diese Stücke hindurch. Besonders der schattenhafte Chor, der mit der Handlung und den auftretenden Personen nur in lockerem Zusammenhange steht und vornehmlich die Aufgabe hat, die Akte durch Zwischenlieder zu markieren,1) gibt ihm Anlass, sich über die allgemeinen Fragen des Seins, meist in stoischem Sinn, auszusprechen; doch legt er auch seinen Personen nicht selten philosophische Sätze in den Mund. Da werden Probleme erörtert oder gestreift wie das Fatum (Oedip. 980), der Weltuntergang (Thyest. 827), der Tod (Troad. 392), der Selbstmord (Phoeniss. 151 fg.), das Glück des leidenschaftslosen, von Ehrgeiz freien Mannes (Thyest. 342). Auch politische Diskussionen werden geführt; so wird die Frage aufgeworfen, ob man die Herrschaft auf Liebe oder auf Furcht gründen soll, wir hören den Satz, dass niemand ein gewaltsames Regiment lange erträgt, und dass nur dem massvollen längere Dauer beschieden ist. 2) An einer anderen Stelle3) heisst es dagegen: Regieren will nicht, wer vor Hass sich fürchtet: Gott, der das All erschuf, hat zugesellt Den Hass dem Throne. Im Thyestes spricht Atreus die Grundsätze seiner Regierung aus; er vertritt einen schroffen Standpunkt, er verlangt, dass das Volk unter allen Umständen den Handlungen seines Herrn Beifall spende, ja er geht sogar so weit, zu behaupten, dass es unmöglich sei, durchweg mit ehrlichen Mitteln zu regieren (214). Ihm gegenüber nimmt der Satelles den Standpunkt der Mässigung ein. Oft ergeben sich, wie bereits erwähnt, zu den in den Tragödien entwickelten Sätzen schlagende Parallelen aus den philosophischen Schriften, ein Beweis, dass der Philosoph Seneca und der Tragiker Seneca dieselbe Person sind. Auch in der Form, in der die philosophischen Axiome vorgebracht werden, zeigt sich die Verwandtschaft, hier wie dort finden wir die epigrammatisch zugespitzten Sentenzen in reicher Fülle.4) Noch mehr enthüllt sich das eigene Wesen des Autors in der dichterischen Composition. Der griechische Dichter wurde nur geleitet durch die Rücksichten auf das Schöne, das sich in stiller Grösse durch sein Werk entfalten sollte; der Römer wollte einen Effekt erzielen. und zwar mit den Mitteln, welche ihm der rhetorische Unterricht an die Hand gegeben. Dort hatte er gelernt, farbenreiche Beschreibungen hinzuwerfen,5) die verschiedenen Affekte kunstvoll zu zeichnen, die für die jeweiligen Stimmungen passende Situation in schlagender Weise vorzuführen; nicht aber hatte er dort gelernt die Versenkung in einen werdenden Charakter, die zarte Motivierung der verschiedenen Handlungen, die stufenmässige Entwickelung eines tragischen Stoffes. Mehr als Rhetor 1) Ribbeck, Gesch. der röm. Dicht. 3 p. 77; F. Leo, 1. c. p. 511; Michaut, Le génie latin, Paris 1900; Lindskog, Studien zum antiken Drama II p. 32, der zugleich (p. 43) bemerkt, dass der Chor an dem Dialoge nur dann teilnimmt, wenn sich nicht mehr als eine Person auf der Bühne befindet". 2) Troad. 258: violenta nemo imperia continuit diu, | moderata durant. 3) Phoen. 654: regnare non vult, esse qui invisus timet: | simul ista mundi conditor posuit deus, odium atque regnum. 4) F. Kunz, Sentenzen in Senecas Tragödien, Wiener Neustadt 1897. 5) So war die Schilderung des Seesturms und Schiffbruchs ein beliebtes rhetorisches Muster. Seneca gibt eine solche im Agamemnon; vgl. Ribbeck, Gesch. der röm. Dicht. 