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dende Erzählung dargestellt werden soll. Hat er die in dem angegebenen Sprichworte ic. ausgesprochene Wahrheit klar erkannt, so muß er sorgfältig darüber nachdenken, auf welche Weise dieselbe recht deutlich, vollständig und lebendig durch eine von ihm gebildete Erzählung veranschaulicht werden könne. Daß ihm dabei der Begriff und das Wesen der Erzählung vollständig und deutlich vor dem geistigen Augen stehen müsse, versteht sich von selbst.

In allen Erzählungen kommen aber, wie dies dem Schüler aus den ihm bereits vorliegenden zahlreichen Erzählungen ganz klar geworden sein muß, Personen, Sachen und Handlungen vor, und das, was von diesen ausgesagt wird, muß in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Orte sich ereignen. Ueber die angegebenen Punkte muß daher der, der eine Geschichte erzählen will, durchaus im Reinen sein. Die dargestellte Begebenheit muß aber auch vor Allem das Gepräge der Wahrheit, oder wenn es etwas nur als geschehen Gedachtes ist, der Wahrscheinlichkeit an sich tragen, d. h. fie muß, wenn etwas Geschehenes dargestellt wird, so erzählt werden, wie sich dies zugetragen hat, und darf, selbst wenn sie nur erdichtet ist Märchen und Aehnliches ausgenommen nicht Dinge und Vorfälle darstellen, die nie und unter keiner Bedingung sich zutragen können, sondern jede einzelne Begebenheit muß möglich sein und so erzählet werden, wie sie sich schon einmal ereignet haben, oder noch ereignen könnte. Hieraus ergibt sich nun auch, daß alle einzelnen Züge in der Erzählung mit einander in gehöriger Uebereinstimmung stehen müssen, weil im Gegentheile die innere Wahrheit fehlen würde.

Damit die Erzählung nicht trocken und langweilig werde, hat man Fleiß auf die Darstellung und Schilderung der Personen, der Gegenden, des Schauplages der Begebenheiten, der Zeitumstände 2c. zu verwenden; auch gewinnt die Darstellung dadurch an Lebendigkeit, wenn man so oft, als möglich, die Personen redend einführt und die Empfindungen, welche entweder eine bei der Sache betheiligte Person oder der Erzähler bei einem Vorfalle hat, wenn auch nicht immer ausmalt, doch andeutet.

An Schüler, welche noch weniger im Fertigen von Aufsäßen gewöhnt sind, kann man übrigens, wie schon früher erwähnt wurde, in Betreff der Lebendigkeit der mündlichen oder schriftlichen Erzählung keine hohen Anforderungen stellen, und bei den ersten von ihnen gebildeten Erzählungen muß man sich schon damit begnügen, wenn die Begebenheiten treu, vollständig, klar und in der rechten Verbindung und Reihenfolge dargestellt werden.

The man eine Erzählung der obenbezeichneten Art mündlich oder ‍schrift lich fertigt, muß man die Hauptzüge derselben entwerfen, und dies fann dem reiferen Schüler bei gehörigem Nachdenken nicht sehr schwierig erscheinen, zumal da die Denk und Handlungsweise der Hauptperson der zu bildenden erzählenden Darstellung in dem gegebenen Sprichworte, Denkspruche 2c. bereits angedeutet ist, und da es deshalb nur darauf ankommt, die Person in eine solche Lage zu verseßen, in welcher diese Denk- und Handlungsweise am deutlichsten hervortritt, und welche deren gewöhnliche Folgen recht anschaulich werden läßt. Ist dieser, die Hauptzüge der zu bildenden Erzählungen enthaltende Entwurf abgefaßt, so wird er auf die früher schon angegebene Weise erweitert.

Daß der Schüler bei den ersten Versuchen der Art der leitenden Hand des Lehrers bedürfe, läßt sich leicht denken. Der Leßtere muß den Inhalt des durch

eine Erzählung zu erläuternden Sprichwortes, Denkspruches u. s. w. mit dem weniger Geübten besprechen, damit dieser den richtigen Sinn des aufgestellten Saßes. nicht verfehle, und dann muß er ihm die Hauptpunkte vorführen, welche in der Erzählung ausgeprägt und angewendet werden sollen, und ihm überhaupt die nöthige Anweisung zur richtigen Lösung der Aufgaben ertheilen, doch so, daß des Schülers geistige Selbstthätigkeit, so viel als möglich, geweckt und geübt wird. Für die ersten Uebungen dieser Art wähle man Säbe, welche leicht verständlich sind, und welche zugleich eine Wahrheit enthalten, die dem Schüler in dem Kreise seiner Erfahrungen schon recht anschaulich geworden ist. Ist das Leytere der Fall, so wird der Schüler seine Aufgabe um so leichter und besser zu fertigen verstehen. Es sollen nun einige Beispiele solcher Erzählungen hier folgen.

