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Die Bezeichnung des Krieges im Mexikanischen mit sprachlichen Erläuterungen

von Walter Lehmann, Berlin.

Bei der Schwierigkeit, die in den altmexikanischen Bilderhandschriften vorkommenden Symbole, nach Laut und Bedeutung, zu erklären, erscheint es als eine dankbare Aufgabe und als ein wichtiges Hilfsmittel, die, ihrem Begriff nach, sicher festgestellten Symbole vom positiv gegebenen Boden der Sprache aus etymologisch zu beleuchten, ehe man sich in das, an Hypothesen reiche, Gebiet des Symbolismus der mittelamerikanischen Culturvölker hinauswagt.

Eines der interessantesten Symbole dieser Art ist at tlachinolli, ein metaphorischer Ausdruck für den Krieg, welchen ich in grammatischer und etymologischer Hinsicht im Folgenden eingehender besprechen will.

Zunächst ist zu bemerken, dass, was die grammatische Seite dieser Redensart anlangt, diese nicht unpassend den Dvandva des Sanskrit an die Seite gestellt werden kann, welche aus der Zusammenstellung von zwei oder mehr Substantiven bestehen, die einander koordinirt sind, d. h. in gleichem Casusverhältnis stehen und dem Sinne nach durch »und< verbunden sind.')

Atl tlachinolli würde demnach, zunächst ohne Rücksicht auf Etymologie >> Wasser und Brand < bedeuten. Als Synonyma kommen folgende andere Dvandva vor:

mit chimalli »Pfeil und Schild«, »guerra o batalla« (Molina). chimalli ma-c-quauit] »Schild und Schwert«.

xiuhcouatl mamalhuaztli »Türkisschlange und Feuerbohrer<.2) otla-na-mit teueuelli »vier Pfeile und Zerstörung«. Die vier Pfeile sind die Waffen des Kriegsgottes.") otlanamitl ist gebildet aus otlatl » caña maciça y rezia« (Molina), nau oder naui »vier«, dessen u vor m, nach bekanntem mexikanischen Lautgesetze sich zu m assimilirt,

1) s. Bopp, kritische Grammatik der Sanskritaspr., in kürzerer Fassung, 1863 p. 435 § 587.

2) So wird von Uitzilopochtli gesagt: tepan quitlaça in xiuhcoat im mamalhuaztli, q. n. yaoyotl, teoatl tlachinoili „er schleudert auf die Leute die Türkisschlange, den Feuerbohrer, d. h. den Krieg, Speerwerfen und Brand". (Sahagún I. 1.) Vgl. Seler, Tonalamat der Aubin'schen Sammlung p 77.

3) s. Seler, die Bilderhandschriften Alexander von Humboldt's p. 34, 67.

wobei oft nur ein m geschrieben wird.1) teueuelli gehört zu dem verbum ueloa. nitla »desboronar, deshazer o derribar algo« (Molina), ueueloa »zerstreuen, zerstören. te ist vielleicht das inkorporierte te-tl >>Stein<<.2)

Dem entsprechend sieht man in den Bilderhandschriften Hieroglyphen des Krieges, welche bald Schild und Schwert3), eventuell mit Fussspuren,') bald Schild und Pfeile, auch mit dem Teile eines Wurf brettes,") zur Anschauung bringen. Eine andere Hieroglyphe, die z. B. im Codex Mendoza sich häufig findet und ein Haus mit eingestürztem Strohdach und herausschlagenden Flammen darstellt, bezeichnet weniger den Krieg, als die Eroberung einer feindlichen Stadt.

Indem ich andere Ausdrücke für Krieg wie yaoyotl »guerra o batalla«, xochi-yaoyotl > Blumenkrieg, d. h. kein ernsthafter Krieg, Scharmützel«, namiqui feindlich zusammenstossen«, icali »pelear contra otros u. s. w. übergehe und mir eine Besprechung des Dvandva im Mexikanischen vorbehalte, wende ich mich nunmehr der Etymologie von atl tlachinolli zu.

