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In Schottland ist kürzlich die Frage über die Zulässigkeit der Frauen zu medicinischen Universitätsstudien Gegenstand einer gerichtlichen Verhandlung gewesen und in der Hauptsache zu Gunsten der Frauen entschieden worden. Der Senat der Universität Edinburg hatte nämlich mehreren Damen die nach gesuchte Erlaubniß verweigert, medicinische Vorlesungen hören zu dürfen, und die Damen wandten sich darauf mit einer Klage an das Gericht, worauf der Richter, Lord Gifford, das Urtheil abgegeben, daß kein Gesetz vorhanden sei, durch welches Frauen von dem Rechte ausgeschlossen werden, auf schottischen Universitäten den Grad eines Doctors der Medizin zu erwerben, und daß diese Universitäten vollständig befugt seien, denjenigen Frauen, welche die gesetzlichen Bedingungen erfüllt haben, diesen Grad zu ertheilen. Da das Urtheil jedoch nicht soweit geht, den Universitäten auch das Recht abzusprechen, den Frauen den Zutritt zu ihren Vorlesungen zu verweigern, so haben sich die klägerischen Damen nicht dabei beruhigt, und wollen noch einen Schritt weiter gehen. Eine dieser Damen, Miß Sophia Jer-Blake, hat unter dem Titel Medical Women in Edinburg (Oliphant u. Co.) eine Schrift über diesen Gegenstand veröffentlicht, die einige interessante, bisher nur wenig bekannte, historische Nachweisungen enthält. In England und Schottland hat es bis zu der Zeit, wo das Recht der Ausübung der Heilkunde an die Bedingung eines von den Universitäten zu ertheilenden medizinischen Diplomes geknüpft wurde, zahlreiche weibliche Aerzte und Wundärzte gegeben. Im Jahre 1421 wurde dem König Heinrich V. (wahrscheinlich von männlichen Aerzten) eine Petition überreicht, worin gebeten wurde, that no woman use the practyse of fisik under payne of long emprisonment.*) Selbst noch einige Jahre nach Begründung der,,Corporation der Collegien von Aerzten und Wundärzten in England" hat es dort praktizirende weibliche Aerzte gegeben; denn Stat. 34, King Henry VIII. c. 8 besagt wörtlich: that the Companie and Fellowship of Surgeons of London, mynding onlie their own lucres and nothing the profit or ease of the diseased or patient, have sued, vexed and troubled divers honest persones, as well men as women, whom God has endued with the knowledge of the nature, kind and operaçon of certeyne herbes, rotes and waters, and the using and ministering them to suche as be payned with customable diseases***) worauf das Statut von König Heinrich VIII. befiehlt, „daß diese ehrbaren Personen auch fernerhin, ohne gerichtliche Verfolgung, Placerei, Strafe oder Verlust ihres Vermögens sollen praktiziren dürfen." Erst als man den ärztlichen Frauen medizinische und anatomische Studien und Prüfungen auferlegte, haben ste die Praxis in England, keinesweges aber ihr betreffendes, altes Recht aufgegeven.

