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freylich Diderot vornemlich gesorgt. Wenn ich aber doch gleichwohl auch meiner Uebersezung ein kleines Verdienst in diesem Punkte zuschreibe: so habe ich, wenigstens bis ißt, von den Kunstrichtern noch keinen besondern Widerspruch zu erfahren gehabt.

Nicht als ob ich meine Uebersetzung freh von allen Mängeln halten wollte; nicht als ob ich mir schmeichelte, überall, auch da den wahren Sinn des Verfassers getroffen zu haben, wo er selbst in seiner Sprache sich nicht bestimmt genug ausgedrückt hat! Ein Freund zeigt mir nur erst izt eine dergleichen Stelle; und ich bedaure, daß ich in dem Texte von diesem Winke nicht Gebrauch machen können. Sie ist in dem natürlichen Sohne in dem dritten Auftritte des ersten Aufzuges, wo Theresia ihrer Sorgfalt um Rosaliens Erziehung gedenkt. „Ich ließ mir es „angelegen seyn, sagt sie, den Geist und besonders den Charakter dieses „Kindes zu bilden, von welchem einst das Schicksal meines Bruders ab„hangen sollte. Es war unbesonnen, ich machte es bedächtig. Es war „heftig, ich suchte dem Sanften seiner Natur aufzuhelfen." Das es ist in allen vier Stellen im Französischen durch il ausgedruckt, welches eben sowohl auf das vorhergehende enfant, auf Rosalien, als auf den Bruder, gehen kann. Ich habe es jedesmal auf Rosalien gezogen: aber es kann. leicht seyn, daß es die beiden erstenmale auf den Bruder gehen, und so-: nach heißen soll. „Er war unbesonnen, ich machte sie bedächtig. Er war: „heftig, ich suchte dem Sanften ihrer Natur aufzuhelfen.“ Ja dieser Sinn ist unstreitig der feinere.

Es kann jemand keinen einzigen solchen Fehler sich zu Schulden. kommen lassen, und doch noch eine sehr mittelmässige Ueberseßung gemacht haben!

Laokoon:

oder

über die Grenzen der Mahlerey und Poesie.

Υλη και τροποις μιμησεως διαφερουσι.

Πλουτ. ποτ. Αθ. κατα Π. ή κατα Σ. ἐνδ.

Mit beyläufigen Erläuterungen verschiedener Punkte der alten Kunstgeschichte;

von

Gotthold Ephraim Lessing.

Erster Theil.

1766.

Berlin, bey Christian Friedrich Boß. 1766. 8.

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Die Handschrift nach der die Ausgabe von 1766 gedruckt ist und ein rollständiges Correktur-Eremplar derselben hat Herr B. Friedländer in Berlin dem Herausgeber zur Benußung freundlichst mitgetheilt. Es schien indessen nicht rathsam die verworfenen Lesarten anzugeben, sondern es find nur einige Druckfehler verbessert worden. Die späteren Ausgaben sollen aus einem Eremplar gedruckt sein, in welchem „der Verfasser einige wenige Stellen geändert hatte": es fand sich aber daß in diesen Ausgaben die Verbesserungen auf den Cartons der ersten ganz oder zum Theil vernachlässigt worden sind. (K. Lachmann. 1839.)

Vorrede.

Der erste, welcher die Mahlerey und Poesie mit einander verglich, war ein Mann von feinem Gefühle, der von beyden Künsten eine ähnliche Wirkung auf sich verspürte. Beyde, empfand er, stellen uns abwesende Dinge als gegenwärtig, den Schein als Wirklichkeit vor; beyde täuschen, und beyder Täuschung gefällt.

Ein zweyter suchte in das Innere dieses Gefallens einzudringen, und entdeckte, daß es bey beyden aus einerley Quelle fliesse. Die Schönheit, deren Begriff wir zuerst von körperlichen Gegenständen abziehen, hat_allgemeine Regeln, die sich auf mehrere Dinge anwenden lassen; auf Handlungen, auf Gedanken, sowohl als auf Formen.

