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wir diese ihre Hindernisse aus dem Wege räumen, auch ohne Religion stark und zuverläßig werden. Und kann sie das, wie steht es um den Cramerschen Beweis? Ist es nicht offenbar, daß er ihn durch diesen Zusatz selbst untergraben hat? Herr Basedow sage nicht: Aber die Religion giebt uns noch mehrere Gründe, unsre Leidenschaften zu bemeistern 2c. Das gebe ich zu. „Allein, habe ich damals schon erinnert, „kömmt es denn bey unfern Handlungen blos auf die Vielheit der Bewegungsgründe an? Beruhet nicht weit mehr auf der Intension der„selben? Kann nicht ein einziger Bewegungsgrund, dem ich lange und „ernstlich nachgedacht habe, eben so viel ausrichten, als zwanzig Bewegungs„gründe, deren jedem ich nur den zwanzigsten Theil von jenem Nachdenken geschenkt habe? Wenn Herr Basedow das nicht versteht, so kann ich ihm freilich nicht helfen; und man muß ihm erlauben, so lange zn schwagen als er will.

Und wahrhaftig, sein Geschwäße erregt ordentlich Mitleiden. Er räumt es ein, daß ein Mann ohne Religion ein sehr unbestimmtes Wort seh; aber doch, meinet er, habe Herr Cramer nicht nöthig gehabt, es zu bestimmen. Und warum nicht? Der Herr Hofprediger, sagt er, „trägt im Nordischen Aufseher kein System vor, und hat die Absicht „nicht, allen möglichen Chicanen eines Widersachers auszuweichen. Sonst hätte er allerdings ausdrücklich anzeigen müssen, ob er unter einem „Manne ohne Religion, einen solchen verstehe, der gar keine hat, „oder nur denjenigen 2c. Kann man eine grössere Absurdität sagen? Deswegen, weil der Herr Hofprediger kein System schreibt, darf er unter eben demselben Worte, bald das, bald jenes verstehen? Herr Basedow wird nie ein System schreiben: ich wette darauf.

In dem ersten Beweise, fährt er fort, meinet Herr Cramer einen Mann ohne alle Religion; in dem zweyten einen leichtsinnigen Spötter der Religion; und in dem dritten wieder einen Mann ohne alle Religion. Als dem Verfasser eines Wochenblatts, versichert er, sey ihm diese Vertauschung erlaubt gewesen; und ich verdiene den Abscheu der Welt, und habe das schwärzeste Laster begangen, weil ich Bösewicht geglaubt habe: „Der Nordische Aufseher müsse und wolle in dieser ganzen „Abhandlung den Saz: ohne Religion ist keine Rechtschaffenheit, in einer und derselben Bedeutung verstehen."

Das habe ich leider geglaubt. Ja ich habe sogar geglaubt, daß

Herr Cramer unter einem Manne ohne Religion, blos einen Mann verstehe, der die christliche Religion in Zweifel ziehet. Denn ich Bösewicht sezte voraus, Herr Cramer werde doch etwas haben sagen wollen; er werde doch lieber etwas falsches (das ihm aber wahr scheine), als gar nichts haben sagen wollen. Nun aber, da uns Herr Basedow sein Wort giebt, daß Herr Cramer wirklich gar nichts habe sagen wollen: muß ich mich freylich auf den Mund schlagen. Sie glauben nicht, wie ich mich schäme! Wollte doch der Himmel, daß ich mich vor den Augen der Welt verbergen könnte!

Hundert und siebender Brief.

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Herr Cramern muß es also hier gegangen seyn, wie es allen gehet, die ihre Gedanken unter der Feder reif werden lassen. Man glaubt eine grosse Wahrheit erhascht zu haben; man will sie der Welt ins Licht seßen; indem man damit beschäftiget ist, fängt man selbst an, sie deutlicher und besser einzusehen; man sieht, daß sie das nicht ist, was sie in der Entfernung zu seyn schien; unterdessen hat man sein Wort gegeben; das will man halten; man dreht sich ißt só, itt anders; man geht unmerklich von seinem Ziele ab; und schließt endlich damit, daß man etwas ganz anders beweiset, als man zu beweisen versprach; doch immer mit der Versicherung, daß man das Versprochene bewiesen habe. Amphora coepit institui,

currente rota urceus exit.