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1.

,,Wer nicht hören will, muß fühlen.“

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Karl kam an einem kalten Wintertage aus der Schule. Es hatte seit zwei Tagen stark gefroren, und indem er mit einigen andern Knaben. über eine Brücke ging, sah er, daß der Fluß mit Eis belegt war. Kommt," sagte er zu ihnen, wir wollen auf's Eis gehen!" Alle waren dazu bereit und liefen sogleich eine Treppe hinunter, die nach dem Flusse führte. Da kam ein alter Mann gegangen. „Kinder!" rief er, ,wo wollt ihr hin? Traut dem Eise nicht, es ist noch lange nicht stark genug, um euch zu tragen; es wird brechen." Da stußten die Knaben und scheuten sich auf das Eis zu gehen; nur der leichtsinnige Karl kehrte sich an die wohlgemeinte Warnung nicht, sondern ging doch auf das Eis; er spottete sogar über die Andern und rief ihnen zu: „Schämt euch, ihr habt kein Herz; wer wird sich fürchten!?" Aber er war kaum einige Schritte gegangen, da brach es schon, und er lag bis an den Hals im Wasser. Alle liefen geschwind davon, und Karl wäre verloren gewesen, wenn nicht der alte Mann, welcher aus gutherziger Besorgniß in der Nähe geblieben war, herzugelaufen wäre und ihn gerettet hätte. Karl zitterte wie Espenlaub, war todtenblaß und konnte anfangs kein Wort hervorbringen. Obgleich man sich Mühe gab, ihn bald wieder zu er wärmen, so wurde er doch recht krank und mußte einige Tage im Bett liegen bleiben. Merk dir," sagte der Vater, als er wieder gesund geworden war, „die Warnung: „Wer nicht hören will, muß fühlen."

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2.

Was Gott schickt, das ist wohlgemeint,
Obgleich es anfangs anders scheint."
a) Der Regen.

Ein Kaufmann ritt einst von einem Jahrmarkte nach Hause und hatte hinter sich ein Felleisen mit vielem Gelde aufgepackt. Es regnete heftig, und der gute Mann wurde durch und durch naß. Er war daher sehr unwillig, daß Gott ihm so schlechtes Wetter zur Reise gab. Jezt fam der Kaufmann in einen dichten Wald und sah mit Entsetzen einen Räuber am Wege stehen, der mit einer Flinte auf ihn zielte und sie abdrückte. Das Pulver war aber vom Regen feucht geworden, und die Flinte ging nicht los. Der Kaufmann gab dem Pferde den Sporn und entkam glücklich. Als er nun in Sicherheit war, sprach er: Was für ein Thor bin ich gewesen, daß ich das schlechte Wetter nicht als eine Schickung Gottes geduldig annahm! Wäre das Wetter schön und trocken

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gewesen, so läge ich jetzt todt in meinem Blute, und meine Kinder warteten vergebens auf meine Herkunft. Der Regen, über den ich murrte, rettete mir Gut und Leben!" Chr. Schmid.

b) Alles zum Guten.

Immer gewöhne sich der Mensch, zu kenken: „Was Gott schickt, ist gut, es dünke mir gut oder böje."

Ein frommer Weiser kam vor eine Stadt, deren Thore geschlossen waren; Niemand wollte sie ihm öffnen; hungrig und durftig mußte er unter freiem Himmel übernachten. Er sprach: Was Gott schickt, ist gut," und legte sich nieder.

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Neben ihm stand sein Esel, zu seiner Seite eine brennende Laterne, um der Unsicherheit willen in derselbigen Gegend. Aber ein Sturm entstand und löschte sein Licht aus; ein Löwe kam und zerriß seinen Esel. Er erwachte, fand sich allein und sprach: „Was Gott schickt, ist gut." Er erwartete ruhig die Morgenröthe.

Als er an's Thor kam, fand er die Thore offen, die Stadt ver wüstet, geraubt und geplündert. Eine Schar Räuber war eingefallen und hatte eben in dieser Nacht die Einwohner gefangen weggeführt oder getödtet. Er war verschont. "Sagte ich nicht," sprach er, „daß Alles, was Gott schickt, gut sei! Nur sehen wir meistens am Morgen erst, warum er uns Etwas am Abend versagte."

3.

Das gestohlene Pferd.

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Herder.