Ein dritter, welcher über den Werth und über die Vertheilung dieser allgemeinen Regeln nachdachte, bemerkte, daß einige mehr in der Mahlerey, andere mehr in der Poesie herrschten; daß also bey diesen die Poesie der Mahlerey, bet jenen die Mahlerey der Poesie mit Erläuterungen und Beyspielen aushelfen könne.

Das erste war der Liebhaber; das zweyte der Philosoph; das dritte der Kunstrichter.

Jene beyden konnten nicht leicht, weder von ihrem Gefühl, noch von ihren Schlüssen, einen unrechten Gebrauch machen. Hingegen bey den Bemerkungen des Kunstrichters beruhet das Meiste in der Richtigkeit der Anwendung auf den einzeln Fall; und es wäre ein Wunder, da es gegen Einen scharfsinnigen Kunstrichter funfzig wißige gegeben hat, wenn diese Anwendung jederzeit mit aller der Vorsicht wäre gemacht worden, welche die Wage zwischen beyden Künsten gleich erhalten muß.

Falls Apelles und Protogenes, in ihren verlornen Schriften von der

Mahlerey, die Regeln derselben durch die bereits festgefeßten Regeln der Poesie bestätiget und erläutert haben, so darf man sicherlich glauben, daß es mit der Mäßigung und Genauigkeit wird geschehen seyn, mit welcher wir noch ist den Aristoteles, Cicero, Horaz, Quintilian, in ihren Werken, die Grundfäße und Erfahrungen der Mahlerey auf die Beredtsamkeit und Dichtkunst anwenden sehen. Es ist das Vorrecht der Alten, keiner Sache weder zu viel noch zu wenig zu thun.

Aber wir Neuern haben in mehrern Stücken geglaubt, uns weit über sie weg zu sehen, wenn wir ihre kleinen Luftwege in Landstrassen verwandelten; sollten auch die kürzern und sichrern Landstrassen darüber zu Pfaden eingehen, wie sie durch Wildnisse führen.

Die blendende Antithese des griechischen Voltaire, daß die Mahlerey eine stumme Poesie, und die Poesie eine redende Mahlerey seh, stand wohl in keinem Lehrbuche. Es war ein Einfall, wie Simonides mehrere hatte; dessen wahrer Theil so einleuchtend ist, daß man das Unbestimmte und Falsche, welches er mit sich führet, übersehen zu müssen glaubet.

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Gleichwohl überfahen es die Alten nicht. Sondern in dem sie den Ausspruch des Simonides auf die Wirkung der beyden Künste einschränkten, vergassen sie nicht einzuschärfen, daß, ohngeachtet der vollkommenen Aehnlichkeit dieser Wirkung, sie dennoch, sowohl in den Gegenständen als in ber 2lrt ihrer Madahmung, (Υλη και τροποις μιμησεως) verfdies

den wären.

Völlig aber, als ob sich gar keine solche Verschiedenheit fände, haben viele der neuesten Kunstrichter aus jener Uebereinstimmung der Mahlerey und Poesie die crudesten Dinge von der Welt geschlossen. Bald zwingen fie die Poesie in die engern Schranken der Mahlerey; bald lassen sie die Mahlerey die ganze weite Sphäre der Poesie füllen. Alles was der einen Recht ist, soll auch der andern vergönnt seyn; alles was in der einen gefällt oder mißfällt, soll nothwendig auch in der andern gefallen oder mißfallen; und voll von dieser Idee, sprechen sie in dem zuversichtlichsten Tone die seichtesten Urtheile, wenn sie, in den Werken des Dichters und Mahlers über einerley Vorwurf, die darinn bemerkten Abweichungen von einander zu Fehlern machen, die sie dem einen oder dem andern, nach dem sie entweder mehr Geschmack an der Dichtkunst oder an der Mahlerey haben, zur Last legen.

Ja diese Aftercritik hat zum Theil die Virtuosen selbst verführet.

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