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Schauspieler, die aus eignem Wiz etwas hinzuthun konnten, sich verlassen und deßhalb Manches unausgeführt laffen durfte, was die Schauspieler bei wiederholten Darstellungen bald so, bald so ergänzten und dadurch dem Spiele selbst mitschaffend den Neiz der wechselnden Neuheit gaben, mußte Schiller Alles ausführen, und er führte alles in Versen aus, theils weil sie ihm fast geläufiger gc= worden als dialogisierte Profa, theils weil er dem poetischen Märchenspiele auch das äußere Gewand der Poesie für unentbehrlich hielt. Da er selbst bisher eigentlich sich dem freien Spiele der Laune nicht überlassen und nur in Wallensteins Lager einen Verfuch der Art gemacht hatte, fehlte es ihm an der freien Beweglichkeit und, seinem ganzen poetischen Charakter nach, auch an der Lust am Scherze, der das Wesen der italienischen Märchenpoffe machte. Schiller meinte ein gewisses Gegengewicht gegen das Luftige anwenden zu müssen, und indem er das Lettere milderte, suchte er das Erstere in einer Verstärkung des ängstigenden Elements, denn von einem tragischen Grundbestandtheile kann in einem Stücke, dessen heitern Ausgang Jeder voraussehen muß, nicht die Rede sein. Die Behandlung des Aengstigenden und Graufigen wird dem Italiener selbst zum heitern Possenspiel, während der deutsche Dichter es leicht damit zu ernsthaft nimmt und es, wenn auch vorübergehend, als Selbstzweck behandelt. Daneben kann er sich mit dem bloßen Spiele maskenhafter Charaktere nicht begnügen, er will statt Typen Menschen geben und statt der Kälte des Herzens, die bloß des Lustspiels wegen spröde thut und bloß des Schlusses wegen umschlägt und das Publikum, als den eigentlich beleidigten Theil, um Verzeihung bittet, will er selbst in dieser Spröden noch einen tiefern Grund, die Rächung des zum Sclavenjoch erniedrigten Weibergeschlechtes an dcm Männervolke, wirksam erscheinen laffen. Durch alle diese grundverschiedenen Motive, die Schiller eingeführt hat, mußte die Tragikomödie eine bedeutende Veränderung erleiden, so daß kaum noch von einer Uebersetzung die Rede sein kann, was ohnehin bei dem Hauptschmuck des Stückes, den Räthseln, durchaus nicht der Fall ist, da diese schön ausgeführten schönen Anschauungen eines ungenannten Gegenstandes ihm ganz allein angehören und erst durch ihn aufgekommen sind.

Strenger hielt sich Schiller an das Original, als er die Phädra dez Racine, dem Herzog Karl August zu Gefallen, in dem lckten harten Winter seines Lebens, um in diesen Tagen des Elends doch etwas zu thun, überseßte. Er begann die Arbeit am 17. December 1804 und war am 14. Januar 1805 damit fertig; schon um 30. Januar fand die erste Darstellung auf der Bühne statt. Diese Leichtigkeit unter den gegebenen Umständen ist um so bewundrungswürdiger, da Schiller bei der Uebersetzung der französischen Alexandriner in übliche Jamben mehr Schwierigkeiten fah, als er sich zu überwinden getraute. Als Goethe den Mahomet des Voltaire überfekt hatte, hielt er es für bedenklich, ähnliche Versuche mit andern französischen Stücken vorzunehmen, da es schwerlich noch ein zweites gebe, das daju tüchtig sei. Wenn man in der Ueberschung die Manier zerstöre, so bleibe zu wenig poetisch Menschliches übrig, und behalte man die Manier bei und suche die Vorzüge derselben auch in der Uebersetzung geltend zu machen, so werde man das Publikum verscheuchen. Die Eigenschaft des Alexandriners, sich in zwei gleiche Hälften zu trennen, und die Natur des Reimes, aus zwei Alexandrinern Schiller, Werte. II.

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ein Couplet zu machen, bestimme nicht bloß die ganze Sprache, sie bestimme auch den ganzen innern Geist dieser Etüde. Die Charaktere, die Gesinnungen, das Betragen der Personen, Alles stelle sich dadurch unter die Regel des Gegensates; wie die Geige des Musikanten die Bewegungen der Tänzer leite, so auch die zweischentlige Natur des Alexandriners die Bewegungen des Gemüths und die Gedanken. Der Verstand werde ununterbrochen aufgefordert und jedes Gefühl, jeder Gedanke in diese Form, wie in das Bett des Prokrustes gezwängt. Da mit Aufhebung des Alexandriners in der Uebersetzung die ganze Basis weggenommen werde, worauf diese Stücke erbaut seien, so bleiben nur Trümmer übrig, und man begreife die Wirkung nicht, da die Ursache weggefallen. Schiller hat diesc Schwierigkeiten nicht ganz überwunden, aber den Kampf damit unfühlbar zu machen gewußt, indem er den Antithesenbau milderte, im Uebrigen aber sehr wenig änderte, so daß man deutschen und französischen Text neben einander drucken konnte. Der Herzog, dem zu Gefallen er 1803 die beiden Lustspiele von Picard übersetzt hatte, vermißte deßhalb freilich den Wohllant des Originals da mit dem beständigen rhetorischen Sinnspiel auch der Reim geopfert war.

Wallenstein.

Ein dramatisches Gedi dj t.

Erster Theil.

Wallensteins Lager.

Prolog.

Gesprochen bei Wiedereröffnung der Schaubühne in Weimar im October 1798.

