40: Hic ver purpureum, varios hic flumina circum Fundit humus flores.". Remittit ist in der hier erforderlichen Bedeutung „sich von etwas befreien", nämlich von dem Froste und Eise des Winters, nur aus Ovidius nachweisbar Fast. IV, 126, wo es heifst: Vere nitent terrae, vere remissus ager." Gebräuchlicher war in dieser Hinsicht solvere und resolvere. Noch ist zu bemerken, dafs der Dichter seine Freunde in einem der Bäder Etruriens verweilen läfst, obwohl im Ganzen nur der Aufenthalt auf dem Lande in dem schönen Thale des Arno zu verstehen sein wird. Allerdings erwähnt er hier und unten Vs. 29 nur die Gewässer. Es gab aber in Etrurien, wie wir aus Strabo, Plinius und Martialis wissen, mehrere heifse, von den Römern häufig besuchte Quellen, wie besonders eine Stunde nordöstlich von Pisa, bei Volaterrä, Vetulonium, Centumcellä, und die Aquä Apollinares, wenn sie gleich nicht die Anziehungskraft besafsen wie das gefeierte Bajä in Campanien. 5. denuntiat] kündigt, droht ihm an, nigram horam, die Todesstunde. Immerito iuveni parce nocere, dea! Dextera nec cuiquam trita venena dedit, Nec venit tardo curva senecta pede. 10 15 6. parce nocere] wie „parcite solvere" bei Ovidius Trist. I, 2, 2 und "parcis deripere" bei Horat. Od. III, 28, 7 und Ähnliches bei Anderen, ist dichterische Umschreibung des einfachen: „ne noceas". 7. Da er sich keines Frevels an Göttern und Menschen bewusst ist, und doch nur schwere Sünden nach dem Glauben der Alten (und gar Vieler in der Gegenwart noch) frühzeitigen Tod oder schwere und langdauernde Krankheiten herbeiführen, so ruft er mit Erwähnung seiner Unschuld und Jugend die gewaltige Herrscherin des Schattenreiches und zuletzt alle Mächte der Unterwelt um Schonung und Verschiebung des Todes auf späte Greisesjahre an. Der Dichter sagt zunächst: „Non ego tentavi audax (d. h. war so kühn, frech, dafs ich versuchte) sacra (die Opfergebräuche bei der Verehrung) deae laudandae (die nur zu loben, zu preisen ist; vertritt das gebräuchlichere bonae), temeranda nulli virorum (die kein Mann entweihen darf), docere (zu erklären, Anderen mitzuteilen). Er meint den geheimnisvollen Dienst der altitalischen Frauengöttin, welche mit Verschweigung ihres eigentlichen Namens gewöhnlich Bona genannt wurde; vergl. oben zu 7, 18. 9. inficere, eigentlich: versetzen, mischen, aber dann wie öfters im schlechten Sinne: vergiften. 10. trita liest man jetzt ganz allgemein nach Scaligers Vorgange statt des unpassenden „certa" der Handschriften. Der Dichter sagt: ich habe weder selbst Gift für Andere bereitet noch von Anderen bereitetes gegeben. 12. nefanda] andere unsagliche, also verruchte Thaten, wie Strassenraub und Totschlag. Baehrens schreibt „furta" statt „facta“. 13. Wie man „verba meditari" sagte, so hier der Dichter med. jurgia", auf Hader, Wortwechsel denken, ausgesonnene Schmähreden oder Vorwürfe vorbringen, insanae mentis, des sinnlosen Geistes, d. h. wie sie eben nur ein Kranker, Irrsinniger vorbringen kann; denn in der leidenschaftlichen Aufregung vergeht sich Mancher gegen die Götter, schmäht auf sie und macht ihnen Vorwürfe, als trügen sie die Schuld von seinem Mifsgeschicke. Sonst sagte man wohl „jurgia nectere" oder „jactare". Tibull. 12, 18 hat einfacher: „insana mente nefanda loqui", während unser Poet sagt: Wir öffnen (solvimus) unseren gottlosen Mund gegen die feindlichen (adversos, d. h. von uns für uns feindlich gehaltenen) Götter. Die Redensart „ora solvere" hat schon Ovid. Metamorph. I, 181 und IX, 428. 15. laesere] haben verletzt, d. h. das schwarze Haar teilweise in weifsgraues verwandelt. 16. tardo pede gehört wie curva zu „senecta“ (meist dichterisch statt Cum cecidit fato consul uterque pari. senectus) und nicht zu venit: „Das den Körper des Menschen krümmend und langsamen Schritt bewirkende Greisenalter". 18. Gemeint sind die Konsuln Hirtius und Pansa, die in dem sogenannte Mutinischen Kriege gegen Antonius im Jahre 43 v. Chr. (711 a. u. c. starben: „sie fielen durch das gleiche Geschick, erlagen demselben". Vorhe ist primo statt primum, das erste Mal, gesetzt. Es kann aber recht woh dasselbe Jahr, in dem Ovidius, wie er selbst in den Trist. IV, 10, 6 sag geboren wurde, auch das Geburtsjahr unseres Dichters sein, der diesen Ver aus Ovidius herübernahm. 19. Auch dieses Distichon ist nach des Ovidius Vorgange in der Amores II, 14, 23 gebildet, der weit treffender sagt: „Quid plenam frauda vitem crescentibus uvis Pomaque crudeli vellis acerba manu". Fraudar eigentlich: Jemanden um Etwas bringen, es ihm entziehen, findet sich so vorherrschend bei den Dichtern und hebt das Unnatürliche und Gesetzwidrige hervor. Auch die Hand heifst mala, indem sie Etwas thut, das wider die Natur streitet, das unreife Obst abreifst. 21. Ihr, die ihr über die bleichen, blassen Gewässer der Unterwelt (vergl. Lygdamus oben 26, 28:,,pallida Ditis aqua") die Herrschaft habt und bei der Teilung der Herrschaft über Himmel (Juppiter), Erde (Wasser, Neptunus) und Unterwelt (Pluto) durchs Loos (sortiti hier gleich: als euren Teil) dieses harte, gefühl- und erbarmungslose Reich (Teil der Welt) erhalten habt. Tertia regna bildet einen Begriff, zu dem nun dura hinzutritt. Ovidius Metamorph. V, 368 sagt:,,(Deus) Cui triplicis cessit fortuna novissima regni". 24. Der Lethäische Kahn ist das Fahrzeug, auf dem Charon die Seelen der Verstorbenen über den Styx setzt. Die Namen der Flüsse in der Unterwelt wechseln bei den Dichtern je nach Bedürfnis und Willkür. Ebenso bezeichnen die Kimmerischen Seeen weiter nichts als die Gewässer der Unterwelt; er nennt diese Kimmerische, weil das Land der nach Homerischem Vorgange gedachten Kimmerier, im äussersten Westen gelegen, von grofser Dunkelheit heimgesucht war; auch verlegte man dahin den Eingang in die Unterwelt. 25. Das Greisenalter bringt Runzeln und blasse Farbe des Gesichtes. Vergl. 25, 20. 27. Vanus hebt das Vorübergehende, das nicht Tötliche der Krankheit hervor; und wie aestus, die Fieberhitze, das Fieber überhaupt, so bezeichnet languere die Ermattung oder Erschlaffung des Körpers. 29. Ihr feiert die Gottheiten, die Mächte, d. h. Nymphen, des Tuskischen Gewässers; vergl. Vs. 1. |