Tlachinolli, um mit dem Einfachen zu beginnen, ist part. pass. von tla-chinoa »quemar los campos o montes<< (Molina), und bezieht sich auf das übliche Verfahren der Eroberung eines feindlichen Landes, die Brandschatzung der Felder, auf das »Sengen und Brennen«.®)

atl hat im Molina verschiedene Bedeutungen:

a) agua

b) orines

c) guerra

d) la mollera de la cabeça.

Wenn nun auch a, b, und d sich wohl mit dem Sinn von Wasser, Flüssigkeit, vertragen, da mollera de la cabeça sich auf die Fontanellen. des jugendlichen Schädeldaches und das Fühlen des darunter liegenden weichen Gehirns beziehen wird, so ist at im Sinne von Krieg dabei eben an die vollständige Phrase at tlachinolli gedacht ist mit dem übrigen unvereinbar.")

indem

1) Vgl. quammaxac horcajadura de arbol" aus quauh+maxac, quam- maitl „Zweig des Baumes“ aus quauh + maitl.

2) Ueber teueuelli als Schild Uitzilopochtli's, vgl. Seler, Veröffentl. aus dem

Kgl. Museum f. Völkerk. I 4, p. 122, vgl. auch Sahagun, Cant. V, 2 u. Gl.

3) z. B. Cod. Teller. Rem., Teil 3 Bl. 8 (Kingsborough I).

4) z. B. Cod Boturini, Kingsborough I, 8, 10.

5) z. B. Cod. Mendoza, Teil 1 (Kingsborough 1, 5, 7).

6) Ueber tlachinolli als „Verbrennung der Felder", vgl. Seler, Tonalamat p. 72. 7) S. tla-atlatla p. 14.

Vernichtet man Ländereien mit Wasser? Doch, gesetzt den Fall, man hätte bei atl tlachinolli sich die verheerende elementare Gewalt des Wassers vergegenwärtigt, so weist doch der Ausdruck teuatl tlachinolli, den Molina in der Form tlachinolli teuatl verzeichnet, ganz wo anders hin.')

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Zunächst ist zu betonen, dass teo-atl durchaus nicht >> Wasser des Gottes, göttliches oder kostbares Wasser« bedeutet, wie Herr Dr. Preuss annimmt,2) sondern eigentliches atl, das wahre, das echte atl«.3) Der Stamm teo kommt freilich von teotl »Gott«, er nimmt dann die Bedeutung des Wahrhaften, Echten der Eigenschaft des Gottes - an und dient, in Composition mit andern Worten, zur Unterscheidung einer Sache von einer anderen; so gebraucht man Teo-tenanco »das eigentliche Tenanco etwa wie wir Alt-Cöln und Neu-Cöln sagen, Teo-atzinco >>das eigentliche Atzinco« und viele Ortsnamen mehr.) teo-itta >hallar la cosa que se busca, con mucho trabajo y afan, o con gran dificultad< (Molina) ist wörtlich » wahrhaft sehen, scharf sehen<«. teo - xiuitl >>turquesa fina y preciosa (Molina) ist der echte Türkis wie Xiuh-nel') zu nelli »cierto, ciertamente, o de verdad < zum Unterschied von andern, weniger kostbaren grünen Steinen. teo-quecholli »cierto paxaro de plumas ricas<< (Molina) ist der eigentliche quechol- Vogel (rother Löffelreiher, Cotinga). Teo-chichim ecâ sind die eigentlichen Chichimeken.

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Teo-atl beweist, dass atl anders als einfach »Wasser zu verstehen ist. Dies führt mich dazu, nachzuforschen, ob für atl nicht die Etymologie eine Erklärung zu bieten im Stande ist, welche zugleich dem Sinn von atl tlachinolli gerecht wird.