Der scherzenden, der ernsten Maske Spiel,
Dem ihr so oft ein willig Ohr und Auge
Geliehn, die weiche Seele hingegeben,
Vereinigt uns aufs nen in diesem Saal
Und sieh! er hat sich nen verjüngt, ihn hat
Die Kunst zum heitern Tempel ausgeschmückt,
Und ein harmonisch hoher Geist spricht uns
Aus dieser edeln Säulenordnung an
Und regt den Sinn zu festlichen Gefühlen.

Und doch ist dies der alte Schauplatz noch,
Die Wiege mancher jugendlichen Kräfte,
Die Laufbahn manches wachsenden Talents.
Wir sind die Alten noch, die sich vor ench
Mit warmem Trieb und Eifer ausgebildet.
Ein edler Meister stand auf diesem Plah,
Euch in die heitern Höhen seiner Kunst
Durch seinen Schöpfergenius entzückend.
O! möge dieses Raumes neue Würde
Die Würdigsten in unsre Mitte zichu
Und eine Höffnung, die wir lang gehegt,
Sich uns in glänzender Erfüllung zeigen.
Ein großes Muster weckt Nacheiferung
Und gibt dem Urtheil höhere Gesetze.
So stehe dieser Kreis, die neue Bühne
Als Zeugen des vollendeten Talents.
Wo möcht' es auch die Kräfte lieber prüfen,
Schiller, Werke. 11.

1

Den alten Ruhm erfrischen und verjüngen,
Als hier vor einem auserles'nen Kreis,
Der, rührbar jedem Zauberschlag der Kunst,
Mit leisbeweglichem Gefühl den Geist
In seiner flüchtigsten Erscheinung hascht?

Denn schnell und spurlos geht des Mimen Kunst,
Die wunderbare, an dem Sinn vorüber,
Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang
Des Dichters nach Jahrtausenden noch leben.
Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab,
Und wie der Klang verhallet in dem Ohr,
Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung,
Und ihren Nuhm bewahrt kein dauernd Werk.
Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis,
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze;
Drum muß er geizen mit der Gegenwart,
Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,
Muß seiner Mitwelt mächtig sich versicheru
Und im Gefühl der Würdigsten und Besten
Ein lebend Denkmal sich erbaun So nimmt er
Sich seines Namens Ewigkeit voraus,
Denn wer den Besten seiner Zeit genug
Gethan, der hat gelebt für alle Zeiten.

Die neue Aera, die der Kunst Thaliens
Auf dieser Bühne heut beginnt, macht auch
Den Dichter kühn, die alte Bahn verlassend,
Euch aus des Bürgerlebens engem Kreis
Auf einen höhern Schauplatz zu versehen,
Nicht unwerth des erhabenen Moments
Der Zeit, in dem wir strebend uns bewegen.
Denn nur der große Gegenstand vermag
Den tiefen Grund der Menschheit aufzuregen,
Im engen Kreis verengert sich der Sinn,

Es wächst der Mensch mit seinen größern Zwecken.
Und jetzt an des Jahrhunderts ernstem Ende,
Wo selbst die Wirklichkeit zur Dichtung wird,
Wo wir den Kampf gewaltiger Naturen
Um ein bedeutend Ziel vor Augen sehu
Und um der Menschheit große Gegenstände,
Um Herrschaft und um Freiheit, wird gerungen,
Jeyt darf die Kunst auf ihrer Schattenbühne
Auch höhern Flug versuchen, ja sie muß,
Sell nicht des Lebens Bühne sie beschämen.
Zerfallen sehen wir in diesen Tagen
Die alte feste Form, die einst vor hundert

Und fünfzig Jahren ein willkommner Friede
Europens Reichen gab, die theure Frucht
Von dreißig jammervollen Kriegesjähren.
Noch einmal laßt des Dichters Phantasie
Die düstre Zeit an euch vorüberführen
Und blicket froher in die Gegenwart
Und in der Zukunft hoffnungsreiche Ferne.
In jenes Krieges Mitte stellt euch jezt
Der Dichter. Sechzehn Jahre der Verwüstung,
Des Raubs, des Elends sind dahingeflohu,
In trüben Maffen gähret noch die Welt,
Und keine Friedenshoffnung strahlt von fern.
Ein Tummelplatz von Waffen ist das Reich,
Verödet sind die Städte, Magdeburg

Jst Schutt, Gewerb und Kunstfleiß liegen nieder,
Der Bürger gilt nichts mehr, der Krieger Alles,
Straflose Frechheit spricht den Sitten Hohn,
Und rohe Horden lagern sich, verwildert
Im langen Krieg, auf dem verheerten Boden.
Auf diesem finstern Zeitgrund malet sich
Ein Unternehmen kühnen Üebermuths
Und ein verwegener Charakter ab.

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Ihr kennet ihn den Schöpfer kühner Hecre,
Des Lagers Abgott und der Länder Geißel,
Die Stüße und den Schrecken seines Kaisers,
Des Glückes abenteuerlichen Sohn,

Der, von der Zeiten Gunst emporgetragen,
Der Ehre höchste Staffeln rasch erstieg
Und, ungesättigt immer weiter strebend,
Der unbezähmten Ehrsucht Opfer_fiel.
Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt,
Schwankt sein Charakterbild in der Geschichte;
Doch euren Augen soll ihn jezt die Kunst,
Auch eurem Herzen menschlich näher bringen.
Denn jedes Aeußerste führt sie, die Alles
Begrenzt und bindet, zur Natur zurück,
Sie sieht den Menschen in des Lebens Drang
Und wälzt die größre Hälfte seiner Schuld
Den unglückseligen Gestirnen zu.

Nicht er ist's, der auf dieser Bühne heut
Erscheinen wird. Doch in den kühnen Schaaren,
Die sein Befehl gewaltig lenkt, sein Geist
Beseelt, wird euch sein Schattenbild begegnen,
Bis ihn die scheue Muse selbst vor cuch
Zu stellen wagt in lebender Gestalt,

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