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Die in körperlichem Wohlbefinden bereits empfohlene Enthaltung von Verunreinigung läutert sich (in den Brahmanen, als Phu-loi, zu den die Sünden Abwaschenden) auf psychischer Scala zu den erhabensten Ideen in den Religionen der Culturvölker, bis im Buddhismus mit moralischer Kraft das gesammte Weltganze erhaltend und in seiner Ordnung zusammenfassend.

So könnte auch der Makel einer Verunreinigung, wenn trotz der vom Staatscultus überall eingerichteten Jahresfeste der Reinigung zurückbleibend, das Ganze in Unordnung bringen, und zum Schrecken der darüber Nachsinnenden erneut sich diese Gefahr bei jedem der innerhalb des Stammes geborenen Mädchen, auf den Stufen der klimacterischen 6) Jahre, ja, zur Vermehrung des Grausens tritt eine Verknüpfung hinzu mit dem gewaltigsten magischer) Zaubermittel 8), dem (auch weiterhin verwertheten) 9) Blut 10), und zwar gerade bei seiner geheimnissvoll tiefsten Wirkungsfähigkeit, in Bildung des Homunculus 11) selber.

Sehr erklärlich deshalb, dass bei allen Naturstämmen, die in ihrem eng beschränkten Horizont durch die frisch erwachenden Fragen geschichtlicher Gestaltungsprocesse noch nicht abgezogen sind, der religiöse Gesichtskreis in den, mit jeder Persönlichkeit wiederholten, Entwicklungsphasen centert, und dadurch die Aufmerksamkeit absorbirt wird, ohne in der sonst (wie für tägliche Naturereignisse z. B.) leicht abstumpfenden Gewohnheit zu erschlaffen, weil hier, mit stets erneuerter Gefahr und ihren Bedrohungen, die Wachsamkeit lebendig zu halten ist.

Als mit der Fahrt S. M. S. Gazelle, mit freundlichem Eingehen der Kais. Admiralität auf die im Interesse der Ethnologie gemachten Vorstellungen, das für die Geschichte der Ethnologie bedeutungsvolle Ereigniss sich vollzog, dass aus dem letzten der, wegen Abgelegenheit und Schwerzugänglichkeit unberührt gebliebenen, Winkel, — unter den wenigen derart noch übrigen, in dem (sonst seiner ganzen Länge und Breite nach für psychische Originalitäten verlorenen) Continent Oceanien, unverfälschten Quellen entnommene Materialien dem Studium der europäischen Fachgelehrten vorgelegt werden konnten, erkannte sich bald, in Durchmusterung der dem königlichen Museum eingefügten Sammlungen, dass hier eine neue Gedankenwelt hervorquellen würde, nach welcher sich viele unserer bisherigen Theorien über die Weltanschauung des Menschen in seinem primitiven Zustande würden zu modificiren haben müssen. Wir gewannen hier plötzlich eine weite Masse thatsächlicher Anschauungen, bei denen wir sicher und gewiss sein durften, dass die (im Denken als Rechnen) zu verwendenden Ziffergrössen alle auf gleichartigen Elementarwerthen standen, also unmittelbare Combinationen erlaubten, während unsere bis dahin als vergleichend bezeichnete Mythologien an dem Kernfehler leiden mussten,

