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kurz aussprechen, und sie geben als Grund dafür an, weil ja in dem Stammwort „ago" die erste Silbe auch kurz ausgesprochen werde. 3. Da in den Wörtern edo (ich esse) und ungo (ich salbe) die erste Silbe kurz ausgesprochen wird, warum hebt man in den davon abgeleiteten Frequentativformen: esito (ich esse oft) und unetito (ich salbe oft) die erste Silbe als lang hervor und spricht hingegen in dem von seinem Stammwort dico abgeleiteten (Frequentativum) dictito (ich sage oft) diese Silbe kurz aus? Es müsste nun also doch die erste Silbe in actito und actitavi vielmehr (auch) lang ausgesprochen werden; weil ja doch fast alle aus dem Participium perfecti passivi ihrer Stammverben abgeleiteten Frequentativa in der ersten Silbe ebenso (d. h. lang) gebraucht werden, wie z. B. lego, lectus bildet (das Frequentativum oder Intensivum) lectito; ungo, unctus bildet unctito; scribo, scriptus giebt scriptito; moveo, motus bildet motito; pendeo, pensus hat pensito; edo, esus hat esito; hingegen spräche man, wie ich schon oben bemerkte, die erste Silbe in dem von dico, dictus abgeleiteten Frequentativum dictito (ausnahmsweise) kurz aus; so wieder lang in gestito (ich vollbringe oft) von gero, gestus; vectito (ich fahre oft) von veho, vectus; raptito (ich entreisse oft) von rapio, raptus; captito (ich hasche oft) von capio, captus; factito (ich thue oft) von facio, factus. So ist demnach die erste Silbe in actito (unbedingt) auch lang auszusprechen, weil es von ago, actus (ganz auf eben dieselbe Art) abgeleitet ist.

IX, 7, L. Ueber das Sichumdrehen der Blätter am Olivenbaum zur Winter- und Sommer-Sonnenwende und über das Mitklingen einiger (nicht berührter) Saiten beim Anschlag anderer.

IX, 7. Cap. 1. Es ist allenthalben sowohl schriftlich ausgesprochen, als auch für wahr angenommen worden, dass die Blätter der Olivenbäume am Tage der Winter- und Sommersonnenwende sich umwenden und der Theil, welcher an den Blättern der untere und verborgenere war, (zu derselben Zeit) nun oben (aufgeschossen) sich entfaltet und unseren Augen und der Sonne offen gelegt erscheint, 2. eine

IX, 7, 1. Theophr. Naturgesch. der Pflanzen I, 16.

Beobachtung, die auch mir selbst bei absichtlicher (näherer) Untersuchung mehr als einmal fast ganz ebenso vorgekommen ist. 3. Was man sich jedoch erzählt über die Saiten (auf einem Instrumente), ist weniger bekannt, aber um so wunderbarer. Nach der Versicherung vieler gelehrter Männer, wie auch besonders des Suetonius Tranquillus im ersten Buche seines „kurzweiligen Unterhaltungsstoffes (ludicra historia)", weiss man ganz gewiss und ist darüber ganz einig, dass, wenn man zur Zeit der Wintersonnen wende einige Saiten (auf einem Instrumente) anschlägt, andere (die gar nicht berührt wurden, mit-) tönen.

IX, 8, L. Dass es unumstösslich wahr sei, dass der, welcher viel hat, auch um so mehr brauche; ferner kurzgefasster feiner Gedanke des

Philosophen Favorin über diese Ansicht.

IX, 8. Cap. 1. Wahrlich, ewig wahr wird er bleiben, der auf genaue Beobachtung und auf praktische Erfahrung gestützte Ausspruch weiser Männer, dass Einer viel bedarf, der viel hat und dass ein unersättliches Bedürfniss nicht aus grossem Mangel, sondern nur aus grossem Ueberfluss entspringe. 2. Denn viele (neue) Wünsche werden in Dir rege, wenn Du das Bedürfniss hast, einen grossen Besitz zu behaupten (oder gar noch zu vermehren). 3. Jeder also, der viel besitzt, hat (vielmehr) eine Verringerung (seiner Wünsche und seiner Besitzeslust), nicht aber eine Vergrösserung (anzustreben) nöthig, wenn es (überhaupt) in seiner Absicht liegt, sich vorzusehen und Sorge zu tragen, dass es ihm an nichts mangeln, oder ihm nichts abgehen soll, und er muss sich bestreben, weniger zu besitzen, um desto weniger zu vermissen.

IX, 7, 3.

