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die letzte; eine bedeutende Aenderung hat sich seitdem nicht wieder gezeigt; wenn auch der Geist der Litteratur wechselte, der Character der Sprache blieb fest und bestehend.

Später übte die Academie einen fast dictatorischen Einfluß aus, und erst in unseren Tagen suchen die sogenannten Romantiker, in directer Opposition mit ihr, veralteten und verbannten Worten durch neuen Gebrauch ein Bürgerrecht zu verschaffen und auf diese Weise den Sprachschatz zu bereichern, auch wurden durch die größere Verbreitung der Wissenschaften, viele vorzüglich aus dem Griechischen entlehnte, technische Auss drücke einheimisch gemacht.

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Gleichen Schritt mit der Sprache ging, wie sich leicht denken läßt, auch die schöne Litteratur. Die romantische Poesie stand während des Mittelalters in Frankreich ebenfalls in höch fter Blüthe, nur daß sie sich im nördlichen Theile vorzugsweise dem Epischen bei den Trouveres, im südlichen Theile dagegen dem Lyrischen bei den Troubadours, zuwendete. Später wurde aus der Dichtkunst eine Reimkunst, durch welche (wie bei uns von den Meistersängern) Alles Mögliche in Verse gebracht wurde. Dann fanden einzelne Könige Wohlgefallen an ihr, und sie ward natürlich sehr bald zu dem Range einer Hofkunst erhoben. Erst unter Ludwig XIV. bemächtigten sich wahrhaft große Geister derselben, aber die strengen Gesetze, welchen man sie unterwarf, hinderten ihre freie Ausbildung nach allen Seiten; man gab, wie das immer mit Völkern, bei welchen der Genius erlischt, der Fall ist, mehr auf die Form, als auf den Inhalt, und die Regel der Schule umschloß sie überall wie eine schwere beengende Fessel. Endlich sprengten die großen Ereignisse der Zeit auch hier die Bande, und es gestaltete sich eine Opposition unter den Zeitgenossen und Mitlebenden, welche bereits schon höchst Bedeutendes hervorbrachte und noch weit Bedeutenderes verspricht.

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Es ist, wie ich das schon bereits aussprach, nicht der Zweck dieser Vorlesungen, Ihnen eine Geschichte der verschiedenen Litteraturen zu geben, sondern Sie auf die vorzüglichsten

Erscheinungen in der Poesie der neuesten Zeit aufmerksam zu machen, und Ihnen diese im möglichst klarsten Lichte darzustellen und vorüber zu führen. Ich muß daher eine Menge gefeierter Namen, die aber bereits der Vergangenheit angehören, übergehn, um desto länger bei Einzelnen verweilen zu können, welche, wie ich fest überzeugt bin, Ihre ganze Aufmerksamkeit fesseln werden.

Die Verbreitung der Philosophie in Frankreich, die großen Begebenheiten der letzten Zeit und die genauere Bekanntschaft mit der Litteratur fremder Nationen, vorzüglich der Deutschen und Engländer, führten doch allmählig die besseren Köpfe darauf hin, daß sie sich einer tyrannischen Unterwerfung unter die Form, ausgehend von einer despotischen Gesellschaft Gelehrten, der Academie, hingåben, welche sehr oft schnurstracks der Natur zuwider war, und jede freiere Regung pedantisch ångstlich unterdrückte. Man fühlte das Bedürfniß, sich auch hier geistig zu emancipiren, doch der Muth fehlte lange Zeit, bis am Ende kecke, aber auf das Herrlichste begabte jugendliche Gemüther es wagten, und von einem großen, ja dem größten Theile der Nation mit Enthusiasmus aufgenommen und gefeiert wurden. Sie stellten sich, durch den Zuruf der Menge ermuntert, bald in offener Fehde der Academie und ihren Anhängern entgegen, und führten den Krieg auf eine geniale Weise, nicht durch Streitschriften, sondern durch Werke. Getreue Auffassung der Natur und psychologische Wahrheit, waren das Höchste, nach dem sie strebten. Die Form betrachteten sie nur als Nebensache. Sie fragten nicht, ob der Stoff, den sie behandelten hoffähig, d. h. hier, der Academie wohlgefällig sei und von ihr genehmigt; sie suchten die Poesie auf in der Hütte des Bettlers, wie im Pallast der Großen und am Throne der Könige; die Dichtkunst war für sie nicht mehr eine Gesellschaftsdame, die sich mit Anstand und Etikette zu präsentiren weiß, sondern eine Priesterin des Allerheilig= sten, eine Verkünderin des Wahren und Schönen, ein freies, aber reich begabtes Kind der Natur.

