Billeder på siden
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und nicht die großväterartigen Schlipse tragen würde. Das war ja scheußlich. Das machte ihn direkt häßlich und alt, während er doch im Wirklichen . . . . . Sie sprach immer weiter. Allerlei. Indessen sah sie seine Augen leuchten. O, seine Augen verrieten manchmal einen ganz schönen Glanz, und der Schnurbart stand ihm auch nicht übel . . .

Sie waren in einer entlegenen Straße angelangt. Unwillkürlich standen beide auf einmal still. Sie sahen sich an und sprachen keinen Laut. Plößlich ergriff er ihre Hände und führte sie an seine Lippen. . . „Sie dachten an mich? Nicht wahr, Sie dachten an mich?“ fragte er sie bittend. „Sie dachten an mich, da Sie den Gruß anschrieben, das sagt doch genug." Lotte Rüders antwortete nicht gleich. Sie mußte ja lügen, wenn sie ihn nicht kränken wollte. Und sie wollte ihn nicht kränken . . . denn seine Augen konnten doch so bittend flehen..

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Und warum sollte sie jezt die Wahrheit sagen? Daß sie nicht ein einziges Mal an ihn dachte Daß sie den Gruß mit Widerwillen anschrieb Warum sollte sie ihn nuglos kränken? Denn nuglos war es. Sie fühlte, daß sie jezt anders handeln würde, da sie ihn in dieser kurzen Zeit erst richtig kennen lernte.

Und wenn er erst einen anderen Schneider besaß und andere Schlipse trug... „Sie antworten mir gar nicht..." hörte sie ihn plöglich traurig sagen. „Ja," antwortete Lotte furz, ich habe an Sie gedacht..."

Er drückte innig ihre Hand und sah ihr liebevoll in die Augen. Natürlich wurde sie rot. Sie wurde immer rot, wenn sie log. Der Doktor sagte, das wären die Nerven . . .

Michael Dürr fühlte sich überglücklich. Ihre Wangen färbten sich rot, weil sie eingestehen mußte, daß sie an ihn dachte.

Währenddessen ging Lotte Rüders ihren eigenen Gedanken nach. Sie war nicht mehr jung, ihre Eltern arm. Mitgift hatte sie nicht zu erwarten. . . warum zaudern? Vielleicht sollte jener furze Gruß eine Zukunst bahnen

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Zauberin! In sinnenbetörenden Schimmer
Hüllst du dich ein und in goldenen Prunk.
Jeglichem reichst du den feurigen Trunk.
Wer sich dir nahte, ihn bannst du für immer!
Wer dich erschaut und dein Locklied erlauschte,
Wer sich im Gifttrank, dem süßen, berauschte
Heimat und Freunde, die einst er besessen,
Um dich verlassen, um dich vergessen!
Sinnen und Seele dir nur ergeben,
Dein all sein Wollen, sein Leben!

Wehe, wie manchen in Tod und Verderben
Lockte dein Lied und in Reue und Schuld!
Andere krönst du in fürstlicher Huld,

Lässest das wonnigste Glück sie erwerben!
Mitleidlos heute und ohne Erbarmen,
Neigst du dich morgen dem Schwachen und Armen.
Jenen vernichtend und diesen erhebend,
Geizend, und Füllen der Schäße vergebend
Zauberin, arge! Ich sollte dich hassen
Kann dich zu lieben nicht lassen!

Sphing, o vermöcht' ich dein Rätsel zu lösen!
Sah dich als Dämon, als Engelsgestalt.
Stammt aus der Höh' deine Zaubergewalt,
Oder entsprang sie der Nacht und dem Bösen?
Aber vergeblich mein Forschen und Fragen,
Hast ja mich selbst auch in Bande geschlagen.
Ach, und vergeblich mein Zürnen und Grollen,
Bin dir verfallen mit Sinnen und Wollen:
Könnte noch Flucht vor dem Zauber mich retten,
Lieber doch wählt' ich die Ketten!