Ein Bauersmann, welchem bei Nacht sein schönstes Pferd aus dem Stalle gestohlen worden war, reiste zu einem weit entfernten Pferdemarkte, um ein anderes zu kaufen. Aber siehe da! unter den dort zum Verkauf ausgebotenen Pferden erblickte er auch das seinige. Ohne Umstände ergriff er es beim Zügel und sagte: „Das Pferd ist mein; vor drei Tagen ist es mir gestohlen worden." Der Mann, der das Pferd feil hatte, sagte sehr höflich: „Da seid Ihr in einem großen Irrthume, lieber Freund. Ich habe das Thier schon über ein Jahr; das Eurige mag ihm vielleicht ähnlich sehen." Schnell hielt der Bauer dem Pferde mit beiden Händen die Augen zu und rief: Nun, wenn Ihr den Hengst schon so lange gehabt, so sagt doch, an welchem Auge er blind ist!" Der Fremde, der das Pferd wirklich gestohlen hatte, gerieth jezt in die größte Verlegenheit. Um indes doch etwas zu erwiedern, so sagte er auf's gerathewohl hin: „An dem linken Auge!" „Nicht wahr!" verseßte der Bauer, das linke Auge ist vollkommen gesund!“ „Ach nein," sagte der Fremde, ich habe mich versprochen, an dem rechten Auge ist es blind." „Es ist gar nicht blind!" rief triumphirend der Landmann. „Seht her, es hat zwei ganz gesunde Augen!" Die Leute, die umherstanden, lachten und riefen dem Landmann Beifall zu. Der Pferdedieb wurde aber so gleich ergriffen und zur verdienten Strafe gezogen.

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So schlau und fein_ein Dieb_auch ist,
Er stößt einmal auf größre List.
4.

Chr. Schmid.

Unternimm nichts, ohne vorher den Ausgang reiflich zu erwägen.

Ein Tatar-Khan ritt einst mit seinen Großen auf die Jagd. Unterwegs begegnete ihm ein Terwisch, welcher einmal nach dem andernmal

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laut ausrief: „Wer mir 100 Goldstücke gibt, dem will ich einen guten Rath geben!" Der Khan war neugierig und fragte den Derwisch, worin sein guter Rath best h. „Du sollst ihn hören, Herr," antwortete der Derwisch, wenn du Befehl ertheilst, daß mir die 100 Coldstücke ausgezahlt werden." Der Khan ließ ihm die Summe reichen, und der Derwisch sagte mit warnender Stimme: „Unternimm nichts, ohne vorher den Ausgang reiflich zu erwägen!" Darauf ging er seine Straße. Das Gefolge des Khan lachte und spottete über den Rath, des Derwischs, welchen er sich so theuer hatte bezahlen lassen. Indessen der Khan äußerte darüber eine ganz andere Meinung. Der gute Rath," sagte er, welchen mir der Derwisch ertheilt hat, ist freilich eine sehr allge= meine Klugheitsregel. Allein eben weil sie allgemein ist, wird sie ani wenigsten befolgt, und dies war es vielleicht, weswegen sie der Derwisch mir so hoch anschlug. In Zukunft soll sie mir nie aus dem Gedächtnisse kommen. Sie soll über alle Thüren meines Palastes, an alle Wände meiner Gemächer und auf meine sämmtlichen Geräthschaften in deutlicher Schrift gesezt werden."

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Nach einiger Zeit faßte ein ehrgeiziger Statthalter den Vorsaß, den Khan aus dem Wege zu schaffen und sich des Thrones zu bemächtigen. Er erkaufte den Leibarzt für eine große Summe, und dieser versprach, dem Khan, sobald sich die Gelegenheit dazu zeigen würde, mit einer ver gifteten Lanzette zur Ader zu lassen. Diese Gelegenheit ereignete sich bald. Als aber dem Arzte in dem silbernen Becken, welches zur Auffassung des Blutes hingehalten wurde, die Worte: Unternimm nichts, ohne vorher den Ausgang reiflich zu erwägen," in die Augen fielen, stuzte er, und mit sichtbarer Aengstlichkeit legte er die vergiftete Lanzette zurück und nahm eine andere. Der Khan bemerkte dies und fragte, warum er die Lanzette verwechsle. Auf die Antwort, daß sie eine stumpfe Spitze habe, verlangte er sie zu sehen, weil ihm die Aengstlich: keit des Arztes nicht entging. Als der Arzt zögerte, sprang der Kahn auf und rief: „Nur ein offenes Geständniß kann dir das Leben retten! Deine sichtbare Aengstlichkeit verräth ein Geheimniß, wozu du in der Bosheit noch nicht reif genug bist!"

Der Arzt stürzt dem Khan zu Füßen und entdeckte ihm den Anschlag auf sein Leben, welchen auszuführen ihm die warnende Inschrift im Becken den Muth benommen habe. „Habe ich wohl," sagte darauf der Khan, dem Derwisch seinen Rath zu theuer bezahlt!"

