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so unrichtig wäre es wieder, alle Übelstände leugnen und alle Schwierigkeiten lösen zu wollen. Unbefangene Beobachtung und Anerkennung einzelner Unebenheiten, die uns einen Schiller und Goethe nicht herabwürdigt, sondern menschlich näher bringt, scheint mir auch bei Vergil erlaubt zu sein; ja geradezu geboten, wenn die Aeneis nach den glaubhaftesten Zeugnissen des Altertums in Stücken aufser der Reihe entstanden und unvollendet geblieben ist. Daher verzichte ich, wenn auch vielleicht nicht konsequent genug, auf Erklärungen, die selbst Unvollendetes als vollkommen betrachten und nackte Thatsachen bemänteln möchten. Ich glaube gerade, wenn ich Übelstände offen andeute und ihren Ursprung womöglich zu erklären suche, dem Dichter die gebührende Hochachtung zu zollen und zu sichern. Wer weifs, ob nicht übereifrige Freunde seinem Rufe vielmehr schaden! Künstlichen Aufputz hat die Aeneis wahrlich nicht nötig, da neben ihren Lücken, Widersprüchen und Mifsgriffen eine Fülle echter Schönheit steht, die volle Anerkennung und aufrichtige Bewunderung verdient.

Möchte diese neue Auflage den alten Beifall finden! Möchten auch ihre Neuerungen gebilligt und ihre Absichten nicht verkannt werden, besonders wenn sie ihrerseits gerechte Würdigung des gröfsten Dichters der augusteischen Zeit zu fördern sucht, indem sie neben, nicht gleich Plüfs und Ribbeck einstimmt in den zeitgemäfsen Ausruf:

Discite iustitiam moniti et non temnere divos!

Berlin, September 1891.

Dr. P. Deuticke, Oberlehrer am Humboldtsgymnasium.

P. VERGILI MARONIS

AENEIDOS

LIBER PRIMUS.

Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena carmen, et egressus silvis vicina coëgi,

ut quamvis avido parerent arva colono,

gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis

Arma virumque cano, Troiae qui primus ab oris
Italiam fato profugus Laviniaque venit

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Seesturm. Aeneas bei der Dido in Karthago.

Ille ego. Der Verfasser dieser vier einleitenden Verse, welche zuerst Servius beibringt, ist unbekannt. HatVerg. sie verfafst (man hat vermutet: etwa um einem Freunde eine Abschrift des Gedichts oder eines Teiles davon zuzueignen), so begann die Aeneide selber doch erst mit den Worten arma virumque cano, wie zahlreiche Anspielungen des Altertums beweisen. modulatus, nämlich sum; s. zu 202. modulatus avena carmen auch Tib. II 1, 53 f.

1-33 Einleitung.

Inhalt des Epos (-7); Anrufung der Muse (-11); Veranlassung des Zornes der Juno gegen die Teukrer.

1-7. Die Irrfahrten und Kämpfe des Aeneas. Das fatum (s. Liv. I 1, 4) hat den Aeneas zum Gründer eines Reiches in Italien bestimmt, die ihm feindlich gesinnte Juno aber hält ihn lange von Italien fern und verschlägt ihn in andere Länder, aus denen ihn die Macht der Götter, welche für die Erfüllung des Fatums Sorge tragen, nach kurzer Rast weiter treibt. Als er endlich in Italien angekom

Vergil II. 11. Aufl.

men ist, erregt ihm Juno blutige Kriege, bis es ihm zuletzt doch gelingt, Lavinium zu gründen und den mitgebrachten Göttern (s. 378. VIII 11 u. XII 192) Anerkennung und Verehrung in der neuen Heimat zu verschaffen. Die Folge davon ist die Vereinigung der Trojaner und der Einwohner Italiens unter dem Namen der Latini, die Gründung Albas und endlich die Erbauung Roms. So erkennen wir aus der Einleitung: 1) den Plan des Dichters, in seinem Epos Abenteuer zu erzählen, wie sie uns in der Odyssee entgegentreten (Buch I-VI), und Schlachtengemälde zu entrollen, wie sie die Ilias bietet (VII-XII); 2) den religiösen Sinn des Dichters, dem alle menschlichen Handlungen durch das Walten der Gottheit bedingt sind; 3) den Nationalstolz Vergils, der sich in der Wahl des Stoffes zeigt und seinen deutlichsten Ausdruck in V. 33 findet.

1. primus, in der Urzeit, vor grauen Jahren; vgl. G. I 144.

2. Italiam sagt Verg. in altertümlicher Weise ohne Präposition auch III 254. 507 (neben iter) u. ö., ähnlich Hesperiam, Umschreibungen

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litora; multum ille et terris iactatus et alto
vi superum, saevae memorem lunonis ob iram,
multa quoque et bello passus, dum conderet urbem
inferretque deos Latio, genus unde Latinum
Albanique patres atque altae moenia Romae.

