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Minute geschehen mußte, alsdann wurden des Morgens gleich die Uhren regulirt, ein jeder erhielt seine Ordre für den Tag, Geschäfte und Vergnügungen wurden gehäuft und niemand durfte eine Sekunde fehlen. Ich könnte Ihnen stundenlang von seinen Gesprächen und Anmerkungen über diese sonderbare Art der Erziehung unterhalten. Er scherzte mit mir als einem catholischen Geistlichen über meine Gelübde und behauptete, daß eigentlich jeder Mensch sowohl sich selbst Enthaltsamkeit als andern Gehorsam geloben sollte; nicht um sie immer, sondern um sie zur rechten Zeit auszuüben.

Die Baroneß machte eben einige Anmerkungen und gestand, daß dieser Freund im Ganzen wohl recht gehabt habe; denn so komme auch in einem Reiche alles auf die crecutive Gewalt an; die Geseßgebende möge so vernünftig seyn als sie wolle, es helfe dem Staate nichts, wenn die ausführende nicht mächtig sey.

Luise sprang ans Fenster, denn sie hörte Friedrichen zum Hofe hereinreiten. Sie gieng ihm entgegen und führte ihn ins Zimmer. Er schien heiter, ob er gleich von Scenen des Jammers und der Verwüstung kam, und anstatt sich in eine genaue Erzählung des Brandes eins zulassen, der das Haus ihrer Tante betroffen, versicherte er, daß es ausgemacht sey, daß der Schreibetisch zu eben der Stunde dort verbrannt sey, da der ihrige hier so heftige Sprünge bekommen hatte,

In eben dem Augenblicke, sagte er, als der Brand sich schon dem Zimmer näherte rettete der Verwalter noch eine Uhr, die auf eben diesem Schreibtische stand. Im

Hinaustragen mochte sich etwas am Werke verrücken und fie blieb auf halb zwölfe stehen. Wir haben also wenigstens was die Zeit betrifft eine völlige Uebereinstimmung. Die Baroneß lächelte, der Hofmeister behauptete, daß wenn zwey Dinge zusammentråfen, man deswegen noch nicht auf ihren Zusammenhang schließen könne! Luisen gefiel es dagegen diese beyden Vorfälle zu verknüpfen, besonders da sie von dem Wohlbefinden ihres Bräutigams Nachricht gehabt hatte, und man ließ der Einbildungss kraft abermals vollkommen freyen Lauf.

Wissen Sie nicht, sagte Karl zum Älten, uns irgend ein Mährchen zu erzählen? Die Einbildungskraft ist ein schönes Vermögen, nur mag ich nicht gern, wenn sie das was wirklich geschehen ist, verarbeiten will; die luftigen Gestalten, die sie erschaft, sind uns als Wesen einer eigenen Gattung sehr willkommen, verbunden mit der Wahrheit bringt sie meist nur Ungeheuer hervor und scheint mir alsdann gewöhnlich mit dem Verstand und der Vernunft im Widerspruche zu stehen. Sie muß sich, deucht mich, an keinen Gegenstand hängen, fie muß uns keinen Gegenstand aufdringen wollen, sie soll, wenn sie Kunstwerke hervorbringt, nur wie eine Musik auf uns selbst spielen, uns in uns selbst bewegen und zwar so daß wir vergessen, daß etwas außer uns sey, das diese Be wegung hervorbringt.

Fahren Sie nicht fort, sagte der Alte, Ihre An» forderungen, an ein Product der Einbildungskraft umständlicher auszuführen. Auch das gehört zum Genuß an solchen Werken, daß wir ohne Forderungen genießen, denn sie selbst kann nicht fordern, sie muß erwarten was

ihr geschenkt wird. Sie macht keine Plane, nimmt sich keinen Weg vor, sondern sie wird von ihren eigenen Flügeln getragen und geführt, und indem sie sich hin und her schwingt, bezeichnet sie die wunderlichsten Bahnen, die sich in ihrer Richtung stets verändern und wenden. Lassen Sie auf meinem gewöhnlichen Spaziergange erst die sonderbaren Bilder wieder in meiner Seele lebendig werden, die mich in frühren Jahren oft unterhielten. Diesen Abend verspreche ich Ihnen ein Mährchen, durch das Sie an nichts und an alles erinnert werden sollen.

Man entließ den Alten gern, um so mehr, da jedes von Friedrichen Neuigkeiten und Nachrichten von dem was indessen geschehen war einzuziehen hoffte.

(Die Fortsetzung folgt.).

VI

Homer,

ein Günstling der Zeit.

Als Thales gefragt ward, was er für das Weiseste

in der Welt halte? antwortete er: die Zeit, denn fie hat alles erfunden.

Dem gemäß gaben die Griechen dem Zeit- Gott (Chronos) die größesten und schönsten Namen. Vater der Dinge, Enthüller der Wahrheit, der Prüfund Schleifstein der Gedanken, den besten Rathgeber der Sterblichen nannten sie ihn, priefen von ihm: daß er alles mildere, richte, polire; er fördre fortwährend Unbekanntes ans Licht, und lasse (Bekanntes in Dämmerung fine fen. u. f.

Eben so könnte man in einer andern Allegorie sagen, daß die Sterblichen mit diesem alten Gott in einem fortwährenden Streit leben, daß manche seiner Kinder fich anmagen, was keiner von ihnen, sondern Er allein gethan hat, und thun konnte; endlich daß unter seinem Namen er manche Glückliche oft unerwartet mit dem reichsten Ruhm kröne.

Wem find nicht jene Fabelnahmen des Alterthums bekannt, deren Einer oft die Erfindungen ganzer Jahr

Hunderte in sich zu begreifen scheinet? Thaaut, Theut, Thot, Hermes, Orpheus; es ist fast keine Kunst, keine Wissenschaft, die das Leben der Menschen menschlich gemacht hat, deren Anfänge man ihnen nicht zugeschrieben. Wie ihre, so gelten mehrere Namen des Alterthums als vielfaßende Sternbilder am dunkeln Himmel, als große Constellationen der alten Zeit.

Mit Begebenheiten und Unternehmungen ists wie mit den Erfindungen; sie, die bloß und allein. Geburten der Zeit sind, mögen wir gern einzelnen Unternehmern zuschreiben. Romulus und Numa *. B. sollen mit den Mauern und dem Gottesdienste Roms, bereits alles im Sinne gehabt haben, was innerhalb dieser Mauern nur durch Hülfe der Zeit entstand, was sich aus diesen Mauern nur durch Hülfe der Zeit über die Welt verbreitet. Alexander bei seinem Uebergange nach Asien, bei Errichtung Alexandriens, Babylons und anderer Städte foll im Sinne gehabt haben, was in vielen Jahrhunderten, unter Anlåßen so verschiedner Umstände erst die vielsinnige Zeit ersann und mit ihren tausend Armen dennoch kaum ausführte. So Julius Cåsar, Muhamed; so manche andre Gesetzgever, Religionsstifter, Unternehmer, insonderheit wenn: fie bei unvollendetem Werk jung starben. Selbst die Kunstwerke der Menschen, die eigensten Geburten ihrer Seele, ihres Fleißes, ihrer Begierde Doch ich will Hieber durch Beispiele reden und über einige glückliche Günstlinge der Zeit meine Gedanken cröfnen. Ich werde dabei selbst dem Gange der Zeit folgen dörfen, in welchem diese Vermuthungen sich bei mir entwickelt baben.

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