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alle andern, schimmert dort die Laube; heilige große Gedanken steigen aus meinem Jammer empor, (so fuhr sie fort) hell wie du, Mond, in das Dunkel der Nacht emporsteigest; wie glänzt dort die Laube, wo du, Abel, beim Schimmer des Abendrots mich 5 umarmtest! Wie selig, so sprachest du und drücktest an deine Brust mich und weintest; wie selig ist es, tugendhaft zu sein! wie selig, den zu lieben, dessen Ausfluß alle diese Schönheit ist! wie selig, wenn jede unsrer Thaten den Beifall bemerkender Engel verdient! Was für eine Wollust gleichet der Empfindung der Allgegenwart 10 Gottes, in dieser Schöpfung voll Schönheit; der Empfindung der Tugend, die uns solche Thränen entlockt! Wer so seine Tage durchlebt, dem ist der Tod nicht schreckhaft, was er auch sein mag; das wissen wir doch, o unaussprechliche Gnade für den Sünder! daß er den Leib von der unsterblichen Seele sondert, daß sie sich 15 emporschwinge, unendlich selig zu sein. Thirza! so sprachest du und drücktest mich feuriger an deine Brust; wenn ich vor dir aus dem Staube gehe, vor dir selig bin, o dann weine nicht lang' über meinem Staub! Was ist die vom Schöpfer dir zugemessene Zeit, wenn wir in der Unendlichkeit uns wieder finden, ewig selig 20 zu sein? Geliebtester! so sprach ich und drückte feuriger dich an meine Brust; und wenn der Tod vor dir aus dem Staube mich ruft, dann wein' auch du nicht lange über meinem. Staub; jenseits des Grabes werden wir uns wieder finden, ewig selig zu sein. stürze nicht zurück, Seele, in trostloses Elend nicht 25 zurück! Hebe dich empor an dem mächtigen Trost; denke deine Unsterblichkeit und siehe über deinen Kummer weg, hinaus in die Seligkeit, die die dunkeln wechselnden Auftritte dieses Lebens sich nähernd vor sich wegdrängt. Ja wenn die Seele verginge und mit dem Leib in den Staub hinsänke, o wie könnt' ich dann mich 30 trösten? Trostlos würd' ich über deinem Grabe dann weinen und meine Vernichtung flehn; aber sie ist unsterblich! nein, sie soll nicht unrühmlich unter dem Schmerz erliegen! Ihr Engel! die ihr iht mit leisen Flügeln mich umschwebet, sie soll nicht unrühmlich unter dem Schmerz erliegen, sie ist unsterblich wie ihr! Doch fließen sie 35 noch, die Thränen! O fließet, ihr Thränen! seid seinem Staube geheiligt, er ging vor mir her, ewig selig zu sein auf deinem Grabe, Geliebter! sie fließen wieder stärker, die Thränen; — o stürze nicht zurück, Seele! in trostlosen Jammer nicht zurück! auf deinem Grabe soll eine Laube emporblühen, manche Thräne wird

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zwar auf deinen Staub hinfließen, in ihrem Schatten will ich dann meine feierlichsten Stunden leben und in heiligen Entzückungen in die Ewigkeit hinübersehen!" So sprach sie und stund ist über dem Grab. „Nun hätte meine Seele Erquickung gefunden, aber ach! nagender Kummer! ihn hat der Bruder gemordet! Allmächtiger! 5 so betete sie und warf sich auf ihre Knie hin; o höre, höre mein Flehen! laß ihn Gnade finden, den Sünder! laß ihn Gnade finden! Odies will ich von dir flehen, wenn der Abendstern glühet, und wenn der rötliche Morgen heraufgeht.“

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Indes bebte Kain im Gebüsche; und iht sprach er voll Ver- 10 zweiflung: „Ich will fliehen! fort, Verruchter, von der heiligen Scene! fort ich Elender! warum kann ich nicht? Drängt euch nicht um mich her, ihr — o! höllische Gestalten sperren die Flucht! Laßt mich — laßt mich fliehen o laßt von der heiligen Scene mich fliehen, höllische Gestalten! ich kann nicht fliehen ich Elender! Wie sie jammert! und ich kann nicht fliehen! Sie jammert nicht mehr o Tugend! Tugend! Was für Hoffnungen, was für Trost! für mich, ach! für mich ewig verloren, ach! ohne Hoffnung, entfernteste Hoffnung bin ich elend! Jht, ist fühl' ich's, wie ich elend bin, o was für Qualen! Neue unnennbare 20 Qualen! du Hölle! in deinem tiefesten Abgrund hast du nicht schrecklichere Qualen! - Sie betet -o sie betet für mich, für mich!

