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1. An Daphnen.

icht den blutbesprigten kühnen Helden, nicht das öde Schlachtfeld singt die frohe Muse; sanft und schüchtern flieht sie das Gewühl, die leichte Flöt' in ihrer Hand.

Gelockt durch kühler Bäche rieselndes Geschwätze und durch 5 der heil'gen Wälder dunklen Schatten irrt sie an dem beschilften Ufer oder geht auf Blumen in grüngewölbten Gängen hoher Bäume und ruht im weichen Gras und sinnt auf Lieder, für dich, für dich nur, schönste Daphne! Denn dein Gemüt voll Tugend und voll Unschuld ist heiter, wie der schönste Frühlingsmorgen; 10 so flattert muntrer Scherz und frohes Lächeln stets um die kleinen Lippen, um die roten Wangen, und sanfte Freude redet stets aus deinen Augen. Ja seit du Freund mich nennst, geliebte Daphne! seitdem seh ich die Zukunft hell und glänzend, und jeden Tag begleiten Freud' und Wonne.

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Owenn die frohen Lieder dir gefielen! die meine Muse oft dem Hirten abhorcht; auch oft belauschet sie in dichten Hainen der Bäume Nymphen und den ziegenfüß'gen Waldgott und schilfbekränzte Nymphen in den Grotten; und oft besuchet sie bemooste Hütten, um die der Landmann stille Schatten pflanzet, und bringt 20 Geschichten her von Großmut und von Tugend und von der immer frohen Unschuld. Auch oft beschleichet sie der Gott der Liebe in grünen Grotten dichtverwebner Sträuche und oft im Weidenbusch an kleinen Bächen. Er horchet dann ihr Lied und fränzt ihr fliegend Haar, wenn sie von Liebe singt und frohem 25 Scherz.

Dies, Daphne! dies allein, belohne meine Lieder, dies sei mein Ruhm, daß mir an deiner Seite, aus deinem holden Auge Beifall lächle. Den, der nicht glücklich ist wie ich, begeistre der

Gedanke, den Ruhm der späten Enkel zu ersingen; sie mögen Blumen auf sein Grabmal streun und grünen Schatten über den verwesnen Pflanzen!

2. Milon.

du! die du lieblicher bist als der tauende Morgen, du mit den großen schwarzen Augen; schön wallet dein dunkles Haar unter dem Blumenkranz weg und spielt mit den Winden. Lieblich ist's, wenn deine roten Lippen zum Lachen sich öffnen, lieblicher noch, wenn sie zum Singen sich öffnen. Ich habe dich behorcht, 10 Chloe! dich hab' ich behorcht! da du an jenem Morgen beim Brunnen sangest, den die zwo Eichen beschatten; böse daß die Vögel nicht schwiegen, böse daß die Quelle rauschte hab' ich dich behorcht. Itt hab ich neunzehn Ernten gesehen und ich bin schön und braun von Gesicht; oft hab' ich's bemerkt, daß die Hirten aufhörten zu 15 singen und horchten, wenn mein Gesang durchs Thal hintönte, und deinen Gesang würde keine Flöte besser begleiten als meine.

schöne Chloe, liebe mich! Siehe, wie lieblich es ist, auf diesem Hügel in meinem Felsen zu wohnen! sieh, wie das kriechende Epheu ein grünes Net anmutig um den Felsen herwebt, und wie sein. 20 Haupt der Dornstrauch beschattet. Meine Höhle ist bequem, und ihre Wände sind mit weichen Fellen behangen, und vor den Eingang hab' ich Kürbisse gepflanzet, sie kriechen hoch empor und werden zum dämmernden Dach; sieh, wie lieblich die Quell' aus meinem Felsen schäumt und hell über die Wasserkresse hin durch 25 hohes Gras und Blumen quillt! unten am Hügel sammelt er sich zur kleinen See, mit Schilfrohr und Weiden umkränzt, wo die Nymphen bei stillem Mondschein oft nach meiner Flöte tanzen, wenn die hüpfenden Faunen mit ihren Crotalen mir nachflappern. Sieh, wie auf dem Hügel die Haselstaude zu grünen Grotten sich 30 wölbt und wie die Brombeerstaude mit schwarzer Frucht um mich her kriecht und wie der Hambuttenstrauch die roten Beeren emporträgt und wie die Apfelbäume voll Früchte stehn, von der kriechenden Reb' umschlungen. O Chloe! dies alles ist mein! wer wünschet sich mehr? Aber ach! wenn du mich nicht liebest, dann umhüllt 35 ein dichter Nebel die ganze Gegend. O Chloe, liebe mich! Hier