Er schenkte dem Arzte das Leben, befahl den Statthalter zu ers drosseln und ließ den Derwisch überall aufsuchen, um ihn noch mehr zu belohnen. Ein Rath," seßte er hinzu, welcher Königen das Leben rettet, kann nicht ehrenvoll genug belohnt werden."

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5.

Aus den Palmblättern.

Die geprüfte Treue.

Der Khalif*) Mutewekul hatte einen fremden Arzt, mit Namen Honain, welchen er wegen seiner großen Wissenschaft sehr ehrte. Einige Hofleute machten ihm diesen Mann verdächtig und sagten, da derselbe ein

*) Khalif ist ein arabisches Wort und heißt: Nachfolger oder Stellvertreter.
Man gab früher den Nachfolgern Muhammed's diesen Namen.
Ritsert-Wagner, Lehre vom deutschen Stile.

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Ausländer sei, könne man sich auf seine Treue nicht wohl verlassen. Der Khalif ward unruhig und wollte ihn prüfen, in wie fern dieser Argwohn begründet wäre. Er ließ ihn zu sich kommen und sagte: „Honain, ich habe unter meinen Emirn*) einen gefährlichen Feind, gegen den ich seines starken Anhangs. wegen keine Gewalt gebrauchen kann. Daher befehle ich dir, daß du ein feines Gift zubereitest, das an dem Todten keine Spur von sich zurückläßt. Ich will ihn morgen zu Gaste laden und mich seiner auf diese Weise entledigen." Herr," antwortete Honain mit getroster Zuversicht, „meine Wissenschaft erstreckt sich blos auf Arzneien, die das Leben erhalten; andere kann ich nicht zubereiten. Ich habe mich auch nie bemüht, es zu erlernen, weil ich glaubte, daß der Beherrscher der wahren Gläubigen keine solchen Kenntnisse von mir fordern würde. Habe ich hierin Unrecht gethan, so erlaube mir, deinen Hof zu verlassen, um diese mangelnde Wissenschaft in einem anderen Lande zu erlernen." Mutewekul antwortete, dies sei eine leere Entschuldigung; wer die heilsamen Mittel kenne, der wisse, auch die schädlichen. Er bat, er drohte, er versprach Geschenke. Umsonst; Honain blieb bei seiner Antwort. Endlich stellte sich der Khalif erzürnt, rief die Wache und befahl, diesen widerspenstigen Mann in's Gefängniß zu führen. Das geschah; auch ward ein Kundschafter unter dem Echeine eines Gefangenen zu ihm gesezt, der ihn ausforschen und dem Khalifen von Allem, was Honain sagen würde, Nachricht geben sollte. So unwillig Honain über eine solche Begegnung war, so licß er sich doch mit keinem Worte gegen den Gefangenen merken, warum der Khalif auf ihn zürne. Alles, was er hierüber sagte, bestand darin, daß ihm Unrecht geschehe. Nach einiger Zeit ließ ihn der Khalif wieder vor sich bringen. Auf einem Tische lag ein Haufen Goldes, Diamanten und köstliche Stoffe; daneben aber stand der Henker mit einer Geißel in der Hand und einem Schwerte unter dem Arme. „Du hast Zeit gehabt," fing Mutewekul an, „dich zu bedenken und das Unrecht deiner Widerspenstigkeit einzusehen. Nun wähle: entweder nimm diese Reichthümer und thue meinen Willen, oder bereite dich zu einem schimpflichen Tode!" "Herr," antwortete Honain, die Schande besteht nicht in der Strafe, sondern in dem Verbrechen. Ich kann sterben, ohne die Ehre meiner Wissenschaft und meines Standes zu beflecken. Du bist Herr meines Lebens; thue, was dir gefällt!" „Geht hinaus!" sagte der Khalif zu den Umstehenden; und als er allein war, reichte er dem gewissenhaften Honain die Hand und sprach: "Honain, ich bin mit dir zufrieden; du bist mein Freund und ich der deinige. Man hatte mir deine Treue verdächtig gemacht; ich mußte deine Ehrlichkeit prüfen, um gewiß zu werden, ob ich mich vollkommen auf dich verlassen könne. Nicht zur Belohnung, sondern als Zeichen meiner Freundschaft werde ich dir diese Geschenke senden, die deine Tugend nicht verführen konnten." So sprach der Khalif und befahl, das Gold, die Edelsteine und die Stoffe in Honain's Haus zu tragen. Aus den Palmblättern.

6.

James Watt.

James Watt, der Sohn eines Kaufmanns in Greenok, hatte schon in der Kindheit öfters gezeigt, daß ihn Gott mit einem denkenden Kopfe

*) Emir heißt: Anführer, Statthalter.

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