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Zur Unterstützung der hier skizzirten Entwicklung kann man vielleicht das in Abb. 3 dargestellte Instrument herbeiziehen. Denn man braucht sich nur anstatt des einen Bogens drei durch den Kürbis gesteckte Bogen zu denken und man hat (abgesehen von der Hindurchziehung der Saite durch das Resonanzfell) die von Binger beschriebene Bambara-Guitarre.

Nicht mehr in diese Entwickelungsreihe hineinzubringen sind die Instrumente der folgenden Gruppen.

Die Lyren der Gruppe VIII und das Saiteninstrument der Kru, Gruppe VII, haben sich jedes in seiner Weise, aus 3 Stäben zusammengesetzte Gestelle als Saitenträger konstruirt, die man wohl nicht ohne Zwang aus dem Bogen wird ableiten können. Ebenso wenig scheint das bei den Schaleninstrumenten der Gruppe IX der Fall zu sein, und man kann es für richtiger halten, für diese Instrumente einen zweiten Ausgangspunkt der Entwicklung anzunehmen, nämlich eine Platte, ursprünglich vielleicht ein Stück Rinde oder ein Fragment einer grossen Fruchtschale, über welche die Saiten in einer Ebene nebeneinander ausgespannt wurden.

So würden wir, ausgehend von einem zweifachen Anfang, dem Stock und dem Brett als Träger der Saiten, beide in Verbindung mit einem Schallverstärkungsapparat, die ganze Mannigfaltigkeit der afrikanischen, ja wohl überhaupt aller Saiteninstrumente erhalten.

Vielleicht aber lassen sich auch die Schaleninstrumente auf den Musikbogen, oder richtiger gesagt, das einfache einsaitige Saiteninstrument zurückführen. Einen Anhalt dazu geben die Instrumente der Gruppe X, die aus Rohrhalmen zusammengesetzt sind. Freilich hat nicht jeder Halm seine eigene Saite, wie man voraussetzen müsste, aber die Ersetzung der vielen einzelnen Saiten durch eine einzige, hin und zurück gespannte Schnur ist eine leicht zu verstehende Vereinfachung. Diese Instrumente würden dann eine Parallele zu den Kongo-Guitarren bilden: beide entstanden durch Zusammenfügung von mehreren einsaitigen Stab- resp. Bogeninstrumenten zu einem mehrsaitigen Instrument.

Aber lassen wir die Frage, ob das Schaleninstrument aus dem Rohrstabinstrument hervorgegangen ist oder ob beide nebeneinander hergehende Versuche zur Lösung des Problems der Saitenvermehrung sind, dahingestellt.

Ebenso schwer zu beantworten ist die Frage nach der Entstehung der Lyra. Man könnte sie als Schaleninstrumente auffassen, die durch ein Gestell zur Saitenanbringung erweitert sind: indessen wird diese Vermuthung durch keine Uebergangsformen unterstützt. Der Wahrheit kommt man vielleicht näher, wenn man die Lyra mit den Guitarren in Verbindung bringt und sie als einen zweiten Versuch neben den westsudane

sischen Guitarren (Abb. 16—18) betrachtet, auf anderm Wege als diese zu einer Vermehrung der Saiten zu gelangen. Jene erreichen dies Ziel durch Einschaltung eines Steges, diese durch Verbreiterung des Saitenträgers. Für die Richtigkeit dieser Ableitung spricht auch die Befestigung der Saiten an Lederringen und die wahrscheinliche — gemeinsame asiatische Herkunft.

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Ganz abseits stehen die Instrumente der elften Gruppe. Sie bilden aber eine interessante Parallele zu den bisher betrachteten Abtheilungen, indem man bei ihnen dieselben beiden Grundprincipien in der Konstruktion nachweisen kann, wie bei jenen, nämlich das Stabprincip und das Brettprincip, wenn man so sagen darf. Dem ersteren gehören die Valiha der Madagassen und das Raphia-Instrument der Fan an, die somit den Gruppen I-V analog sind, dem zweiten die Rohrinstrumente der Gruppe XIb, entsprechend den Brett- oder Schaleninstrumenten der Gruppen IX und X. Das ist interessant, weil es zeigt, wie trotz des verschiedenartigen Materials und der dadurch bedingten abweichenden Ausgestaltung doch in beiden Fällen derselbe Grundgedanke sich geltend macht.

