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Die Gesinnungen in diesem Stücke sind groß und edel, die Handlung wichtig und erhaben, die Mittel dazu glücklich gewählt und geordnet. Rann etwas wichtiger und erhabener sein, als die zuletzt doch freiwillige Aufopferung einer jungen und blühenden Fürstentochter für das Glück so vieler versammelten Nationen? Konnte die Größe dieses Opfers in ein volleres und schöneres Licht gestellt werden, als durch das prächtige Gemälde, das der Dichter durch den Chor (in der Zwischenhandlung des ersten Aktes) von der glänzenden Ausrüstung des griechischen Heeres gleichsam im Hintergrunde entwerfen läßt? Wie groß endlich und wie einfach malt er uns Griechenlands Helden, denen dieses Cpfer gebracht werden soll, in ihrem herrlichen Repräsentanten Achilles ?

Die gereimte Uebersetzung der Chöre gibt dem Stücke vielleicht ein zwitterartiges Ansehen, indem sie lyrische und dramatische Poesie mit cinander vermengt; vielleicht finden Einige sie unter der Würde des Drama. Ich würde mir diese Neuerung auch nicht erlaubt haben, wenn ich nicht geglaubt hätte, die in der Uebersetzung verloren gehende Harmonie der griechischen Verse ein Verlust, der hier um so mehr gefühlt wird, da in dem Inhalte selbst nicht immer der größte Werth liegt

im Deutschen durch etwas ersetzen zu müssen, wovon ich gern glaube, daß es jener Harmonie nicht nahe kommt, was aber, wär' es auch nur der überwundenen Schwierigkeit wegen, vielleicht einen Reiz für diejenigen Leser hat, die durch eine solche Zugabe für die Chöre des griechischen Trauerspiels erst gewonnen werden müssen. Kann mich dieses bei unsern griechischen Zeloten nicht entschuldigen, so sind sie hinlänglich durch die Schwierigkeiten gerächt, die ich bei diesem Versuche vorgefunden habe. In einigen wenigen Stellen hab' ich mir erlaubt, von der gewöhnlichen Erklärungsart abzugehen, wovon hier meine Gründe.

1 Weil es mir so gefiel denn deiner Knechte bin ich keiner. Dieser Sinn schien mir den Worten des Textes angemessener und überhaupt griechischer zu sein, als welchen Brumoy und andere Ueberseßer dieser Stelle geben. Ma volonté est mon droit. Est-ce à vous, à me donner la loi? Nicht doch! So konnte Menelaus nicht auf den Vorwurf antworten, den ihm Agamemnon macht, was er nöthig habe, seine (Agamemnons) Angelegenheiten zu beobachten, zu bewachen (prlóóóen)? Ich hab' es nicht nöthig, antwortet Menelaus, denn ich bin nicht dein Knecht. Ich hab' es gethan, weil es mir so gefiel, quia voluntas me vellicabat. Auch mußte Brumoy in der Frage schon dem griechischen Texte Gewalt anthun, um seine Antwort herauszubringen. De quel droit, je vous prie, entrez-vous dans mes secrets sans mon aven? Im Text heißt es bloß: Was hast du meine Angelegenheiten zu beobachten? Im Französischen ist die Antwort trogig, im Griechischen ist sie naiv.

- Wie fiel dir plößlich da die Last vom Herzen. Im Griechischen kingt es noch stärker: Du freutest dich in deinem Herzen.

Erleichtert fonnte sich Agamemnon allenfalls fühlen, daß ihm durch Kalchas ein Weg gezeigt wurde, seine Feldherrnwürde zu erhalten und seine ehrgeizigen Absichten durchzusetzen; freuen konnte er sich aber doch nicht, daß dieses durch die Hinrichtung seiner Tochter geschehou mußte.

3 Diese ganze Antistrophe, die zwei ersten Absätze besonders, find mit einer gewissen Dunkelheit behaftet; die Moral, die sie enthalten, ist zu allgemein, man vermißt den Zusammenhang mit dem Uebrigen. Prevôt hält den Text für verdorben. Diese allgemeinen Reflexionen des Chors über feine Sitten und Anständigkeit, dünkt mir, könnten eben so gut durch das unartige Betragen beider Brüder gegen einander in einer der vorhergehenden Scenen, davon der Chor Zeuge gewesen ist, veranlaßt worden sein, als durch den Frauenraub des Paris. Die Schwierigkeit, den eigentlichen Sinn des Textes herzustellen, wird die Freiheit entschuldigen, die ich mir bei der Uebersetzung genommen habe.

4 Du wirst immer mit mir gehen! Wörtlich müßte übersetzt werden: Meine Tochter, du kommst eben dahin, wo dein Vater; oder: Es kommt mit dir eben dahin, wo mit deinem Vater. Wenn dieser Doppelsinn nicht auf den Gemeinplay hinauslaufen soll, daß Eines sterben müsse, wie das Andre, welches Euripides doch schwerlich gemeint haben konnte so scheint mir der Sinn, den ich in der Uebersetzung vorgezogen habe, der angemessenere zu sein: dein Bild wird mich immer begleiten. Die Erklärungsart des französischen Uebersezers ist etwas weit hergeholt und gibt einen frostigen Sinn: dich erwartet ein ähnliches Schicksal. Auch du wirst eine weite Seereise machen.