Suetonius Tranquillus, röm. Geschichtsschreiber 70-121 n. Chr., zur Zeit des Domitian, Trajan und Hadrian, stand mit dem jüngeren Plinius in vielfacher Verbindung. Beschrieb das Leben von Julius Caesar und der elf ersten Kaiser, über die er eine Menge der anziehendsten und lehrreichsten Nachrichten mittheilt. Ausserdem verfasste er vier Bücher von berühmten Römern, Grammatikern, Rhetoren, Staatsmännern und Dichtern. S. Teuffels röm. Lit. Gesch. 342, 2.

IX, 8, 1. Vergl. Gell. XII, 2, 13 und Plutarch: über Bezähmung des Zorns 13, wo es heisst: wer wenig bedarf, dem schlägt selten etwas fehl; Senec. ep. 110, 16.

4. Ich erinnere mich (lebhaft), dass dieser (herrliche) Grundsatz von Favorin (eines Tages) unter einem ungeheuern, allgemeinen Beifallssturm schön abgerundet und in folgenden, ganz kurzen Worten zusammengedrängt (ausgesprochen) wurde: ,,Denn wer 500 Kleider bedarf, für den ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass er nicht auch noch mehr bedürfen sollte; wenn ich nun die abrechne, nach denen mein Verlangen steht, von denen, die ich besitze, fühle ich mich befriedigt mit denen (wenigen), die ich brauche."

IX, 9, L. Welches Verfahren stattfinden soll in Ansehung einer Uebersetzung von Stellen, die ganz echt griechisch gedacht sind; ferner über einige Verse Homers, die Vergil theils gut und passend, theils ungeschickt übersetzt haben soll.

IX, 9. Cap. 1. Wenn man sich die Aufgabe stellt, aus griechischen Dichterwerken ausgezeichnete Gedanken zu übersetzen oder nachzubilden, soll unser Bestreben nicht immer darauf gerichtet sein, dass wir überhaupt das griechische Original ganz (kleinlich und), wörtlich übertragen. 2. Denn die meisten Stellen verlieren ihre Anmuth (und natürliche Lieblichkeit), wenn man sich gleichsam abquält und es zu erzwingen sucht, sie mit aller Gewalt (wörtlich) wiederzugeben (sie also eigentlich nur zu übersetzen, aber nicht zugleich auch nachzudichten). 3. Sehr klug und überlegt ist daher Vergil verfahren bei der Nachbildung von Stellen entweder aus Homer, oder aus Hesiod, oder aus Apollonius, oder Parthenius, oder Theocrit, oder endlich noch aus einigen andern

IX, 9, 3. Apollonios von Rhodos genoss den Unterricht des Callimachos, verliess aber die gelehrte, gezwungene, grossartig prunkhafte Darstellungsweise seines Lehrers und betrat die von Homer gebahnte Strasse der Einfachheit, was ihm den Hass seines Lehrers zuzog. Er dichtete das Epos: Argonautika. Der einflussreiche Callimachos bewirkte, dass dies Werk durchfiel, als es Apollonios zu Alexandrien vorlas. Aergerlich darüber begab er sich nach Rhodos, lehrte daselbst die Rhetorik und wurde mit dem Bürgerrecht beschenkt. Späterhin kehrte er nach Alexandrien zurück, um unter Ptolemaeus V. Epiphanes (196 v. Chr.) den durch Alter geschwächten Eratosthenes in der Aufsicht über die Bibliothek zu ersetzen. Ausserdem schrieb er noch zτíais (Gründung von mehreren Städten) und Epigramme, die besonders gegen Callimachos gerichtet waren. IX, 9, 3. Cfr. Gell. XIII, 27, 1 f.; Teuffels röm. Lit. Gesch. 222, 2.

(alten Schriftstellern), dass er einige Satztheile wegliess, andere zum Ausdruck brachte. 4. So machten wir z. B. neulich erst die Bemerkung, als bei Tische gleichzeitig die beiden. Hirtengedichte des Theocrit sowohl, wie 'des Vergil gelesen wurden, dass Vergil einen im Griechischen zwar in seiner Art lieblichen Gedanken ausliess, der aber (von ihm) entweder nicht übersetzt werden sollte, oder nicht übersetzt werden konnte. 5. Allein der Ersatz für die ausgelassene Stelle (Idee) möchte beinahe noch angenehmer und zierlicher sein. Bei Theocrit (V, 88, 89) heisst es:

Βάλλει καὶ μάλοισι τὸν αἰπόλον & Κλεαρίστα

Τὰς αἶγας παρελῶντα καὶ ἀδύ τι ποππυλιάζει, d. h.

Mich den Geishirt wirft mit Aepfeln auch Klearista,

Treib' ich die Heerden vorbei und flüstert mir lieblichen Gruss zu.

6. (Bei Vergil Buc. III, 64. 65 lautet der Gedanke:)

Malo me Galatea petit, lascica puella

Et fugit ad salices et se cupit ante videri, d. h.