Herr Prof. Seler erwähnt die Verbalform atinemi, die im Sahagun auf die jagdliebenden Chichimeken bezogen wird. Er übersetzt »sie schiessen <6). Herr Dr. Preuss dagegen ist geneigt, diese Form von ami >>montear o caçar« (Mol.) abzuleiten, das im Praeteritum o-n-â »ich jagte< lautet. Nach der Grammatik des Carochi verlangten die, mit dem Hilfs

1) Einige Stellen, wo teoatl tlachinolli sich findet, sind: xi-mo-yollehuayan oncan manian teoatl tlachinolli „dort soll man Krieg anstiften" (Brinton, Ancient Nahuatl Poetry, VI, 4). otlaltitechya in altepetl teuatl tlachinolli ye opoliuh . . . „Die Stadt wurde mit Feuer und Schwerdt zerstört“ (Fray Juan Bautista, Sermones en lengua mexicana p. 122).

2) Dr. Preuss, die Hieroglyphe des Krieges in den mex. Bilderhandschriften. Ztschr. f. Ethn. XXXII (1900) p. 110.

2) Vgl. Seler, Tonalamat p. 71b.

4) S. Ant. Peñafiel. Nombres geographicos de Mexico, Mexico 1885.

5) Name einer Person im Codex Boturini, Blatt 2.

6) Seler, Tonalamatl, p. 71.

verbum nemi »leben, sich befinden durch die Ligatur ti verbundenen, Verben das Praeteritum.

Grammatisch mag dagegen nichts einzuwenden sein; â-ti-nemi »>sie leben in beständiger Jagd«, o-n-â »ich jagte «sind dann aus an-ti-nemi, o-n-an entstanden, ähnlich wie o-ni-mâ »ich wusste<« aus o-ni-mat, o-ni-quâ ich ass< aus o-ni-qua-c.

Würde es aber eine Wurzel a1) von der Bedeutung »werfen, schiessen geben, so könnte â-ti-nemi sehr wohl zu ihr gehören. Die Wiederholung ein und desselben Gedankens, atinemi tlamintinemi »>sie werfen, sie schiessen beständig ist nicht auffallend, da gerade die mexikanische Sprache eine solche Häufung gleichartiger Ausdrücke liebt. Alsdann könnte âtinemi aus a-c-ti-nemi entstanden sein, da das Praeteritum der einsilbigen vokalischen Stämme c anfügt, vielleicht schon deswegen aber mit Schwinden dieses c, um es von ac, der Wurzel von aqui »hineingehen sich freuen«) zu unterscheiden.

Man muss jedoch bei dem Aufsuchen von Wurzeln in einer, leider in ihrer Entwickelung wenig bekannten, Sprache, deren Vocabelschatz in dem Lexikon des Molina vom Jahre 1571 meist in nicht ursprünglichen Bedeutungen niedergelegt ist, äusserst vorsichtig sein und alle Möglichkeiten ins Auge fassen. Ich will daher hier die mannigfaltigen Bedeutungen der Wurzel a folgen lassen und, der Reihe nach nummeriert, kurz besprechen:

1. ā, ā-tl mit den p. 79 a-d besprochenen Bedeutungen. Vgl. auch noch n-a-uh »mi mollera« t-a-uh »la mollera de la cabeça<< (Molina) in possessiver Verbindung; frequentativ in aa-quetza >alçar y abaxar amenudo la cabeça, como loco«. Ferner a-quetzca-ciuatl »muger desonesta y sin verguença (ein koquettes Weib, das den Kopf emporwirft). Zu ā-tl »agua« füge ich als bedeutsam das Vorkommen im Sinne von »aguacero «3) hinzu, da hier die Vorstellung des Geworfen werdens«, auf die es mir ankommt, hindurchbricht.