3 p. 74. denn als Dichter tritt er an seine griechischen Muster heran. Er braucht vor allem Reden, die dramatische Bewegung steht ihm daher erst in zweiter Linie; er braucht spannende Scenen, sein Blick ist daher weniger auf die Verbindung der Teile zu einem abgerundeten Ganzen gerichtet; er muss starke Töne anschlagen, wenn er die abgestumpften Nerven seines Publikums erregen will, das Geheimnis der Harmonie, das mit so wohlthuender Wärme aus den griechischen Schöpfungen herausleuchtet, ist ihm versagt. Der am meisten in die Augen springende Grundzug dieser Stücke ist daher das Masslose, das Forcierte, das Pathetische. Beispiele für das Gesagte finden sich allenthalben in diesen Tragödien, und wir haben auf verschiedenes hieher Gehörige bereits in den Analysen aufmerksam gemacht. Um eine schauerliche Beschreibung der Unterwelt anbringen zu können, tritt Theseus mit Hercules zugleich auf, und während dieser zur Züchtigung des Lycus schreitet, finden die Anwesenden die Geduld, der Erzählung aufmerksam zuzuhören. Die Totenbeschwörung des Tiresias und die Giftmischereien der Medea werden zu ganzen Scenen ausgestaltet, da hier der Dichter die erwünschte Gelegenheit fand, durch Darstellung des Grässlichen zu betäuben. Auch sonst scheut er sich nicht, Dinge, vor welchen der zarte Sinn der Griechen sich abgewendet hat, offen darzulegen. Er lässt die Jokaste nochmals mit dem geblendeten Oedipus zusammentreffen, er lässt die Phaedra selbst dem Theseus ihre Schuld gestehen, er lässt die Medea die Kinder vor unseren Augen hinschlachten, er lässt Hercules' wahnsinnige Thaten öffentlich vor sich gehen; alles dies zu dem Zwecke, um pikante, grause Scenen zu erhalten. Die Charaktere werden durch das Pathos, durch die stete Steigerung der Affekte stark vergröbert. Seine Deianira gebärdet sich infolge ihrer Eifersucht wie wahnsinnig, auch bei Medea versteigt sich die Leidenschaft ins Ungemessene und Wilde, die uns aus der griechischen Tragödie so sympathisch gewordene Antigone tritt bei ihm als eine redegewandte Sophistin auf, Phaedras Schuld wird losgelöst von der göttlichen Einwirkung der Venus und dadurch verstärkt. Was aber am meisten diese Tragödien von den griechischen trennt, ist die überall sich breit machende Rhetorik;1) deklamiert wird bei dem Römer ausserordentlich viel, und die Deklamationen zeigen ganz die Vorzüge, aber auch die Gebrechen der Beredsamkeit jener Tage. Sie sind lebhaft, geistreich, scharfsinnig, blühend, aber auch affektiert, überladen, spitzfindig und unnatürlich. Auch im Versbau verrät sich trotz der gefeilten Technik im Einzelnen ein Sinken des guten Geschmacks; dies zeigen besonders die lyrischen Partien. Es fehlt dem Dichter der Sinn für das Ganze und die Harmonie; die Elemente sind nicht zu Einheiten verbunden, und Willkür treibt ihr loses Spiel. Die spätere griechische Tragödie wird auch hier ihren verderblichen Einfluss ausgeübt haben. Es ist eine alte Streitfrage, ob die Tragödien Senecas zur Aufführung bestimmt waren.2) Untersucht man dieselben vorurteilsfrei, so wird man 1) R. M. Smith, De arte rhetorica in L. A. Senecae tragoediis perspicua, Leipz. 1885. 2) G. Boissier, Les tragédies de Sénèque ont-elles été représentées?, Paris 1861; R. Peiper, Praefationis in Sen. trag. nuper editas supplementum, Breslau 1870, p. 6. in ihnen nichts entdecken, was ihre Aufführung unmöglich erscheinen liesse. Ja, es finden sich sogar Bühnenregeln beobachtet; so beschränkt der Dichter sich auf drei Sprecher in den einzelnen Scenen,1) er hält die fünf Akte2) ein, er macht die auftretenden Personen und den Ort kenntlich.) Ferner ist zweifellos, dass die rhetorische Kunst dieser Produkte erst durch wirklichen Vortrag, nicht durch blosse Lektüre lebendig wird. Für die ungebildete Masse mochten diese Dichtungen allerdings wenig