und du hassest mich nicht, und du fluchest mir Elenden nicht! Unaussprechliche Güte! o was empfind' ich, was empfind' ich bei diesem Glanze der Tugend! Mein Elend steht mir fürchterlicher 25 entgegen, dunkel, schwarz, wie tiefe Klüfte am Eingang der Hölle, ich fühl' es stärker, mit höllischern Qualen fühl' ich's, das nagende Verbrechen! - Und du betest für mich, Thirza! — zurück, bebe zurück, zu kühner Wunsch! Nein, Gott kann es nicht erhören, Gott ist gerecht! -Sie geht zurück vom Grabe des Erschlagenen. — 30 O wag' ich's, ich Elender! auf ihrem Pfad mich zu wälzen, Thränen des unaussprechlichen Elends auf ihrem Fußpfad zu weinen! Nein

schauere zurück, dort jener Hügel, vom Mond beschienen, ist sein Grab! schauere zurück von der heiligen Gegend, flieh, Verruchter!" so sprach er und bebte zurück. Itt floh er und stund 35 wieder still und rang voll Verzweiflung die thränenbeneßten Hände; so rief er: „O ich kann nicht, ich kann nicht fliehen! Wie könnt' ich? ach Mehala! ach meine Kinder! ach wie könnt' ich ewig von euch fliehen und nicht noch einmal vor euch mein Elend weinen,

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vor euch im Staube mich wälzen, vor dir, Mehala! Vielleicht daß du Thränen des Mitleids für mich weinest, vielleicht mir nachsegnest. Aber ich - von Gott verflucht, ich wünsche mir Segen von dir! Hasse mich, fluche mir nach, mein Verbrechen verdient 5 alles! Dann, dann will ich fliehen, belastet mit dem Fluche der ganzen Natur, mit dem Fluche von dir. O Jammer! höllischer, unaussprechlicher Jammer! nein, ich kann nicht fliehen. Geliebtes Weib! geliebte Kinder! ich geh', ist geh' ich, vor euch mein Elend zu weinen, vor euch im Staub mich zu wälzen; und dann, dann 10 will ich fliehen.“ Jht ging Kain, fern vom Grabe weg, der Hütte zu. Er ging, dann stund er bebend still, ißt war er vor die Hütte hingewankt. Lang' bebt' er da, blaß wie ein Toter, und iht wagt er den bebenden Schritt und wankt über die Schwelle.

Mehala saß da, beim blaffen Lichte des Monds, selbst blaß 15 wie der Mond in Wolken gehüllet; sie weint' und jammerte auf ihrem einsamen Bette, und die winselnden Kinder schluchzten um sie her. Sie sah ihren Mann und sank laut schreiend, ohnmächtig auf ihrem Bette hin; indes liefen die weinenden Kinder herbei und winselten um seine Knie. „Vater! ach Vater! tröste sie, 20 tröste die weinende Mutter! Ach was für Jammer ist in unsre Hütten gekommen! Sei uns willkommen, Vater! wie lange hast du deine Rückkunft gezögert?" So stammelten die Kinder und hingen um den Vater her; er wankte in ihrer Mitte, und seine Thränen quollen auf sie hin. Voll unaussprechlichen Schmerzens 25 vermocht' er nicht zu reden, er sank in den Staub vor seines Weibes Füße; die Kinder weinten laut um ihn her, und Mehala erwachte und sah, wie ihr Mann vor ihren Füßen sich wand und den Staub mit seinen Thränen nezte. „ Kain! Kain!" so rief sie und weinte laut, und riß die Haarlocken von ihrem Haupte. 30,,Mehala! (so stammelte Kain zu ihr auf) verzeihe, o verzeihe mir, daß ich es wage, ich Elender, ich, unsers Bruders Mörder! daß ich es wage, noch einmal vor dir zu weinen, vor dir noch im Staube mich zu wälzen. O vergönne diesen letzten Trost mir, den legten Trost in meinem unaussprechlichen Elend! o fluche mir nicht, 35 Mehala! daß ich es wage, vor dir noch im Staube mich zu wälzen. Ich will it fliehen, in die öde Welt hinaus fliehen, von Gott verflucht, von unaussprechlichen Martern verfolgt. O fluche mir nicht, mir, deinem elenden Mann!“ „Kain! Kain! so rief Mehala, (voll unaussprechlicher Wehmut) Mörder des besten Bruders, mein