Zaub'rin Berlin! Denn in Erdenweiten
Weiß ich kein Lied so gewaltig wie deins.
Dünfst mich im Reiche des irdischen Scheins
Fürstin und Krone der Herrlichkeiten!
Hab' die Gewalt deines Zaubers empfunden,
Bin dir mit Seele und Leben verbunden.
Was mir geschenkt ward und was mir genommen,
Wonne und Weh ist von dir gekommen!
Wollt' ich dir zürnen und möcht' ich dich hassen
Kann dich zu lieben nicht lassen!

Paul Kockjoy.

Gebet.

Der du, durch Feuer und durch Wetter,
Mich aus der Jugend Träume weekend,
Den Sinn aufs Ewige mir richtetest,
Vor dem ich mich im Staube wälzte,
Und durch dein Licht, das einzig gleiche,
Den Hoffnungsstrahl fürs Kommende empfing:
Sieh, meine Seele, die verdürstet,

Mein Herz versehnt sich; und mein Leben
Hab ich doch dir verpfändet, Liebe, dir!
Auf Trümmern der zerschlagnen Hoffnung
Wein ich, wohl trauernd, nicht verzagend,
Und hefte meinen Blick an deinen Blick,
Und laß nicht eher deine Hände,

Bis du den anderen den Himmel,
Mir aber Liebe, nichts als Liebe gibst!

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*) 1)-29) Gedichte aus „Uhlands gesammelte Werke", I. Band. Leipzig, Verlag Ph. Reclam jun. 1). Seite 55. „Lied cines deutschen Sängers". 4. S. 27. „Schäfers Sonntagslied". 3). S. 65. „Am 18. Oktober 1816". ). S. 40. „Das Tal“. 5. S. 28. „Des Knaben Berglied". "). S. 23. „Lied eines Armen". 7). S. 128. „Der gute Kamerad“. ). S. 212. Des Sängers Fluch". 9). S. 176. „Schwäbische Kunde“. 19). S. 163. „Harald". 11). S. 122. „Der Wirtin Töchterlein". 12). S. 25 „Die stapelle". 1). S. 36. „Der Kirch hof im Frühling“. 14. 38. Freie Kunst“. 15). S. 56. „Vorwärts“. 2). . 57. „Das Vaterland“. 17). S. 19. Des Dichters Abendgang". 1. S. 67. „Hausrecht“. 19). S.69. „Die Landstunden". 29). S. 19. „An den Tod“.

Josef Achleitner:

Übers Jahr.

Stieg ein Knab' das Pfädchen nieder
Mit der Sonne Morgenstrahl:
Übers Jahr ist's, daß er wieder
Schaut das liebe Heimattal.

Unten liegt das still Gelände
Schattig, noch im Nebelflor,
Sonnengold auf dem Gewände,
Tritt das Tal im Licht hervor.

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Am Königsee.

Große Wasser üben auf den Menschen einen prickelnden Zauber aus. Auf den gekräuselten Fluten des Sees läßt sich wundersüß träumen.

Darum verbrachte ich heuer meine Ferien an Seen. Ich ruderte in der wehmütigen Herrlichkeit eines trüben Sommerabends hinaus auf den düsteren Hallstättersee, ich schaute in einer stürmenden Regennacht von der Mauerbrüstung des Sankt Wolfgangkirchleins hinab auf den wild aufräuschenden Abersee, ich ließ mich an einem leuchtenden August-Mittag vom Motorboot hinaustragen auf den wildromantischen Königsee, an dessen Gestaden das ewige Schweigen wohnt.

Die Seen des Salzkammergutes sind alle schön, aber die Palme gebe ich dem Königsee.

Aus grüner Einsamkeit fuhren wir hinaus auf den stillen See.

