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Karl Hoffmeister hat uns in seiner bekannten und mit Recht als ausgezeichnet anerkannten Schrift über Schiller's' Leben, Geistesentwicklung und Werke mit der ganzen Fülle des Strebens und Arbeitens vertraut gemacht, welchem das deutsche Volk die herrlichsten Schäße seiner schönen Literatur verdankt. Unter Anleitung dieser Schrift sehen wir alle die Mühen, mit denen Schiller sich des Stoffs zu seinen Werken versichert, erfahren wir die Bedenken, Erwägungen und innern Kämpfe, in welchen er die künstlerische Gestaltung des gewonnenen Stoffes ermittelt, so daß wir gleichsam die Naturgeschichte der nun in ihrer Vollendung vor aller Welt fertig aufgestellten Werke des gefeierten Dichters überblicken.

Die von Schiller selbst theils in theoretischen Schriften grundsagmäßig zusammengeordneten theils im Briefwechsel mit seinen Freunden offenbarten Reflectionen, Kunstansichten und technischen Vorbereitungen berücksichtigt dann Hoffmeister bei Beurtheilung der vollendeten Werke. In Folge dessen aber gelangt er zu einer Kritik, welche uns vielfach den reinen Genuß der doch wieder von ihm selbst hochgepriesenen Schönheit und Größe der Schiller'schen Poesieen verkümmert, da sie uns die richtige Auffassung derselben nicht sicher stellt. Das kann sie nämlich nicht, weil die vorbereitenden Bestimmungen, Entwürfe und Wünsche des Dichters selbst den Maßstab zur Würdigung Dessen, was der Dichter später wirklich erzeugt und vollendet hat, nicht abgeben dürfen.

Denn in Dem, was der Dichter Vorbereitendes denkt und thut und schreibt, gleicht er jedem andern Künstler, ja, jedem Werkmanne, der sich das für ein auszurichtendes Werk brauchbare Material sammelt, zurecht legt, um es zulegt nach einem vorläufig entworfenen Plane in bestimmter Form zu einem Ganzen zusammenzufügen. Dagegen macht sich erst nach Vollendung der Vorarbeiten der durch dieselben mit allem nothwendigen Zubehör nun ausgestattete Dichter als solcher, d. h. als der wahre Poet geltend, indem er schauend und schaffend die poetische That vollbringt, durch welche er sich von allen übrigen wirkenden Menschen unterscheidet. Unter dem Einflusse des poetischen Genius erfüllt er das Irdische mit Ewigem, den leiblichen Stoff mit göttlichem Geiste, die Schranke der Form mit der unendlichen Idee. Und wie die Form eines Gegenstandes nur dann als die wahre, wahrhaft schöne Form desselben gilt, sobald sie aus der Idee und dem geistigen Wesen des Gegenstandes

hervorwächst, so geschieht's denn auch, daß das vollendéte Werk des wahren Dichters etwas ganz Anderes geworden ist, als was die Vorbereitung zu demselben in Aussicht gestellt hatte. Denn das ist die Wesenheit der Dichternatur, daß der Dichter im Moment seines Schaffens mit verklärtem Auge, vermöge der durchdringenden Kraft und Unmittelbarkeit der Begeisterung, in die Tiefen des Daseins schaut, daß er in dem Spiegel seines Gemüths das ewige Welt- und Menschheitsleben begreift, Vergangnes und Zukünftiges sieht, aus Vergangenheit und Zukunft die Gegenwart deutet und sie mit den Gesezen des ewigen Seins erfüllt. Ein Seher und Weihsager entdeckt er ahnungsvoll den göttlichen Weltplan und enthüllt den geheimen Ursprung der Dinge und der Begebenheiten. So tritt dann das Gedicht wie eine vermittelst der menschlichen Hand des Dichters nur erfaßbar gemachte Schöpfung des höheren Genius zu Tage. Eben deshalb aber kann es auch nur seines Daseins und Bestandes alleiniger und allein berechtigter Erklärer sein.

Aus diesem Grunde mag der folgende Versuch, Schiller's Wallenstein aus dessen eignem Inhalte und objectivem Bestande zu erklären, seine Rechtfertigung finden. Möge derselbe den ehrenwerthen Bestrebungen früherer Erklärer sich heilsam zugesellen in der Absicht, uns den großen Dichter unsers Volks immer gründlicher vertraut und des hohen Segens seines göttlichen Berufs immer gewisser zu machen!

Unsere Aufmerksamkeit soll aber in Anspruch nehmen:

1. Der Grundgedanke des Drama's

2. Die Schicksalsidee in dem Drama

3. Der Held des Drama's vor der dramatischen Action .

4. Der Held während des Verlaufs der dramatischen Action 5. Des Helden Widersacher

6. Die weltgeschichtliche Summa und Höhe des Gedichts 7. Des Drama's künstlerische Einrichtung und Form

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Der Grundgedanke des Drama's.

Der Der Abfall Wallensteins von seinem Kaiser Ferdinand II. nach Ursach, Art und Folgen bildet den Stoff unsers dramatischen Gedichts.

„Es ist aber der Geist, der sich den Körper baut“. Diesem Ausspruche gemäß wollen wir daher zuerst des Grundgedankens sicher zu werden suchen, der wie die lebendige und belebende Seele unser Gedicht in's Dasein rief, es durchdringt und ihm faßliche Gestalt gab.

Sogleich der erste Auftritt in Wallensteins Lager zeigt uns einen Bauern, der seiner ursprünglichen Berufsstellung ungetreu wird und sich durch betrügerische Mittel „listig und pfiffig“ Das verschaffen will, was er unter den obwaltenden Umständen auf ehrliche Weise nicht erwerben kann. Statt sich durch seinen Sohn warnen zu lassen, daß er von dem Soldatenhaufen fern bleibe, wird er auch seiner Baterpflicht so sehr ungetreu, daß er dem Sohne Heuchelei empfiehlt, indem er denselben auffordert, sich nur recht erbärmlich zu stellen".

In dem zweiten Auftritte wird die Ankunft der Herzogin und des fürstlichen Fräuleins nur als der Schein bezeichnet, der gewisse Absichten verdecken soll. Es ist also dieser Ankunft nicht eben zu trauen; die Absichten, welche durch sie verdeckt werden sollen, sind „gar nicht geheuer“. Darum erscheint „die alte Perrücke von Wien als Spürhund, der auf den Herzog Jagd macht". Denn in Wien traut man dem Herzoge nicht, weil man ihm Untreue zumuthet und sein heimlich Gesicht fürchtet. Dagegen sind die Soldaten dem Feldherrn ergeben und gewogen und wollen denselben getreulich aufrecht halten.

Im dritten Auftritte betrügt der Scharfschüß den Kroaten. Die Prellerei wird von den Umstehenden mit Lachen beobachtet und somit die Pflicht gegen den übervortheilten Kameraden veruntreut.

Der fünfte Auftritt bietet uns die Untreue des Schottländers gegen die Marketenderin. Der Spigbub' hat ihr all' ihr Vermögen mitgenommen und „nichts als den Schlingel da" gelassen.

Im sechsten Auftritte macht die Erzählung des ersten Jägers eine lange Reihe von Acten der Untreue gegen geleistete Fahneneide kund; und die Zuhörer finden dabei eben nichts zu verwundern.

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