Ohne Religion kann keine Rechtschaffenheit seyn! diesen groffen Sat wollte Herr Cramer beweisen, um alle Gegner der Religion, wo nicht auf einmal in die Enge zu treiben, doch wenigstens so zu brandmarken, daß sich keiner seiner Entfernung von der Religion mehr öffentlich rühmen dürfe. Der Vorsatz war vortrefflich, und eines eifrigen Gottesgelehrten würdig. Schade nur, daß sich die Wahrheit nicht immer nach unsern guten Absichten bequemen will. Nicht will? O sie wird müssen; wir verstehen uns aufs beweisen. Denn, sagt Herr Cramer, „ein Mensch, welcher sich rühmet, daß er keine Pflicht der Rechtschaffenheit „vernachläßige, ob er sich gleich von demjenigen befreyt achtet, was man „unter dem Namen der Frömmigkeit begreift, ist — ein Lügner, muß „ich sagen, wenn ich nicht strenge, sondern nur gerecht urtheilen will; ,,weil er selbst gestehet, kein rechtschaffener Mann gegen Gott zu

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„seyn." Da steht der Beweis; und er ist noch dazu schön gesagt. Nun will Herr Cramer weiter gehen. Aber indem überlegt er seinen Beweis noch einmal: „Ein Rechtschaffener sucht alle Pflichten zu erfüllen, auch „die Pflichten der Religion; nun sucht ein Mann ohne alle Religion „diese nicht zu erfüllen, ergo Denn er hält sie für keine Pflichten:" fällt ihm ein, ehe er sein Ergo ausdenkt. „Er hält sie für keine? das „ist etwas anders. So fällt mein Beweis in die Brüche. Ich striche „ihn gern aus, wenn ich nicht alles ausstreichen müßte. Ich muß sehen, ,,wie ich mir helfe." Geschwind schlägt er also die Volte, und schiebt uns für einen Mann ohne alle Religion, einen Religionsspötter, einen Dummkopf unter, der über Lehren spottet, die er niemals untersucht hat. — „Und so einer kann doch kein rechtschaffner Mann sehn? Kein Mensch wird ihn dafür erkennen. — Kein Mensch? Ja, „nun habe ich zu wenig bewiesen. Vorhin zu viel, ist zu wenig: wie werde ich es noch machen, daß ich mich mit meinem frommen Parodoro „durchbringe ?" So denkt er, und schleicht sich stillschweigend aus dem Parodoro in die angrenzende Wahrheit. Anstatt zu beweisen, daß ohne Religion keine Rechtschaffenheit seyn könne, beweiset er, daß da, wo Religion ist, eher Rechtschaffenheit zu vermuthen sey, als wo keine ist. Das, sage ich, beweiset er; versichert aber jenes bewiesen zu haben, und schließt. Nun, ihr Herrn Basedows,

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Jovis summi causa clare plaudite!

Wie gesagt: so muß es Herr Cramern hier gegangen seyn. Er versprach etwas zu beweisen, wobey wir alle die Ohren spizten, und currente calamo bewies er etwas, was keines Beweises braucht. Ichh aber, der ich mir dieses von dem Herrn Cramer nicht so gleich einbilden konnte, that ihm dabey Unrecht, bloß weil ich ihm nicht gern Unrecht thun wollte. Ich glaubte nehmlich, er verstehe unter einem Manne ohne Religion, einen Mann ohne Christenthum; ich hielt ihn für einen übertriebenen Eiferer, um ihn für keinen Mann zu halten, der so schreibt, als es in der Hiße des Dispüts kaum zu reden erlaubt ist.

Hundert und achter Brief.

Aber ich habe doch gleichwohl den Herrn Hofprediger Cramer zum Socinianer machen wollen? Ich? 3hn zum Socinianer?

Arthur Ironside empfiehlt seinen Lesern die Methode, nach welcher ihn sein Vater in der Kindheit den Erlöser kennen lehrte. Diese Methode bestand darinn, daß er anfangs von der Gottheit deffelben gänzlich schwieg, und ihn bloß als einen frommen und heiligen Mann, und als einen Kinderfreund vorstellte. Ich mache hierüber die Anmerkung, daß ein Kind, so lange es den Erlöser nur von dieser Seite kennet, ein Socinianer sey. Folglich habe ich Herr Cramern zum Socinianer gemacht ? Herr Basedow! O Logik!