Mann! Kain! Kain! Elender! was hast du gethan?" Jht antwortete Kain und blickte zu ihr auf; der wehmütige Blick redete seine Qualen alle: , verflucht sei die Stunde, da ein Traum aus der Hölle mich täuschte! Ach! ich wollte diese winselnden Kinder vor einer Zukunft voll Elend retten und erschlug ihn; verflucht 5 fei die Stunde! und erschlug den frommen Bruder. Und ist o sie wird ewig mich martern, mit Martern der Hölle, die schreckliche That! Vergiß mich, Mehala! vergiß deinen Mann! Fluche mir nicht, Weib! o fluche mir nicht! it will ich fliehn, ewig von dir, ewig von euch, Kinder! von Gott verflucht." Die Kinder heulten 10 um ihn her und rangen ihre kleinen Hände über den lockichten Häuptern; und Mehala sank an seine Seite hin: Empfange diese Thränen, empfange diese Zeugen des Mitleids; (sprach sie, und weinte auf ihn hin) du willst fliehen, Kain! in die einsame Welt hinaus fliehen? O wie könnt' ich in diesen Hütten wohnen, indes 15 daß du einsam verlassen in Wildnissen jammerst? Nein - Kain! mit dir will ich fliehen, an deiner Seite; wie könnt' ich hilflos in Wildnissen dich lassen! Wie würde die Unruhe mich quälen! Würde nicht jeder traurige Ton, der in der Natur um mich her tönte, würd' er nicht mit der marternden Angst mich schrecken: 20 Vielleicht ist er's, vielleicht winselt er dort in hilfloser Todesangst?” So sprach sie. Voll verwirrter Entzückung sah Kain zu ihr auf. -,,Gott! was hör' ich? Du bist's! ja Mehala! nein, mich täuscht kein Traum; du bist's! O Gott! was für Worte! nein, Mehala! Trostes genug mir Elenden, daß du mich nicht hassest, 25 mir nicht fluchest! Du Tugendhafte, solltest du mit mir die Strafe des größesten Verbrechens tragen; o bleibe zurück bei den Frommen, wo der Segen wohnet! Nein, du mußt nicht mit mir elend sein! Vergiß den Elenden, der, vor der ganzen Natur verflucht, keinen Ort der Ruhe hat; vergiß den Elenden, nur fluche mir nicht!" s0 ,,Nein Kain! nein, mit dir will ich fliehen, antwortet' ihm Mehala, mit unsern Kindern will ich in Wildnisse dir folgen, mit dir jammern, mit dir dein Elend tragen, vielleicht daß es dir erträglicher wird. Meine Thränen sollen mit den Thränen deiner Buße fließen, an deiner Seite soll mein Gebet mit dem deinen zu Gott 35 aufsteigen; und diese Kinder sollen um uns her knieen, und Gebete, Gebete für dich stammeln. Gott verachtet nicht die Buße des Sünders; ich will mit dir fliehen, Kain! Unablässig wollen wir vor Gott weinen und beten, bis endlich ein tröstender Strahl von

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dem versöhnten Richter die hoffende Seele erhellet; Gott erhöret das Gebet des büßenden Sünders."

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du! (fo rief ist Kain) wie soll ich dich nennen? - o! wie ein heiliger Engel! Was für Trost leuchtet in das Dunkel 5 meiner Seele? Mehala! mein Weib! ja! ist wag' ich's, ißt wag' ich's, dich zu umarmen. Ach! könnt' ich meine Empfindung dir ausdrücken! Das inbrünstigste Umarmen, alle meine Thränen können's nicht!" Itt drückte Kain sein Haupt an ihre Brust; seine

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Seele konnte ihren Dank, ihre Empfindung nicht ausdrücken; dann 10 ging er von ihrer Seite und umarmte seine Kinder, dann wieder zu Mehala und drückte sie inbrünstig an seine Brust. Itt nahm das zärtlichste Weib ihr jüngstes Kind an ihre Brust, ihrem Manne gab sie die Rechte, ein anders ging an der Rechten des Vaters; und Eliel und Josia wischten die Thränen von den Wangen und 15 gingen freudig vor ihnen her aus der Hütte. Mehala sah noch weinend umher. Seid mir gesegnet, (sprach sie) die ich euch ver

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