28. Crotalen, waren aufgespaltene Rohre, deren Auf- und Zuschlagen das Tonmaß des Gesanges und der anderen Instrumente begleitete. Anm. Geßners.

wollen wir dann ins weiche Gras uns lagern, wenn Ziegen an der felsichten Seite klettern und die Schafe und die Rinder um uns her im hohen Grafe waten; dann wollen wir über das weit ausgebreitete Thal hinsehn ins glänzende Meer, wo die Tritonen hüpfen und wo Phöbus von seinem Wagen steigt, und singen, daß 5 es weit umher in den Felsen wiedertönt, daß Nymphen still stehn und horchen und die ziegenfüßigten Waldgötter.

So sang Milon der Hirt auf dem Felsen, als Chloe in dem Gebüsch ihn behorchte; lächelnd trat sie hervor und faßte dem Hirten die Hand; Milon, du Hirt auf dem Felsen, so sprach sie, 10 ich liebe dich mehr als die Schafe den Klee, mehr als die Vögel den Gesang; führe mich in deine Höhle; süßer ist mir dein Kuß als Honig, so lieblich rauscht mir nicht der Bach.

3. Idas. Mycon.

Sei mir gegrüßt Mycon! du lieblicher Sänger! Wenn ich 15 dich sehe, dann hüpft mir das Herz vor Freude; seit du auf dem Stein beim Brunnen mir das Frühlingslied sangest, seitdem hab' ich dich nicht gesehen.

Mycon. Sei mir gegrüßt Jdas, du lieblicher Flötenspieler! Laß uns einen kühlen Ort suchen und in dem Schatten uns lagern. 20 Jdas. Wir wollen auf diese Anhöhe gehn, wo die große Eiche des Palemon steht; sie beschattet weit umher, und die kühlen Winde flattern da immer. Indes können meine Ziegen an der jähen Wand klettern und vom Gesträuch reißen. Sieh, wie die große Eiche die schlanken Äste herum trägt und kühlen Schatten 25 ausstreut; laß hier bei den wilden Rosengebüschen uns lagern, die sanften Winde sollen mit unsern Haaren spielen. Mycon! dies ist mir ein heiliger Ort! O Palemon! diese Eiche bleibt deiner Redlichkeit heiliges Denkmal! Palemon hatte eine kleine Herde; er opferte dem Pan viele Schafe; o Pan! bat er, laß meine Herde 30 sich mehren, so kann ich sie mit meinem armen Nachbar teilen, und Pan machte, daß seine Herde in einem Jahr um die Hälfte sich mehrte, und Palemon gab dem armen Nachbar die Hälfte der ganzen Herde, da opfert' er dem Pan auf diesem Hügel und pflanzt' eine Eiche und sprach: O Pan, dieser Tag sei mir heilig, an dem 35 mein Wunsch sich erfüllte, segne die Eiche, daß ich jährlich in ihrem

Schatten dir opfere. Mycon! soll ich dir das Lied singen, das ich immer unter dieser Eiche singe?

Mycon. Wenn du mir das Lied singest, dann will ich diese neunstimmige Flöte dir schenken, ich selbst habe die Rohre mit 5 langer Wahl am Ufer geschnitten und mit wohlriechendem Wachs vereint.

Jdas sang ist.

Die ihr euch über mir wölbt, schlanke Äste, ihr streut mit euerm Schatten ein heiliges Entzücken auf mich; ihr Winde, wenn 10 ihr mich kühlt, dann ist's, als rauscht' eine Gottheit unsichtbar neben mir hin! Ihr Ziegen und ihr Schafe, schonet, o schonet! und reißt das junge Epheu nicht vom weißen Stamm, daß es empor schleiche und grüne Kränze flechte rings um den weißen. Stamm. Kein Donnerkeil, kein reißender Wind soll dir schaden, 15 hoher Baum! Die Götter wollen's, du sollst der Redlichkeit Denkmal sein! Hoch steht sein Wipfel empor, es siehet ihn fernher der Hirt und weist ihn ermahnend dem Sohn; es sieht ihn die zärtliche Mutter und sagt Palemons Geschichte dem horchenden Kind auf der Schoß. O pflanzt solche Denkmal' ihr Hirten! daß wir 20 einst voll heil'gen Entzückens in dunkeln Hainen einhergehn.