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und Stadtbehörden haben betrügen lassen, obwohl es bereits seit einem halben Jahrhundert in Spanien ein sanctionirter Grundsah ist, Staats- und andere öffentliche Schulden weder zu bezahlen noch zu verzinsen. Das Ayuntamiento von Madrid schloß vor wenigen Jahren ein Anlehen ab, das mit einer Prämien-Lotterie verbunden war, und diese Leimruthe hat, allen früheren Lehren zum Troß, auch deutsche Kapital-Gimpel wieder angelockt. Zwei Jahre lang ging Alles in bester Ordnung; schon im dritten aber zahlten die Madrilenser weder Prämien noch Zinsen. Guzkow ereifert sich darüber dermaßen, als ob er selbst unter den Angeführten sich befände. Er ruft die Manen Lope de Vega's und Calderon's an, ihre Begriffe von Ehre mit denen ihrer sauberen Nachkommen von heute zu vergleichen; er preift den Eid und selbst Karl V. als Muster der Treue und des Rechtes, von denen man in Spanien, seitdem Loyola und die Gesellschaft Jesu im Besitz der Volksherrschaft seien, nichts mehr wisse; er citirt ganze Paragraphen aus des Jesuiten Balthasar Gracian's (von Arthur Schopenhauer überseßtem) „Handorakel,“ um zu beweisen, daß die Madrider Loose" nur darum nicht gezogen, die Zinsen der spanischen Staats- und Stadtschulden nur darum nicht bezahlt werden, weil dieser jesuitische Macchiavell in seinem „Handorakel“ lehrt: daß man die Fülle des eigenen Unglücks dadurch müsse zu mindern suchen, daß man davon soviel als möglich auf die Schultern Anderer vertheilt; ja, er kommt zuleht noch auf die Juden in Berlin und auf ein unkoscheres Hühnchen, um dessen. willen ein hiesiger Rabbiner von jüdischen Zeloten angegriffen werde, um darzuthun, wie verkehrt Lasker's Opposition gegen das Jesuiten-Gesetz im deutschen Reichstage gewesen sei.

Herr Sacher Masoch nennt sein neues, unter dem Titel: „Zur Ehre Gottes" erschienenes Buch *) ein „Zeitgemälde“ und hat dazu wohl insofern eine Berechtigung, als dasselbe eine jezt grade in Deutschland brennend zu nennende Frage die der Jesuiten behandelt, oder beffer, zu behandeln vorgiebt. In Wirklichkeit wird in einer stark an den „Ewigen Juden“ von Eugen Sue erinnernden Manier ein Jesuit geschildert, der, mit einer Ordre seines Oberen versehen, in ein böhmisches Dorf kommt und dort zur Erreichung seines Zweckes, die Gründung eines Ordenshauses, Tod und Verderben in einen Meinen Kreis trägt, Mord, Brand, Plünderung, Judenheze, Ehebruch und andere Schandthaten veranlaßt. Eugen Sue hat in seinem vielbändigen Roman kaum so viel Verbrechen und Unwahrscheinlichkeiten zusammengehäuft, wie es dem Verfasser des Zeitgemäldes „Zur Ehre Gottes" gelungen ist, in den Rahmen eines einzigen Bandes zu bringen und wenn wir aufrichtig sein sollen, so richete sich unsere Empörung beim Lesen des Buches nicht gegen den Jesuiten, sondern gegen den Verfasser, der hier einmal wieder das Maaß des Erlaubten weit überschritten und an Schilderung wahnsinniger Sinnlichkeit, bacchantischer Ueppigkeit das Unglaubliche ge leistet hat. Es ist wahrhaft zu beklagen, daß die deutsche Sprache zur Hervorbringung von Produkten gemißbraucht wird, die ihrer ganzen Entstehung nach nur auf slavischem Boden gewachsen sein können oder, um auch den Slaven nicht zu nahe zu treten, auf einem slavischen Boden, wo die ursprüngliche Rohheit, überzogen mit einem Firniß von Hypercultur, in Fäulniß übergegangen ist.

*) Leipzig, Ernst Julius Günther, 1872.

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Kleineren Schriften von Jacob Grimm. Velinpapier. 8. gen. 1 Thlr. 10 Sgr.; in Leinwand gebd. 1 Thlr. 20 Sgr.

