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Dichters im Ausblicke auf das erfreuliche Ziel genügend guten Willen für die Wanderung mitbringen.

Dass ich das Ziel wirklich erreicht habe, wage ich nicht zu behaupten. Ich bin aber zufrieden, wenn ich ein neuer Wegweiser in der Richtung war, die, wie man sehen wird, ein Anderer vor mir angegeben hat und in welcher vielleicht ein Dritter noch zum Ziele gelangt. Mancherlei Neues dürfte sich ja doch hier finden, was künftig mit zu beachten sein wird.

Die Uebersetzungen im Anhange stammen, sofern nicht ein anderer Uebersetzer angegeben ist, von mir selbst. Ich benutzte die Gelegenheit, die zweite Abtheilung der Sonette, die in meinem citirten Buche nicht enthalten, hier vollständig zu geben.

Zürich.

Fritz Krauss,

Einleitung.

Ein Blick in die 154 Sonette Shakespeare's zeigt, dass sie in zwei Hauptgruppen zerfallen, die nach Inhalt und poetischem Werthe verschieden genug sind, um sich auseinander halten zu lassen, wenn sie auch nicht äusserlich geschieden wären. Der Herausgeber Thomas Thorpe hat jedenfalls gewusst, dass diese zwei Hauptabtheilungen zu sondern seien und deshalb das Bruchstück No. 126, das sich in Reimstellung und Zeilenzahl von allen Sonetten unterscheidet, als Markstein dazwischen gesetzt. Ueber diese Aeusserlichkeit hinaus ging aber Thorpe's Kenntniss oder Verständniss der Sonette nicht, sonst wäre es ihm nicht begegnet, innerhalb dieser Abtheilungen die grösste Unordnung zu schaffen, ja, wie es scheint, einige Sonette von einer Abtheilung in die andere gerathen zu lassen. Durch diese Verwirrung und durch den Mangel an Correctur wird die Unrechtmässigkeit und Heimlichkeit der Veröffentlichung charakterisirt, denn es steht wohl ausser Zweifel, dass der Dichter selbst damit nichts zu thun hatte. Wie hätte sonst Thorpe in seiner oft citirten verkünstelten Widmung „die, in den folgenden Sonetten von unserem unsterblichen Dichter verheissene Unsterblichkeit dem einzigen

Beschaffer*) Mr W H" wünschen können? Es sieht aus, als habe ein Freund Shakespeare's die in seinem Besitze befindlichen Sonette und jene, deren er sonst habhaft werden konnte (sie zirkulirten ja unter den „,besonderen Freunden") zusammengerafft und dem Verleger Thorpe, um sie vor dem Untergange zu retten, zum Drucke übergeben, wofür ihn dieser dann als „einzigen Beschaffer" in der Widmung ehren zu müssen glaubte wenn er den „Mr W H" nicht zugleich als Schild vorschob. Ich denke, einen solchen Vorgang kann man sich ohne allzugrossen Zwang vorstellen; wer aber der Mr W H gewesen sein mag, werden wir später zu untersuchen haben.

Halten wir ein solches Entstehen der Thorpe'schen Ausgabe **) von Shakespeare's Sonetten für wahrscheinlich, so können wir uns ferner denken, dass Thorpe kaum alle Sonette, die der Dichter unabhängig von seinen Dramen schuf, in seinen Besitz bekam, dass die uns überlieferte Sammlung also Lücken zeigt, was ihre Erklärung natürlich erschwert.

Von den vielen zur Erklärung der Sonette aufgestellten Theorien will ich, um einige Uebersicht zu gewinnen, hier nur die hauptsächlichsten anführen.

Drake (1817) äusserte als der erste die Vermuthung, der Graf v. Southampton möchte der Freund gewesen sein, den Shakespeare in den 126 ersten Sonetten besingt; mit den letzten 28, die an ein Weib gerichtet scheinen, weiss er nichts anzufangen. Boaden (1832) sah in „Mr W H" William Herbert, späteren Grafen von Pembroke, und hielt diesen für den Freund. Charles Armitage Brown (1838) brachte die von Boaden angebahnte *) Andere lesen das Wort,,begetter" als Erzeuger. **) erschienen 1609.

persönliche Theorie zum Abschluss: sämmtliche Sonette gelten Pembroke, die letzten 28 sind an die gemeinschaftliche Maitresse gerichtet. In Deutschland gewann diese persönliche Theorie gewichtige Anhänger, so in Ulrici, der an Pembroke und des Dichters Bekenntnisse glaubt, und in Gervinus, der nicht begreift, wie man an Southampton zweifeln kann. Auch Elze legt den 126 ersten Sonetten autobiographische Bedeutung bei, indem er aber doch in ihnen nicht sowohl das individuelle und ausschliessliche Eigenthum des Dichters als vielmehr einen Faktor und Element des allgemeinen Gedankeninhalts (Freundschaftsschwärmerei) seiner Zeit" sieht.*) Diese Ansicht bildet gleichsam eine Brücke zu den Folgerungen Jener, welche sich mit der persönlichen Theorie nicht befreunden konnten und zu dem Schlusse kamen, die Sonette behandelten fingirte Verhältnisse und von den Freunden eingegebene Gedanken (Dyce 1864) oder seien lediglich das Erzeugniss freier dichterischer Phantasie (Delius, Gildemeister). Henry Brown (1875) sieht in den Sonetten eine Satyre auf die in England herrschende Sonettenmanie, erkennt in ,,W H" den Grafen v. Pembroke und in der Schönen der letzten Sonette dessen Maitresse, mit der Absicht der Ironisirung nach Sidney's "Stella" (Lady Rich) gezeichnet. Goedeke endlich lässt, ohne auf eine Deutung der gesammten Sonette einzugehen, gewisse Nummern an die Familie, die Frau geschrieben sein und erklärt im übrigen die Freundschaft mit Southampton (d. h. wohl auch mit Bembroke), ebenso die unglückliche Ehe des Dichters, für eine Fabel. Während alle diese Ausleger ihre Ueberzeugungen

*) Karl Elze, William Shakespeare. Halle 1876. p. 498.

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