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Vorrede.

Die nachstehenden Vorlesungen wurden zu Jena vor einer durch Bildung und Geschmack ausgezeichneten gemischten Versammlung von Männern und Frauen gehalten. Der Zweck derselben war nicht sowohl eine kritische Uebersicht der neuesten schönen Litteratur zu geben, als hauptsächlich Verehrer der Poesie aufmerksam auf die bedeutendsten Erscheinungen zu machen, und ihre Wahl, da Beruf und anderweitige Hindernisse ihnen kein tieferes Eindringen in das Gesammtgebiet verstatteten, gewissermaaßen zu leiten, damit sie bei erholender Lecture vor Fehlgriffen in derselben gesichert seyen. Freunde des Verfassers waren der Meinung, daß diese Vorträge in ihrer ursprünglichen Gestalt auch dem größeren gebildeten Publicum eine nicht unangenehme Unterhaltung darbieten könnten, und munterten ihn zur Herausgabe derselben auf.

Der Verfasser erklärt daher ausdrücklich, daß das vorliegende Buch durchaus nicht für den Gelehrten vom Fach bestimmt ist, weil es theils die Forderungen desselben keinesweges befriedigen würde, theils auf Bedürfnisse Rücksicht genommen werden mußte, über welche dieser långst hinaus ist. - Es soll die gebildeten Freunde der Poesie auf eine leichte Weise mit dem Schönsten oder Merkwürdigsten, das die neuesten

Nationallitteraturen darbieten, bekannt machen, und sie wo möglich vor irrigen oder einseitigen Ansichten über die ihnen ferner liegenden Theile bewahren.

Die Wahl der den einzelnen Urtheilen und Berichten zugesellten dichterischen Proben wurde sehr bedingt durch den Umstand, daß der Verfasser fast allein auf seine eigene kleine Büchersammlung beschränkt war. Man wird es daher freundlich entschuldigen, wenn man findet, daß hin und wieder schönere Auszüge oder glücklichere Bearbeitungen mitgetheilt werden konnten. Wo eigene Uebersehungen gegeben wurden, ist jederzeit gewissenhaft das Original hinzugefügt, obwohl bestimmt nicht zum Vortheil des Uebersezers. Bei fremden Uebertragungen, sobald diese in derselben Form waren, hat man es dagegen als überflüssig weggelassen.

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In Hinsicht auf Deutschland wurde eine allgemeine Uebersicht der Hauptrichtungen in den verschiedenen Gattungen für hinreichend gehalten, da die Mittel zur Kenntniß zu nahe lagen, und eine mehr in das Einzelne gehende Entwickelung zu weit geführt haben würde.

In allem Uebrigen möge das Buch für sich selbst reden; der Autor kennt dessen Mångel nur zu wohl und macht weiter keine Ansprüche, als höchstens auf die Anerkennung, durchaus wohlwollend, ohne Nebenabsichten und stets so unpartheiisch wie möglich seine Meinung ausgesprochen zu haben.

Jena, im April 1832.

D. L. B. Wolff.

Einleitung.

1.

Andeutungen zu besserem Verständniß der folgenden Vorlesungen.

Die Poesie ist das Erzeugniß der Phantasie und des Gemüthes in vereinter Kraft. Sie wird objectiv, wo die Erstere, subjectiv, wo das Lettere vorwaltet. Diese beiden Gattungen zerfallen wieder in mehrere Unterabtheilungen, welche theils die Art und Weise der Darstellung selbst, theils die Form, in welche das Darzustellende gekleidet wird, bedingt. Jede dieser Unterabtheilungen hat ihre eigenen Gesetze, die entweder auf Grundwahrheiten der Lehre vom Schönen, oder auf nothwendigen oder als nothwendig angenommenen Bedingungen der poetischen Formenlehre beruhen.

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Diese Lettere, wie sie jezt bei fast allen gebildeten Völkern angenommen ist, zerfällt wieder in zwei Systeme, welche jedoch vereint auf die poetischen Formen angewandt werden

können, und bei den Deutschen z. B. auch im vollsten Umfange angewandt werden, bei anderen Völkern aber nach der Eigenthümlichkeit ihrer Sprache und ihres Sinnes Modificatiouen erleiden. Das erstere System (das System der Griechen und Römer) umfaßt nur die Messung des Verses nach Längen und Kürzen, mit Ausschluß des Reimes; das zweite (das System der neueren Poetik) enthält außer jenen Geseßen, insofern die Beschaffenheit der Sprache ihre Anwendung zuläßt, noch die Gesetze über die Zahl der Sylben, aus welchen der einzelne Vers besteht, über den Bau der Strophen und über den Reim und dessen Beschränkung.

Die Begriffe klassische und romantische Poesie, welche als einander entgegengestellt erscheinen, bezeichnen hauptsächlich die geistige Auffassungs- und Darstellungsweise des ganzen Gebietes der Poesie, (also des ganzen Gebietes menschlicher Anschauungen, insofern sie sich zu idealisirter Darstellung eignen), wie sich diese vor und nach dem Christenthume bei den geistig am Meisten ausgebildeten Nationen gestalteten. Unter klassischer Poesie versteht man die Poesie der Griechen und jener Völker, welche sich nach ihnen bildeten, und die von ihnen angenommenen Gesetze für die Dichtkunst befolgten, unter romantischer dagegen, die Poesie der Neueren, welche vorzüglich in späterer Zeit zwar Manches von jener entlehnte, im Ganzen aber sich unabhängig, nach den eigenen Ansichten derer, welche dieselbe cultivirten, ausbildete.

Der Hauptunterschied Beider beruht auf dem Einfluß der Religion und des geselligen Lebens, deren Einwirkung wir zu deutlicherer Anschauung tabellarisch gleichsam einander gegen= überstellen.

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