Musa, mihi causas memora, quo numine laeso
quidve dolens regina deum tot volvere casus
insignem pietate virum, tot adire labores
impulerit. tantaene animis caelestibus irae?
Urbs antiqua fuit (Tyrii tenuere coloni)

wie hier Lavinia lit., II 781 terram Hesperiam, III 440 finis Italos, IX100 Laurentia arva; endlich auch andre Appellativa, z. B. 365 das blofse locos, meist aber mit Attribut wie 512 alias oras, II 742 tumulum Cereris sedemque sacratam, III 601 quascumque terras, IV 124 speluncam eandem, VI 696 haec limina, XI 793 patrias urbes. Vgl. auch zu VII 216. Lavinia ist

dreisilbig zu lesen. Diese Synizesis in der 5. Thesis nur hier, sonst in der 6. (s. VII 237. G. IV 221), bei den Composita von semis öfter in der 1. (s. VIII 194) und einmal in der 2. (X 404). que ist explicativ: und zwar. Lavinia litora wird das Ufer genannt, auf welchem Aeneas später die Stadt Lavinium gründen sollte.

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3. ille, ya Hom. a 4, hebt das Subj.nochmals scharf hervor; so auch V 457. IX 479. XI 494 u. ö. — iactatus scil. est, ebenso passus 5: dem Relativsatze folgen zwei Asyndeta. 4. vi superum, Jeшv ióτηti Hom. @ 119.

5. Mit den Worten quoque et 'auch noch' wird das zweite Glied dem ersten nicht einfach gleichgesetzt, sondern als wichtige Steigerung bezeichnet.

8-11. Die Verfolgung eines Mannes, welcher die dem Menschen von der Natur gegebenen Gesetze mit ausgezeichneter Pflichttreue zu befolgen pflegte, konnte nur die Folge

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einer unbewussten Opposition gegen den Willen der Gottheit (quo numine laeso) oder einer persönlichen Verstimmung derselben (quidve dolens) sein. Die folgenden Verse zeigen, dafs die erste durch das Fatum dem Aeneas auferlegt (22), die zweite durch das Verhalten und Schicksal seiner Stammesgenossen herbeigeführt war (23-8).

8. quo num. laeso, vgl. d. Anh. Welchen Wunsch (quod = cuius rei numen, s. z. III 505) Juno vereitelt sah, lehrt deutlich V. 17 f. Für die Übersetzung sind die Partic. zu Verb. fin. zu machen; ähnlich III 368 und VI 692.

10 f. adire imp. Verg. fügt den Verben des Antreibens (invito, hortor, impello, stimulo, praecipito) den Inf. als Bezeichnung des Zieles hinzu. Dieser Gebrauch des Inf. findet sich vereinzelt bei den älteren Dichtern, häufig im August. Zeitalter. So hat Verg. zuerst impellere mit dem Inf. verbunden, worin ihm von den Prosaikern zuerst Liv. (22, 6, 6) gefolgt ist.

12-22. Der Hafs der Juno gegen Rom ist wohl ein Motiv aus Ennius; s. L. Müller, Qu. Ennius S. 148 f.

12. Vergil nennt Karthago eine urbs antiqua nicht nach den Zuständen der erst folgenden epischen Erzählung, sondern, wie es der Ton des Nationalepos mit sich bringt, mit Rücksicht auf das später entstandene Rom.

Carthago, Italiam contra Tiberinaque longe
ostia, dives opum studiisque asperrima belli;
quam Iuno fertur terris magis omnibus unam
posthabita coluisse Samo: hic illius arma,
hic currus fuit; hoc regnum dea gentibus esse,
si qua fata sinant, iam tum tenditque fovetque.
progeniem sed enim Troiano a sanguine duci
audierat, Tyrias olim quae verteret arces;
hinc populum late regem belloque superbum
venturum excidio Libyae: sic volvere Parcas.
id metuens veterisque memor Saturnia belli,
prima quod ad Troiam pro caris gesserat Argis,
necdum etiam causae irarum saevique dolores
exciderant animo; manet alta mente repostum
iudicium Paridis spretaeque iniuria formae
et genus invisum et rapti Ganymedis honores;

13 f. Ital. c. T. l. o.: Italien gegenüber und zwar der Seite der Tibermündung in weiter Ferne.

15. Vgl. Hom. 9 284: oi γαιάων πολὺ φιλτάτη ἐστὶν ἁπασέων. unus, bekannt als Verstärkung des Superlativs wie II 426 und VII 536, steht hier neben dem Compar., V 704 absolut und III 321 neben dem Positiv mit ante wie XI 821 sola.

16. posth. Samo. Lactant. Inst. I17: insulam Samum scribit Varro prius Partheniam nominatam, quod ibi Iuno adoleverit ibique etiam Iovi nupserit. itaque nobilissimum et antiquissimum templum eius est Sami. Ein anderer Hauptsitz der Juno war Argos, s. VII 286. Bei Hom. 451 f. sagt Hera: ἤτοι ἐμοὶ τρεῖς μὲν πολὺ φίλταταί εἰσι πόληες, Αργος τε Σπάρ τη τε καὶ εὐρυάγυια Μυκήνη. Den Hiatus zwischen zwei langen Vokalen hat V. nach der 3., 4. und 5. Arsis zugelassen. Ein doppelter findet sich III 74.

