Billeder på siden
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Venit ad infernos sanguinolenta lacus.
Desino, ne dominae luctus renoventur acerbi;
Non ego sum tanti, ploret ut illa semel.
Nec lacrimis oculos digna est foedare loquaces;
Lena nocet nobis, ipsa puella bona est.
Lena necat miserum Phryne furtimque tabellas
Occulto portans itque reditque sinu.

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Saepe, ego cum dominae dulces a limine duro
Agnosco voces, haec negat esse domi;

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Saepe, ubi nox promissa mihi est, languere puellam
Nuntiat aut aliquas extimuisse minas.

Tunc morior curis, tunc mens mihi perdita fingit,
Quisve meam teneat, quot teneatve modis;
Tunc tibi, lena! precor diras: satis anxia vivas,
Moverit e votis pars quotacumque deos.

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Die

sich wohl manchmal gezeigt habe. Davon trage nun ihre Dienerin die Schuld, der er dann sehr bezeichnend einen Hellenischen Hetärennamen (Phryne) beilegt und die er sogar mit dem Schimpfnamen lena (Kupplerin) beehrt. Augen seiner Nemesis, die er durch Weiteres nicht entstellen möchte, nennt er loquaces, lebhaft sprechende (nicht etwa geschwätzige), insofern sich in ihnen die Stimmungen des Gemütes und die Gefühle der Seele abspiegeln.

43. necat] das hier wie anderwärts nicht einfach,,töten", sondern ,,bis zum Tode quälen, fortwährend und ausgesucht peinigen" bezeichnet, und sich in der Wolfenbüttler Handschrift findet, also nicht eine Erfindung des Pontanus ist, wird mit Recht dem vetat der anderen Handschriften und anderen Vermutungen gelehrter Kritiker von Broukhusius, Heyne, Bauer, Haupt, L. Müller und Baehrens vorgezogen. Diese Phryne ist es, die den Dichter so quält, indem sie verstohlen tabellas (wörtlich: Täfelchen, und zwar eigentlich Wachstäfelchen, auf denen mit dem Griffel geschrieben war; also einfach: Briefchen, Einladungen zu ihrer Herrin) im verborgenen Busen, d. h. im Busen des Kleides und zwar unter dem Brustbande verborgen, austrägt und Antwort zurückbringt. Und was geschieht nun? Der Dichter wird nicht vorgelassen (die Thüre im Hause der Geliebten ist ihm eine harte, gefühllose, öffnet sich seinen Bitten nicht) indem die buhlerische

Dirne bald sagt, dafs ihre Herrin nicht zu Hause, bald dafs sie kränklich sei (languere ist hier: durch Krankheit matt sein), oder irgend welche Drohungen fürchte, d. h. entweder drohende Gefahren oder überhaupt Drohungen in Bezug auf den Umgang mit ihm. Manche Erklärer denken, wohl zu gesucht, an drohende Anzeichen, schlimme Vorbedeutungen, die, wenn sie vereitelt werden sollten, jeden zeitweiligen Umgang zwischen Männern und Frauen verboten.

49. Wie er oben necat sagte, so hier: Dann sterbe ich vor Sorgen; beide Worte schliefsen eben den Begriff des Beinahe in sich. Die perdita mens ist der zerrüttete Sinn, Geist, der ihm Dies und Das im Wahnbilde vorführt.

51. precari alicui aliquid heifst: Jemandem Etwas anwünschen (eigentlich von den Göttern erbitten), sei es Gutes oder Schlechtes, wie hier diras, d. h. diras res, Schreckliches. satis, das öfters bei Adjektiven vorkommt, hebt sehr nachdrücklich das anxia: Du mögest in hinreichender, genügender Angst leben, wenn nur irgend ein Teil von meinen Wünschen die Götter rührt und von ihnen erfüllt wird (moverit wie Ähnliches, besonders bei Dichtern, für si moverit).

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13. (IV, 13.) II. a.
Epigramm.

Nulla tuum nobis subducet femina lectum;

Hoc primum iuncta est foedere nostra Venus.
Tu mihi sola places, nec iam te praeter in urbe

Formosa est oculis ulla puella meis.