5 Du hast dich weggemacht ins Ausland. Dort ma ch' dir zu thun. Eldov de tažo naçãóós. In diesem For liegt, dünkt mir, ein bestimmterer und schärferer Sinn, als andere Uebersetzer darein gelegt haben. Klytämnestra nänilich macht ihrem Gemahl den versteckten Vorwurf, daß er die Seinigen verlassen habe, um sich einer auswärtigen Unternehmung zu widmen. Er habe sich seiner Hausrechte dadurch begeben, will sie sagen. Er sei ein Fremder. Du hast dich hinaus gemacht, so bekümmere dich um Dinge, die draußen sind!

6 Gewiß recht brav, sobald sie mögen. Diese Stelle hat Brumoy zwar sehr gut verstanden, auch den Sinn, durch eine Umschreibung freilich, sehr richtig ins Französische übertragen; aber ihre wirkliche Schönheit scheint er doch nicht erkannt zu haben, wenn er sagen kann: Je crains de n'avoir été que trop fidèle à mon original, à ses dépens et aux miens. Die Stelle ist voll Wahrheit und Natur. Klytämnestra, ganz erfüllt von ihrer gegenwärtigen Bedrängniß, schildert dem Achilles ihren verlassenen Zustand im Lager der Griechen, und in der Hize ihres Affekts kommt es ihr nicht darauf an, in ihre Schilderung des griechischen Heers einige harte Worte mit einfließen zu lassen, die man ihr, als einer Frau, die sich durch ein außerordentliches Schichhal aus ihrem Gynäceum plötzlich in eine ihr so fremde Welt versezt und der Dis

cretion eines troligen Striegsheers überlassen sieht, gerne zu gute halten wird. Mitten im Stcom ihrer Rede aber fällt es ihr ein, daß sie vor dem Achilles steht, der selbst einer davon ist; dieser Gedanke, vielleicht auch ein Stirurunzeln des Achilles bringt sie wieder zu sich selbst. Sie will einlenken, und je ungeschickter, desto wahrer! Im Griechischen sind cs vier furge bineingewerfene Sorte: χρήσιμον δ ̓, ὅταν θέλωσιν, moraus im Deutschen freilich noch einmal so viel geworden sind. Prevôt, dessen Bemerkungen sonst voll Scharfsinn sind, verbessert seine Vorgänger hier auf eine sehr unglückliche Art: Clytemnestre, sagt er, veut dire et dit, à ce qu'il me semble, aussi clairement qu'il était nécessaire, qu'Achille peut se servir de son ascendant sur l'armée pour prévenir les desseins d'Agamemnon. Le P. Brumoy n'eût point trahi son auteur en exprimant cette pensée. Nein, ein so gesuchter Jedanke kann höchstens einem eiskalten Commentator, nie aber dem Euripides oder seiner Klytämnestra eingekommen sein!

7 Ja, hassenswerther selbst als Menelaus müßt i ch sein. Der griechische Achilles drückt sich beleidigender aus: „Ich wäre gar nichts, und Menelaus lief' in der Reihe der Männer.“ Hassen konnte man den Menelaus, als den Urheber dieses Unglücks, aber Verachtung verdiente er darum nicht.

8 Und du wirst eilen, sie zu fliehn! Ich weiß nicht, ob ich in dieser Stelle den Sinn meines Autors getroffen habe. Wörtlich heißt sic: „Erstlich) betrog mich meine Hoffnung, dich meinen Eidam zu nennen; alsdann ist dir meine sterbende Tochter vielleicht eine böse Vorbedeutung bei einer künftigen Hochzeit, wovor du dich hüten mußt. Aber du Hast wohlgesprochen am Anfang wie am Ende.“ Der französische Ueberscher erlaubt sich einige Freiheiten, um die Stelle zusammenhäugender zu machen. Mais d'un autre côté, quel funeste présage pour votre hymen, que la mort de l'épouse, qui vous fut destinée! ce second malheur intéresse l'époux aussi bien que la mère. Enfin qu'ajouterais-je à vos paroles etc. Hier, und nach dem Buchstaben des Textes, ist es nur eine Warnung; ich nahm es als einen Zweifel, eine Besorgniß der älytämnestra. So sehr diese durch Achilles' Versicherungen beruhigt sein könnte, so liegt es doch ganz in dem Charakter der ängstlichen Mutter, immer Gefahr zu sehen, immer zu ihrer alten Furcht zurückzukehren. Auch das, was folgt, wird dadurch in einen natürlichen Zusammenhang mit dem Vorhergehenden gebracht. Aber Alles, was du sagtest, war ja wohl gesprochen," d. i. ich will deinen Versicherungen trauen.

