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ste denn auch, besonders wegen der Einfachheit der Inscenirung und der dazu erforderlichen geringen Personenzahl, mit Auswahl empfohlen werden.

Literarischer Sprechsaal.

Die Revue Politique et Littéraire vom 27. Juli bringt eine Anzeige und ein Inhalts - Resumé des ersten Heftes des vom Großen Generalstabe der Preußischen Armee herausgegebenen Werkes: Der deutsch-französische Krieg". Die genannte Revue gehört zu den maaßvollsten und würdigsten Organen der französischen Journalistik, und namentlich der Verfasser der vorliegen den Anzeige, den wir an den unterzeichneten Initialien H. D. erkennen, unterscheidet sich durch seine gründliche Kenntniß deutscher Sprache, Sitte und Literatur von der großen Menge der über Deutschland, wie der Blinde über die Farbe, urtheilenden französischen Journalisten. Gleichwohl ist auch dieser Artikel nicht frei von der üblichen, bewußten Unwahrhaftigkeit gegen das Nachbarvolk und namentlich gegen dessen Kriegshelden und Staatsmänner, denen man freilich einen Hauptantheil an den weltgeschichtlichen Niederlagen Frankreichs in den Jahren 1870 und 1871 zuschreiben muß. Es ist, als ob man in diesem Lande gar nicht mehr wage, sine ira et studio über Deutschland zu schreiben, und als ob jeder Kritiker, der von einem deutschen Buche etwas Gutes zu sagen beabsichtigt, dies nur eingehüllt in Bitterkeit und Mißachtung thun könne, wenn er bei der großen Menge der französischen Leser nicht als Deutschenfreund verdächtigt sein will. Wie ist es anders, als durch bewußte Unwahrhaftigkeit zu erklären, wenn Herr H. D., der dem militairischen Theile des Buches bereitwillige Anerkennung zu Theil werden läßt, doch in dem Bericht, den der Große Generalstab über die Vorbereitungen giebt, die man in Preußen seit dem Jahre 1868 zu dem Kriege gegen Frankreich getroffen, einen unumstößlichen Beweis dafür findet, daß dieser Krieg von Preußen längst geplant gewesen und daß es eine Heuchelei des Königs von Preußen, eine offenbare Lüge der deutschen Diplomatie und Presse war, wenn sie im Juli 1870 hoch und heilig betheuerten, es habe diesseits überall der dringende Wunsch geherrscht, den Frieden der beiden großen Nachbarvölker aufrecht erhalten zu sehen? „Hr. v. Moltke", ruft der französische Kritiker, ist nicht der Ansicht dieser friedlichen deutschen Seelen! Mögen sie nur sein Buch studiren denn Er und niemand anders ist der Verfasser fast des Ganzen — ich denke mir, sie waren auf dieses offene Zugeständniß weniger vorbereitet, als früher auf den Krieg gegen Frankreich.“

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Wir sollten uns wohl nach dem Jahre 1866 nicht auf einen Krieg wenn auch nur zunächst der Abwehr - vorbereiten und nicht die „Wacht am Rhein“ gerüstet halten, als uns von Frankreich herüber weit und breit der Ruf „Rache für Sadowa!" „Das linke Rheinufer gehört den Franzosen!" in die Ohren gedonnert wurde? Wir sollten wohl die Hände ruhig in den Schooß legen, als die französischen Revolutionäre, nachdem sie erkannt, daß man dem Kaiser Napoleon III. mit einer Revolution à la 1830 und 1848 nichts anhaben könne, einen Krieg mit Preußen laut genug als das beste Mittel verkündeten, gleichzeitig den Kaiser los zu werden und die eigene Raubsucht zu befriedigen? Nicht für diesen Kaiser mit seinen abenteuerlichen Antecedentien, sondern für die offenbare Zielscheibe jener Feinde aller Dynastieen und alles europäischen Völkerrechtes, hegen die Hohenzollern, die Moltke, die Bismarck Sympathieen, ebenso wie sie aus ähn

