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den Rhythmus erhält. Als Materie des Rhythmus, als Rhythmizomenon, bezeichnet derselbe das gesprochene Wort (Aétic), die Töne der Musik und des Gesangs (uéλoc), und die körperliche Bewegung (Kívηcic cwμatikń). In dem vollendeten Lied der Griechen, in der udǹ Teλeía, kamen jene drei Elemente gemeinsam in Betracht, indem die in eine bestimmte Form gekleideten Worte des Dichters unter Instrumentalbegleitung gesungen wurden, und dem Gesang hinwiederum eine entsprechende körperliche Bewegung parallel ging; s. Plato de rep. III p. 398 D u. Aristides de mus. p. 32.

3. Die Sprache trat den Griechen, insofern sie ein Rhythmizomenon war, ebenso wie die Töne der Musik und die Wendungen des Tanzes, als etwas Bewegtes entgegen, Mass der Bewegung aber ist die Zeit; deshalb definirte Aristoxenus den Rhythmus selbst als Ordnung von Zeittheilen, Táživ Xpóvwv (s. Aristoxenus p. 3 W., Victorinus I 10, 3; vgl. Plato legg. II p. 653 E). Damit trat er den älteren Theoretikern entgegen, die nicht die Zeit, sondern die Sylbe als Mass der poetischen Rede aufgestellt hatten, wie unter andern Phädrus nach Bacchius p. 22 M: кατà Paîdpov ῥυθμός ἐστι συλλαβῶν κειμένων πως πρὸς ἀλλήλας ἔμμετρος θέσις (vgl. Aristot. metaph. XIII 1, Varro bei Servius de accent. p. 630 ed. Endl.). Denn die Sylbe kann, wie er richtig hervorhebt, als Mass nicht gelten, weil jedes Mass in sich unabänderlich bestimmt sein muss, die Sylben aber von verschiedener, bald kürzerer bald längerer Zeitdauer sind. Durch diese Abweichung von der älteren Theorie ward es auch allein dem Aristoxenus möglich den Begriff des Rhythmus allgemeiner zu fassen und der rhythmischen Rede, wie der rhythmischen Bewegung anzupassen.

4. Ist nun aber der Rhythmus gleichbedeutend mit Ordnung von Zeiten, so müssen natürlich alle Rhythmizomena, die Sylben der Rede, die Bewegungen des Körpers, die Töne der Musik, auf Zeiten zurückgeführt werden, das heisst, es muss eine einfache Zeit (χρόνος πρῶτος) zu Grunde gelegt und nach dieser die Dauer der Sylben, Töne und Bewegungen gemessen werden. Das Resultat jeder Messung drückt sich in Zahlen aus und so konnte Aristoteles in der Rhetorik III 8 sagen: ò TOû cxημαtoc Tηc λéžeшc apieμòc pueμóc CTI vgl. Arist. probl. XIX 38, Plato Philebus p. 17 D und Athenaeus XIV p. 632 D. Die Lateiner bezeichneten sogar geradezu den Begriff Rhythmus mit dem Worte numerus, wobei ich nicht untersuchen will, ob die obige Er

wägung oder die Verwechselung von pueuóc und άpi0uóc Grund der Benennung gewesen ist.

5. Mit der blossen Zurückführung der Sylben auf Zeittheile ist aber noch kein Rhythmus gegeben; denn von einer Ordnung der Zeiten kann keine Rede sein, wenn alle Zeiten gleich sind und sich nicht irgendwie von einander unterscheiden. So wenig jemand beim ununterbrochenen Strome eines Flusses oder bei der gleichmässigen Bewegung einer Maschine das Gefühl einer rhythmischen Ordnung erhält, ebenso wenig kann in der Poesie ein Rhythmus aus der Zusammenfügung unterschiedloser Sylben entstehen (vgl. Cicero de orat. III 48, 186). Ohne Bedeutung aber für den Rhythmus ist die Verschiedenheit der geistigen Bedeutung der einzelnen Sylben, da diese mit der Bewegung nicht zusammenhängt und nicht mit den Sinnen empfunden wird. Auch die grössere oder kürzere Zeit, welche auf die Aussprache der einzelnen Sylben verwendet wird, genügt an und für sich noch nicht, um eine Verschiedenheit der rhythmischen Zeittheile zu bewirken, zumal viele Wörter nur kurze und wieder andere nur lange Sylben enthalten. Hingegen unterscheiden sich für das Ohr die Sylben am meisten von einander durch den verschiedenen Nachdruck, mit dem sie gesprochen werden. Der intensivere Nachdruck (ictus) wird, wie die physiologischen Untersuchungen beweisen (s. Brücke, die physiologischen Grundlagen der neuhochdeutschen Verskunst S. 22) durch Verstärkung des Ausathmungsdruckes erzeugt, indem die Muskeln des Rumpfes die Luft der Lungen mit erhöhtem Druck zur Stimmritze hintreiben. Dieser verstärkte Ausathmungsdruck hat die nächste Berührung mit dem Hochton der Sylben, aber auch mit der Länge derselben steht er in Wechselbeziehung, indem er ein längeres Verweilen auf der betreffenden Sylbe theils voraussetzt, theils hervorruft. Das Natürlichste wäre daher gewesen, wenn der rhythmische Ictus sich mit den langen und zugleich accentuirten. Sylben verbunden hätte; aber damit hätten sich die Dichter zu beengende Fesseln angelegt; sie legten daher dem Versbau nur eines von jenen beiden Elementen, entweder die Quantität oder den Accent zu Grunde, indem sie zugleich bei der langen aber unbetonten Sylbe die Tonstärke und bei der accentuirten aber kurzen Sylbe die Sylbendauer künstlich steigerten.

