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als ich zu dir eilte, da hüpft' er in meinen Schoß und zerriß mir mutwillig den Kranz und nahm die Blumen vom Busen. und riß die Bänder los; so sprach ich und wollt' ihn umarmen; aber er floh, ganz zornig floh er. Schäfer, flieh nicht, rief ich, er wird mir andre Blumen bringen! Da floh er noch schneller; 5 ich sah ihm nach, er stampft' auf die Erde und -ja, unterbrach sie der Schäfer wieder, ich war zornig; die Grausame, sagt' ich, sie ist mir ungetreu, vielleicht schon lang, und sie betrog mich noch immer; igt hat sie es mir gesagt, und doch wollte sie mich umarmen, recht als ob es mir gleich viel wäre; ich sagte noch viel 10 und lief zornig hin und her; irrend und mir unvermutet stund ich wieder vor ihr; ich zitterte und weinte vor Zorn und Wehmut; ich sah sie an und sah ein kleines Kind auf ihrem Schoße spielen und ihre Bänder zuschnüren und Blumen auf ihren Busen pflanzen. Siehst du, böser Hirt, sagte sie, traurig und zärtlich mich ansehend, 15 siehst du, der kleine Damöt hat mir andre Blumen gebracht. Ist dies Damöt, rief ich erstaunt, der dir die Bänder abgerissen? und war voll Scham und voll Entzücken über den entdeckten Betrug.

Ja, sagt' ich; ja, fuhr das Mädchen wieder fort, dies ist Damöt: warum hast du dich erzürnt, lieber Schäfer? aber gewiß, 20 gewiß soll mich künftig nichts aufhalten, weil du so böse wirst. Da kamest du näher und drücktest mir die Hand und verbargest weinend dein Haupt in meinen Schoß; je mehr ich sagte: steh doch auf, Schäfer, daß ich dich küsse; je mehr weintest du und sagtest, ich bin nicht wert, daß du mich küssest. So erzählte das 25 Mädchen und wandte sich zum Hirten und küßt' ihn.

Ach! wie süß ist es dann, sich so wieder zu versöhnen, sagte Phillis, indem sie den Daphnis küßte; ja, sagte Daphnis, nie war ich entzückter, mein Kind! als da wir uns versöhnten, da uns Lamon betrog.

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Mich hat einst mein Mädchen betrogen, sagt' ein Hirt, sein Mädchen auf dem Schoße haltend, das bei der Erzählung lachte. Ich lag einst am Fluß und schlief; plöglich weckte mich eine Stimme: Hirt! sagte die liebliche Stimme, ach! so oft du hier am Flusse gehest, dann seh' ich dir seufzend nach, und wenn du 35 dich von dem Ufer entfernest, dann gleichet nichts meinem Schmerz; aber wenn du an dem Fluß schläfft, ach wie froh bin ich dann! ich geh' dann ans Ufer und küsse dich; ich kann's nicht länger verhehlen; ich liebe dich, eine Nymphe liebet dich, ach! daß ich's

gestehen muß, eine schöne junge Nymphe! Willst du mich nicht wieder lieben, junger Hirt? Ich kann, ich kann dich nicht lieben, Nymphe, sagt' ich, ich liebe schon ein schönes Mädchen. Aber, fuhr die Nymphe fort, wenn du mich sähest, wenn du meine 5 grünen Locken sähest, wie sie um den schneeweißen Rücken und um die schlanken Lenden flattern, wenn du die roten Wangen, den Mund, die blauen Augen sehen wirst, dann wirst du gern dein Mädchen an eine Nymphe vertauschen. Ich kann dich nicht lieben, sagt' ich wieder, Nymphe, zürne nicht; und wenn du schön wärest 10 wie ein Huldgöttin und wie die Venus selbst; ich liebe meine Cloe und würde sie nicht für die ganze Welt verlassen; ich will, du arme Nymphe, ich will den Fluß verlassen und nicht wiederkommen, bis dich deine Liebe verläßt. Du Grausamer! sagte die Nymphe, ich will dich auf dem Lande verfolgen, die Waldgötter 15 sollen dir die Schafe rauben und dich in den Fluß tragen. Ach! sagt' ich, und wenn mir die Waldgötter auch das Leben rauben sollen, so kann ich doch niemand als meine Cloe lieben; sie sollen dir die Cloe rauben, wollte die Nymphe fortfahren, als die Worte sich in ein lautes Gelächter verloren, da trat meine Cloe, beide 20 Seiten haltend, laut lachend hervor; ich konnt' es nicht länger, sagte sie, lieber Hirt! Ja, unterbrach ihn ist das Mädchen, ich mußte lachen, bald wär' er über die Nymphe böse geworden; aber wie entzückt war ich da, als ich deine zärtliche Treue so erfuhr, sagte sie, ihn an die Brust drückend.

