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Johanna (steht ganz aufgerichtet und schaut umher).

Wo bin ich?

Burgund. Bei deinem Volk, Johanna! Bei den Deinen!
König. In deiner Freunde, deines Königs Armen!
Johanna (nachdem sie ihn lange starr angesehen).

Nein, ich bin keine Zauberin! Gewiß,

Ich bin's nicht.

König.

Du bist heilig, wie die Engel;
Doch unser Auge war mit Nacht bedeckt.
Johanna (sieht heiter lächelnd umher).

Und ich bin wirklich unter meinem Volk
Und bin nicht mehr verachtet und verstoßen?
Man flucht mir nicht, man sieht mich gütig an?
Ja, jetzt erkenn' ich deutlich Alles wieder!
Das ist mein König! Das sind Frankreichs Fahnen!
Doch meine Fahne seh' ich nicht Wo ist sie?
Nicht ohne meine Fahne darf ich kommen;
Von meinem Meister ward sie mir vertraut,
Vor seinem Thron muß ich sie niederlegen;
Ich darf sie zeigen, denn ich trug sie treu.

S

König (mit abgewandtem Gesicht). Gebt ihr die Fahne!

(Man reicht sie ihr. Sie steht ganz frei aufgerichtet, die Fahne in der Hand. — Der Himmel ist von einem rosigten Schein beleuchtet.)

Johanna. Seht ihr den Regenbogen in der Luft?
Der Himmel öffnet seine goldnen Thore,
Im Thor der Engel steht sie glänzend da,
Šie hält den ew'gen Sohn an ihrer Brust,
Die Arme streckt sie lächelnd mir entgegen.
Wie wird mir? Leichte Wolken heben mich
Der schwere Panzer wird zum Flügelkleide.
Hinauf Hinauf Die Erde flieht zurück
Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude!

(Die Fahne entfällt ihr, sie sinkt todt darauf nieder. Aue stehen lange in sprachloser Rührung.

Auf einen leisen Wink des Königs werden alle Fahnen sanft auf sie niedergelassen, daß sie ganz davon bedeckt wird.)

Die Braut von Messina

oder

die feindlichen Brüder.

Ein Trauerspiel mit Chören.

Heber den Gebrauch des Chors in der Tragödie.

Ein poctisches Werk muß sich selbst rechtfertigen, und wo die That nicht spricht, da wird das Wort nicht viel helfen. Man könnte es also gar wohl dem Cvor überlassen, sein eigener Sprecher zu sein, wenn er nur erst selbst auf die gehörige Art zur Darstellung gebracht wäre. Aber das tragische Dichterwert wird erst durch die theatralische Vorstellung zu einem Ganzen; nur die Worte gibt der Dichter, Musik und Tanz müffen hinzukommen, sie zu beleben. Solange also dem Chor diese sinnlich mächtige Begleitung fehlt, solange wird er in der Dekonomie des Trauerspiels als ein Außending, als ein fremdartiger Körper und als ein Aufenthalt erscheinen, der nur den Gang der Handlung unterbricht, der die Täuschung stört, der den Zuschauer erfältet. Um dem Chor sein Recht anzuthun, muß man sich also von der wirklichen Bühne auf eine mögliche verseßen; aber das muß man überall, wo man zu etwas Höherm gelangen will. Was die Kunst noch nicht hat, das soll sie erwerben; der zufällige Mangel an Hilfsmitteln darf die schaffende Einbildungskraft des Dichters nicht beschränken. Das Würdigste sett er sich zum Ziel, einem Ideale strebt er nach), die ausübende Kunst mag sich nach den Umständen bequemen.

Es ist nicht wahr, was man gewöhnlich behaupten hört, daß das Publikum die Kunst herabzieht; der Künstler zieht das Publikum herab, und zu allen Zeiten, wo die Kunft verfiel, ist sie durch die Künstler gefallen. Das Publikum braucht nichts als Empfänglichkeit, und diese befißt es. Es tritt vor den Vorhang mit einem unbestimmten Verlangen, mit einem vielseitigen Vermögen. Zu dem Höchsten bringt es eine Fähigkeit mit; es erfreut sich an dem Verständigen und Rechten, und wenn es damit angefangen hat, sich mit dem Schlechten zu begnügen, so wird es zuverlässig damit aufhören, das Vortreffliche zu fordern, wenn man es ihm erst gegeben hat.

Der Dichter, hört man einwenden, hat gut nach einem Ideal arbeiten, der Kunstrichter hat gut nach Ideen urtheilen; die bedingte, beschränkte, ausübende Kunst ruht auf dem Bedürfniß. Der Unternehmer will bestehen, der Schauspieler will sich zeigen, der Zuschauer will unterhalten und in Bewegung geseßt sein. Das Vergnügen sucht er und ist unzufrieden, wenn man ihm da eine Anstrengung zumuthet, wo er ein Spiel und eine Erholung erwartet.