lichen Gründen der Friedens- und der Völkerrechts - Liebe Sympathieen für die vertriebenen Dynastieen von 1830 und von 1848 gehegt hatten. Es erscheint daher abermals als ein Beweis seiner bewußten Unwahrhaftigkeit, wenn der französische Kritiker die Vorrede zu dem Generalstabs - Werke, die er einer der Federn der Deutschen Reichskanzlei zuschreibt, für „ein ebenso heuchlerisches als serviles Produkt“ erklärt, weil darin nicht Napoleon III., sondern die französische Oppositionspartei, mit Einschluß der Ollivier und der Gramont, für den Ausbruch des Krieges verantwortlich gemacht wird.

Dem alten Straßburger Meistersinger, dem ehrenwerthen deutschen Volksdichter Daniel Hirt, Drechslermeister in der Hauptstadt des Elsaßz, ist kürzlich die wohlverdiente Auszeichnung zu Theil geworden, daß ihm die Tiedge-Stiftung zu Dresden ihr Ehrenmitglieds- Diplom übersandt hat. Auch dieser schlichte, deutsche Mann, dessen Gedichtè in elfäfsischer, wie in hochdeutscher Mundart seit Jahren im Munde des Volkes leben, wird, wie der nicht minder gefeierte deutsch-elfäffische Dichter Auguft Stöber, von der französischen „elsässer Liga“ in der brutalsten Weise angefeindet. In den Augen dieser Mulatten ist es ein Verbrechen, wenn ein Straßburger oder Mühlhausener in die Sprache seiner Vorfahren die Ergießungen seines Herzens kleidet und mit den Idealen eines Schiller, eines Goethe, mehr sympathisirt, als mit der Cameliendame und mit der Homme-femme eines Aler. Dumas. Schon der Vater Stöber's, Ehrenfried Stöber, gehörte als deutscher Musensohn und als Schüler des Dichters Pfeffel in Colmar, dem „Rheinischen Dichterbund“ an, an dessen Spize I. P. Hebel stand und der in Elsaß und Deutschlothringen über hundert Mitglieder zählte.

In diesem Augenblicke geht uns die betrübende Nachricht von dem Ableben des hochgeschäßten, auch den Lesern unseres „Magazin" seit Jahren in ehrenhaftester Weise bekannten, deutsch - elsässischen Dichters Carl Candidus zu. Einer alten elsässischen Familie angehörend, die seit zweihundert Jahren deutsche Religiosität und deutsches Gemüthsleben von Vater auf Sohn vererbt, einer Familie, welcher auch der edele Dichter Gustav Mühl in Straßburg angehört, hatte sich Carl Candidus dem Studium der Theologie gewidmet und war als Prediger der deutschen protestantischen Gemeinde nach Odessa berufen worden. Dort erfuhr er, daß sein liebes Elsaß wieder in den Schooß des deutschen Vaterlandes zurückgekehrt sei, und von dort aus gab er seine Freude über diese unerwartete nationale Wiedergeburt seiner Heimat in dankbaren deutschen Hymnen, wie in gemüthreichen Volksliedern zu erkennen, die er in elfässischer Mundart gedichtet. Eines derselben war im vorigen Jahre in der Straßburger Zeitung" abgedruckt und hatte den Refrain: „Heidebrietsch! Mer syn wieder Dietsch!" Von einem Brustleiden heimgesucht, hatte sich Candidus nach dem Badeorte Feodosa in der Krim begeben, wo er am 16. Juli, 55 Jahre alt, verstorben ist.

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Dieser Nummer liegt bei: eine literarische Anzeige betreffend Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit. Verlag von G. Baffe in Quedlinburg.

Verantw. Redacteur: Joseph Lehmann in Berlin, Matthäikirchstraße Nr. 16. Verlegt von Ferd. Dümmler's Berlagsbuchhandlung (Harrwis und Gofmann) in Berlin, Wilhelmsstraße Nr. 86.