Anfangs ist nur ein kleiner Teil sichtbar. Doch bald treten die Felswände auseinander, öffnen sich wie des Hades Pforten, als Orpheus seine Leier ertönen. ließ. Und nun liegt der See vor uns in seiner ganzen majestätischen Größe. Hier klingt eine steinerne Symphonie, wie sie nur ein Michelangelo in Marmor hauen könnte in kongenialer Größe.

Ein stetes Verschieben der Kulissen. Ein hehres Schweigen, wie in einem Tempel, nur durchbebt vom Rauschen der Wogen, die vom Bug des Tampfers verdrängt, zornig zur Seite springen. Rings stehen die

Berge wie Helden um ihren König. Man hat das Gefühl, als sei man in einem Becken eingeschlossen, daraus kein Entrinnen mehr winft.

Ein wunderbares Wasser. Da hat man alles, was man haben will. Die Bergromantik und das fecke Himmelragen der Felsen, weihevolle Stille und königliche Schönheit. Es steigt etwas so heroisches von dieser Landschaft auf, daß man nur schweigend genießen kann . . .

Gleich einem Schwan der Sage durchpflügte das Schiff mit gewölbter Brust die Fluten und zog seine Furchen ini grünblauen Feld.

Ich hatte dieses wildromantische Landschaftsbild schon in meinen Jugendtagen geschaut, als ich Ganghofers Königsee-Romane las. Jene Romane, in denen die verschlungenen Begebenheiten in das glühende Kolorit dieser zaubervollen Seelandschaft getaucht sind, in denen die Bergesschrecken die Begleitakkorde bilden zu den ergreifenden Seelengemälden.

An diesem Gestade weilte der große Naturfreund so manchen Sommer. Hier wurde ihm auf einsamen Birschgängen die Vergangenheit dieses weltfernen Paradieses lebendig, von dem ein Spruch aus dem 13. Jahrhundert sagt: Wen Gott lieb hat, den läßt er in dieses Land fallen."

Hier am Königsee wurde dem Dichter im Sommer 1885 das blonde, blauäugige Mizerl geboren, das wie ein Sonnenstrahl durch das Leben huschte, glücklich und beglückend - an deren Seite aber ein Unsichtbarer, ein Stiller nnd Kalter schritt, um dies knospende Maienleben auf seinen Armen davonzutragen.

Während sich so Romanwelt, Dichterschicksal und Natureinsamkeit in meiner Seele zu einem poesievollen Bilde verwoben, grüßte schon vom jenseitigen Ufer das liebliche St. Bartholomae, das sich im Schoße des Waymann wie das verirrte Schäflein eines Alplers duckt.

Der Dampfer landete. Wir stiegen aus und sezten uns in den Restaurantsgarten, um uns gütlich zu tun. Doch da war mit einem Schlage der liebliche Naturzauber verflogen, und es begann der zweite Akt des Schauspieles .

Die Windsbraut war unvermerkt über die Felsenberge gestiegen und pfauchte uns wütend an, riß die Hüte von den Köpfen, wirbelte die weißen Tücher von den Tischen und peitschte zornig die Wasser. Erschreckt flüchteten wir in die Dampfer und fuhren bis zur Salletalpe, um noch rasch den Obersee zu besuchen.

Doch der Himmel hatte mit uns Naturschwärmern fein Erbarmen. Er zog seinen Wolkenmantel immer

enger zusammen, und dann begann er sein Naß auf uns herabzuschütten, mit einem Eifer der einer besseren Sache wert gewesen wäre.

In langer Reihe standen wir auf der Landungsbrücke und schauten nach dem rettenden Dampfer aus. Er kam, nahm einige Dutzend mit und ließ die anderen verächtlich stehen. Ein zweiter fam und fuhr mit einigen Glücklichen stolz von dannen. Mit uns trieben Sturm und Regen ihren Mummenschanz - ein dumpfes Murren lief durch die nassen Reihen. .