„Was Jacob Grimm schreibt," sagt die Wiener Preffe,,,ist kerndeutsch durch und durch, in kraftbewußter,, felbstsicherer Eigenart strömt feine wundervolle Profa dahin, voll schlichter, erhabener Weisheit, aus hingeworfenen Bemerkungen und Aphorismen athmet dieselbe hohe, allem Gemeinen völlig abgekehrte Gesinnung, die ihn, den stillen Forscher, aus seiner Göttinger Gelehrtenstube forttrieb, um vor dem ganzen deutschen Volke Klage zu erheben über den töniglichen Wortbruch; wir können nur wünschen, daß tüchtige Pädagogen diese Auffäße, ausgezeichnet durch den Adel und die Größe ihres Gedankengehaltes nicht weniger als durch die im fteten Umgange mit deutschen Sprachdenkmalen aller Zeiten und Stämme errungene, herrlich ausgeprägte, classische Prosa, unsrer Jugend vermitteln; in der Bibliothek eines Jeden, der an deutscher Gedankenarbeit nur den geringsten Antheil nimmt, wird und soll das treffliche Büchlein nicht fehlen.“

Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig.
(Zu beziehen durch jede Buchhandlung.)
In den Alpen.

Tyndall, John.

(151)

Autorisirte deutsche Ausgabe. Mit einem Vorwort von Gustav Wiedemann. Mit in den Text eingedruckten Holzstichen. 8. Fein Velinpapier. geh. Preis 2 Thlr. 10 Sgr. Im v. J. erschien in unserem Verlage: Bei Ernst Fleischer in Leipzig erschien

Deutsche Stimmen aus dem Elsaß. 16. eleg. geh. 10 Sgr.

(152)

Diese kleine Sammlung elfäffischer Gedichte

aus alter und neuer Zeit, eingeleitet durch einen Auffaß über die elsässische Dichterschule, zeigt, daß Liebe zur deutschen Sprache und Sitte im Elsaß stets lebendig geblieben.

Ferd. Dümmler's Verlagsbuchhandlung
(Harrwiß und Goßmann) in Berlin.

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foeben und ist durch alle Buchhandlungen zu

beziehen:

Geschichte der Schrift und des Schrifttums.

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MEYERS REISEBÜCHER.

OBER-ITALIEN

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Kritiken der Presse:

Dass auch Ober- Italien in so sachkundiger und verständnissvoller Weise behandelt wurde, war ganz besonders ein Bedürfniss, denn Bädeker ist gerade in diesem Abschnitt am dürftigsten, und selbst Murray und du Pays haben doch nicht in allen aus der rechten Quelle geschöpft. Dem Reisebuche von Gsell-Fels merkt man jene Herrschaft über die Sache an, welche durchgängige eigene Anschauung von Land, Volk und Denkmälern gewährt...“

Prof. Woltmann in der ,,National-Zeitung".

Gsell-Fels hat so in der That ein Reisehandbuch für Italien geschaffen, um das wohl, wie R. Andree bemerkt hat, andere Völker uns beneiden können..." Kölnische Zeitung.

Die Gsell'schen Führer nehmen unter allen bis jetzt erschienenen Reisebüchern durch Italien den ersten Rang ein. Sie verbinden die Vortheile des Bädeker und Fournier mit denen von Burckhardts Cicerone..." (156) Prof. Bergau im,,Nürnberger Korrespondenten".

Geschenk für Damen.

Durch alle Buchhandlungen zu erhalten:

Schrifttum der nicht alfabetarisch Fouque's Undine.

schreibenden Völker.

XXIV und 782 Seiten. gr. 8. 5 Thaler.

Illuftrirte Ausgabe. 17. Auflage. 1870.
Mit 60 Holzschnitten.

In elegantem Reliefband mit Goldschnitt.
Preis: 1 Thlr. 10 Sgr. (157)
Ferd. Dümmler's Verlagsbuchhandlung
(Harrwiß und Goßmann) in Berlin.

Der Verfasser, seit 24 Jahren ordentlicher Profeffor an der Universität Leipzig, sagt in dem Vorwort: „Ich habe mich bemüht, den Gegenstand dieses Buches so einfach, klar und faßlich zu behandeln, daß jeder nur einiger. maßen Gebildete es lesen und verstehen kann." Der litterarische Apparat ist einem Beibande Ein psychologischer Blick

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Prof. Dr. M. Lazarus. Zweiter unveränderter Abdruck. Velinpapier. gr. 8. geh. 7 Sgr. Ferner sind vom Verfasser bei uns erschienen: Ueber den Ursprung der Sitten. Antrittsvorlesung gehalten in der Aula der Hochschule zu Bern. Zweite Auflage. 1867. gr. 8. 8 Sgr.

