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hat, wird sich davon einen Begriff machen können. Er trug alles, und so auch diesen Roman, ernst und schlicht vor; völlig entfernt von aller dramatisch - mimischen Darstellung, vermied er sogar jene Mannigfaltigkeit, die bei einem epischen Vortrag nicht allein erlaubt ist, sondern wohl gefordert wird: eine geringe Abwechselung des Tons, wenn verschiedene Personen sprechen, wodurch das, was eine jede sagt, herausgehoben und der Handelnde von dem Erzählenden abgesondert wird. Ohne monoton zu sein, ließ Herder alles in einem Ton hinter einander folgen, eben als wenn nichts gegenwärtig, sondern alles nur historisch wäre, als wenn die Schatten dieser poetischen Wesen nicht lebhaft vor ihm wirkten, sondern nur fanft vorübergleiteten. Doch hatte diese Art des Vortrags, aus seinem Munde, einen unendlichen Reiz: denn weil er alles aufs tiefste empfand und die Mannigfaltigkeit eines solchen Werks hochzuschäßen wußte, so trat das ganze Verdienst einer Production rein und um so deutlicher hervor, als man nicht durch scharf ausgesprochene Einzelnheiten gestört und aus der Empfindung gerissen wurde, welche das Ganze gewähren sollte.

Ein protestantischer Landgeistlicher ist vielleicht der schönste Gegenstand einer modernen Fdhlle; er erscheint, wie Melchisedech, als Priester und König in Einer Person. An den unschuldigsten Zustand, der sich auf Erden denken läßt, an den des Ackermanns, ist er meistens durch gleiche Beschäftigung, so wie durch gleiche Familienverhältnisse geknüpft; er ist Vater, Hausherr, Landmann, und so vollkommen ein Glied der Gemeine. Auf diesem reinen, schönen, irdischen Grund ruht sein höherer Beruf; ihm ist übergeben, die Menschen ins Leben zu führen, für ihre geistige Erziehung zu sorgen, sie bei allen Haupt- Epochen ihres Daseins zu segnen, sie zu belehren, zu kräftigen, zu trösten und, wenn der Troft für die Gegenwart nicht ausreicht, die Hoffnung einer glücklicheren Zukunft heranzurufen und zu verbürgen. Denke man sich einen solchen Mann, mit rein menschlichen Gesinnungen, stark genug, um unter keinen Umständen davon zu weichen, und schon dadurch über die Menge erhaben, von der man Reinheit und Festigfeit nicht erwarten kann; gebe man ihm die zu seinem Amte nöthigen Kenntnisse, so wie eine heitere, gleiche Thätigkeit, welche sogar leidenschaftlich ist, indem sie keinen Augenblick versäumt, das Gute zu wirken und man wird ihn wohl ausgestattet haben. Zugleich aber füge man die nöthige Beschränktheit hinzu, daß er nicht allein in einem kleinen Kreise verharren, sondern auch allenfalls in einen Kleineren übergehen möge; man verleihe ihm Gutmüthigkeit, Versöhn

lichkeit, Standhaftigkeit und was sonst noch aus einem entschiedenen Charakter Löbliches hervorspringt, und über dieß alles eine heitere Nachgiebigkeit und lächelnde Duldung eigner und fremder Fehler, so hat man das Bild unseres trefflichen Wakefield so ziemlich beisammen.

Die Darstellung dieses Charakters auf seinem Lebensgange durch Freuden und Leiden, das immer wachsende Interesse der Fabel, durch Verbindung des ganz Natürlichen mit dem Sonderbaren und Seltsamen, macht diesen Roman zu einem der besten die je geschrieben worden; der noch überdieß den großen Vorzug hat, daß er ganz sittlich, ja im reinen Sinne christlich ist, die Belohnung des guten Willens, des Beharrens bei dem Rechten darstellt, das unbedingte Zutrauen auf Gott bestätigt und den endlichen Triumph des Guten über das Böse beglaubigt, und dieß alles ohne eine Spur von Frömmelei oder Pedantismus. Vor beiden hatte den Verfasser der hohe Sinn bewahrt, der sich hier durchgängig als Fronie zeigt, wodurch dieses Werkchen uns eben so weise als liebenswürdig entgegenkommen muß. Der Verfasser, Doctor Goldsmith, hat ohne Frage große Einsicht in die moralische Welt, in ihren Werth und in ihre Gebrechen; aber zugleich mag er nur dankbar anerkennen, daß er ein Engländer ist, und die Vortheile, die ihm sein Land, seine Nation darbietet, hoch an= rechnen. Die Familie, mit deren Schilderung er sich beschäftigt, steht auf einer der lezten Stufen des bürgerlichen Behagens, und doch kommt sie mit dem Höchsten in Berührung; ihr enger Kreis, der sich noch mehr verengt, greift, durch den natürlichen und bürgerlichen Lauf der Dinge, in die große Welt mit ein; auf der reichen bewegten Woge des englischen Lebens schwimmt dieser kleine Kahn, und in Wohl und Weh hat er Schaden oder Hülfe von der ungeheuern Flotte zu erwarten, die um ihn hersegelt.