13. (IV, 13 oder 12.) Bisher galten die folgenden zwei Gedichtchen auch als Elegien, als eine vollständige und eine unvollendete oder zum gröfsten Teile verlorene. Dies hat Gruppe, der so vieles Herrliche und Wertvolle über Tibullus gesagt hat, verleitet, noch einen Elegiencyklus mit der Überschrift, Glycera" anzunehmen, und, da nach seiner Ansicht nur Weniges uns erhalten sei, veranlafst, aus eigener Begeisterung das Fehlende zu ergänzen. Der unglückliche Gedanke, dafs auch Glycera eine sogenannte Geliebte des Tibullus gewesen sei, wie Delia und Nemesis, verdankt seine Entstehung der Annahme, dafs der Albius, den Horatius in den Oden (I, 33) und Episteln (I, 4) besingt, unser Tibullus sei und dafs mithin dessen Geliebte Glycera doch unbedingt auch wie Delia und Nemesis vom Dichter habe besungen werden müssen. Nun seien uns die Elegien auf letztere Beiden vollständig erhalten, folglich könnten diese beiden Flegien nur auf Glycera bezogen werden; sie stimmten ja auch ihrem (ziemlich willkürlich angenommenen und gedeuteten) Inhalte nach mit den Äufserungen des Horatius überein, wenn auch in dem ersteren der beiden Gedichte der Name der Glycera nicht vorkommt und die wenigen Worte des zweiten Gedichtchens noch weniger Bestätigung der erdachten Annahme bieten, es vielmehr gar nicht erweislich ist, dafs der Albius des Horatius unser Albius Tibullus sei. Noch weitere Worte über dieses Hirngespinnst toller Konjekturenmacher zu verlieren, wäre Wahnsinn (vergl. die Einleitung). Fafst man dagegen, was das Einfachste und Natürlichste ist und sich bei keinen vorgefafsten Ansichten von selbst versteht, diese beiden Gedichtchen als einfache Epigramme, wie wir sie bei anderen Dichtern der alten und neuen Zeit zahlreich finden, so bieten sie einen ganz guten Gedanken, der auch in sich vollkommen abgeschlossen ist und weiterer Ausführung nicht bedarf. Welches geliebte Weib zu verstehen sei, ist ja ganz gleichgiltig; der Gegenstand des Gedichts ist klar und treffend geschildert, wie es dem echten Dichter zukommt. Und das ist hier in jeder Hinsicht der Fall. Dafs daher Baehrens sehr recht gehandelt hat, indem er die Überschrift „Epigrammata" voranstellte, versteht sich von selbst, nur hätte er diese Gedichte dem Tibullus lassen und nicht auch, wie Anderes mit vollem Rechte, einem Unbekannten zuteilen sollen. Es sind ganz echt Tibullische Schöpfungen und zieren ihn mehr als jene päderastischen Scheufslichkeiten, die man mit wahrer Wut im ersten Buche der Elegien dem lieblichen Dichter aufbürdet.

1. Lectus, das Bett, Ehebett, bezeichnet hier überhaupt das Liebesverhältnis, in dem der Dichter zu einem Weibe steht, und diesem, sagt er, wird keine Frau mich (durch irgend welche Reize und Künste) unbemerkt oder heimlich (sub) zu entziehen, kurz: diese unsere innige Verbindung zu vernichten vermögen. Mit diesem festen Entschlusse haben wir gleich Anfangs unser Liebesverhältnis geschlossen. Dasselbe sagt Horatius Od. IV, 11, 32 mit „Non enim posthac alia calebo femina“.

3. sola places] Dasselbe sagt der Liebende bei Ovid. Ars amand. I, 42 und bei Propert. II, 7, 19. mihi findet seine Erläuterung in dem

Atque utinam posses uni mihi bella videri!
Displiceas aliis; sic ego tutus ero.

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Nil opus invidia est, procul absit gloria vulgi;
Qui sapit, in tacito gaudeat ille sinu.

Sic ego secretis possum bene vivere silvis,
Qua nulla humano sit via trita pede.
Tu mihi curarum requies, tu nocte vel atra
Lumen, et in solis tu mihi turba locis.
Nunc licet e caelo mittatur amica Tibullo,
Mittetur frustra deficietque Venus.
Haec tibi sancta tuae Iunonis numina iuro,

Quae sola ante alios est mihi magna deos.

Quid facio demens? eheu mea pignora cedo.

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folgenden „oculis meis" wie sola in: „praeter te (umgestellt wie oben 12, 33 propter te) und places in: „formosa est".

5. posses] d. h. es ist eben kaum glaublich, da du so schön bist; darum posses, nicht possis. bella] allerliebst; zärtlicher als „pulchra".