Anziehungskraft haben, für die Gebildeten dagegen, welche sämtlich die rhetorische Schule durchgemacht hatten, musste das Anhören dieser Stücke den gleichen, ja vielleicht einen noch höheren Genuss bereiten als das Anhören von Deklamationen über abstruse Themata. Und wenn die Tragödien des Pomponius Secundus, denen wir auf Grund des Zeugnisses von Quintilian (vgl. § 381) auch den rhetorischen Charakter beilegen müssen, wirklich aufgeführt wurden,4) so ist es ungereimt, es von vornherein als eine Unmöglichkeit zu betrachten, dass Seneca für die Bühne gedichtet. Eine andere Frage ist, ob die Stücke wirklich zur Aufführung gelangten. Bei dem Niedergang der dramatischen Poesie, welcher durch das Überwuchern des Pantomimus erzeugt wurde, ist es sehr leicht möglich, dass sie nur in der Recitation und in der Lektüre fortlebten. Unter allen Umständen übten sie keine tiefgehende Wirkung auf die römische Litteratur aus,) doch haben sich auch von ihrer Benutzung Spuren bei Späteren erhalten. Auch im Mittelalter zeigen sich nicht viele tiefgehende Spuren unserer Tragödien. 6) Einen nachhaltigen Einfluss übte aber Seneca auf die moderne Litteratur aus.) In Italien lässt sich das Studium und die Nachahmung der Tragödien Senecas durch Jahrhunderte hindurch verfolgen. Auch in der Entwickelungsgeschichte der französischen Tragödie nimmt unser Autor eine ganz hervorragende Stellung ein; Corneille und Racine haben aus ihm geschöpft und sich an ihm gebildet. Selbst nach England hinüber erstreckte der römische Tragiker seine Wirkung.) Schon aus dieser Einwirkung ergibt sich, dass diese Tragödien nicht bedeutungslos sein können und ein ernsteres Studium verdienen. Freilich mit dem Aufleben des Hellenismus war die Rolle dieser Produkte ausgespielt. Jetzt bilden sie ein interessantes Seitenstück zu den Erzeugnissen des klassischen Griechentums, das uns belehrt, dass das hellenische Ideal des Schönen unübertroffen dasteht und ein Abweichen von demselben sich jederzeit rächt. 6) Creizenach, Gesch. des neueren Dramas 1, Halle 1893, p. 4; über das Erwachen der Senecastudien zu Anfang des 14. Jahrh. vgl. denselben p. 486 f.; über den einflussreichen Commentar des Dominikaners Nicolaus Treveth (c. 1260-1330) vgl. p. 490; über das Studium in der Humanistenzeit vgl. P. 516. 7) Ranke, Abh. und Vers. P. 72. 8) R. Peiper, Chaucer und seine Vorbilder im Altert. (Fleckeis. Jahrb. 97 (1868) p. 65); J. Cunliffe, The influence of Seneca on Elizabethan tragedy, London 1893. Vorbilder. F. Leo, Ausg. 1 p. 160; Widal, Études sur trois tragédies de Sénèque, imitées d'Euripide, Aix 1854; A. Zingerle, Zu späteren lat. Dichtern 1, Innsbruck 1873, p. 12; Fr. Strauss, De ratione inter Sen. et antiquas fabulas rom. intercedente, Rostock 1887; Ter Haar Romeny, De auctore tragoediarum quae sub Senecae nomine feruntur Vergilii imitatore, Leyden 1887; F. Leo, Ausg. 1 p. 156 und 166 (Vergil und Ovid). Ueber die Vorbilder in Bezug auf die Tropen vgl. Gaheis, De troporum in L. A. Sen. tragoediis generibus potioribus (Dissert. philol. Vindob. 5 (1896) p. 1). Ueber die Nachahmung älterer Autoren in den Chorliedern vgl. Ribbeck, Gesch. der röm. Dicht. 3 p. 77. Die Metrik Senecas. Die Versmasse der lyrischen Partien kann man nach F. Leo, Die Composition der Chorlieder Senecas (Rhein. Mus. 52 (1897) p. 514) in drei grosse Gruppen bringen. 1) Die Kurzverse (Anapäste, Jamben, Glykoneen); das System ist aber völlig aufgegeben. 2) Die nach horazischer Technik geformten lesbischen Verse (sapphische und asklepiadeische), wozu die epodischen Verse treten." 