Wir erhalten also folgendes Schema der Entwicklung der Saiteninstrumente:

Erste Reihe: Musikbogen (Gr. I), Sese (Gr. II).

Zweite Reihe: Musikbogen (Gr. I), Guitarren, Rabab etc. (Gr. III), Mandingo-Guitarre (Gr. IV), vielleicht auch Lyra (Gr. VIII).

Dritte Reihe: Musikbogen (Gr. I), Harfe (Gr. V).

Vierte Reihe: Musikbogen (Gr. I), Kongo-Guitarre (Gr. VI).

Fünfte Reihe: Musikbogen (Gr. I), Rohrinstrumente der Gr. X, Schaleninstrumente (Gr. IX).

Problematisch bleibt die Stellung der Kru-Harfe (Gr. VII), während die Bambus- und Raphia-Instrumente (Gr. XI) eine Klasse für sich bilden.

Die naheliegende Frage, welche von den beiden Parallelgruppen als die ältere anzusehen sei, ob die Verwendung des Rohres, des Bambus und der Raphia derjenigen des Holzes vorangegangen sei oder umgekehrt, lässt sich mit Sicherheit natürlich nicht beantworten. Allerdings spricht manches für die Priorität der Rohrinstrumente. Der Musikbogen, so einfach er ist, setzt doch mehr voraus, als z. B. die Valiha. Zu letzterer gehört nur ein Stück Bambusrohr, dieses liefert sowohl Saitenträger als Saiten; der Bogen aber erfordert ausser dem biegsamen Stabe auch einen als Saite brauchbaren Faden, und wenn auch die Natur dem Menschen genug verwendbares Material in allerlei Faserstoffen bietet, so gehört doch eine nicht leicht zu erwerbende Erfahrung dazu, das Geeignete herauszufinden. Vor Allem aber ist die anderweitige Verwendung solcher Faserstoffe schon vorauszusetzen, da der Mensch dieselben doch sicherlich

nicht zuerst bei der Konstruktion von Musikinstrumenten verwendet haben. wird. Noch eher ist die Priorität der Rohrinstrumente wohl bei den nach dem Brettprincip konstruirten Instrumenten auzunehmen; denn die Herstellung eines Holzbrettes mit unvollkommenen Werkzeugen erfordert viel mehr Mühe und Arbeit als das Zusammenbinden von Rohrstäben zu einer Platte.

Am meisten aber spricht für das höhere Alter der Rohrinstrumente, wenigstens in Afrika, die geographische Verbreitung derselben. Schon ihr zerstreutes Vorkommen lässt darauf schliessen, dass man in ihnen Ueberbleibsel einer älteren Kulturschicht vor sich hat, die sich nur in abseits vom Strom der Geschichte gelegenen Winkeln in kümmerlichen Resten erhalten hat, und in der That sind diese Gebiete solche Zufluchtsorte, in denen sich auch sonst manches Alterthümliche erhalten hat. Das ist einmal das Gebiet um die Biafra-Bay herum von Gabun bis zum Niger mit seinen Raphiaharfen und Rohrhalmcithern und dann der zweite Verbreitungsbezirk der letzteren im innersten Afrika. Beide gehören derselben Provinz, der Kongo-Provinz an, die, wie wir später sehen werden, am wenigsten von fremden Einflüssen berührt worden ist, und sind durch ihre Lage an der Westküste, an der »geschichtslosen Seite<< Afrikas und am Rande des grossen centralafrikanischen Waldes noch ganz besonders vor äusseren Einwirkungen geschützt worden. Etwas anders steht es mit der dritten Art dieser Instrumente, der Valiba, die sich nur in Madagaskar findet und ganz zweifellos als Import der malaiischen Beherrscher der Insel anzusehen ist. Da wir nicht wissen, wann die Einwanderung der Hova stattgefunden hat, und welche Kultur sie auf der Insel vorgefunden haben, so kann man ebensowohl annehmen, dass die Valiha das ursprünglichste Saiteninstrument Madagaskars ist, als auch, dass es als späterer Eindringling früher vorhandene Instrumente verdrängt hat. Jedenfalls hat die Inselnatur Madagaskars wie andere Eigenthümlichkeiten so auch dies Nationalinstrument der Hova schützend bewahrt; jetzt freilich, wo europäische Instrumente auf Madagaskar Eingang und Beifall gefunden haben, dürften auch die Tage der Valiha gezählt sein.