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Unter solchen Freuden näherte sich der Abend, und der Mond trat still herauf; da sammelten Daphnis und Phillis alle Mädchen und alle Hirten wieder in die Laube von Wachholdergesträuch. Die Melone im grünen Neß, in einem Kranz von Trauben, lachete ihnen von der Tafel entgegen; rotwangichte Äpfel und Birnen; 30 der Granatapfel mit der grünen Krone und der gespaltenen Brust; die süße Feige und alle Früchte, die der milde Herbst anbot, Früchte in glatten und wollichten Hülsen oder in harten Schalen stunden da in langer Reihe in Schüsseln mit Blumen und wohlriechenden Kräutern vermischet, und Krüge voll Wein und Most, 35 mit dem geheiligten Epheu des Rebengottes umkränzet, stunden hoch aus den Schüsseln empor.

Als sie sich um die Tafel herlagerten, da trat Damon zum Daphnis, der Jüngling mit der elfenbeinernen Leier und der den Amor geschnigt hatte. Da, Freund! (sprach er, indem er ihm

einen geraumen Becher gab) da nimm den Becher; ich hab' ihn für dich geschnigt, er soll das Zeichen unsrer Freundschaft sein, er soll voll Wein um die Tafel hergehn; und jeder, der trinkt, soll ein Lied singen. Daphnis nahm den Becher voll Freude: Deine Freundschaft ist mir sehr schätzbar, Damon! sprach er, den 5 Becher in der Hand drehend, die künstliche Arbeit zu bewundern; der frohe Lyeus war da herausgeschnitten, auf einem Wagen von schmeichelnden Tigern gezogen; seinem Wagen folgte Silen, possierlich lachend, und lachende Faunen hielten ihn auf beiden Seiten unter den Achseln aufrecht auf dem Esel. Ein durcheinander 10 hüpfender Trupp vom Nymphen und Satyren und Faunen folgte mutwillig dem Silen mit Thyrfusstäben und Zaubertrommeln und Klapperschalen und Flöten oder mit Weinschläuchen auf den Achseln. Über ihnen an dem Blumenkranz, der an dem obern Rand des Bechers geschnigt war, flatterten Liebesgötter, die Blumen 15 herunter streuten; Amor flatterte in ihrer Mitte und schoß Pfeile nach den Nymphen, die ihm teils mutwillig entgegenlachten, teils ihn zu fliehen schienen, aber schalkhaft sich umsahn, ob sie noch nahe genug wären, von ihm bemerket zu werden.

Jht goß Daphnis voll Freude schäumenden Wein in den 20 Becher und fang:,,Du Wein! (so sang er) o wie bist du lieblich in den Armen meines Mädchens! und wenn dich sein Kuß begleitet, ach! dann trink' ich lauter Freude; denn der Kuß des lieben Mädchens öffnet schnell mein Herz der Freude. Ich will an dem Fuße des Hügels eine heilige Laube pflanzen für Lyeen 25 und für Amorn und will sie von Reben pflanzen und dann will ich in der Laube in dem Schoße meines Mädchens Amorn mein Entzücken danken und Lyeen meine Freude."

So sang er und gab den Becher der Phillis, fie nahm ihn lächelnd und sang: „Du Rose! (so sang sie) ja du riechest 30 lieblich, wenn dich nur mein Daphnis pflücket; und wenn er mich freudig küssend dich auf meinen Busen pflanzet, ach! dann riech' ich lauter Freude; denn der süße Kuß des Schäfers öffnet schnell mein Herz der Freude. Pflanze, Schäfer, eine Laube für Lyeen und für Amorn; ich will dann dem Gott der Liebe Rosen zu den 35 Reben pflanzen und will dann in deinen Armen Amorn mein Entzücken danken."

