Ich seh' im Geist schon Euer theures Haupt,
Ein Warnungszeichen allen Jünglingen,
In dieser furchtbarn Reihe sich erheben.
Kalaf (hat das aufgesteckte Haupt mit Nachdenken und Nührung betrachtet). Verlorner Jüngling! Welche dunkle Macht Reißt mich geheimnißvoll, unwiderstehlich
Hinauf in deine tödtliche Gesellschaft ?
(Er bleibt nachssinnend, stehen; dann wendet er sich) zu Barak.) Wozu die Thränen, Barak? Hast du mich Nicht einmal schon für todt beweint? Komm, fomm! Entdecke feiner Seele, wer ich bin.
Vielleicht wer weiß, ob nicht, der Himmel, fatt, Mich zu verfolgen, mein Beginnen segnet Und meinen armen Eltern Trost verleiht.
Wo nicht Was hat ein Elender zu wagen? Für deine Liebe will ich dankbar, sein,
Wenn ich die Räthsel löse — Lebe wohl!
(Er will gehen, Barak hält ihn zurück, unterdessen kommt Skirina, Baraks Weib, aus dem Hause.)
Barak. Nein, nimmermehr! Komm mir zu Hilfe, Frau! Laß ihn nicht weg Er geht, er ist verloren,
Der theure Fremdling geht, er will es wagen, Die Räthsel dieser Furie zu lösen.
Skirina (tritt ihm in den Weg).
O weh! Was hör' ich? Seid Ihr nicht mein Gast? Was treibt den zarten Jüngling in den Tod?
Kalaf. Hier, gute Mutter! Dieses Götterbild
Ruft mich zu meinem Schicksal. (Zeigt ihr das Bildniß.) Skirina. Wehe mir!
Wie kam das höll'sche Bild in seine Hand?' Barak. Durch bloßen Zufall.di
Kalaf (tritt zwischen Beide). Hafsau! Gute Frau! Zum Dank für Eure Gastfreundschaft behaltet Mein Pferd! Auch diese Börse nehmet hin! Sie ist mein ganzer Reichthum Ich Fortan nichts weiter denn ich komm' entweder Reich wie ein Kaiser oder nie zurück!
Wollt Ihr, so opfert einen Theil davon
Den em'gen Göttern, theilt den Armen aus, Damit sie Glück auf mich herab erflehen;
Lebt wohl — Ich muß in mein Verhängniß gehen! (Er eilt in die Stadt.)
Fünfter Auftritt.
Baraf und Stirina.
Barak (will ihm folgen). Mein Herr! Mein armer Herr! Umsonst! Er geht! Er hört mich nicht!
Dein Herr? Du kennst ihn. also?
O, sprich, wer ist der edelherz'ge Fremdling, Der sich dem Tode weiht?
Laß diese Neugier! Er ist geboren mit so hohem Geist, Daß ich nicht ganz an dem Erfolg verzweifle. Komm, Stirina. All dieses Gold laß uns Und Alles, was wir Eigenes besitzen, Dem Fohi opfern und den Armen spenden! Gebete sollen sie für ihn gen Himmel senden Und sollen wund sich knien an den Altären,
Bis die erweichten Götter sie erhören! (Sie gehen nach ihrem Hause.)
Zweiter Aufzug.
Großer Saal des Divans,
mit zwei Pforten, davon die eine zu den Zimmern des Kaisers, die andere ins Serail der Prinzessin Turandot führt.
Truffaldin, als Anführer der Verschnittenen, steht gravitätisch in der Mitte der Scene und befiehlt seinen Schwarzen, welche beschäftigt sind, den Saal in Ord- nung zu bringen. Bald darauf Brigella.
Truffaldin. Frisch an das Werk! Rührt euch! Gleich wird der Divan Beisammen sein. Die Teppiche gelegt,
Die Throne aufgerichtet! Hier zur Rechten Kommt kaiserliche Majestät, links meine Scharmante Hoheit, die Prinzeß, zu sitzen!
Srigella (tommt und sicht sich verwundernd um).
Mein! Sagt mir, Truffaldin, was gibt's denn Neucs, Daß man den Divan schmückt in solcher Eile ?