Ich kann vorausseßen, daß meine Leser dieses Werk kennen und im Gedächtniß haben; wer es zuerst hier nennen hört, so wie der, welcher aufgeregt wird, es wieder zu lesen, beide werden mir danken. Für jene bemerke ich nur im Vorübergehen, daß des Landgeist= lichen Hausfrau von der thätigen, guten Art ist, die es sich und den Ihrigen an nichts fehlen läßt, aber auch dafür auf sich und die Jhrigen etwas einbildisch ist. Zwei Töchter, Olivie, schön und mehr nach außen, Sophie reizend und mehr nach innen gesinnt, einen fleißigen, dem Vater nacheifernden, etwas herben Sohn, Mojes, will ich zu nennen nicht unterlassen.

Wenn Herder bei seiner Vorlesung eines Fehlers beschuldigt werden konnte, so war es der Ungeduld; er wartete nicht ab, bis

der Zuhörer einen gewissen Theil des Verlaufs vernommen und gefaßt hätte, um richtig dabei empfinden und gehörig denken zu können: voreilig wollte er sogleich Wirkungen sehen, und doch war er auch mit diesen unzufrieden, wenn sie hervortraten. Er tadelte das Uebermaß von Gefühl, das bei mir von Schritt zu Schritt mehr überfloß. Ich empfand als Mensch, als junger Mensch; mir war alles lebendig, wahr, gegenwärtig. Er, der bloß Gehalt und Form beachtete, sah freilich wohl, daß ich vom Stoff überwältigt ward, und das wollte er nicht gelten lassen. Peglows Reflexionen zunächst, die nicht von den feinsten waren, wurden noch übler aufgenommen; besonders aber erzürnte er sich über unsern Mangel an Scharfsinn, daß wir die Contraste, deren sich der Verfasser oft bedient, nicht voraussahen, uns davon rühren und hinreißen ließen, ohne den öfters wiederkehrenden Kunstgriff zu merken. Daß wir aber gleich zu Anfang, wo Burchell, indem er bei einer Erzählung aus der dritten Person in die erste übergeht, sich zu verrathen im Begriff ist, daß wir nicht gleich eingesehen oder wenigstens gemuthmaßt hatten, daß er der Lord, von dem er spricht, selbst sei, verzieh er uns nicht, und als wir zuleht, bei Entdeckung und Verwandlung des armen kümmerlichen Wanderers in einen reichen, mächtigen Herrn, uns kindlich freuten, rief er erst jene Stelle zurück, die wir nach der Absicht des Autors überhört hatten, und hielt über unsern Stumpffinn eine gewaltige Strafpredigt. Man sieht hieraus, daß er das Werk bloß als Kunstproduct ansah und von uns das Gleiche verlangte, die wir noch in jenen Zuständen wandelten, wo es wohl erlaubt ist, Kunstwerke wie Naturerzeugnisse auf sich wirken zu lassen.

Ich ließ mich durch Herders Invectiven keineswegs irre machen, wie denn junge Leute das Glück oder Unglück haben, daß, wenn einmal etwas auf sie gewirkt hat, diese Wirkung in ihnen selbst verarbeitet werden muß, woraus denn manches Gute, so wie manches Unheil entsteht. Gedachtes Werk hatte bei mir einen großen Eindruck zurückgelassen, von dem ich mir selbst nicht Rechenschaft geben konnte; eigentlich fühlte ich mich aber in Uebereinstimmung mit jener ironischen Gesinnung, die sich über die Gegenstände, über Glück und Unglück, Gutes und Böses, Tod und Leben erhebt und so zum Besit einer wahrhaft poctischen Welt gelangt. Freilich konnte dieses nur später bei mir zum Bewußtsein kommen, genug, es machte mir für den Augenblick viel zu schaffen; keineswegs aber hätte ich erwartet, alsobald aus dieser fingirten Welt in eine ähnliche wirkliche versett zu werden.

Mein Tischgenosse Wehland, der sein stilles fleißiges Leben dadurch erheiterte, daß er, aus dem Elsaß gebürtig, bei Freunden und Verwandten in der Gegend von Zeit zu Zeit einsprach, leistete mir auf meinen kleinen Excursionen manchen Dienst, indem er mich in verschiedenen Ortschaften und Familien theils persönlich, theils durch Empfehlungen einführte. Dieser hatte mir öfters von einem Landgeistlichen gesprochen, der nahe bei Drusenheim, sechs Stunden von Straßburg, im Befit einer guten Pfarre mit einer verständigen Frau und ein Paar liebenswürdigen Töchtern lebe. Die Gastfreiheit und Anmuth dieses Hauses ward immer dabei höchlich gerühmt. So viel bedurfte es kaum, um einen jungen Ritter anzureizen, der sich schon angewöhnt hatte, alle abzumüßigenden Tage und Stunden zu Pferde und in freier Luft zuzubringen. Also entschlossen wir uns auch zu dieser Partie, wobei mir mein Freund versprechen mußte, daß er bei der Einführung weder Gutes noch Böses von mir sagen, überhaupt aber mich gleichgültig behandeln wolle, sogar erlauben, wo nicht schlecht, doch etwas ärmlich und nachlässig gekleidet zu erscheinen. Er willigte darein und versprach sich selbst einigen Spaß davon.