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So sang Jdas, er hatte schon lange geschwiegen, und Mycon saß noch wie horchend; ach Jdas! mich entzückt der tauende Morgen, der kommende Frühling entzückt mich, noch mehr des Redlichen Thaten.

So sprach Mycon und gab ihm die neunstimmige Flöte.

4. Daphnis.

An einem hellen Wintermorgen saß Daphnis in seiner Hütte; die lodernden Flammen angebrannter dürrer Reiser streuten angenehme Wärme in der Hütte umher, indes daß der herbe Winter 30 sein Strohdach mit tiefem Schnee bedeckt hielt; er sah vergnügt durch das enge Fenster über die wintrichte Gegend hin. Du herber Winter, so sprach er, doch bist du schön! Lieblich lächelt ist die Sonne durch die dünnbenebelte Luft über die schneebedeckten Hügel hin; wie glänzet der Schnee! Lieblich ist's, wie aus dem Weißen 35 empor die schwarzen Stämme der Bäume zerstreut stehn mit ihren krummgeschwungenen unbelaubten Ästen oder eine braune Hütte

mit dem schneebedeckten Dach oder wenn die schwarzen Zäune von Dornstauden die weiße Ebene durchkreuzen; schön ist's, wie die grüne Saat dort über das Feld hin die zarten Spitzen aus dem Schnee emporhebt und das Weiß mit sanftem Grün vermischt; schön glänzen die nahen Sträuche, ihre dünnen Äste sind mit Duft 5 geschmückt und die dünnen umherflatternden Faden. Zwar ist die Gegend öde, die Herden ruhen eingeschlossen im wärmenden Stroh; nur selten sieht man den Fußtritt des willigen Stiers, der traurig das Brennholz vor die Hütte führt, das sein Hirt im nahen Hain gefällt hat; die Vögel haben die Gebüsche verlassen, nur die ein- 10 same Meise singet ihr Lied, nur der kleine Zaunschlüpfer hüpfet umher, und der braune Sperling kommt freundlich zu der Hütte, und picket die hingestreuten Körner. Dort, wo der Rauch aus den Bäumen in die Luft empor wallt, dort wohnet meine Phillis! Vielleicht sizest du itt beim wärmenden Feuer, das schöne Gesicht 15 auf der unterstützenden Hand, und denkest an mich und wünschest den Frühling. Ach Phillis! wie schön bist du! Aber nicht nur deine Schönheit hat mich zur Liebe gereizt; o wie liebt ich dich da! als dem jungen Aleris zwo Ziegen von der Felsenwand stürzten; er weinte, der junge Hirt; ich bin arm, sprach er, und habe zwo 20 Ziegen verloren, die eine war trächtig; ach! ich darf nicht zu meinem. armen Vater in die Hütte zurückkehren. So sprach er weinend, du sahest ihn weinen, Phillis, und wischtest die mitleidigen Thränen vom Aug' und nahmest aus deiner kleinen Herde zwo der besten Ziegen; da, Aleris, sprachst du, nimm diese Ziegen, die eine ist 25 trächtig, und wie er vor Freude weinte, da weintest du auch vor Freude, weil du ihm geholfen hattest. O! sei immer unfreundlich, Winter; meine Flöte soll doch nicht bestaubt in der Hütte hangen, ich will dannoch von meiner Phillis ein frohes Lied singen; zwar hast du alles entlaubt, zwar hast du die Blumen von den Wiesen 30 genommen, aber du sollst es nicht hindern, daß ich einen Kranz flechte; Epheu und das schlanke Ewig-Grün mit den blauen Blumen will ich durcheinander flechten, und diese Meise, die ich gestern fing, soll in ihrer Hütte singen; ja ich will dich ihr heute bringen und den Kranz; sing ihr dann dein frohes Lied, sie wird freund- 35 lich lächelnd dich anreden und in ihrer kleinen Hand die Speise dir reichen. O wie wird sie dich pflegen, weil du von mir kommst!

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