Die angeführten zu Gunsten der Priorität der Rohrinstrumente sprechenden Gründe lassen keinen entscheidenden Schluss zu; ein solcher wäre nur möglich in Verbindung mit einer Lösung des Problems der Erfindung der Saiteninstrumente überhaupt, d. h. des Problems, wie der Mensch dazu kam, eine gespannte Saite zur Erzeugung musikalischer Töne zu verwenden. Ehe ich auf diese Frage mit einigen Worten eingehe, kehre ich noch einmal zu der oben geschilderten Entwicklung der Saiteninstrumente zurück. Ob man einen einfachen Ausgangspunkt, den

Bogen, oder einen doppelten, Bogen und Brett, annimmt, im Allgemeinen dürfte der oben skizzirte Entwicklungsgang keinen ernstlichen Bedenken unterliegen. Im Einzelnen, wie z. B. in betreff der Herleitung der Lyra, kann man allerdings Zweifel hegen, deren Beseitigung bei diesen Instrumenten asiatischer Abstammung nur bei genauer Kenntniss und Berücksichtigung der heimathlichen Verhältnisse möglich ist. Ob aber diese Entwicklung ganz auf afrikanischem Boden stattgefunden hat, also dort, wo wir jetzt ihre Endprodukte finden, oder ob einzelne Instrumente aus anderen Erdtheilen eingewandert sind, und wo ihre Heimath zu suchen ist, das ist eine Frage, die wir jetzt zu erwägen haben und deren Beantwortung für die afrikanische Kulturgeschichte von höchster Wichtigkeit ist.

Geschichtliche Nachrichten fehlen uns, wenn wir von Nordafrika absehen, ganz; ist die Kunde von der Geschichte Afrikas in vergangenen Jahrhunderten im Allgemeinen schon überaus dürftig und verworren, so hat sich kaum ein Berichterstatter bis in die neueste Zeit hinein die Mühe genommen, solchen Kleinigkeiten, wie dem Auftreten und Verschwinden einzelner Bestandtheile des Kulturbesitzes irgendwelche Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wir sind also ganz auf das angewiesen, was sich aus dem heutigen Befund herauslesen lässt.

Hier ist es nun vor Allem die geographische Verbreitung der einzelnen Formen, auf die wir unser Augenmerk zu richten haben. Dass dieselbe in ihrer im vorigen Abschnitt geschilderten Ausprägung, in der nicht nur jedem Instrument ein bestimmter Verbreitungskreis zukommt, sondern auch die Aufstellung von hinreichend scharf charakterisirten ethnographischen Provinzen sich als möglich zeigt, kein Werk des Zufalls, sondern nur ein Ergebniss gewisser, uns unbekannter historischer Ereignisse sein kann, ist an und für sich selbstverständlich. Es fragt sich nun, ob es möglich ist, aus diesen Verhältnissen auf die ihnen zu Grunde liegenden Geschehnisse zurückzuschliessen, oder mit anderen Worten, ob und wie weit man aus der räumlichen Verbreitung die zeitliche Aufeinanderfolge der Saiteninstrumente erschliessen kann.