Truffaldin (ohne auf ihn zu hören, zu den Schwarzen). Acht Seffel dorthin für die Herrn Doctoren! Sie haben hier zwar nicht viel zu docieren; Doch müssen sie, weil's was Gelehrtes gibt, Mit ihren langen Bärten figurieren.
Brigella. So redet doch! Warum, wozu das alles ? Truffaldin. Warum? Wozu? Weil sich die Majestät Und meine schöne Königin, mit sammt
Den acht Doctoren und den Excellenzen, Sogleich im Divan hier versammeln werden. 's hat sich ein neuer, frischer Prinz 'gemeldet, Den's jückt, um einen Kopf sich zu verkürzen.
Brigella. Was? Nicht drei Stunden sind's, daß man den letzten Hat abgethan
Ja, Gott sei Dank! Es geht
Von statten! die Geschäfte gehen gut.
Brigella. Und dabei könnt Ihr scherzen, roher Kerl!
Euch freut wohl das barbarische Gemetzel?
Truffaldin. Warum soll mich's nicht freuen? Setzt's doch immer Für meinen Schnabel was, wenn so ein Neuer Die große Reise macht denn jedesmal,
Daß meine Hoheit an der Hochzeitklippe
Vorbeischifft, gibt's im Harem Hochzeitfuchen.
Das ist einmal der Brauch, wir thun's nicht anders: So viele Köpfe, so viel Feiertage!.
Brigella. Das sind mir heillos niederträchtige
Gesinnungen, so schwarz, wie Eure Larve.
Man sieht's Euch an, daß Ihr ein Halbmann seid, Ein schmutziger Eunuch! Ein Mensch, ich meine Einer, der ganz ist, hat ein menschlich Herz Im Leib und fühlt Erbarmen. Truffaldin.
Was! Erbarmen! Es heißt kein Mensch die Prinzen ihren Hals Nach Peckin tragen, Niemand' ruft sie her. Sind sie freiwillig solche Tollhausnarren, Mögen sie's haben! Auf dem Stadtthor steht's Mit blut'gen Köpfen leserlich geschrieben, Was hier zu holen ist Wir nehmen Keinem Den Kopf, der einen mitgebracht. Der hat Ihn schon verloren, längst, der ihn hier setzt! Brigella. Ein saubrer Einfall, den galanten Prinzen, Die ihr die Ehr' anthun und um sie werben, Drei Räthsel aufzugeben und, wenn's einer Nicht auf der Stelle trifft, ihn abzuschlachten! Truffaldin. Mit nichten, Freund! Das ist ein prächtiger, Excellenter Einfall! Werben kann ein Jeder; Es ist nichts leichter, als aufs Freien reisen. Man lebt auf fremde Kosten, thut sich gütlich, Legt sich dem künft'gen Schwäher in das Haus, Und mancher jüngre Sohn und Krippenreiter, Der alle seine Staaten mit sich führt Im Mantelsack, lebt bloß vom Körbeholen. Es war nicht anders hier, als wie ein großes
Wirthshaus von Prinzen und von Abenteurern, Die um die reiche Kaisertochter freiten;
Denn auch der Schlechtste dünkt sich gut genug, Die Hände nach der Schönsten auszustrecken. Es war wie eine Freikomödie,
Wo Alles kommt, bis meine Königin
Auf den scharmanten Einfall kam, das Haus In vier und zwanzig Stunden rein zu machen. Eine andre hätte ihre Liebeswerber
Auf blutig schwere Abenteuer aus
Gesendet, sich mit Riesen 'rum zu schlagen, Dem Echach zu Babel, wenn er Tafel hält, Drei Vackenzähne höflich auszuziehen,
Das tanzende Wasser und den singenden Baum · Zu holen und den Vogel, welcher redet Nichts von dem allem! Räthsel haben ihr Belicht! Drei zierlich wohlgesette Fragen! Man kann dabei bequem und säuberlich Ju warmer Stube sitzen, und kein Schuh
Wird naß! Der Degen kommt nicht aus der Scheide, Der Wit, der Scharfsinn aber muß heraus.