6. Nur wenn du Anderen nicht gefällst, werde ich dich sicher besitzen. 7. Ich wünsche nicht, dafs man mich um meines Mädchens willen beneide, und zugleich: dafs man mir meine Geliebte mifsgönne; der Ruhm, d. h. das Rühmen von Seiten der grofsen Menge mag unserem Liebesverhältnisse fern bleiben. Wer vernünftig ist, der verschweigt sein Glück und freut sich im Stillen für sich. Die wohl sprichwörtliche Redensart: in sinu gaudere, die auch Seneca (Epist. XVIII, 2 oder 105, 3) gebraucht, wird noch durch „tacito" erhöht und findet in den Worten des Seneca: „si bona tua non jactaveris" ihre Erklärung.

9. possum] sagt er, nicht possim, weil er die Sache als ein Faktum hinstellt, nicht als etwas Gehofftes angesehen wissen will.

11. curarum requies] Erholung von den Sorgen; denn das geliebte Weib verscheucht sie ihm.

12. solis locis] Solus steht hier wie 6, 72 in der Bedeutung von „einsam", also sind loca sola gleich „solitudines“. In Einöden bist du mir eine ganze Schar (Menschenmenge), ersetzest du mir das bunte Gewühl der Menschen.

13. Selbst wenn mir jetzt direkt aus dem Himmel von den Göttern, vor allen der Venus, eine Geliebte, also eine wahre Schönheit, gesendet würde, wäre dies vergebens, denn es würde die Liebe mangeln. Venus deficiet, sagt der Dichter, d. h. die Göttin der Liebe wird ermatten, ihre Kraft verlieren. Manche erklären es so: die Künste der Venus, die mich durch jenes Weib von dir abziehen wollen, werden ohne Erfolg sein.

15. Dafs ich nur dich liebe, das schwöre ich dir bei dem heiligen Willen, bei der heiligen Gottheit deiner Juno, die von dir so vorzüglich verehrt wird, der Schutzherrin der Ehe, die mir (eben deswegen) vor den anderen Göttern allein grofs ist. Wir haben hier jurare mit numina statt per numina, wie bei Virgil. Aeneid. VI, 324, und wie wir jurare deos bei Ovid. Heroid. XX, 2, jurare maria bei Virgil. Aeneid. VI, 351, jurare terram, mare, sidera ebenda XII, 197 und jurare Stygias undas bei Ovid. Metamorph. II, 101 finden. Tua aber nennt er die Juno, weil sie von seiner Geliebten, wie von den Frauen überhaupt, besonders verehrt wurde. 17. Doch sofort bereut er diesen Schwur und nennt sich selbst einen

Iuravi stulte; proderat iste timor.

Nunc tu fortis eris, nunc tu me audacius ures;

Hoc peperit misero garrula lingua malum.

Iam, facias quodcumque voles, tuus usque manebo,
Nec fugiam notae servitium dominae,

Sed Veneris sanctae considam vinctus ad aras.

Haec notat iniustos supplicibusque favet.

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Sinnlosen, Thörichten, weil er auf diese Weise seine Geliebte ganz sicher gemacht habe in Betreff seiner eigenen Person, und sie nun leicht sich zu leidenschaftlichem Verfahren gegen ihn verleiten lassen könne, da sie wisse, dafs er sich ihr ganz und gar ergeben, sie mithin wegen irgendwelcher Untreue von ihm nichts mehr zu befürchten habe. Daher sagt er mea pignora cedo, d. h. ich gebe (mit diesem Schwur) die sichere Bürgschaft hin, dafs mir meine Geliebte auch immer treu bleibt.

18. proderat] die Furcht, die sie bisher hatte, in Betreff meiner Treue, nützte, natürlich mir; denn bevor der Geliebte so hochheilig schwur, mufste das Mädchen immer noch in Angst leben, dafs sie doch von ihm könne verlassen werden, während ihr nun diese Furcht und Sorge benommen sei.

19. fortis nennt er sie deshalb, insofern sie nun furchtlos und unerschrocken sein und ihn kühner, rücksichtsloser brennen, d. h. peinigen werde.

22. notae] der Herrin, an deren Dienst ich gewöhnt bin. Wir würden nach unserer Ausdrucksweise notus lieber auf servitium beziehen.

23. vinctus] gefesselt, weil er ein servus seiner Geliebten geworden ist. Wenn seine Geliebte ihn ja zu hart, ja unmenschlich behandeln sollte, so will er seine Zuflucht zum Altare der ihm besonders heiligen Venus nehmen, die die Ungerechten „notat“, d. h. züchtigt, wie schon aus „favet" hervorgeht.