Druck von Eduard Krauje in Berlin, Franzöfifchestraße Nr. 51.

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Inhalt.

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Deutschland und das Ausland. Den Widersachern der exacten
Wissenschaften. 419. Die „Philosophie des Unbewußten“ und
die Naturforschung. 420 Deutsche Männer des Elsaß. Carl
Candidus. 423. Der Schulzwang in Elsaß-Lothringen. 424.
Desterreich-Ungarn. Ludwig Steub über Tirol. 424.
Rußland. Rußland unter Peter dem Großen. 1. Der Deutsche
Vockerodt über den Russen Peter. 426.
Frankreich. Alexandre Dumas und sein neuestes Frauen-Ideal. 427.
Erlebnisse eines nicht ausgewiesenen Deutschen in Frankreich. 428.
Nord-Amerika. Amerikanische Religionsschriften. 429.
Südpol. Aufforderung zu einer Südpolar-Expedition. 429.
Kleine literarische Revue. Präsident Lincoln. 430.

Ein LiederCoder Luther's. 430. Der große Papyrus Harris. 431. Die Ehre im Spiegel der Zeit. 431. Literarischer Sprechsaal. Orihodore Angriffe auf Goethe's „Hermann und Dorothea". 431. Die Straßburger Universität. 432. Schweinfurto's Afrika-Reisen. 432. — Die Nachrichten über Livingstone. 432. Arbeiter Wohnhäuser. 432.

Deutschland und das Ausland.

Den Widersachern der exacten Wissenschaften.

Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben! Dieser Spruch der Alten gewinnt von Generation zu Generation an Wahrheit. Die kolossalen Errungenschaften auf allen Gebieten des Wissens häufen sich an, und der Einzelne vermag nur mehr einen winzigen Theil dieses mächtigen Körpers zu überschauen! Die Weisen des alten Griechenlands konnten das ganze Universum des damals Erkannten in ihrem Geiste vereinigen und ihren Mitlebenden wiederspiegeln; das Zeitalter der Humanisten hatte Männer, die auf der Höhe sämmtlicher Wissenschaften standen; ja noch bis weit in unser Jahrhundert hinein ragte in der Gestalt des großen Goethe ein Repräsentant jener allumfassenden Gelehrtheit. Heute ist Universalität des Wissens gleichbedeutend mit Halbwissen. Die einzelnen Disciplinen zerfallen in Specialitäten und eine einzige dieser Specialitäten ist oft mehr wie hinreichend, die Kraft und das Streben eines Menschenlebens auszufüllen. Besonders die Naturwissenschaften sind es, deren Gebiete in so ungeheurem Maße an Umfang zunehmen, denen jede neue Entdeckung nicht ein abgeschlossenes Ganze bietet, sondern vielmehr nur eine Perspective eröffnet auf ein endloses Gebiet weiteren Forschens gleichwie die Hydra für jedes abgeschlagene Haupt dem, der sich anmaßte, sie zu bewältigen, drei neue Häupter bot!

in den

So arbeiten jetzt auf den Wogen des Weltmeers, Wildnissen ferner Zonen, in der stillen Stube des Gelehrten Hunderte und Tausende von emsigen Händen, von denkenden Geistern - ob als rastlose Sammler oder als tiefe Denker, als kühne Entdecker oder als willkommene fleißige Handarbeiter, an dem Ausbau des großen Werkes menschlicher Erkenntniß. Und immer größer wird das Errungene und immer größer wird die Arbeit.