Zur Lehre von den Sinnestäuschungen. Nach einem Vortrage, gehalten in der medicinisch-psychologischen Gesellschaft zu Berlin. 1867. gr. 8. 8 Sgr.

Ueber die Ideen in der Geschichte. Rectoratsrede gehalten in der Aula der Hochschule zu Bern. Zweiter unveränderter Abdruck. 1872. gr. 8. 20 Sgr.

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The Pillars of the House. A Woman's Vengeance.

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A new Novel by

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South Sea Bubbles.

By

the Earl and the Doctor.

Three Books of Song.

By
H. W. Longfellow.

Marian.

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Author of ,,Can Wrong be Right?". Friends in Council.

By

Sir Arthur Helps.

The Life and Times

of

Oliver Goldsmith.

By
John Forster.

Pilgrimage

to

El Medinah and Meccah.

By

Richard F. Burton.

The

Experience of Life

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Count de Montelambert. Princess of the Moor.

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Erscheint jeden Sonnabend.

41. Jahrg.]

Inhalt.

Herausgegeben von Joseph Lehmann.

Berlin, den 5. October 1872.

Deutschland und das Ausland. Jean Paul, die heutige Philosophie und Naturwissenschaft. I. Das Unbewußte und der Wille. 509. Das K. Statistische Bureau und das Seminar für Statistik und Volkswirthschaftslehre in Berlin. 511. — Erläuterungen zu Schiller's Gedichten. 512.

Mrs. Somerville

England. Die parlamentarischen „Prigs". 513. über den Ausbruch des Vesuv. 514. Belgien. Das Institut der Kindergärten. 515. Italien. Ein Ausflug nach Calabrien. 515. Griechenland. Die Universität von Athen. 517. Nord Amerika. Religiöse Kämpfe in amerikanischen Schulen. 518. Kleine literarische Revue. Biographische Beiträge zur Geschichte der Toleranz. 518. Die Kunst im Handwerk. 518. Deutsch-ame= rikanische Bibliothek. 519. Musiker-Novellen. 519. Literarischer Sprechsaal. Französische Sympathieen in England. 519. Der wissenschaftliche Kongreß in Bordeaur. 519. Neue französische Verleumdungen. 520. Die Juden in Serbien. 520.

Deutschland und das Ausland.

Preis vierteljährlich 1 Thlr.

[N 40.

Daß ihnen ein großer Troß Nachplapperer, wie fader Gesellen, folgte, ist ganz in der Philister-Ordnung Deutschlands, Leute, die, wenigstens geistig, Zeit ihres Lebens nie über Krähwinkel hinausgekommen sind. Es ist das bleibende Verdienst Rudolph Gottschall's, unsern Richter vortrefflich charakterisirt und mit den größten Genien auf Eine Stufe gestellt zu haben.

Giebt es doch auch noch immer Menschen unter uns, die für Goethe kein anderes Gebiet ausfindig zu machen wissen, und sich dessen auch gar nicht schämen, als daß er der Bellettristik angehört habe! Daß er für den Kulturstaat gewirkt, daß ihm die Naturwissenschaft außerordentliche Entdeckungen verdankt, ist ihnen völlig unbekannt geblieben. Aehnlich unwissend sind ste über Jean Paul. Von seinen Romanen haben sie etwas gehört, jedoch auch nur gehört; daß aber der Dichter des „Titan", der Verfasser der bewunderungswürdigen „Vorschule der Aesthetik", der Humorist, der seines Gleichen nicht hat, daß er auch in der Philosophie unvergleichlich, dabei unabhängig von jedem Systeme dasteht, daß er auch hier von einem Reichthume der Ideen, von einer erstaunenswerthen Fernsicht ist, daß er in der

Sean Paul, die heutige Philosophie und Naturwissenschaft. Naturwissenschaft nicht bloß die speciellsten Kenntnisse besigt,

I.