3) Die fast ganz aus horazischen Elementen nach der Schultheorie (Caesius Bassus) selbstgebildeten Verse in Oedipus und Agamemnon. Dazu einige Hexameter." Die Cantica können entweder aus einer oder mehreren Versarten gebildet werden; sie haben weder Strophe (Ausnahme: Medea 579) noch Responsion, aber die der jüngeren dramatischen Lyrik angehörige Gliederung. F. A. Lange, Quaest. metr., Bonn 1851, p. 23; Bernh. Schmidt, De emendandarum Senecae trag. rationibus prosodiacis et metricis, Berl. 1860; Hoche, Die Metra des Tragikers Seneca, Halle 1862; L. Müller, Fleckeis. Jahrb. 89 (1864) p. 419 (sachkundige Kritik der metrischen Komposition); De re metr., Petersb.-Leipz.2 1894, p. 124 u. ö.; G. Richter, Die Composition der Chorlieder in den Tragödien des Seneca (Rhein. Mus. 19 (1864) p. 360, 379, 521); R. Peiper, Strophen in Sen. Chorliedern (Zeitschr. für das Gymnasialw. 18 (1864) p. 247, 328, 694. Gegen die Strophentheorie, welche G. Richter (Fleckeis. Jahrb. 99 (1869) p. 769) zu verteidigen sucht, vgl. ausser Bernh. Schmidt, Fleckeis. Jahrb. 97 (1868) p. 781 und 855 noch Madvig, Advers. crit. ad script. graec. et lat. 2 p. 110; F. Leo, Ausg. 1 p. 135; Spika, De imitatione Horatiana in Sen. canticis chori, Wien 1890; Reichardt, De metrorum lyr. Horat. artificiosa elocutione, Marb. 1889, p. 48; Ribbeck, Gesch. der röm. Dicht. 3 p. 80; Michelangeli, Adnotat. metr. ad Sen. Medeam (Rivista di filol. 1897 p. 602). Fortleben Senecas. Ueber Nachahmungen des Oedipus und Herc. furens bei Statius und Quintilian vgl. R. Peiper, Praefationis in Sen. trag. nuper editas supplem., Breslau 1870, p. 4, 35; über Lucan als Nachahmer Senecas vgl. Hosius, Fleckeis. Jahrb. 145 (1892) p. 350. Ueber die Nachahmungen Senecas in Bezug auf Tropen vgl. Gaheis, De troporum etc. Ueber die Spuren Senecas im späteren Altertum vgl. Peiper, Rhein. Mus. 32 (1877) p. 532; C. Weyman, Seneca und Prudentius (Commentat. Wölfflin, Leipz. 1891, p. 281); G. Sixt, Des Prudentius Abhäng. von Seneca und Lucan (Philol. 51 (1892) p. 501); Birt, Praef. zu Claudian, p. CCI Anm. 1. Ueber ein nach der schlechteren Handschriftenfamilie gemachtes Florilegium aus Senecas Tragödien vgl. F. Leo, Anecdoton Lugdunense (s. XIV) eclogas e tragoediis Senecae continens (Comment. in honorem Fr. Buecheleri H. Useneri, Bonn 1873, p. 29); über andere Florilegien vgl. Peiper, in den Appendices seiner Abh. De Sen. tragoed. vulgari lectione (A) constituenda (Festschr., Breslau 1893, p. 55). Bis zum J. 1200 wird von den Tragödien Senecas nur eine einzige Handschrift zu Pompuse s. XI erwähnt, die vielleicht mit dem Laurentianus 37, 13 identisch ist. Die Spuren der Tragödien im Mittelalter verfolgt Manitius, Beitr. zur Gesch. röm. Dichter im Mittelalter (Philol. 56 (1897) p. 538) und Peiper, De Sen. trag. vulgari lectione etc. in seinen Appendices. P) Seneca als Satiriker und Epigrammatiker. 379. Des Claudius Verkürbissung. (Divi Claudii 'Aπoxoλoxúvτwσ15). Ein hochinteressantes Schriftstück ist diese Schmähschrift gegen den verstorbenen Kaiser Claudius. Es ist eine menippische Satire, denn sie bietet die dieser Gattung eigentümliche Mischung von Prosa und Poesie. Wir führen kurz die Grundzüge derselben vor: Claudius liegt im Todeskampf, Mercur bittet eine der Parcen, demselben doch ein Ende zu machen. Clotho reisst daher das Lebensgespinnst des Claudius ab; zugleich spinnen die Parcen den Faden, an dem das Leben Neros hängt, immer weiter und weiter; Apollo begleitet sie mit seinem Gesang, er feiert in überschwenglicher Weise den neuen Kaiser. Claudius kommt im Olymp an; die Götter staunen über den