So ging der Becher um die Tafel her und mehrte den Mut, das Lachen und den Scherz; alle sangen lustige oder verliebte

Lieder; ein loser Jüngling sang:

„Bald hätt' ich dich geliebet, du sprödes, böses Mädchen! doch sei nur spröd und böse, verachte nur die Liebe! du magst, du magst mich fliehen, seit du beim tiefen Brunnen den Schafen Wasser schöpftest; da du dich immer 5 bückend den Eimer aufwärts zogest, da sah ich, armes Mädchen! dir in den leeren Busen."

Ein kleines junges Mädchen sang zart, wie die junge Lerche: „Ich will nicht lieben, so sag' ich immer; seh' ich die Vögel auf Ästen schnäbeln, dann sag' ich immer: Ich will nicht lieben. Seh' 10 ich den Schäfer, den braunen Schäfer, dann fag' ich: Schäfer! ich will nicht lieben. Ach! sagt mir, Mädchen, die ihr schon liebet, ich hab', ich habe ja nichts zu fürchten, wenn ich gleich seufzte, so oft ich sage: Du brauner Schäfer! ich will nicht lieben."

Der Becher war ist an den Damon gekommen, der ihn 15 geschnitzt hatte. Damon! (riefen alle Mädchen und alle Jüng= linge) du mußt das Lied auch spielen; wo ist deine Leier? Ich mag, ich mag nicht spielen; ich will ohne die Leier singen, sprach er, als ein loses Mädchen ihm seine Leier lächelnd in die Arme legte; alle Mädchen und alle Jünglinge klatschten in die Hände 20 und riefen: Du mußt, du mußt ist spielen; er nahm die Leier und stund auf; alles schwieg ist aufmerksam, kaum rauschte ein Band oder ein Blatt am Kranz, und ißt hub er an in seine Leier zu singen:

Ihr Mädchen und ihr Jünglinge! liebet und trinket, daß 25 euch das Herz vor Entzücken hüpft, daß Freude auf Stirn und glühenden Wangen lacht. Denn glaubt's, ihr Jüngling', ich sah, ich sah Lyeen, den jugendlichen, den frohen Gott; er lag da, halb mit Schatten bedeckt, in der grünen Laube; auf einen Weinschlauch hingelehnt, von Ranken umflattert; lächelnd lag er da, und Amor 30 lehnte den einen Arm auf Lyeens Knie und wand sich mit dem andern einen Rebschoß ums Haupt. Trunkene Faunen taumelten um die Laube her und tanzten mit Nymphen und bückten sich im Tanz und hoben die sträubenden Nymphen hoch empor und küßten sie ans schlagende Herz. Amor! sprach ißt Lyeus, ach Amor! 35 ja, ohne dich ist auch der Wein blöde. Ach, wie müßig, wie leer ist das Herz, das nicht vor Liebe pocht! Auch der Nektar, der Nektar selbst ist blöde; laß, Amor, laß mein Herz nimmer, nicht einen Augenblick, ohne Liebe sein. Ja wenn ich liebe, wenn ich liebe, dann fühl ich, daß ich Lyeus bin, der Gott des Weins

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Sal. Gefner. Daphnis. Drittes Buch.

und der Freude. Lyeus! sprach itt Amor, Lyeus! dein Wein, was hab' ich dem zu danken! du giebest dem Blöden Mut! die Liebe, die ist sterben will, rufft du ins Leben zurück; selbst dem erkalteten Greise lachet beim Trunk die Liebe, wie die weichende Sonne im Abendrot, zurück. Du, du schärfest die Freuden, du 5 würzest den Kuß; ja wenn ich trinke, wenn ich trinke, dann fühl' ich, daß ich Amor, der Gott der Liebe und des Entzückens bin; so sprachen die Götter. Jhr Mädchen und ihr Jünglinge! liebet und trinket, daß euch das Herz voll Entzücken hüpft, daß Freude auf Stirn und glühenden Wangen lacht." So sang der Jüng- 10 ling und trank.

Die Jünglinge und die Mädchen saßen lang, als ob sie noch horchten. So freuten sie sich und fangen und tranken und küßten, bis der Mond weit heraufgestiegen war; und da verließen sie die Laube und begleiteten den Daphnis und die Phillis vor die hoch- 15 zeitliche Kammer, durcheinander hüpfend und flötend und singend, wie die Bacchanten auf den Weinbergen. O Hymen! sangen sie, süßer Gott der Ehe! o Hymen! die Dryas lispelte harmonisch im Laub, und die Nachtigallen sangen auf nahen Bäumen Brautlieder.

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