14. (IV, 14.) II. b.
Epigramm.

Rumor ait crebro nostram peccare puellam;
Nunc ego me surdis auribus esse velim.
Crimina non haec sunt nostro sine facta dolore;

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Quid miserum torques, rumor acerbe? tace.

14. (IV, 14.) Dies zweite und kleinere Epigramm findet seines Gleichen mehrfach bei Martialis. Der Sinn des Ganzen ist klar: Ich wollte, ich wäre taub, da das Gerücht geht, meine Geliebte vergehe sich und schweife aus; ich habe schon Schmerz genug darüber und du, o Gerücht! thust besser daran, wenn du schweigst, als dafs du mich Armen noch peinigst. In Vs. 3 hat man an dem facta der Handschriften Anstofs genommen und bald ficta bald jacta verbessern wollen.

Elegien von Zeitgenossen und Bekannten des Tibullus aus dessen Nachlasse.

15. (IV, 2.) I. Sulpicia und Cerinthus.
Ein Elegienkranz.

Sulpicia est tibi culta tuis, Mars magne! kalendis;
Spectatum e caelo, si sapis, ipse veni.

Hoc Venus ignoscet; at tu, violente! caveto,

15. (IV, 2.) Die Elegien 15-18 bilden ein Ganzes; ihnen folgen nach einem kurzen, einleitenden Gedichtchen (19) die Briefchen des Mädchens, die natürlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, aber sich zufällig erhalten hatten und dem uns jetzt unbekannten Dichter der 4 Elegien zur Unterlage dienten. Sulpicia, die einer angesehenen und vornehmen Familie Roms angehörte (man nimmt an, dafs sie die Tochter des von Horatius in den Satiren I, 10, 86, erwähnten Servius Sulpicius und eine nahe Verwandte des Messalla war), liebte einen jungen und gebildeten Mann, der ihr aber seiner Abstammung nach nicht ebenbürtig war; sein Name Cerinthus deutet jedenfalls darauf hin, dafs es ein feingebildeter Hellene war, der zu Rom in höchst angenehmer Lage lebte. Sulpicia überwand endlich die vielen Bedenken der Ihrigen und ward die Gattin ihres Heifsgeliebten. Lange Zeit hielt man diese Elegien und Liebesbriefchen für ein Produkt des Tibullus. Die Neuzeit hat sie mit Recht einem Zeitgenossen und Freunde unseres Dichters zugesprochen. Man nimmt an, dafs sie, wie die des 3. Buches der Ausgaben, sich im Nachlasse des plötzlich gestorbenen Tibullus oder mit dessen Gedichten im Archive der Familie Messalla gefunden haben. Gewisses läfst sich darüber nicht mehr sagen, es ist auch nicht gerade nötig, denn die Gedichte an sich, den Tibullischen nahe verwandt, zeichnen sich durch Lieblichkeit und Einfachheit wie Innigkeit aus und befriedigen gewifs jeden Leser.

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1. est tibi culta] ist dir geschmückt worden, d. h. hat sich dir zu Ehren geschmückt und bringt dir so ihre Huldigung dar; denn das liegt in dem colere". Tibi steht wie 18, 3: ,tibi se laetissima compsit“ und cui bei Horat. Od. I, 5, 4: „cui flavam religas comam“. An den Kalenden des März begann die Frühlings- und Neujahrs-Feier (welche letztere erst spät teilweise auf die Kalenden des Januar verlegt wurde) mit der Feier der Matronalien (nur unbescholtene Ehefrauen und Jungfrauen durften daran teilnehmen) zu Ehren des Mars und der Juno, des männlichsten aller Götter und der grofsen Schutzgöttin aller weiblichen Natur. Vergl. unten 18, 1; 26, 1 flgde.

2. si sapis] wenn du klug bist; denn du wirst etwas Reizendes sehen. 3. Und Venus, die Göttin der Schönheit, die über alle Schönen erhaben ist, wird dir diesen Anblick verzeihen, sich dadurch nicht gekränkt fühlen. Das violentus pafst vortrefflich zu dem stürmischen, ungestümen Kriegsgott. In ignoscet ist die letzte Silbe lang gebraucht, wie Ähnliches mehrfach vorkommt und was hier durch die starke Interpunction hinreichend gerechtfertigt ist; vergl. 2, 13 (trahor) und 1, 61 (agricola).

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