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eines Felsen stand sie, bebte zurük, und sah erblassend ins tiefe Thal. Dann rief sie mit ängstlichem Geschrey: O Diana! Schüzerin der Keuschheit, o rette, rette mich, dafs kein unkeuscher Arm meine Hüften umschlinge! Rette, o rette, Diana, Schüzerin der Keuschheit! Aber der Gott war an ihrer Ferse schon; schon fühlt sie seinen Athem, und izt seinen umschlingenden Arm. Doch die der Liebe ungewogene Göttin hört' ihr Angst-volles Flehn. Wasser trieft von seinen umschlingenden Armen, und die an sie gedrükte Brust herunter; sie zerschmilzt in seiner Umarmung zur Quelle; schmilzt, wie Frühlings-Schnee an einem braunen Felsen; schmilzt, trieft von seinen Armen, rieselt seine Knie herunter, rieselt durchs Gras, stürzt von der Felsen-Wand, und rieselt schon unten im Thal. Und so entstand Erythia, die reine Quelle.

MY CON.

VON Miletus kamen wir, Milon und ich, Apollen unser Opfer zu bringen. Schon sahn wir von ferne den Hügel, auf dem der Tempel auf glänzenden Säulen aus dem Lorbeer-Hain hoch in die blaue Luft emporsteht; und weiter hinaus flimmerte, dem Auge End-los, die Aussicht ins Meer. Mittag war's, und der Sand brannte unsre Solen und die Sonne die Scheitel; so gerade stand sie über uns, dass die Loken an der Stirne ihre Schatten das ganze Gesicht herunter warfen. Die Eidexe schlich lächzend im Farren-Kraut am Weg, und die Grille und die Heuschreke zwitscherten unter dem Schatten der Blätter im gesengeten Grase. Von jedem Tritt flog heisser Staub auf, und brannte die Augen, und sals auf die gedörreten Lippen. So giengen wir schmachtend, aber wir verlängerten die Schritte; denn vor uns sahn wir am Wege dicht emporstehende Bäume; schwarz war der Schatten unter ihnen

wie Nacht. Mit schauerndem Entzüken traten wir da in die lieblichste Kühlung. Entzükender Ort, der so plözlich mit jeder Erquikung uns übergofs! Die Bäume umkränzten ein grosses Beet, worein die reinste, die kühleste Quelle sich ergofs. Die Äste hingen ringsum zu ihr herunter, mit reifen Äpfeln und Birnen behangen, und zwischen den Stämmen der Bäume flatterten fruchtbare Gesträuche, Krauselbeeren, und Brombeeren und die Erbsel-Staude. Aber die Quelle rauschte aus dem Fufs eines Grab-Mals hervor, das Geifs-Blatt und die schlanke Winde und schleichender Epheu umwanden. Götter, so rief ich, wie lieblich ist dieser Ort der Erquikung! Heilig und gesegnet sey mir, der diese Schatten so gutthätig gepflanzt hat; vielleicht ruht seine Asche hier. Hier, sprach Milon, hier an der Vorderseite des GrabMals sehe ich unter den Ranken von GeifsBlatt eingegrabene Züge; vielleicht sagen uns die, wer er ist, der so für des Wan, drers Erfrischung sorgt. Und jezt hob er die Ranken mit seinem Stab, und las:

,,Hier ruhet die Asche des Mycon! Gutthätigkeit war sein ganzes Leben. Lange

nach seinem Tod wollt' er noch Gutes thun, und leitete diese Quelle hieher, und pflanzte diese Bäume.”

Gesegnet sey deine Asche, du Redlicher, so sprach ich; gesegnet die Deinen, die du zurükliessest! Und da kam jemand unter den Bäumen hervor; ein schönes Weib war's, von schlanker Gestalt und edlem Ansehn. Einen Wasser-Krug trug sie am Arm, und so kam sie zu der Quelle. Seyd mir gesegnet in diesen Schatten, so redte sie mit holder Freundlichkeit; ihr seyd Fremde; vielleicht, vielleicht hat ein zu weiter Weg bey der Sonnen-Hize euch ermüdet. Sagt, kann zu eurer Erfrischung noch etwas euch dienen, als was ihr hier findet?

Sey uns gesegnet, so erwiederten wir, gutthätiges Weib. Wir bedörfen keiner andern Erfrischung; süss hat uns diese Quel- · le, süfs diese Früchte und dieser Schatten` erquikt. Ehr-Furcht erfüllt uns für den Redlichen, dessen Asche hier ruhet, der so für die Bedürfnisse des Wandrers sorgte. Du bist von dieser Gegend, du kanntest den Mann; sag uns, indefs dieser heilige Schatten uns kühlt, sag uns, wer er war.

Jezt stellte die Frau ihren Wasser-Krug auf den Fufs des Grab-Mals, lehnte sich, drauf, und sprach mit freundlichem Lä

cheln :

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Mycon, so biefs er, der die Götter ehrte, dessen süsseste Wollust war, andern Gutes zu thun. In dieser ganzen Gegend wird kein Hirt seyn, der nicht mit Freundschaft und Dankbarkeit sein Andenken ehrt, keiner, der nicht Geschichten seiner Redlichkeit und seiner Güte mit FreudenThränen erzehlt. Ich selbst, ich dank's ihm, dass ich das glüklichste Weib bin hier glänzten Thränen in ihren Augen--das Weib seines Sohns. --- Mein Vater war gestorben; in Kummer-voller Armuth liefs er ein redliches Weib und mich zurük. In häuslicher Stille, von unsrer Arbeit und frommer Gutthätigkeit genährt, lebten wir, und Tugend und Frömmigkeit war unser einzigerReichthum. Zwo Ziegen gaben uns ihre Milch, und ein kleiner BaumGarten seine Früchte. Nicht lange lebten wir in dieser Ruhe; auch meine Mutter starb, und hinterliefs mich Trost-loses Kind. Aber Mycon nahm mich in sein Haus, und übergab mir häusliche Geschäfte, und

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