Bei der Hervorbringung von Tönen und somit auch beim Aussprechen von Sylben kommen drei Dinge in Betracht: Tonhöhe, Tondauer und Ton

stärke. Am besten lässt sich am Clavier zeigen, wie diese Unterschiede des Tones durch verschiedene Mittel hervorgebracht werden, indem man beim höheren Ton eine höhere Taste greift, beim halben und ganzen Ton länger den Finger auf der Taste lässt, beim stärkeren Ton energischer auf die Taste schlägt. Deutlich treten auch in jedem Liede jene drei Unterschiede des Tones hervor und finden in der vollkommenen Notenschrift der modernen Musik ihren entsprechenden Ausdruck. Auch in der Sprache herrscht ein gewisses Melos, und eine Sprache ist um so melodischer, je mehr sie noch jene drei Tonunterschiede durchhören lässt. In der Regel aber vereinigen sich in unserer heutigen Umgangssprache entweder alle drei Elemente, oder doch je zwei auf einer Sylbe. In unserem 'Väter' hat die erste Sylbe gegenüber der zweiten eine grössere Tonhöhe, Tonstärke und Tondauer, in unserem himmlisch' wenigstens die grössere Tonhöhe und Tonstärke. In den alten Sprachen, zunächst in der griechischen, war das anders; Tonhöhe (Accent) und Tondauer (Länge) gingen dort ganz gewöhnlich auseinander, wie in xpóvwv auτóc; aber auch die Tonstärke war nicht, wie im Deutschen und Neugriechischen, regelmässig an die accentuirte Sylbe gebunden, vielmehr scheinen die Griechen, ähnlich wie die Inder, in Worten wie népeυya die erste Sylbe nur mit einem höheren Ton als die gewöhnlichen halb verklingenden Kürzen gesprochen, den grösseren Nachdruck aber auf die folgende lange Sylbe gelegt zu haben, so dass nur bei den circumflectirten Sylben, wie Moûca qiλoûμev, auch schon im Alterthum regelmässig die accentuirte Sylbe zugleich die stärkst betonte war. Erst von einem späten Schriftsteller, von Ausonius, id. IV 47

tu flexu et acumine vocis

innumeros numeros doctis accentibus effer.

wird der Versictus mit demselben Namen wie der Wortaccent bezeichnet. Doch nennt schon Quintilian I 5, 28 (vgl. Victorinus p. 31, 17) acutam syllabam eine vom Versictus getroffene Sylbe; s. Fr. Schöll, de accentu ling. lat. vet. gramm. testimonia p. 27-31.

6. Nach den bezeichneten Principien theilen sich die Poesien aller Völker in accentuirende und quantitirende. Die antike Poesie, die griechische wie die lateinische, war eine quantitirende, erst gegen Ende des Alterthums wurde dem Accent ein grösserer Einfluss auf den Versbau eingeräumt; in den lateinischen Sequenzen und Hymnen, sowie in den griechischen Kirchenliedern des Mittelalters schlug, sicher nicht ohne fremden Einfluss, die quantitirende Poesie völlig in eine accentuirende um. Es ist natürlich, dass die Wahl des einen oder anderen Princips mit dem Charakter der einzelnen Sprachen zusammenhing. Unserer deutschen Poesie lag es um so näher den Unterschied von hochund tieftonigen Sylben dem Versbau zu Grunde zu legen, als in der Sprache selbst die accentuirte Sylbe meistens zugleich von längerer Dauer als die tieftonige war. Die Griechen fanden in ihrer Sprache nicht blos kein ähnliches Wechselverhältniss zwi