mit den Ziffern zu operiren, als ob dieselben an sich schon Zahlen repräsentirten, ehe der unbekannten Grösse, in Auflösung der Gleichung ihr Stellenwerth substituirt ist. Wenn man nach beliebter Manier parallele Vorstellungsweisen trotz ihrer Inconsequenz unbedenklich durcheinander wirft, Analogien vielleicht, welche bald dem authochthonischen Niveau, bald auf Stufengraden der Sage (in volksthümlicher hier, in poetischer Ausbildung dort) oder unter religiöser Färbung entnommen sind, so kann, ohne inductiven Einblick in den psychologischen Wachsthums process (und Kenntniss der für ihn geltenden Gesetze arithmetischer und geometrischer Progressionen), nichts Besseres dabei herauskommen, als wenn bei einem gestellten Rechnenpensum, worin die Ziffer 7 etwa neben ihrem einfachen Zahlenwerthe unter dem verschiedengradiger Potenzen oder Bruchtheilungen auftreten mag, dieselbe durchweg als homogen betrachtet worden wäre, im Hinwürfeln magischer Quadrate und anderer Spielereien. Ausserdem musste. von vornherein die Ethnologie, als sie nach dem Entdeckungsalter allmählig ins Leben trat, mit dem nowτor weúdos behaftet sein, dass man (wie es damals nicht anders sein konnte), von den Principien historischer Culturanschauungen eigener Beherrschung ausgehend, unter deren Brille das bei den Naturstämmen Erblickte betrachtete und fassbar zurecht zu legen suchte. Jedem Geschichtsvolk aber, sobald zum Bewusstsein als solches erwacht, ist damit dann bereits die Kenntniss seiner Vergangenheit, aus träumerischem Morgen der Kindheit, nothwendigerweise verloren gegangen, und jene primären Vorstadien, auf welchen die Voranlagen frühester Ideenentwickelung keimten, werden sich nur in einem Gedankengange verstehen lassen, der sich, losgelöst von vorgefassten Deductionen, rein objectiv den (unbeeinflusst und unverfälscht) angesammelten Materialien zuwendet.

Ansammlung des Materials hat also als erste und unerlässliche conditio sine qua non zu gelten, und wer, ohne vorheriges Herbeischaffen von Bausteinen, eine Wissenschaft vom Menschen im inductiven Sinne errichten zu können meint, wird, wenn seine Ohren für Worte taub verblieben, sich unsanft daraus durch Ocular-Demonstrationen aufrütteln lassen müssen. Gegen Thatsachen hilft dann kein Disputiren, und Thatsachen werden reden, wenn die Ethnologischen Museen, deren Bau sich überall jetzt vorbereitet, geöffnet stehen.

Unter den Neuigkeiten, welche sich der Ethnologie während des mit dem letzten Jahrzehnt eingetretenen Wendepunktes aus allen Theilen der Erde zu offenbaren beginnen, waren es bei den bereits erwähnten Sammlungen besonders die wunderbaren und wunderlichen Schnitzereien aus Neu-Irland, welche allseitiges Erstaunen in Fachkreisen hervorriefen.

Aus verstecktester Ecke des Globus, wohin anthropo-ethnische Schulweisheit die nächsten Verwandten der Amanut, oder Halbmenschen wenigstens, zu verweisen beliebt hatte, brachten uns die

Sammelergebnisse allerlei Gedankenverkörperungen, unter denen eine Fülle derjenigen Ideenkeime zu schwellen scheinen, wie sie sich bei höchsten der Culturvölker in den beiden Hemisphären, unter den begünstigteren Bedingungen dieser, zu vollerem Schwunge entfaltet hatten, bei Assyrer, Aegypter, Mayas u. s. w., unter derartigen Reminiscenzen, die unwillkührlich bald an die einen, bald an die anderen, wenn nicht an alle miteinander, erweckt wurden, je nachdem der Blick auf dieses oder das, der glücklich noch im letzten Augenblicke aus dem bevorstehenden Untergange geretteten Stücke fallen mochte.

Klar genug trat es entgegen (schon aus einem Ueberblick dessen, was ausserdem zur Vergleichung vorlag), dass in diesen Schnitzwerken der dem Volke einwohnende Kunstsinn vorwiegend zum Ausdruck gekommen, dass in ihnen die gesammte Denkthätigkeit (soweit überhaupt bereits zur freien Selbstschöpfung gelangt) ihre hauptsächliche Verkörperung gesucht, dass wir hier also die mythologische Spiegelung des Makrokosmos im Mikrokosmos vor uns hätten, (in jenen für Sammlungen verschaffbaren Abdrücken, wie sie eben einst in ethnologischen Museen sich zu proclamiren haben werden), und doppelt werthvoll in diesem Falle, weil, wie bereits erwähnt, aus noch ungetrübter Quelle erlangt, in durchaus eigenartiger Originalität characteristischen Typus'.

Da es sich also um das Religiöse handelte, suchte man, nach gewohnter (und allerdings naheliegender) Schablone, zunächst die Götter, zumal die Magistral-Praecepte und Recepte ethnologischer Handbücher für Polynesien bereits einen ganzen Götterhimmel wohnlich hergerichtet hatten, mit allen Bequemlichkeiten nach classischen Vorbildern.