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Und hören Sie nur, was er wider die Anmerkung selbst erinnert. „Das Kind, sagt er, ist zu der Zeit, da es Christum als einen Menschen„freund, Wunderthäter und Lehrer denkt, kein Socinianer; denn obgleich „ein Socinianer ihn auch so denkt, so leugnet derselbe doch zugleich, daß „er auch Gott und ein wahrer Versöhner sey, und nur durch das lezte „verdienet er den Namen eines Socinianers. Nur durch das Leugnen? Ist denn aber das Leugnen etwas anders, als eine Folge des Widerspruchs? Man frage so ein Kind, das Christum nur als einen Menschen kennet: war nicht Christus auch wahrer Gott? Gott? das wüßte ich nicht." — Ja, er war es ganz gewiß. -Ach nicht doch; Papa, der mir soviel ,,von ihm gesagt hat, hätte mir das sonst auch wohl gefagt." Nun leugnet das Kind. Nun ist das Kind erst ein Socinianer? Oder von einer andern Seite. Das Kind eines Socinianers, das den Lehrbegriff seines Vaters eingefogen hat, aber von keinen Leuten weis, die Christum für mehr als einen grossen und heiligen Mann halten, das also mit diesen Leuten noch nie in Widerspruch gerathen können; das Kind ist kein Socinianer? Armselige Ausflüchte!

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Nestor Ironside rechtfertigte seine Methode damit, daß man auch hier von dem Leichten und Begreiflichen zu dem Schweren fortgehen müsse. Ich erkenne diese Regel der Didaktik; ich erinnere aber, daß dieses Leichtere, von welchem man auf das Schwerere fortgehen müsse, nie eine Verstümmlung, eine Entkräftung der schweren Wahrheit, eine solche Herabseßung derselben seyn müsse, daß sie das, was sie eigentlich seyn sollte, gar nicht mehr bleibt. „Und daran, fahre ich fort, muß Nestor Ironside nicht gedacht haben, wenn er es, nur ein Jahr lang, dabey „hat können bewenden lassen, den göttlichen Erlöser seinem Sohne blos als einen Mann vorzustellen, den Gott zur Belohnung seiner unfchuldigen Kindheit, in seinem dreyßigsten Jahre mit einer so grossen

„Weisheit, als noch niemals einem Menschen gegeben worden, ausgerüstet, „zum Lehrer aller Menschen verordnet, und zugleich mit der Kraft begabt „habe, solche herrliche und aufferordentliche Thaten zu thun, als sonst „niemand auffer ihm verrichten können. — In dieser Stelle habe ich, nach dem Herrn Basedow, nicht mehr als zwey Verfälschungen begangen. Denn er fragt: Steht denn im Nordischen Aufseher etwas von einem Jahrlang? Werden daselbst die vortrefflichen Eigenschaften des Heilandes, für eine Belohnung seiner unschuldigen Kindheit ausgegeben?

Antwort auf die erste Frage: Das Jahrlang ist freylich mein Zusatz, aber ich sollte mehnen, ein so billiger Zusaß, daß mir Herr Cramer Dank dafür wissen sollte. „Ein Kind, sagt Herr Basedow, ist früher „fähig zu faffen daß der Heiland ein gehorsames Kind, ein weiser und unschuldiger Mann, ein groffer Lehrer, Wunderthäter und Menschen„freund war, als es seine Gottheit und Erlösung faffen kann.“ Wie viel früher? Weniger als ein Jahr? So muß die Erkenntniß des Kindes mehr als menschlich zunehmen; oder der Uebergang von dem einen Saße zu dem andern muß sehr gering und leicht seyn. Ich Abscheu der Welt! Ich setze nur ein Jahr, wo ich vier bis fünf Jahre hätte setzen können.

Antwort auf die zweyte Frage: Ja, allerdings läßt es der Aufseher den Nestor Ironside seinem kleinen Arthur sagen, daß die vortrefflichen Eigenschaften des Heilandes eine Belohnung seiner tugendhaften Kindheit gewesen wären. Nestor, sagt er, habe ihm erzehlt, wie unschuldig, wie lehrbegierig, wie fromm, wie gehorsam das Kind Christus gewesen set. Und darum, läßt er ihn fortfahren, darum hätte er „auch täglich an Weisheit und Gnade vor Gott und Menschen zugenom„men; er wäre die Freude, das Wohlgefallen und die Bewunderung aller „seiner Freunde und Bekannten geworden, und Gott hätte ihn endlich, ,,nachdem er seine unschuldige Jugend in der Stille und Zufriedenheit mit „der Armuth und dem Mangel seiner Aeltern zurück gelegt hatte, in „seinem dreyßigsten Jahre mit einer so grossen Weisheit ausgerüstet 2c.“ Das ist eine zusammengefeßte periodus consecutiva, und das Darum, womit die Periode anfängt, muß auf alle Glieder derselben gezogen werden. Wenn ich also lefe: Darum, weil er ein so unschuldiges, léhrreiches, frommes, gehorsames Kind war, rüstete ihn Gott

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