2. à freuen. Dieser Stamm ist lediglich in Ableitungen erhalten. Molina giebt das directe Compulsiv a-tia mit Bedeutungen an, die sich mit 1. vermischen, nämlich:

>> derretirse o pararse ralo lo espesso (zu atl » Wasser«), regalarse ò alegrarse mucho.<<

1) Derartiger Stämme, die aus einem Vocal bestehen, besitzt das Mexikanische mehrere, z. B. i „trinken“, o „liegen", e-tl „die Bohne", ò-tli „der Weg“.

2) Vgl. das Frequentativum aaqui gozarse y aver muy gran placer“ (Molina). 3) Vgl. Seler, Tonalamat p. 7, die guatemaltekische Liste der 20 Tageszeichen: atl, ò quiahuit el aguacero" (No 9).

Weitere Derivate sind a-uia tener lo necessario y estar contento», auia-c >>cosa suave y olorosa, o cosa gustosa, auiani »das Freudenmädchen«. Auiatl »Gott der Erlustigung«1), ahauil-yotl »die Lustbarkeit, auil-tia. nino »sich ergötzen«, auilli »der Mutwille<<, part. pass. von ā-ui »fröhlich sein«. auatl Frau (wie Venus zu Vven »angenehm, lieblich< vgl. skr. vēnas ›lieb‹, vinum »Wein«<, unser Wünschen, ahd. wini »Freund«, skr. vánas >Lust<«, unser Wonne.)

3. à, verkürzt aus àmo »nicht«, das mexikanische aprivativum. 4. à »zanken; à-ui »zanken«, à-ui-lia »auszanken«.

5. a aus ya »gehen«, ni-a-z »ich werde gehen«, o-ni-â »ich ging«. 6. a >werfen<«<, auf welches ich sogleich näher eingehe.

Indem ich die Spuren der Wurzel a im Sinne von 6 nachweisen werde, bezeichne ich der Uebersicht halber die einzelnen Belege mit den Buchstaben des lateinischen Alphabets:

a) a-ti-c mit ist nicht der »flüssig gewordene« Pfeil2), sondern der geflügelte Pfeil). atic, ein Participium, ist abzuleiten entweder von dem intransitiven a-ti, oder dem compulsiven a-tia, Abkömmlingen der zu erörternden Wurzel a »werfen«. Die unter 2. angeführten Bedeutungen geben hier keinen Sinn. Da atic in Verbindung mit mitl »Pfeil« steht, so liegt es an und für sich schon nahe, an eine Bedeutung zu denken, die mit » werfen< in Zusammenhang steht. Gäbe es ein Verbum a >>werfen<, so wäre atic mit sehr einfach »der Pfeil, den man werfen machte. Die Ableitung von a-tia »schmelzen«, wobei die Schnelligkeit des Wassers auf den Pfeil übertragen worden wäre, erscheint mir unwahrscheinlich. Jedenfalls bedeutet atlan nino tlamina1) >>im Wasser dahinschiessen schnell schwimmen« wörtlich nur und nur »ich schiesse mich im Wasser hin«; die Schnelligkeit liegt in dem, von mit »Pfeil< abgeleiteten, Verbum mina >>schiessen«, nicht in a-tlan »im Wasser«, welches allein das Medium ist, in dem die schnelle Bewegung vor sich geht.

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1) S. Seler, Tonalamat p. 86. Vgl. auch in den Anales de Quauhtitlan die Stelle amech-m-a-ti quiuh „er kommt euch zur Freude“.

2) S. Dr. Preuss, die Schicksalsbücher der alten Mexikaner, Globus Bd. LXXIX No. 17 p. 262 b.

) S. Seler, Tonalamat p. 71b

4) Herr Dr. Preuss schreibt in der, Anm. 2 erwähnten, Stelle: „atic mit heisst ferner eigentlich,,der flüssig gewordene Pfeil", von atia „schmelzen“ und bezieht sich auf das auch bei uns gebräuchliche Bild des dahinschiessenden Wassers. So sagt ähnlich der Mexikaner: atlan nino tlamina „im Wasser dahin schiessen für schnell schwimmen".

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