schen Accent und Quantität vor, sondern waren auch durch die alte Verbindung von Gesang und Tanz auf eine stärkere Beachtung der Zeitmasse hingewiesen; denn im Tanz mussten sich natürlich vornehmlich nach der Zeit die Bewegungen regeln. Dazu kam, dass sich in dem Munde der Griechen die Unterschiede der Sylben in Bezug auf die Quantität weit mehr bemerklich machten als jene, welche in der verschiedenen Betonung begründet waren, etwas was sich auf der einen Seite in der Unterscheidung vom kurzen und langen o, kurzen und langen e durch die Schrift und auf der andern Seite in der ungemeinen Beweglichkeit des Accentes (vgl. λείπομαι λειπόμενος λειπομένοις, πατέρα πατρός TάTEр) gegenüber der Stetigkeit desselben im Deutschen (vgl. líes lésend gelésen) kund gibt. Selbst in der Prosa wurde daher bei den Alten der Wohlklang der Periodenschlüsse nicht nach den Accents- sondern nach den Quantitätsverhältnissen der letzten Sylben von den Rhetoren beurtheilt (s. Quintilian, instit. orat. IX 4, 93, Diomedes p. 468, Aristoteles, rhet. III 8). In der lateinischen Sprache hatte zwar schon von Anfang an der Accent eine hervorragendere, die alten Quantitätsverhältnisse stark alterirende Stellung genommen; aber doch hörten die Lateiner noch deutlich den Unterschied zwischen einer langen und kurzen unbetonten Sylbe heraus. Um so eher liessen sie sich bei ihrer Abhängigkeit von Hellas zur Adoptirung des gleichen Princips der Quantität bewegen.

Wollen wir daher den Rhythmus griechischer und lateinischer Verse richtig fühlen und erfassen, so müssen wir uns vor allem daran gewöhnen, den Unterschied kurzer und langer Sylben beim Vortrag ohne Rücksicht auf den Accent deutlich heraushören zu lassen.

Indem die antike Poesie die kräftigere Intonirung oder den Ictus mit der Sylbenlänge verband, haben sich vielfach in dem poetischen Ictus die ursprünglichen Betonungsgesetze.treuer als in dem Accent der Umgangssprache erhalten. Denn die Sprachvergleichung und die Erscheinungen der Vocalsteigerung (Gunirung) beweisen, dass man ehedem in néqevya λéλoima μέμηνα κέκραγα icac den Hauptnachdruck auf die vorletzte, in ποιπνύω λειπόμεθα φημί εἰμί οὐρανός ἀθάνατος ἀκάματος auf die erste, in λέγω κύων üdup auf die letzte Sylbe legte, und dass in ppárwp (sanskrit brátar) im Gegensatz zu maτýp (sanskr. pitár) die Intonirung des Stammvocals Hand in Hand mit seiner Verlängerung ging.

7. Fassen wir also Rhythmus im allgemeinen als Ordnung der Bewegung und der die Bewegung messenden Zeit, so werden

wir speciell unter dem Rhythmus der antiken Poesie die regelmässige Rückkehr einer langen mit Nachdruck gesprochenen Sylbe in bestimmten gleichen Zeitintervallen verstehen. In dem ältesten Versmass der Griechen, in dem daktylischen, war jene Intension der Stimme durchgängig an eine lange Sylbe gebunden; aber bald entschlug sich der Ictus jener unbedingten Unterordnung unter die Quantität, indem schon Archilochus jambische Füsse aus drei Kürzen bildete, und etwas später in den Anapästen sogar das Verhältniss umgekehrt und der gute Takttheil durch zwei Kürzen und der schlechte durch eine Länge gebildet werden konnte. Wenn daher auch im ganzen Alterthum stets sich der Ictus am liebsten mit einer langen Sylbe zusammenband, so waren doch jene Ausnahmen zahlreich genug, um den Begriff des Rhythmus wesentlich zu alteriren. Der Rhythmus der Rede erscheint uns nunmehr als die regelmässige Wiederkehr einer durch den Ictus hervorgehobenen, gleich viel ob langen oder kurzen, Sylbe in bestimmten gleichen Abständen.

8. Mit dem Gesagten ist auch schon die Abgrenzung des Gebietes der Rhythmik und Metrik gegeben. Die Rhythmik umfasst die Lehre von den verschiedenen Anordnungen der Zeittheile oder von den verschiedenen Verhältnissen der guten Takttheile zu den schlechten; die Metrik behandelt die einzelnen Reihen, welche in der Rede durch Verbindung mehrerer rhythmischen Elemente gebildet werden. Solche Reihen sind Abschnitte der ins Unendliche ausdehnbaren rhythmischen Bewegung, und in Bezug darauf sagt Aristoteles in der Rhetorik III 8: TOÛ σχήματος τῆς λέξεως ἀριθμὸς ῥυθμός ἐστιν, οὗ καὶ τὰ μέτρα τμητά, und ähnlich Aristides de mus. p. 49: διαφέρειν τοῦ ῥυθμοῦ φασὶ τὸ μέτρον οἱ μὲν ὡς μέρος ὅλου· τομὴν γὰρ ῥυθμοῦ φασὶν αὐτό, vgl. Aristot. poet. 4, Quintilian IX 4, 50, Charisius p. 289, Terentianus v. 1632.

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