17. currus. Den Wagen der Juno beschreibt Hom. E 720-32.

18. si qua (ratione, s. B. 9, 14), εἴ πως. tenditque fovetque, er

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strebt mit Eifer und sorgt mit Liebe. Die Verbindung des Acc. c. inf. mit tendere ist eine Neuerung Vergils. Bei gleichem Subjekt hat den Inf. schon Lucretius V 728 mit tendere verbunden.

19. sed enim. Vollständig: sed Carthagini metuebal, audierat enim. Ähnlich II 164. V 395. VI 28.

21. late regem, vgl. Horat. III 17, 9: late tyrannus. Die beiden V. 21 f., die Probus bei Serv. plen. entbehrlich findet, erweitern den vorhergehenden Gedanken, indem sie auf das ganze Volk ausdehnen, was vorher von der einzelnen Familie oder Stadt gesagt ist. Vergil liebt Parallelen in Worten und Satzteilen, ja sogar in Vergleichen (s. zu 316) und ganzen Sätzen (s. 55 f. und 397 f.)

23. veteris, des früheren, s. 47 und vgl. VI 449. VIII 332.

24. prima, sie vor allen, év лоOMáxois, vgl. II 613 und XII 33.

26. alta mente, vgl. Hom. T 125: τὸν δ ̓ ἄχος ὀξὺ κατὰ φρένα τύψε βαθεῖαν.

28. genus invisum. Dardanus, der Ahnherr Trojas, war als Sohn des Juppiter und der Elektra (s.

his accensa super iactatos aequore toto
Troas, reliquias Danaum atque immitis Achilli,
arcebat longe Latio, multosque per annos
errabant acti fatis maria omnia circum.
tantae molis erat Romanam condere gentem.

Vix e conspectu Siculae telluris in altum
vela dabant laeti et spumas salis aere ruebant,
cum Iuno aeternum servans sub pectore volnus
haec secum: 'mene incepto desistere victam
nec posse Italia Teucrorum avertere regem?
quippe vetor fatis. Pallasne exurere classem
Argivom atque ipsos potuit submergere ponto

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VIII 134 f.) der eifersüchtigen Juno verhafst. rapti Ganym. honores. Wie Juppiter zu Junos Kummer den Gan., einen Sohn des Trojaners Tros, entführte und ehrte, erzählt Ovid. Met. X 155/61.

29. Mit den Worten his accensa fafst der Dichter die ganze Erörterung von 19 an zusammen und kehrt dann zu der 24 abgebrochenen Konstruktion zurück. Die Worte super aequore toto entsprechen chiastisch den folgenden maria omnia circuт. Die Präposition ist auch II 278 u. IV 233 von ihrem Casus getrennt.

30. reliqu. mit subj. Gen. auch 598 und II 87; anders IV 343 und V 787. Danai heifsen die Griechen nach dem Ägypter Danaus, der in Griechenland einwanderte und Argos gründete.

32. fatis, durch ihr Geschick, welches durch die Feindseligkeit der Juno bestimmt wurde.

34-222. Die Trojaner, welche von Sicilien nach Italien segeln wollen, werden durch einen Sturm (81 123), der von Aeolus auf Veranlassung der Juno (34—80) erregt und von Neptun besänftigt wird (124–156), nach Libyen verschlagen (-179). Aeneas tröstet die Gefährten, welche von 20 Schiffen

nur 7 gerettet sehen.

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34. Auch Vergil thut, was Hor. Ars p. 148 an Homer rühmt: in medias res.. auditorem rapit. eruebant,

35. ruebant wie 85 = sie wühlten auf; aere, mit erzbeschlagenem Buge. Ähnlich sagt Valer. Fl. I 687 f.: volat immissis cava pinus habenis infinditque salum et spumas vomit aere tridenti; vgl. auch Hom. 8 427-9.

36. sub pectore, tief in der Brust; vgl. sub 100. III 431 und mit Accus. IV 243. 387. Ähnlich super oben in, 379. 680. VI 515. VII 557, mit Abl. VI 203 und pro vorn auf, IX 575. Es handelt sich in solchen Fällen nicht um Räume aufser dem genannten, sondern nur um einzelne Teile desselben einen Ganzen wie bei summa turris, imus murus u. d. 38. Italia ohne Präpos. wie gewöhnlich bei den Dichtern; s. zu B. 5, 6.

39. Pallas zerstreute aus Zorn über den von Aiax, dem Sohne des Lokrerfürsten Oileus, an der Kassandra begangenen Frevel (s. II 403 f.) seine Flotte auf der Heimfahrt beim euböischen Vorgebirge Caphareus (Kapnoɛús), erschlug ihn selbst mit dem Blitze und liefs sodann seinen Leichnam von den Wellen an die Klippen spielsen. Etwas anders erzählt seinen Untergang Hom. 8 499-510.

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