Aber, indem man das Theater ernsthafter behandelt, will man das Vergnügen des Zuschauers nicht aufheben, sondern veredeln. Es soll ein Spiel bleiben, aber ein poetisches. Alle Kunst ist der Freude gewidmet, und es gibt keine höhere und keine ernsthaftere Aufgabe, als die Menschen zu beglücken. Die rechte Kunst ist nur diese, welche den höchsten Genuß verschafft. Der höchste Genuß aber ist die Freiheit des Gemüthes in dem lebendigen Spiel aller seiner Kräfte.

Jeder Mensch zwar erwartet von den Künsten der Einbildungskraft eine gewisse Befreiung von den Schranken des Wirklichen; er will sich an dem Möglichen ergößen und seiner Phantasie Raum geben. Der am wenigsten erwartet, will doch sein Geschäft, sein gemeines Leben, sein Jndividuum vergessen, er will sich in außerordentlichen Lagen fühlen, sich an den seltsamen Combinationen des Zufalls weiden; er will, wenn er von ernsthafterer Natur ist, die moralische Weltregierung, die er im wirklichen Leben vermißt, auf der Schaubühne finden. Aber er weiß selbst recht gut, daß er nur ein leeres Spiel treibt, daß er im eigentlichen Sinn sich nur an Träumen weidet, und wenn er von dem Schauplatz wieder in die wirkliche Welt zurückkehrt, so umgibt ihn diese wieder mit ihrer ganzen drückenden Enge, er ist ihr Raub, wie vorher; denn sie selbst ist geblieben, was sie war, und an ihm ist nichts verändert worden. Dadurch ist also nichts gewonnen, als ein gefälliger Wahn des Augenblicks, der beim Erwachen verschwindet.

Und eben darum, weil es hier nur auf eine vorübergehende Täuschung abgesehen ist, so ist auch nur ein Schein der Wahrheit oder die beliebte Wahrscheinlichkeit nöthig, die man so gern an die Stelle der Wahrheit setzt.

Die wahre Kunst aber hat es nicht bloß auf ein vorübergehendes Spiel abgesehen; es ist ihr Ernst damit, den Menschen nicht bloß in einen augenblicklichen Traum von Freiheit zu versehen, sondern ihn wirklich) und in der That frei zu machen, und dieses dadurch, daß sie eine Krafi in ihm erweckt, übt und ausbildet, die fiunliche Welt, die sonst nur als ein roher Stoff auf uns lastet, als eine blinde Macht auf uns drückt, in eine objective Ferne zu rücken, in ein freies Werk unseres Geistes zu verwandeln und das Materielle durch Ideen zu beherrschen.

Und eben darum weil die wahre Kunst etwas Rcelles und Objectives will, so kann sie sich nicht bloß mit dem Schein der Wahrheit begnügen; auf der Wahrheit selbst, auf dem festen und tiefen Grunde der Natur errichtet sie ihr ideales Gebäude.

Wie aber nun die Kunst zugleich ganz ideell und doch im tiefsten Sinne reell sein wie sie das Wirkliche ganz verlaffen und doch aufs genaueste mit der Natur übereinstimmen soll und kann, das ist's, was Wenige fassen, was die Ansicht poctischer und plastischer Werke so schielend macht, weil beide Forderungen einander im gemeinen Urtheil geradezu aufzuheben scheinen.

Auch begegnet es gewöhnlich, daß man das Eine mit Aufopferung des Andern zu erreichen sucht und eben deßwegen Beides verfehlt. Wem die Natur zwar einen treuen Sinn und eine Junigkeit des Gefühls verliehen, aber die schaffende Einbildungskraft versagte, der wird ein trener Maler des Wirklichen sein, er wird die zufälligen Erscheinungen, aber nie den Geist der Natur ergreifen. Nur den Stoff der Welt wird er uns wiederbringen; aber es wird eben darum nicht unser Werk, nicht das freie Produkt unsers bildenden Geistes sein und kann also auch die wohlthätige Wirkung der Stunft, welche in der Freiheit besteht, nicht haben. Ernst zwar, doch unerfreulich ist die Stimmung, mit der uns ein solcher Künstler und Dichter entläßt, und wir sehen uns durch die Kunst selbst, die uns befreien sollte, in die gemeine enge Wirklichkeit peinlich zurückversetzt. Wem hingegen zwar eine rege Phantasie, aber ohne Gemüth und Charakter, zu Theil geworden, der wird sich um keine Wahrheit bekümmern, sondern mit dem Weltstoff nur spielen, nur durch phantastische und bizarre Combinationen zu überraschen suchen, und wie sein ganzes Thun nur Schaum und Schein ist, so wird er zwar für den Augenblick unterhalten, aber im Gemüth nichts erbauen und begründen. Sein Spiel ist, so wie der Ernst des Andern, kein poetisches. Phantastische Gebilde willkürlich an einander reihen, heißt nicht ins Ideale gehen, und das Wirkliche nachahmend wieder bringen, heißt nicht die Natur darstellen. Beide Forderungen stehen so wenig im Widerspruch mit einander, daß sie vielmehr eine und dieselbe sind; daß die Kuusi nur dadurch wahr ist, daß sie das Wirkliche ganz verläßt und rein ideell wird. Die Natur selbst ist nur eine Idee des Geistes, die nie in die Sinne fällt. Unter der Decke der Erscheinungen liegt sie, aber sie selbst kommt niemals zur Erscheinung. Bloß der Kunst des Ideals ist es verliehen, oder vielmehr, es ist ihr aufgegeben, diesen Geist des Aus zu ergreifen und in einer körperlichen Form zu binden. Auch sie selbst kann ihn zwar nie vor die Signe, aber doch durch ihre schaffende Gewalt vor die Einbildungskraft bringen und dadurch wahrer sein, als alle Wirklichkeit, und realer, als alle Erfahrung. Es ergibt sich daraus von selbst, daß der Künstler kein einziges Element aus der Wirklichkeit brauchen kann, wie er es findet, daß sein Werk in allen seinen Theilen ideell sein muß, wenn es als ein Ganzes Realität haben und mit der Natur übereinstimmen soll.