Aber das Naturgeseh der Arbeitstheilung, welches dem Einzelnen für seine Thätigkeit nur ein kleines Feld anweist, beschränkt nicht zugleich auch den Gesichtskreis und das Interesse! Im Gegentheil, während der Wirkungskreis des Einzelnen immer mehr von dem Allgemeinen zu dem Speciel

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len gedrängt wird, wächst die Universalität des Interesses: die tiefere Erkenntniß der Einzelheiten bringt zugleich ein reiferes Verständniß ein offeneres Auge für das große Ganze mit sich. Die Erziehung der Jugend in unseren Tagen verbreitet sich über die Grundzüge aller Wissenschaften, und der Jüngling, der eine gute Schule verläßt, trägt den Keim in sich des Verständnisses für die Gesammtheit des heutigen Wissens. Wenn er in das Leben eintritt, muß er sich beschränken; er muß eine bestimmte Richtung wählen, die empfangenen Keime auszubilden; und der Dichter singt: Wollt Ihr etwas Großes leisten, sezet Euer Leben dran! Da heißt es: Beschränkung des Wirkens auf ein bestimmtes, eng begränztes Feld. Aber wenn auch der Naturforscher nicht gleichzeitig Fugen schreiben der Philolog nicht zugleich Kometenbahnen berechnen kann, so braucht doch ein, einem anderen Fach Angehöriger nicht sein Interesse, 3. B. für Geschichte, für Sprache und Literatur, an den Nagel zu hängen. Fachschriften zu lesen, ist freilich nur den Wenigsten vergönnt; aber, wie mit jedem Bedürfniß auch die Bedingungen zu seiner Befriedigung sich einstellen, so ist durch eine große Anzahl tüchtiger Zeitschriften, die sich in gemeinverständlicher Weise über alle nur denkbaren Gegenstände verbreiten, dem Fachmanne reichlich Gelegenheit geboten, sich über die Dinge, die außerhalb seiner engeren Sphäre liegen, zu unterrichten und sich einigermaßen au courant zu halten.

Zu den besten dieser Zeitschriften gehört das „Magazin für die Literatur des Auslandes“, und es ist dieses Blatt dem Schreiber dieser Zeilen, wie unzähligen Anderen aus allen möglichen Fächern, seit vielen Jahren ein lieber Freund geworden, aus dem sie nach aufreibender Berufsthätigkeit Erholung, Belehrung und Anregung schöpfen.

Um so mehr aber kann man gerade von einem solchen Blatt verlangen, daß es, seiner Mission getreu, sich in seinen Gränzen halte und sich nicht in verlezender Weise Uebergriffe in andere Gebiete zu Schulden kommen lasse! Was für einen Eindruck muß es nun aber auf den Leser machen, wenn er, aus dem Ernste des Lebens in das heitere Reich der Kunst fliehend, sich in eine literarische Zeitschrift vertieft und plößlich zu lesen kriegt, wie Jemand in durchaus unsachgemäßer Weise ihm in sein eigenes Handwerk pfuscht! Ich habe hier zunächst den Artikel in Nr. 26 d. Bl. (vom 29. Juni) über „Od und Ozon“ im Auge (auf welchen ich hier nicht näher eingehen kann). Ich schrieb, gleich nachdem ich ihn gelesen, eine Erwiderung; als ich indessen damit fertig war, war auch mein Unmuth über besagten Artikel einigermaßen verrauscht; ich dachte schließlich: trop de bruit pour une omelette", und da meine Erwiderung etwas scharf ausgefallen war, so unterließ ich aus Rücksicht für den mir unbekannten Verfasser, sie zu veröffentlichen. Seitdem sind einige Wochen vergangen, und ich hatte die Sache schon halb vergessen, da zwingt mich der Aufsatz desselben Verfassers über „Hamann's Schriften und Briefe" (in Nr. 28 des Mag.) mein Stillschweigen zu brechen; denn alle die Theile meiner vorigen Erwiderung, die mir damals zu scharf erschienen, finde ich jezt durch diesen zweiten Auffah mehr als gerechtfertigt! Und ich bin der Ueberzeugung, daß ein großer Theil der Leser dieses Blattes mir vollkommen zustimmen wird, wenn ich meiner Entrüstung