Endlich kam Erlösung. Wie Flüchtlinge stürmten wir auf den Dampfer um vom Regen in die Traufe zu kommen! Denn von allen Seiten warf der Sturm den Regen auf uns, trop Schirm und Blachen ohne Rücksicht auf die weißen Kleider der Jüdinnen und Christenfräuleins. Eng aneinandergeduckt suchten die zusammengewürfelten Fremden Schuß, umsonst: auf den Sitzbänken sammelten sich Psüßen und von den gespannten Schirmen rannen die Bächlein leise in die Nacken der Nachbarn. Wize flogen auf es wurde protestiert und gelacht. Und drinnen und draußen plätscherten die Waffer.

So mag weiland Noah mit Familie in der Arche gesessen und gefühlt haben!

Endlich waren wir am Ziele. Im Nu stoben die Leute nach allen Richtungen auseinander wie najje Pudel, die das rettende Ufer erreicht. . .

Der Himmel hatte die keusche Herrlichkeit der Berge mit seinen nassen Schleiern eingehüllt fie trauerten wie die Klagefrauen der antiken Tragödie. Auch wir strebten still heimwärts nach Berchtesgaden, um dort zu übernachten.

Aber diese Stunden werden in mir zurückbleiben wie ein stilles Leuchten auf einsamen Wegen . .

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Etwas Liebes.

Die ganze Welt, so groß und weit,
Mit allen ihren Schäßen,
Kann eine traute Häuslichkeit
Dem Menschen nicht ersetzen.

Er muß auf diesem Erdenrund
Ein festes Plätzchen haben,
Auf dem er sich von Herzensgrund
Nach seiner Art kann laben.
Wo er nicht mißverstanden wird.
Im Fühlen und im Denken.
Wo Liebe trägt, wenn er geirrt,
Wo niemand ihn will kränken.

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Skizze.

In der Nähe des Hauptbahnhofes befindet sich ein malerischer Tümpel. Seerofen bedecken stellenweise die Oberfläche des Wassers. Schwarze Schwäne ziehen. majestätisch an neugierigen Passanten vorüber. Ab und zu werden die Tiere vom Publikum mit Brot oder Semmel gefüttert. Ein alter Herr fand an diesem Spiel so viel Vergnügen, daß ich fürchtete, er würde vor meinen Augen in diesem nassen Grabe versinfen müssen. Ja, er glitt sogar einmal ganz bedenklich aus. Ehe ich meine Schritte weiter der Alster zulenken wollte, 'fiel mein Blick auf ein Hamburger Mädel ein süßes, schwarzlockiges Geschöpf. Sie stand am Ufer des Tümpels, welches mit grünem Rasen bewachsen ist, in der Nähe einer kleinen Blutbuche. Sehnsüchtig blickte sie zuweilen in die Ferne, um bald wieder die dunklen Augen träumerisch auf den schwarzen Schwänen ruhen zu lassen. Was wohl das Mädel haben mochte? Erwartete sie hier jemand oder drückte sie irgend ein Kummer? Nervös glitten ihre schlanken, weißen Finger am sommerlichen Gewande auf und nieder. Die Augen hatten eine wundervolle, geheimnisvolle Tiefe. Eine Welt von Gemüt und Herzensgüte strahlte aus ihnen hervor aber auch ein Meer von versengender Feuersglut. Wenn ich erst liebe Wie oft laufen solche unverstandene Geschöpfe an uns vorüber! Ruhige Oberfläche eine wilde tosende Brandung im Innern! Die Mehrzahl der Menschheit geht achselzuckend an diesen sogenannten „stolzen“ Wesen vorüber. Man versteht sie nicht gibt sich auch gar keine Mühe sie zu verstehen und schiebt sie achtlos beiseite. Zu solchen unglücklichen Geschöpfen schien mir auch Melitte“ zu gehören, wie ich sie rasch in meinem Innern taufte. Das Mädel strich sich plöglich die wirren Locken aus der Stirn, mit welchen der Wind bis dahin zärtlich geliebfost hatte und schritt müden

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nehmt euch in acht!!!

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