Es konnte nicht fehlen, daß ihre Gegner, die steifen Anhänger der Form, als sie den Thron wanken sahen, auf dem sie fast zwei Jahrhunderte in behaglich vornehmer Ruhe gesessen, ein großes Geschrei erhuben; ja sie gingen sogar so weit, eine Supplik an den König zu richten und ihn zu bitten, diese neue Poesie, welche sie als einen Bastard ausschrieen, durch ein Edict zu verbannen *). Doch war ihr Streben vergeblich, die Nation schlug sich auf die Seite der Neuerer und diese drangen immer siegreicher durch. Um nun doch etwas zu thun, gaben sich die Herrn der alten Schule selbst den stolzen Namen der Klassiker und belegten ihre jungen Feinde mit dem verächtlichen der Romantiker, welchen diese aber, wie ehemals die Geusen den ihrigen, den Spaniern zum Hohn, ihnen zum Troße mit Jubel aufnahmen und mit Freude führten.

nannt.

Als das Haupt der Romantiker wird Victor Hugo ge= Er ist es, den ich Ihnen zuerst vorführe, und Sie werden, sobald sie ihn näher kennen, gewiß mit mir übereinstimmen, daß er es vor Allen verdient. - Wenn je die Götter den Sterblichen die himmlischen Gaben der Phantasie in die Wiege legten, wenn je der Genius mit segnender Hand die Stirn eines neugebornen Kindes weihte und seinem Blicke die Kraft verlieh, die innersten Falten der Seele zu durchschauen und in ihre geheimsten Tiefen zu dringen, so geschah es ihm. — Ehe ich jedoch unternehme ihn als Dichter zu schildern, möge zu besserem Verständniß folgende Skizze seines Lebens und seiner Schicksale, welche ich theils französischen Blättern, theils seinen eigenen Aeußerungen entlehnte, vorangehn.

Victor Hugo ward am 26. Februar 1802 zu Besançon geboren; sein Vater war Obrist in französischen Diensten, seine Mutter, eine durch seltene Gaben ausgezeichnete Frau, die

Baour-Lormian hatte diesen unsinnigen Einfall, der jedoch, wie sich leicht denken läßt, zu weiter nichts diente, als die sogenannten Klassiker in den Augen der Nation noch lächerlicher zu machen.

Tochter eines Kapercapitáns.