Aepfel wirft Galatea nach mir, das schelmische Mägdlein

Flieht dann in Weidengesträuch und wünscht zuvor sich gesehen.

7. Auch eine andere, im griechischen (Original-) Verse höchst
angenehme Wendung fanden wir an einer andern Stelle wohl-
weislich (von Vergil) übergangen. Theocrit (III, 3-5) singt:
Τίτυρ ̓, ἐμὶν τὸ καλὸν πεφιλαμένε, βίσκε τὰς αἶγας
Καὶ ποτὲ τὰν κράναν ἄγε Τίτυρε· καὶ τὸν ἐνόρχαν
Τὸν Λιβυκὸν κνάκωνα φυλάσσεο, μή τυ κορύξῃ, d. h.

Tityros, huldvoll geliebet von uns, Du weide die Ziegen,
Führe sie dann zum Quell, o Tityros, doch vor dem Geisbock
Hüte Dich, vor dem Libyer dort, dem weissen, der stösst sonst.

8. Denn wie hätte er die Stelle wiedergeben sollen: tò zaλòr πeqihaμéve (o Du, das so huldvoll geliebte Wesen), wahrlich

IX, 9, 5. Voss singt:

Kommt die schöne Binderin Euch denn gar nicht in den Sinn?

Die mich wirft mit Haselnüssen und dann schreit: ich will Dich küssen. IX, 9, 5. áðú te d. h. etwas in seiner Art einzig Süsses.

IX, 9, 7. tò xaλòv пɛ¶. Тheocrit verbindet öfters das adverbialiter gebrauchte Neutrum, vorzüglich von den Adjectivis auf -os, mit dem Neutrum des Artikels.

Gellius, Attische Nächte. II.

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unübersetzbare Worte, aber von einer gewissen ursprünglichen Lieblichkeit? 9. Diese Stelle liess er also weg, das Uebrige aber hat er ganz artig nachgedichtet, mit Ausnahme eines Ausdrucks, da er für die Bezeichnung des Bocks das Wort „caper" setzte, während Theocrit dafür den Ausdruck ¿vćozys (von boxes, d. h. Hode, also Einer dem Hoden sind) brauchte. 10. Nach Angabe des M. Varro versteht man vornehmlich unter dem lateinischen Ausdruck caper" den entmannten (gerissenen) Bock. 11. (Die von Vergil Buc. IX, 23. 24. 25 nachgeahmte Stelle lautet:)

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Tityre, dum redeo, brevis est via, pasce capellas
Et potum pastas age, Tityre, et inter agendum
Occursare capro, cornu ferit ille, caveto, d. h.

Tityrus, kurz ist der Weg und ich spute mich, weide die Ziegen,
Treibe sie dann zur Tränk', o Tityrus; und wenn Du treibest,
Hüte Dich, jenem Bock, er stösst mit dem Horn, zu begegnen.

12. Und da ich nun eben von der Uebertragung bemerkenswerther (poetischer) Gedanken spreche, fällt mir gerade eine Mittheilung ein, die ich den Schülern des Valerius Probus verdanke, jenes gelehrten Mannes, jenes feinen Kunstkenners und Kritikers alter Schriftstücke, der oft geäussert habe, dass dem Vergil keine aus Homer entlehnte Stelle bei der Wiedergabe so sehr missglückt sei, als die Nachahmung jener höchst reizenden Verse, worin Homer eine Schilderung der Nausikaa liefert (Odyss. VI, 12 etc.):

So wie Artemis herrlich einherzieht, froh des Geschosses
Ueber Taygetos' Höh'n und das Waldgebirg Erymanthos
Und sich ergötzt, Waldeber und hurtige Hirsche zu jagen;

Sie nun zugleich und Nymphen, des Aegyserschütterers Töchter, Ländliche hüpfen in Reih'n; und herzlich freute sich Leto (yéyyde Sé τε φρένα Λητώ):

Vor ob Allen ragt sie an Haupt und herrlichem Antlitz;
Leicht auch wird sie im Haufen erkannt; schön aber sind Alle:
(Also erschien vor den Mädchen an Reiz die erhabene Jungfrau.)

IX, 9, 12. Valerius Probus hat ohngefähr bis zum Jahre 88 n. Chr. gelebt, und Gellius noch persönliche Schüler des Probus gehört. S. Teuffels röm. Lit. Gesch. 295, 2 u. 3. Vergl. Gell. I, 15, 18; III, 1, 5; IV, 7, 1; VI (VII), 7, 3; IX, 9, 12; XIII, 21 (20), 1. Vergl. meine Einleitung Bd. I, S. VIII.

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