Das Unbewußte und der Wille, *)

Die Nachwelt steht in dem Rufe, unter allen Umständen gerecht zu sein. Wir wollen ihr die Ehre dieses Rufes in keiner Weise schmälern. Im Gegentheil, wir glauben selbst daran. Nur ist allerdings schwer zu bestimmen, wann solche Gerechtigkeit eigentlich eintritt. Vielleicht verhält es sich ähnlich damit, wie mit der Auferstehung, über welche die Theologen auch nicht einig sind, wann sie beginnt, ob bald nach dem Tode oder erst nach Aeonen. Auch kommt es nicht darauf an, denn den Gestorbenen wird die Zeit nicht mehr lang, wie sie den edelsten, größten Geistern auch schon hienieden nie lang geworden ist.

Die Nachwelt scheint es allerdings oft ebenfalls mit Jahrhunderten, Aeonen, zu halten, und nur Einigen wird die Auferstehung der Gerechtigkeit sogleich zu Theil, oder doch bald nachdem sie von hinnen gegangen sind. Auch Jean Paul scheint bei Sei den Deutschen lange warten zu müssen. Zwar wurden ihm Weimar und eine große Zahl deutscher Frauen schon bei Lebzeiten gerecht. Die neueste Zeit ist aber wieder meistens stumm über ihn geworden. Schon sein hundertjähriges Jubiläum wurde, zur Schande nicht Weniger sei es gesagt, schläferig, unwürdig begangen. Bereits sind vierzig und fast sieben Jahre seit Richter's Tode verfloffen. Die Nachwelt als solche beobachtet bis zur Zeit noch immer ein unverantwortliches Schweigen über einen der erstaunenswerthesten, herrlichsten Genien. Nur Einzelne machten eine rühmenswerthe Ausnahme und wußten im Vereine mit den Engländern ihre Verehrung nicht stark genug auszudrücken. Das aber muß gebucht werden, daß Literarhistoriker, wie Gervinus und Vilmar, vollständig armselig und geistlos über ihn geurtheilt haben, eine Unmündigkeit und Stumpfheit über Jean Paul verriethen, die beide ebenso barbarisch wie himmelschreiend find.

*) Vergl. „Magazin" Nr. 33, über „die Philosophie des Unbewußten."

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Wie steht nun dieser gewaltige, erhabene Genius zur heutigen Philosophie? Wie verhält er sich zur heutigen Naturwissenschaft? Zum Theil mit außerordentlicher Divination beiftimmend, zum Theil mit scharfer Polemik abweisend. Ist er in der Sprache überhaupt ebenfalls einzig, so ist auch auf jenen Gebieten sein Ausdruck so vollendet charakteristisch, daß wir bekennen, noch nie habe uns Jemand so lebendig in die Untersuchungen und Verhandlungen eingeführt. Seit Plato hat noch Niemand wie er so Phantaste und Wirklichkeit mit scharfem Verstande, mit überzeugender Combination zu verbinden gewußt. Dabei besißt er die wundersame Kunst, daß er, auch wo er blos zu referiren gesteht, wirklich ohne jede Verfälschung berichtet, aber eben in seiner, ihn von jedem Andern unterscheidenden Weise, so daß er die Behauptungen mit historischer Treue zwar wiedergiebt, aber ihre Unhaltbarkeit, ihre Unwahrheit mit göttlichem Humor auch in's hellste Tageslicht rückt.