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führte ihn das Schicksal nach Elba, wohin seinen Vater der Beruf zog. Er verweilte hier bis zum Jahre 1805, und kehrte dann mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder nach Paris zurück. Schon in demselben Jahre ward. der wißbegierige Knabe in die Schule geschickt, jedoch nur auf kurze Zeit, denn bereits 1807 verließ die kleine Familie die Hauptstadt Frankreichs wieder, um sich zu dem Vater, der als Gouverneur der Provinz Avelino, einen Vertilgungskrieg gegen die Banditen, vorzüglich gegen den berüchtigten Fra Diavolo führte, zu begeben. Hier empfing die jugendlich - weiche Seele des Knaben zuerst durch den Anblick der hochromantis schen Gegenden des südlichen Italien, die Eindrücke des Erhabenen und Schauerlichen, denen wir spåter so oft in seinen Werken begegnen, und die unbezweifelt von gewaltigem Einfluß auf sein ganzes Leben waren. — Eine bleibende Stätte war der Familie jedoch nicht vergönnt, und die Mutter mußte 1809, wo den Vater die nimmer ruhende Bellona unter Na= poleons Fahnen nach anderen Ländern zog, mit den Söhnen wieder nach Paris zurückkehren. Jetzt begann eigentlich die Erziehung des jungen Victor in abgeschlossener Eingezogenheit; der Mutter feste Strenge blieb nicht ohne segensreiche Folgen, noch größeren Einfluß aber auf des Knaben Gesinnung hatte der Umstand, daß der von Napoleon verfolgte General Lahorie zwei Jahre im Hause verborgen lebte, und sich gern und anhaltend mit dem vielversprechenden Kinde beschäftigte; er las mit ihm den Tacitus und der Knabe fand großen Geschmack an der Lecture des gewaltigen Geschichtschreibers menschlicher Greuel und Verderbtheit. Lahorie verließ im Jahre 1811 die sichere Zufluchtstätte bei der Frau Hugo, um mit Mallet vereint zu sterben, und von diesem Augenblicke datirt sich Victor Hugo's eifriger Royalismus und seine entschiedene Abneigung gegen das Kaiserthum. -Aber seine po= litische Gesinnung war es nicht allein, die während dieser zwei Jahre eine bestimmte Richtung erhielt, auch sein. Gemüth em

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pfing einen dauernden Eindruck für sein ganzes Leben, denn sein Herz schloß sich der Liebe auf zu einer holden Gespielin seiner Kinderjahre, und er ist diesem Gefühle auch als Mann vollkommen treu geblieben; das Liebchen des lebhaften Knaben blieb die Geliebte des Jünglings, und ward troß man= nichfachen Hindernissen endlich seine glückliche Gattin.

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Im Jahre 1811 rief der Vater die Familie zu sich nach Madrid und Hugo ward mit seinem Bruder in das adelige Institut gethan. Dieser Umstand blieb ebenfalls nicht ohne bedeutende Wirkung auf seinen Charakter, denn in jener Anstalt galt es zuerst, seine Gesinnungen kräftig zu vertreten, was nicht immer gefahrlos blieb, da die Streitigkeiten der spanischen und französischen Zöglinge oft mit Messerstichen, und selten überhaupt unblutig endeten. Der Aufenthalt in Madrid war jedoch nicht von langer Dauer; der gewiegte Vater sah den Wechsel der kommenden Zeiten voraus und sandte die Seinen schon im folgenden Jahre wieder nach Paris zurück. Hier begannen die alte Eingezogenheit und die alten Studien unter der Leitung eines würdigen Gelehrten, Namens de la Rivière, von Neuem. In diese Zeit fallen auch die ersten poetischen Versuche des genialen Knaben, doch_dran= gen störende Dämonen in sein bewegtes, obwohl bisher sorgenfreies Leben. - Schon seit längerer Zeit hatten die Gesinnungen der Eltern sich von einander abgewendet, und es trat jeht, besonders während der Restauration, und später im Verlaufe der hundert Lage, offenbarer Zwiespalt, vielleicht durch den Einfluß politischer Meinungsverschiedenheit begünstigt, zwischen ihnen ein, wodurch natürlich die Söhne, Beiden mit gleicher Liebe anhängend, am Meisten litten. In Folge dieser häuslichen Zwistigkeiten nahm der Vater, der mittlerweile General geworden war, die beiden Knaben zu sich, und ließ sie zu ihrer ferneren Ausbildung das Collége de Louis le Grand besuchen. Sie machten Beide ausgezeichnete Fortschritte, vorzüglich Victor, der in seinen Mußestunden an einem Trauerspiele in klassischem Styl arbeitete, welches die Rückkehr

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