Gibt's feine Götter warum leid' ich? Gewöhnlich überseht man diese Stelle: ɛi di uǹ, tì dei aoveiv; als eine allgemeine moralische Reflexion: gibt's keine Götter wozu unser mühsames Streben nach Tugend? Moralische Reflexionen sind zwar sehr im Geschmack des Euripides; diese aber scheint mir im Mund der Klytämnestra, die zu sehr auf ihr gegenwärtiges Leiden geheftet ist, um solchen

allgemeinen Betrachtungen Raum geben zu können, nicht ganz schicklich) zu sein. Der Sinn, in dem ich diese Stelle nahm, wird durch seine nähere Beziehung auf ihre Lage gerechtfertigt, und der Buchstabe des Textes schließt ihn nicht aus. „Gibt es keine Götter, warum muß ich leiden? d. h. warum muß meine Iphigenie einer Diana wegen sterben ?“

10 Verzweiflung, wo ich nur beginnen mag! Verzweiflung, wo ich enden mag! Josua Barnes übersetzt: Quodnam malorum meorum sumam exordium? Omnibus enim licet uti primis et postremis et mediis ubique. Angenommen, daß dieser Sinn der wahre ist, so liegt ihm vielleicht eine Anspielung auf irgend eine griechische Gewohnheit zum Grunde, dergleichen man im Euripides mehrere findet. Da der Reiz, den eine solche Anspielung für ein griechisches Publikum haben konnte, bei uns wegfällt, so würde man dem Dichter durch eine treue Ucberschung einen schlechten Dienst erweisen.

11 Besser in Schande leben, als bewundert sterben. Der französische Uebersetzer mildert diese Stelle: Une vie malheureuse est même plus prisée qu'une glorieuse mort. Wozu aber diese Milderung? Iphigenie darf und soll in dem Zustande, worin sie ist, und in dem Affecte, worin sie redet, den Werth des Lebens übertreiben.

12 Gleiches Leid berechtigt mich zu gleicher Jam in erflage. Wehe mir! ruft die Mutter. Wehe mir! ruft die Tochter; denn das nämliche Lied schickt sich zu Beider Schicksal. Der P. Brumoy nimmt es in der That etwas zu scharf, wenn er dem Euripides Schuld gibt, als habe er mit dem Worte uelos die Versart bezeichnen wollen, und bei dieser Gelegenheit die weise Bemerkung macht, daß ein Acteur niemals von sich selbst sagen müsse, er rede in Versen.

13 Das wird dies Schwert alsdann entscheiden. Wörtlich heißt es: Es wird (oder er wird) aber doch dazu kommen! — Nun fann es freilich auch so verstanden werden: „Klytämnestra. Wird darum mein Kind nicht geopfert werden? Achilles. Darum wird er wenigstens kommen"; oder es kann heißen: „Achilles. Du hältst deine Tochter fest. Klhtämnestra. Wird das hindern können, daß man sie nicht opfert? Achilles. Nein; er wird aber dort seinen Angriff thun." Die angenommene Erklärungsart scheint die naürlichste zu sein.

14 Dies ist eine von den Stellen, die dem Euripides den Namen des Weiberfeindes zugezogen hat. Wenn man sie aber nur auf den Achilles deutet, so verliert sie das Anstößige; und diese Erklärungsart schließt auch der Text nicht aus.

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Scenen aus den Phönizierinnen des Euripides.

Personen:

Sokaste, des Oedipus Gemahlin und Mutter, Königin zu Theben.
Antigone, ihre Tochter.

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Eleotles
Polynices,

ihre und des Oedipus Söhne.

Hofmeister der Antigone.

Chor fremder Frauen aus Phönizien.

Die Scene ist vor dem Palast des Oedipus zu Theben.

Jokafte. O, der du wandelst zwischen den Gestirnen
Des Himmels und, auf goldnem Wagen throuend,
Mit flücht'gen Rossen Flammen von dir strömst,
Erhabner Sonnengott wie feindlich streng
Sahst du auf Thebens Land herab, als Kadmus,
Der Tyrer, seinen Fuß hieher gesetzt.
Dem Könige gebar der Venus Tochter
Harmonia den Polydor; von diesem

Soll Labdatus, des Lajus Vater, stammen.
Ich bin Menöceus' Tochter; meinen Bruder
Nennt Kreen sich von mütterlicher Seite.
Jokaste heiß' ich also nannte mich

Mein Bater und mein Ehgemahl war Lajus.
Der ging, als lang kein Kindersegen kam,

Nach Phöbus' Stadt, aus unserm Ehebette

Sich einen Leibeserben zu erflehn.

Ihm ward die Antwort von dem Gott: „Beherrscher
Der rossekundigen Thebaner, werde

Nicht Vater wider Jovis Schluß! denn zeugst
Du einen Sohn, so wird dich der Erzeugte tödten,
Und wandeln muß dein ganzes Hans durch Blut.“
Toch er, von Lust und Bacchus' Wuth besiegt,
Ward Bater Als ein Knabe nun erschien,
Gab er, der Uebereitung jezt zu spät
Gewahr und des Crakeis eingedenk,
Den Neugebornen, dem er durch die Sohlen
Ein spizig Eisen trieb, den Hirten, ihn
Auf Junos An zu werfen, die den Gipfel
Eithärens schmückt. Hier ward er von den Hirten

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