Bekanntlich ist es das „Unbewußte", welches an der Tagesordnung heutiger Philosophie sich befindet. Ahnt etwa unser Denker noch nichts von diesem Thema? Bekämpft er es? verlacht er es? Er feiert es vielmehr; er ist desselben in vielen Beziehungen inne geworden. Nun folgert er daraus; nun weiß er aber auch vortrefflich ihm die nur endliche Dauer seines Reiches anzuweisen. Und wie er es nachweist, wie er zugleich be weist, es stehen bei diesem göttlichen Jean Paul das warme Herz und der helle Kopf immer im gesunden, vollständigen Lebensrapport, und es steht über diesem ganzen Proceß und im Hintergrunde aller Erscheinungen,, der Unendliche" als Schöpfer und Herr eines Weltreiches, dessen Bewußtsein keinen Anfang, kein

Ende hat. Nirgend sind hier in Jean Paul's Universum der Intelligenz „Kohlensäcke“, wie die Astronomen die vermeint leeren Stellen am äußern Firmamente nennen, nirgend ist bei Jean Paul Raum für einen unvernünftigen, dummen „Willen“, aus dem alles Leben dennoch stammen solle, und welcher selbst der absolute Kohlensack wäre, ein absolut Leeres, welches noch dazu existiren, und gleichwohl weder von Sich, noch von Anderem etwas wiffen solle!

Doch wie spricht sich Jean Paul über das „Unbewußte“ aus, und wie vermag er deffen relative Rechte zu sichern, vielmehr nachzuweisen?

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Absurditäten gewiffer Schwachköpfe schon herauszuhören meinen, ja sogar Einige von denen, die in unsern Tagen als ehrenwerth, groß, edel, scharfsinnig bezeichnet werden müssen, die sich indeffen auch zu Folgerungen hinreißen ließen, die jeder wissenschaftlichen Begründung entbehren. Selbst einem und anderm heutigen Naturforscher-Namen von Ruf begegnen wir bei Jean Paul (was freilich meist ein neckisches Spiel des Zufalls ist), daß wir unsern Augen kaum trauen, so paßt es auf Heute; so daß solcher Name einer früheren Zeit gleich lautet mit dem der jeßigen oder doch nur mit einem Buchstaben von dem heutigen abweicht.

Citiren wir auch hierfür einige prachtvolle Stellen aus dem | Aufsaße Jean Paul's: „Frage über das Entstehen der ersten Pflanzen, Thiere und Menschen“. (Vgl. Jean Paul's „Museum“), Stellen, die den geneigten Leser nur anreizen sollen, dort die ganze köstliche Darlegung zu lesen, zu studiren.

Richter verbreitet sich anfangs besonders über die, welche schon damals, ebenso wie heute, mit ihrer Weltbetrachtung über die Maschine nicht hinausgelangen. Es ist von größtem Ge wicht, wenn er sagt: „Keine Bescheidenheit ist zu groß, wenn man, wie ich, so vielen gelehrten und tiefen Naturforschern sich entgegen zu stellen wagt, nicht etwa fie zurechtweisend, sondern nur scheu bekennend, daß man von ihnen selber nicht zurechtgewiesen worden, und daß ihre dicken Bücher nicht viel schwerer wiegen, als das erste Blatt Mosts.” — Darauf läßt er in seiner einzigen, die Rüge bereits enthaltenden Weise jene „, organische Maschinenlehre“ sich aussprechen, worauf er mit seiner ganzen imposanten Ueberlegenheit und Wucht hervortritt und antwortet.