Was von Pocsie und Kunst im Ganzen wahr-ist, gilt auch von allen Gattungen derselben, und es läßt sich ohne Mühe von dem jezt Gesagten auf die Tragödie die Anwendung machen. Auch hier hatte man

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lange und hat noch jetzt mit dem gemeinen Begriff des Natürlichen zu kämpfen, welcher alle Poesie und Kunst geradezu aufhebt und vernichtet. Der bildenden Kunst gibt man zwar nothdürftig, doch mehr aus conventionellen als aus innern Gründen, eine gewisse Idealität zu; aber von der Poesie und von der dramatischen insbesondere verlangt man Jllusion, die, wenn sie auch wirklich zu leisten wäre, immer nur ein armseliger Gauklerbetrug sein würde. Alles Aeußere bei einer dramatischen Vorstellung steht diesem Begriff entgegen Alles ist nur ein Symbol des Wirklichen. Der Tag selbst auf dem Theater ist nur ein künstlicher, die Architektur ist nur eine symbolische, die metrische Sprache selbst ist ideal; aber die Handlung soll nun einmal real sein und der Theil das Ganze zerstören. So haben die Franzosen, die den Geist der Alten zuerst ganz mißverstanden, eine Einheit des Orts und der Zeit nach dem gemeinsten empirischen Sinn auf der Schaubühne eingeführt, als ob hier ein anderer Ort wäre, als der bloß ideale Raum, und eine andere Zeit, als bloß die stetige Folge der Handlung.

Durch Einführung einer metrischen Sprache ist man indeß der poetischen Tragödie schon um einen großen Schritt näher gekommen. Es sind einige lyrische Versuche auf der Schaubühne glücklich durchgegangen, und die Poesie hat sich durch ihre eigene lebendige Kraft im Einzelnen manchen Sieg über das herrschende Vorurtheil errungen. Aber mit den einzelnen ist wenig gewonnen, wenn nicht der Jrrthum im Ganzen fällt, und es ist nicht genug, daß man das nur als eine poetische Freiheit duldet, was doch das Wesen aller Poesie ist. Die Einführung des Chors wäre der letzte, der entscheidende Schritt und wenn derselbe auch nur dazu diente, dem Naturalism in der Kunst offen und ehrlich den Krieg zu erklären, so sollte er uns eine lebendige Mauer sein, die die Tragödie um sich herumzieht, um sich von der wirklichen Welt rein abzuschließen und sich ihren idealen Boden, ihre poetische Freiheit zu bewahren.

Die Tragödie der Griechen ist, wie man weiß, aus dem Chor entsprungen. Aber sowie sie sich historisch und der Zeitfolge nach daraus loswand, so kann man auch sagen, daß sie poetisch und dem Geiste nach aus demselben entstanden, und daß ohne diesen beharrlichen Zengen und Träger der Handlung eine ganz andere Dichtung aus ihr geworden wäre. Die Abschaffung des Chors und die Zusammenziehung dieses sinnlich mächtigen Organs in die charakterlose langweilig wiederkehrende Figur eines ärmlichen Vertrauten war also keine so große Verbesserung der Tragödie, als die Franzosen und ihre Nachbeter sich eingebildet haben.

Die alte Tragödie, welche sich ursprünglich nur mit Göttern, Helden und Königen abgab, brauchte den Chor als eine nothwendige Beglei= tung; sie fand ihn in der Natur und brauchte ihn, weil sie ihn fand. Die Handlungen und Schicksale der Helden und Könige sind schon an sich selbst öffentlich und waren es in der einfachen Urzeit noch mehr. Der Thor war folglich in der alten Tragödie mehr ein natürliches Organ, er

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