Es ist eine verzeihliche Grille bedeutender Menschen, gelegent lich einmal äußere Vorzüge ins Verborgene zu stellen, um den eignen innern menschlichen Gehalt desto reiner wirken zu lassen; deßwegen hat das Incognito der Fürsten und die daraus entspringenden Abenteuer immer etwas höchst Angenehmes: es erscheinen verkleidete Gottheiten, die alles Gute, was man ihrer Persönlichkeit erweist, doppelt hoch anrechnen dürfen und im Fall sind, das Unerfreuliche entweder leicht zu nehmen, oder ihm ausweichen zu können. Daß Jupiter bei Philemon und Baucis, Heinrich der Vierte nach einer Jagdpartie unter seinen Bauern sich in ihrem Incognito wohlgefallen, ist ganz der Natur gemäß, und man mag es gern; daß aber ein junger Mensch ohne Bedeutung und Namen sich einfallen läßt, aus dem Incognito einiges Vergnügen zu ziehen, möchte mancher für einen unverzeihlichen Hochmuth auslegen. Da aber hier die Rede nicht ist von Gesinnungen und Handlungen, in wiefern sie Lobens- oder tadelnswürdig, sondern wiefern sie sich offenbaren und ereignen können, so wollen wir für dießmal, unserer Unterhaltung zu Liebe, dem Jüngling feinen Dünkel verzeihen, um so mehr, als ich hier anführen muß, daß von Jugend auf in mir eine Lust, mich zu verkleiden, selbst durch den ernsten Vater erregt worden.

Auch dießmal hatte ich mich, theils durch eigne ältere, theils durch einige geborgte Kleidungsstücke und durch die Art, die Haare

zu kämmen, wo nicht entstellt, doch wenigstens so wunderlich zuge= stukt, daß mein Freund unterwegs sich des Lachens nicht erwehren konnte, besonders wenn ich Haltung und Geberde solcher Figuren, wenn sie zu Pferde fißen, und die man lateinische Reiter nennt, vollkommen nachzuahmen wußte. Die schöne Chaussee, das herrlichste Wetter und die Nähe des Rheins gaben uns den besten Humor. In Drusenheim hielten wir einen Augenblic an, er, um sich nett zu machen, und ich, um mir meine Rolle zurückzurufen, aus der ich gelegentlich zu fallen fürchtete. Die Gegend hier hat den Charakter des ganz freien ebenen Elsasses. Wir ritten einen anmuthigen Fußpfad über Wiesen, gelangten bald nach Sesenheim, ließen unsere Pferde im Wirthshause und gingen gelassen nach dem Pfarrhofe. Laß dich, sagte Wehland, indem er mir das Haus von weitem zeigte, nicht irren, daß es einem alten und schlechten Bauernhause ähnlich sicht; inwendig ist es desto jünger. Wir traten in den Hof; das Ganze gefiel mir wohl: denn es hatte gerade das, was man malerisch nennt, und was mich in der niederländischen Kunst so zauberisch angesprochen hatte. Jene Wirkung war gewaltig sichtbar, welche die Zeit über alles Menschenwerk ausübt. Haus und Scheune und Stall befanden sich in dem Zustande des Verfalls gerade auf dem Punkte, wo man unschlüssig, zwischen Erhalten und Neuaufrichten zweifelhaft, das eine unterläßt, ohne zu dem andern gelangen zu können.

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Alles war still und menschenleer, wie im Dorfe so im Hofe. Wir fanden den Vater, einen kleinen, in sich gekehrten, aber doch freundlichen Mann, ganz allein: denn die Familie war auf dem Felde. Er hieß uns willkommen, bot uns eine Erfrischung an, die wir ablehnten. Mein Freund eilte, die Frauenzimmer aufzusuchen, und ich blieb mit unserem Wirth allein. Sie wundern sich vielleicht, sagte er, daß Sie mich in einem reichen Dorfe und bei einer einträglichen Stelle so schlecht quartiert finden; das kommt aber, fuhr er fort, von der Unentschlossenheit. Schon lange ist mir's von der Gemeine, ja von den oberen Stellen zugesagt, daß das Haus neu aufgerichtet werden soll; mehrere Risse sind schon gemacht, geprüft, verändert, keiner ganz verworfen und keiner ausgeführt worden. Es hat so viele Jahre gedauert, daß ich mich vor Ungeduld kaum zu fassen weiß. Ich erwiederte ihm, was ich für schicklich hielt, um seine Hoffnung zu nähren und ihn aufzumuntern, daß er die Sache stärker betreiben möchte. Er fuhr darauf fort, mit Vertrauen die Personen zu schildern, von denen solche Sachen abhingen, und obgleich er kein sonderlicher Charakterzeichner war,

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