Jean Paul bemerkt dort einmal: „Wir machen von dem Länderreichthum des Ich viel zu kleine oder enge Messungen, wenn wir das ungeheure Reich des Unbewußten, dieses in jedem Sinne wahre innere Afrika, auslassen. Von der weiten vollen Weltkugel des Gedächtnisses, drehen sich dem Geiste in jeder Sekunde immer nur einige erleuchtete Bergspißen vor, und die ganze übrige Welt bleibt in ihrem Schatten liegen.“ Und ferner: Es bleibt nichts übrig für den Aufenthalt und Thron | der Lebenskraft, als das große Reich des Unbewußten in der Seele selber." Ferner: „Man steht bei gewissen Menschen sogleich über die ganze angebaute Seele hinüber, bis an die Gränze der aufgedeckten Leerheit und Dürftigkeit."— Also auch hier stoßen wir auf obigen Kohlensack. Jean Paul fährt fort: „Aber das Reich des Unbewußten, zugleich ein Reich des Un-| ergründlichen und Unermeßlichen, daß jeden Menschengeist besigt | mus, wahrscheinlich die Wafferthiere als die unvollkommensten

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und regiert, macht den Dürftigen reich und rückt ihm die Gränzen in's Unsichtbare." — Und wiederum: „Ist es nicht ein tröstlicher Gedanke, dieser verdeckte Reichthum in unserer Seele? Können wir nicht hoffen, daß wir unbewußt Gott vielleicht inniger lieben als wir wissen, und daß ein stiller Instinkt für die zweite Welt in uns arbeite, indeß wir bewußt uns so sehr der äußeren übergeben?" Und weiter: „Wir sehen ja täglich, wie das Bewußte zum Unbewußten wird, wie die Seele ohne Bewußtsein die Finger nach dem Generalbasse regt, indem sie jenes auf neue Verhältnisse und Handlungen richtet. Wenn man die Muskelund Nerven-Durchkreuzung kennt, erstaunt man über Zuckungen und Drucke der kleinsten Art ohne bewußtes Wollen.“ — Endlich: ,,Ebenso gut können nicht blos diese eroberten Plätze rückwärts, sondern sogar das ganze Reich des Unbewußten einmal als Reich des Bewußten erobert werden."

Deutlicher kann man wohl nicht kund geben, daß man sich auf die tiefe, unendliche Bedeutung des „Unbewußten" versteht, daß man aber immer damit abschließt, im Gegentheil erkennt, daß alles relativ Unbewußte das absolute Bewußtsein voraussetzt.

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Da heißt es denn u. a.: „In den ersten Glühjahrhunderten der jungen Erde sagen die organischen Maschinenmeister – wurden durch das Zusammentreten der größeren Wärme und Gährung, der dichteren Luft, der Electricität und des Galvanis,

zuerst gebildet: und zwar wurde mit den größten, mit den
Ammonshörnern angefangen." — Weiter heißt es: „Ebenso, jagt
Darwin, (vielleicht ein Vorfahr oder Verwandter des jezigen),
laufen vielleicht alle Thiere in wenige ein, ja die ganze Thierwelt
spann sich vielleicht aus einem einzigen Fleischfädchen an." Vgl
deffen „Zoonomie". Jean Paul hebt im Folgenden besonders
den Unsinn der behaupteten Elternlosigkeit hervor. Er läßt die
Wahnwißigen weiter schwaßen: Wem solche organische Geburten
ohne Eltern im Welt-Mai unbegreiflich vorkommen, weil das
geistige Kunstgebäude des Lebens alle chemischen, electrischen und
andere mechanischen Baukräfte zu übersteigen scheint: einem sol
chen braucht man nur zu zeigen, daß jezt im Welt-October täg-
lich dasselbe wiederkommt. Man nenne z. B. die Eingeweide-
Würmer, welche bloß durch kränkliche Schwäche eines fremden
Körpers entstehen und ferner, was alle Möglichkeit der Eltern
ausschließt, sogar Eingeweide-Würmer im Ei einer Henne.“
(Vgl. Voigt's Magazin, IV. I.)

,,Du willst", sagen die Maschinenbauer ferner bei Jean Paul, über frühere größere Schöpfungen, da die Erde noch ihre eigene Sonne war und vom Teige aller Keime und von Lebensmilch schwoll und mit Jahrtausenden an ihren brutheißen Gewirken brüten und auswirken konnte, Du willst über frühere größere Schöpfungen derselben staunen, fragen, ja zweifeln?"

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