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Sal. Geßner. Der Tod Abels. Fünfter Gesang.

Lasse, seid mir gesegnet! Bald will ich von da, wo wir unsre Hütten bauen, zurückkommen und euern Segen holen, für mich und meinen gnadeflehenden Mann.“ Jht blieb sie stehen und weinte wie unentschlossen zu den Hütten hin; aber balsamischere Düfte, als Düfte des Frühlings, umflossen sie. Geh, edles Weib; 5 (so sprach die unsichtbare liebliche Stimme) ich will im erquickenden Traume deiner Mutter deine Großmut sagen, und daß du hinausgehest, an der Seite deines büßenden Mannes, Gnade von dem allmächtigen Richter zu flehen.“

Sie gingen ist beim Mondschein, oft zurückweinend, von den 10 Hütten weg, hinaus in öde Gegenden, wo noch keines Menschen Fußtritt gewandelt hatte.

Vermischte Gedichte.

1. Der feste Vorsak.

ohin irret mein verwundeter Fuß, durch Dornen und dicht verwebete Sträuche? Himmel! welch schauerndes Entzücken! Die rötlichen Stämme der Fichten und die schlanken Stämme der 5 Eichen steigen aus wildem Gebüsche hervor und tragen ein trauriges Gewölb über mir. Welche Dunkelheit, welche Schwermut zittert ihr von schwarzen Ästen auf mich! Hier will ich mich hinseßen an den hohlen vermoderten Eichstamm, den ein Netz von Epheu umwickelt; hier will ich mich hinseßen, wo kein menschlicher Fußtritt 10 noch hingedrungen ist, wo niemand mich find't, als ein einsamer Vogel, oder die summenden Bienen, die im nahen Stamm ihren Honig sammeln; oder ein Zephyr, der in der Wildnis erzogen, noch an keinem Busen geflattert hat. Oder du, sprudelnder Bach! wohin rauschest du, an den unterhöhlten Wurzeln und durch das 15 wilde Gewebe von Gesträuchen? ich will deinen Wellen folgen; vielleicht führest du mich ödern Gegenden zu. Himmel! welche Aussicht breitet sich vor meinem Aug' aus! Hier steh ich an dem Saum einer Felsenwand und seh' ins niedere Thal; hier will ich mich auf das zerrissene überhangende Felsenstück sehen, wo der 20 Bach stäubend in den dunkeln Tannenwald herunter sich stürzt und rauschet, wie wenn es fernher donnert. Dürres Gesträuch hängt von dem Felsenstück traurig herunter, wie das wilde Haar über die menschenfeindliche Stirne des Thimons hängt, der noch kein Mädchen geküßt hat. Ich will in das Thal hinunter steigen 25 und mit traurig irrendem Fuß neben den Wellen des Flusses wandeln, der durch das öde Thal schleicht. Sei mir gegrüßt, einsames Thal, und du, Fluß, und du, schwarzer Wald! hier auf deinem Sand, o Ufer! will ich it irren; einsiedlerisch will ich in deinem Schatten ruhen, melancholischer Wald! Leb ist wohl, Amor! 30 dein Pfeil wird mich hier nicht finden; ich will nicht mehr lieben,

und in einsamer Gegend weise sein. Lebe wohl, du braunes Mädchen! das mit schwarzen Augen mir die Liebe in mein bisher unverwahretes Herz gebliget hat. Lebe wohl; noch gestern hüpftest du froh im weißen Sommerkleid um mich her, wie die Wellen hier im Sonnenlicht hüpfen; und du, blondes Mädchen! lebe wohl! 5 dein schmachtender Blick ach! zu sehr, zu sehr hast du mein Herz bemeistert, und dein schwellender Busen - ach! ich fürchte, ich werd' ihn hier oft in einsamen traurigen Betrachtungen sehen und seufzen. Lebe wohl, majestätische Melinde! mit dem ernsten Gesichte, wie Pallas, und mit dem majestätischen Gang; und du, 10 kleine Chloe, die du mutwillig nach meinen Lippen aufhüpftest und mich küßtest; in diese Gegenden will ich it fliehen und in ernsten Betrachtungen unter diesen Fichten mich lagern und die Liebe verlachen; in melancholischen Gängen von Laub will ich irren, und

aber Himmel! was entdecket mein Aug' am Ufer im Sand! 15 ich zittre, ach - der Fußtritt eines Mädchens; wie klein, wie nett ist der Fuß! - ernste Betrachtung! Melancholie! ach wo seid ihr? wie schön war ihr Gang! ich folg ihr ach Mädchen, ich eile, ich folge deiner Spur! O! wenn ich dich fände, in meinen Arm würd' ich dich drücken und dich küssen! Flieh nicht, mein Kind, will 20 ich sagen, oder flieh, wie die Rose flieht, wenn ein Zephyr sie küßt, sie biegt sich vor ihm weg und kommt lächelnder zu seinen Küssen zurück.

2. Die Gegend im Gras.

Du hoher schwarzer Tannenhain! der du die pfeilgeraden röt- 25 lichen Stämme dicht und hoch durch einen dunkeln Schatten emporhebst! hohe schlanke Eichen! und du Fluß! der du mit blendendem Silberglanz hinter jenen grauen Bergen hervorrauschest, nicht euch will ich ist sehen; ißt sei das Gras um mich her meine Gegend. Diese bewundernswürdige Welt im kleinen von unendlich mannig- 30 faltiger Schönheit; unendliche Arten Gewächse; Millionen verschiedne Bewohner, teils fliegen von Blumen zu Blumen, teils kriechen und laufen umher in Labyrinthen des Grases; unendlich mannigfaltig an Bildung und Schönheit find't jeder hier seine Nahrung, jeder seine Freuden; Mitbürger dieser Erde, jeder in seiner Art voll- 35 kommen und gut. Wie sanft rieselst du vorüber, kleine Quelle! durch die Wasserkresse und durch die Bachbungen, die ihre blauen

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