sonderbaren Menschen; da sie aus seinem Kauderwelsch nicht herausbringen können, wessen Landes Kind er sei, wird der auf der ganzen Welt herumgereiste Hercules herbeigeholt, um sich den Menschen anzusehen und Aufschluss zu erteilen. Auch Hercules wird es bei dem Anblick des Fremdlings nicht geheuer; mit dem bekannten homerischen Vers τis лódev stellt er ein Examen an; Claudius antwortet ebenfalls mit einem homerischen Hexameter, durch denselben seine Abstammung von Ilion kundgebend. Ihm fällt aber die Göttin Febris, die den Claudius allein von den Göttern Roms begleitet hatte, in die Rede und deckt boshaft seinen Ursprung aus Lyon auf. Hercules fordert ihn in tragischen Versen auf, die Wahrheit zu sagen, zugleich auf seine Keule hindeutend; Claudius sucht Hercules zu begütigen. Leider ist hier in der Überlieferung (wahrscheinlich durch den Ausfall eines Blattes) eine Lücke eingetreten, der Zusammenhang erfordert die Darlegung, dass es Claudius gelang, Hercules dafür zu gewinnen, dass er ihn in den olympischen Senat einführe. Mit den Verhandlungen, ob der Kaiser unter die Götter aufgenommen werden soll, fährt das Erhaltene fort. Die heftige Schlussrede des vergötterten Augustus über die Schandthaten des Claudius führt zu einem verneinenden Votum der Himmlischen. Der Götterbote Mercur packt ihn, um ihn in die Unterwelt zu führen. Als sie auf dem heiligen Wege in dieselbe ziehen, werden sie des Leichenbegängnisses des Claudius gewahr und hören die dabei gesungene Totenklage; der Dichter teilt dieselbe mit. Im Fortgang ihrer Reise stossen sie auf den ehemaligen Freigelassenen des Claudius, Narcissus, auch er war auf dem Weg zur Unterwelt begriffen; er wird vorausgeschickt, die Ankunft des Claudius zu melden. Als Claudius bei den Unterirdischen angekommen war, schleppt ihn Pedo Pompeius sofort vor den Richterstuhl des Aeacus und macht ihm den Prozess. Claudius wird schuldig gesprochen. Schwierigkeit macht die Bestimmung der Strafe; man beschliesst, eine ganz neue über ihn zu verhängen: der leidenschaftliche Würfelspieler wird verurteilt, mit einem Würfelbecher zu spielen, dessen Boden den Würfel vor dem Wurf durchgleiten lässt. In gebundener Rede wird seine Strafe geschildert. Man sollte nun meinen, das Drama sei aus, allein es kommt ein Anhang, nämlich ein neuer Prozess. C. Caesar Caligula reklamiert den Claudius als seinen Sklaven, derselbe wird ihm auch zugesprochen; Caesar schenkt aber den Claudius dem Aeacus; dieser übergibt ihn wiederum seinem Freigelassenen Menander,1) damit er diesem in den Untersuchungssachen als Knecht diene. Diesen Anhang finden wir sehr störend, gegenüber dem ersten Prozess fällt dieser zweite in seiner Wirkung bedeutend ab. Das Missbehagen würde aber verschwinden, wenn noch eine Strafe den Claudius treffen würde, welche die bisher verhängte überbietet und so einen glänzenden Schlusseffekt herbeiführt. Mit anderen Worten, es scheint ein Ausfall am Schluss der Satire eingetreten zu sein.2) Diese Annahme findet auch von einer anderen Seite her Unterstützung. Der Titel unserer Schrift ist in der massgebenden Überlieferung: „Divi Claudii apotheosis Annei Senecae per saturam." Allein bei Dio Cassius lesen wir, dass Seneca eine Schmähschrift gegen Claudius schrieb, welcher er den Titel άñoxoλoxúvrwor und für griechische Komödien sehr einge 1) Es ist der Komiker Menander gemeint, dessen Vorliebe für Darstellung von Rechtshändeln bekannt ist. Andererseits war auch Claudius für Rechtshändel (Suet. Claud. 15) nommen. 2) Dass die Satire mit einem vollständigen Satz schliesst, ist Zufall. |