Beginnen wir unsere Betrachtung mit der nordafrikanischen Provinz. Der ethnographische Charakter derselben ist, wie schon mehrfach hervorgehoben, ein durchaus westasiatischer; alle Saiteninstrumente stammen dementsprechend aus Vorderasien. Bei den beiden ägyptischen Streichinstrumenten, der Rabab und der Kemengeh, zeigen dies schon die Namen, die persischen Ursprungs sind; und wie diese, so sind auch die beiden anderen Saiteninstrumente, die Laute und der citherartige Kanûn, aus Asien eingewandert. Und zwar ist diese Einwanderung verhältnissmässig neuen Datums, sie fällt nämlich mit der arabischen Invasion zu

sammen. Es mögen freilich auch schon vorher im friedlichen Verkehr asiatische Instrumente im Nillande Fuss gefasst haben, aber zur endgiltigen und vollständigen Herrschaft sind sie wohl erst gelangt im Gefolge der islamitischen Eroberung, die auch auf diesem Gebiet wie auf den meisten übrigen die Reste altägyptischer Kultur vertilgte und durch die neue vorderasiatische ersetzte. Jedenfalls lässt sich erweisen, dass das alte Aegypten keines der heute dort gebräuchlichen Saiteninstrumente kannte, denn durch die Wandgemälde der alten Tempel und Gräber sind wir auch über die altägyptischen Musikinstrumente in ausgezeichneter Weise unterrichtet.

Die hauptsächlichsten Saiteninstrumente der alten Aegypter waren Harfe, Lyra und Guitarre.) Die Harfe kam in zwei Grössen vor; die halbgrosse mit 6-7 Saiten wurde sitzend gespielt, die grosse, von Mannshöhe, mit bis zu 20 Saiten, stehend. Eine kleine endlich, die auf der Schulter getragen wurde, taucht erst im neuen Reich auf. Die Formen der Harfe waren sehr mannigfaltig (vgl. die Abbildungen bei Wilkinson), Resonanzboden und Saitenträger oft kunstvoll geschnitzt und bemalt; die Saiten waren an Wirbeln, die in dem bügelförmig gebogenen Saitenträger steckten, befestigt und von hier nach dem Resonanzkörper gespannt. Eine Abart der Harfe, bei der Resonanzkörper und Saitenträger nicht einen Bogen bilden, sondern in einem manchmal sehr spitzen Winkel zusammenstossen, findet sich erst im neuen Reich und stammt wohl aus Asien; dafür spricht wenigstens die grosse Aehnlichkeit dieses Instruments mit der assyrischen Harfe (Abb. bei Wilkinson Abb. No. 235, 236 (I, 469), 238 (I, 470) und bei Engel, The music of the most ancient Nations. London 1870. Fig. 3 u. Fig. 10). Die Harfe ist das älteste ägyptische Saiteninstrument und lange Zeit das einzige; spät erst tritt als zweites die Lyra hinzu, um im neuen Reich Modeinstrument zu werden. Dieses Instrument ist zweifellos nicht in Aegypten erfunden, sondern aus Asien importirt; sehr bezeichnend ist die Thatsache, dass die Leier vor der 18. Dynastie nur einmal auf einem ägyptischen Denkmal erscheint, und hier nicht in den Händen eines Aegypters, sondern in denen eines Tribut bringenden semitischen Beduinen. 2) Da dasselbe Instrument ausserdem auch häufig auf assyrischen Skulpturen sich findet, so scheint es wohl sicher, dass wir seine Erfindung oder zum mindesten seine Verbreitung nach Afrika hinein den Semiten zuzuschreiben haben.

1) Die folgenden Angaben entstammen im Wesentlichen den Werken von Wilkinson, The Manners and Customs of the Ancient Egyptians. London 1878, und Erman, Aegypten und ägyptisches Leben im Alterthum. Tübingen 1885.

2) Wilkinson I, Pl. XII.

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