So reich sich indessen auch die Kategorie der Tempelverzierungen erwies, so kam man doch über diese nur wenig hinaus, und seit den durch factische Beobachtungen mit den Reinigungs-Ceremonien 12) hergestellten Beziehungen, springt gewissermassen ein zündender Funke auf, durch den sich allerlei in gährender Mutterlauge bisher schon schwankende Disjecta membra 13) für einen der in der Ethnologie leitenden Primär-Gedanken krystallinisch zusammenordnen.

Es ergiebt sich also für die ethnische Psychologie eine ElementarCombination, die sich auf der ganzen Erde, in allen Continenten, wiederholt und wiederholend wiederkehrt, in Dutzenden, in Hunderten (und bei fortgehender Materialbeschaffung, soviel dafür noch Zeit, später wahrscheinlich in unzähligen) Beispielen, in vollster Uebereinstimmung unter localen 14) Modificationen (wie von selbst gegeben) bis ins einzelnste Detail, und um bei monotoner Identität nicht durch gleichlautende Repetitionen zu belästigen, könnte es genügen, als auf drei Grundpfeiler (zwischen denen sich ein sogleich die ganze Oberfläche des Globus überspannendes Dreieck ziehen liesse), auf drei Localitäten zu verweisen, die der Koloschen, wie mit Erman's 15) treuer Genauigkeit überliefert, (hoch im Norden nördlicher Hemisphäre), die der Loango

Küste 16) (als selbst gesehen), und dann (in südlicher Hemisphäre) Neu-Irland.

Und für den auf dem objectiven Standpunkt Stellung Nehmenden, (sobald die Sachen also aus der ihnen natürlichen Perspective betrachtet werden), ergiebt sich bald, dass Alles genau so sein muss, wie man es findet, dass es gar nicht anders weder zu erwarten, noch erwartet werden könnte. Alles Seiende ist vernünftig, wenn eben vernünftig angesehen (wenn Vernunft hineingetragen). Je enger der Horizont des Gedankenganges, deste fester zeigen sich die Glieder desselben ineinandèrgekettet, desto logischer geschlossen für den dadurch Gebundenen, obwohl für den Aussenstehenden natürlich desto absurder (und wenn ein Höherstehender nothwendig so, für ihn).

>>Nihil facile reperiatur mulierum profluvio magis monstrificum<<, heisst es bei Plinius, und nun folgt eine Aufzählung 17), zwei Capitel in zwei Bücher hindurch, über das Grauenhafte der Gefahren 18), mit welchem aus dem angeführten Grunde die ganze Natur bedroht ist, die Menschheit, in allen Beschäftigungen des täglichen Lebens, ja in ihrer Existenz überhaupt. Das geht aus den Worten selbst hervor: »>Die Fruchtkörner verlieren ihre Keimkraft«, »die Setzlinge sterben ab«, »die Gartenpflanzen verdorren«, »die Früchte fallen von den Bäumen«, »der Glanz der Spiegel wird matt«, »das Eisen wird bröckelig«, »das Elfenbein schwärzt sich«, »das Erz setzt Rost an«, >>Papier wird fleckig«, »Rasirmesser werden stumpf«, »Hunde werden wüthend«, »die Bienen ergreifen die Flucht« u. s. w. 19). Hiermit wohl schon genug, um zu erklären, dass die Naturvölker, auch wenn sie genügsamer gedacht 20) haben mögen, als der hochgebildete Römer zur Prachtperiode der Kaiserzeit, doch aus Selbstvertheidigung bereits sich genöthigt gesehen haben müssen, die Menstruirende mit jeder Art emblematischer Symbole, soviel deren ihre Phantasie nur erzeugen konnte, zu umgeben, als abwehrende Fetische (in Stelle von vɛoì άлorqonαιoí oder Averrunci). Ja die Aleuten thun noch ein Uebriges, indem sie der Menstruirenden einen breitkrämpigen Hut aufsetzen, (die Delawaren ihr den Kopf verhüllen) 21), da sie ausser dem die Erde vergiftenden Pesthauch, auch dem Himmel sogar schaden könnte, durch den Blick, der besonders in solch kritischen Perioden ein »böser« zu nennen sein wird, (und wie gerade dieser »böse Blick« wieder ein dominirendes Moment in der Vorstellungsweise eines Volkes werden mag, das ist mit der, der Ethnologie noch ebenfalls zur rechten Zeit ermöglichten, Rettung an der Nordwestküste Amerikas vor Augen getreten).