Brigella, die versteht's! Die hat's gefunden,
Wie man die Narren sich vom Leibe hält! Brigella. '3 fann Einer ein rechtschaffner Kavalier und Ehmann sein und doch die spitz'gen Dinger, Die Räthsel, just nicht handzuhaben wissen.
Truffaldin. Da sichst du, Kamerad, wie gut und ehrlich Es die Prinzeß mit ihrem Freier meint, Daß sie die Räthsel vor der Hochzeit aufgibt. Nachher wär's noch viel schlimmer. Löst er sie Jeht nicht, ei nun, so kommt er schnell und kürz Mit einem frischen Gnadenhieb davon.
Doch, wer die stachelichten Räthsel nicht Auflöst, die seine Frau ihm in der Eh’ Aufgibt, der ist verlesen und verloren!
Brigella. Ihr seid ein Narr, mit Euch ist nicht zu reden. So mögen's denn meintwegen Räthsel sein, Wenn sie einmal die Wuth hat, ihren Wit Zu zeigen Aber muß sie denn die Prinzen Just köpfen lassen, die nicht sinnreich gnug Für ihre Räthsel sind - Das ist ja ganz Barbarisch, rasend toll und unvernünftig. Wo hat man je gehört, daß man den Leuten Den Hals abschneidet, weil sie schwer begreifen?
Truffaldin. Und wie, du Schafskopf, will sie sich der Narren
Erwehren, die sich klug zu sein bedünken, Wenn weiter nichts dabei zu wagen ist, Als einmal sich im Divan zu beschimpfen? Auf die Gefahr hin, sich zu prostituieren Mit heiler Haut, läuft Jeder auf dem Eis. Wer fürchtet sich vor Räthseln? Räthsel sind's Gerad, was man fürs Leben. gern mag hören. Das hieß' den Köder statt des Popanz's brauchen. Und wäre man auch wegen der Prinzessin Und ihres vielen Gelds daheim geblieben, So würde man der Räthsel wegen kommen. Denn Jedem ist sein Scharfsinn und sein Witz Am Ende lieber, als die schönste Frau!
Brigella. Was aber kommt bei diesem ganzen Spiel Heraus, als daß sie sitzen bleibt? Kein Mann, Der seine Ruh liebt und bei Einnen ist, Wird so ein spitz'ges Nadelkissen nehmen.
Truffaldin. Das große Unglück, keinen Mann zu kriegen! (Man hört einen Marjch in der Ferne.)
Brigella. Dér Kaiser kommt.
Marsch ihr in eure Küche!
Ich gehe, meine Hoheit herzuholen. (Gehen ab zu verschiedenen Seiten.)
Ein Zug von Soldaten und Spielleuten. Darauf acht Doctoren, pedantisch herausstaffiert; alsdann Pantalon und Tartaglia, belde in Charaktermasken. Zulegt der Großkhan Altoum, in chinesischem Geschmack mit einiger Uebertreibung gekleidet. Pantalon und Tartaglia stellen sich dem kaiserlichen Thron gegenüber, die acht Doctoren in den Hintergrund, das übrige Gefolge auf die Seite, wo der kaiserliche Tgron ist. Beim Eintritt des Kaisers werfen sich alle mit ihren Stirnen auf die Erde und verharren in dieser Stellung, bis er den Thron bestiegen hat. Die Doctoren nehmen auf ihren Stühlen Plah. Auf einen Wink, den PantaIon gibt, schweigt der Marsch.
Altoum. Wann, trene Diener, wird mein Jammer enden ? Kaum ist der edle Prinz von Samarcand Begraben, unsre Thränen fließen noch, Und schon ein neues Todesopfer naht, Mein blutend Herz von neuem zu verwunden. Grausame Tochter! Mir zur Qual geboren! Was hilft's, daß ich den Augenblick verfluche, Da ich auf das barbarische Gesetz
Dem furchtbaren Fohi den Schwur gethan. Nicht brechen darf ich meinen Schwur, nicht rühren Läßt sich die Tochter, nicht zu schrecken sind Die Freier! Nirgends Rath in meinem Unglück!
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