Welche bedeutsame Rolle im Leben der Naturvölker, wie Alles mit den Altersstufen 22) und deren Einfluss auf die socialen 23) Gebräuche Verknüpfte, vornehmlich die Menstruationsperiode, (wie daneben die Jünglingsweihe mit den so vielgestaltigen, und dennoch überall innerlich gleichartigen Geheimgebräuchen zur Feier der Neu

geburt in der Pubertät 24), bei Quojas, Basutos, Alfuren, Australier u. s. w.) nothwendig spielen musste, hatte den mit Ansammlung des Materiales beschäftigten Ethnologen nicht verborgen bleiben können, und so gelangte man nicht nur auf die vielfachen Ueberbleibsel im Volksglauben 25), sondern, neben populären Religionsdeutungen 26), auch auf die nachzitternden Schattenbilder im Alterthume, die sich unter der später verdeckenden Culturschicht (ungeachtet naheliegender Ausschweifungen) 27) hier und da noch schwach erkennen lassen, in Betreff (orientalischer) Reinigungen 28) nicht nur im Allgemeinen, sondern beim genaueren Anschluss an römische Juno 29) sowohl wie Diana, und deren Seitenbild bei den Griechen. Als abgeschlossen 30) hiessen die Jungfrauen (s. Becker) xaranhɛíoroι (bei Callim.) oder alaμενόμεναι und φρουρούμεναι (bei Aristaean).

Als άoxto (für die Pentaeteris hindurch) wurden beim brauronischen 31) Fest (mit dem Ziegenopfer der Hieropöen) die Mädchen der Artemis geweiht, in buntestgestickten Festkleidern (mit emblematischen Symbolen als abwehrende Fetische).

Dass derartige Auszeichnung im Festgepränge neidisch macht, hat nichts auffälliges, und am Altar der brauronischen Artemis (als Orthia oder Orthosia) wurden (in Sparta) Knaben blutig gegeisselt (um dem Blutfluss der Mädchen zu entsprechen). Zum solchgestaltigen Gedankengang der Naturvölker (oder in prähistorischen Zeiten) könnte sich aus dem der Kinder die entsprechenden Belege entnehmen lassen (in fliegenden Blättern oft genug, und leicht gefunden).

Der Schutz, den die Papua gegen das Drohende des feindlich Bösen in ihren Tempelverzierungen gesucht haben, manifestirt sich unter den auf der ganzen Erde für diesen Zweck identischen Formen, nun auch bei ihnen: in den Masken (wie sich ihre Ueberbleibsel manchmal noch auf der Bühne erhalten) und grausigen Ausstaffirungen jeder Art, in phallischen Symbolen geschlechtlicher Darstellungen, in fletschend grinsenden Gorgonenhäuptern, ausgestreckten Zungen (wie auch auf den Haui der Maori), in Hauerzähnen (zum Seelenfressen bei doppeltem Scheitel in der facies cornuta), und all' derartig stereotyp wiederkehrenden Emblemen mehr, besonders aber auch in einem der hervortretendsten derselben, in der Breitung des Flügelschutzes, dem, wie die Aegypter 32) die Sonne (im »winged globe«)33), so der Papua den Halbmond 34) eingefügt haben, während bei den Assyrern 35) zugleich in der Hand der Mittelfigur ein Pfeil gezückt liegt, (wie auf dem Bogen Apollos als Apotropaios), und dann die Papua wieder den Kampf des Vogels mit der Schlange 36), der (wie in Garuda's Feindschaft gegen die Naga) alle Continente durchschreitet, zur Verwerthung bringen, und dabei ferner noch auf Uebereinstimmung mit den Azteken gefallen sind, in der Auffassung, unter welcher der Vogel mit der Schlange im Schnabel auf dem mexicanischen Wappen zu sehen.

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