Worte verleihe. Ich glaube dies meinen Mitlesern und dem Blatte selbst schuldig zu sein, welches den Ruhm des deutschen Namens auf seinem Banner trägt. Denn was soll das Ausland zu einem Lande sagen, wo die heilige Wissenschaft frech verhöhnt werden darf! und von wem? nicht vom zelotischen Jünger Loyola's; nein, von einem Manne aus der Schaar Derer, die sich die Ritter vom Geiste nennen. Und nicht in einem petroleumduftenden Schandblatt der Socialdemokraten, nein, in einer erlauchten Zeitschrift, die für ein auserwähltes Publikum erscheint, die berufen ist, über die Landesgränzen hinaus, über die Oceane die Leuchte deutschen Geistes zu tragen!

Kann man denn nicht Auffäße über Hamann schreiben, ohne so empörende Ausfälle auf die Wissenschaft zu machen? Es ist wirklich traurig für unser aufgeklärtes Jahrhundert, daß der Naturforscher noch immer solchen Angriffen von solcher Seite ausgesezt ist! Kreuzigen und verbrennen kann man zwar Gott sei Dank die Männer der Wahrheit nicht mehr, aber man nörgelt an ihnen herum zum Uebelwerden! und man brandmarkt sich selbst, indem man in unwürdiger Weise ihr Heiligthum anfeindet.

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Man wirst ihr Gottlosigkeit und Mangel an „höherer Anschauungsweise“ vor, weil sie in der Natur nicht die WillkürHerrschaft eines Sultans, sondern das unbeirrte Walten ewiger, wundervoller Gesetze erblickt! O! Ihr Lästerer, die Ihr die mühevolle Arbeit der Wissenschaft schmäht und aus Eurem stolzen Verstande heraus Euer Weltsystemchen construirt! Gehet hin in die Werkstatt des Forschers und sehet, wie er im Schweiße seines Angesichtes, mit Gefahr seiner Gesundheit - oft seines Lebens die Erscheinungen zu ergründen sucht; wie er mit unfäglicher Mühe Thatsache um Thatsache feststellt, bis aus der Reihe der Thatsachen, aus der Uebereinstimmung der Erscheinungen dem Staunenden ein Gesetz entgegenleuchtet. Wie er dann voll Begeisterung von Neuem seine ganze Kraft daran sezt, die Aeußerungen dieses Gesetzes nach allen Richtungen hin zu erforschen; und dies Alles mit dem vollen Bewußtsein, daß morgen, heute, neue Entdeckungen gemacht werden können, die das ganze Resultat seiner Arbeit seines Lebens über den Haufen (d. H. zu den überwundenen Standpunkten) werfen!

Und Anmaßung werft Ihr der Wissenschaft vor! Ich aber möchte Euch zurufen: Gehet hin und lernet Bescheidenheit von ihr. Denn die Wissenschaft ist bescheiden, wie kühn auch ihre Schlüsse, wie großartig auch ihre Errungenschaften sind: Keiner von Denen, die ihr dienen, vermißt sich zu glauben, er habe die Wahrheit gefunden für alle Zeiten. Keinem unserer großen Forscher fällt es ein, was er erforscht und was er zu erkennen glaubt, als unbedingt maßgebend hinzustellen; sie finden vielmehr Stolz genug darin, sagen zu können: Was wir erkannt, ist maßgebend für den heutigen Stand unseres Wissens. Und die Wissenschaft weiß, daß es eine Gränze giebt menschlicher Erkenntniß, aber sie weiß auch, wie unendlich weit der Weg noch ist bis zu jener Gränze; und sie forscht und dringt weiter, und ihre Befriedigung, ihr Lohn, ihre Loosung ist das Streben!

Wenn Ihr nun dies Alles gesehen und ein Weniges darüber nachgedacht habt, dann ziehet hin und schwinget das Schwert der Gerechtigkeit über die Schäden der Zeit, kritisirt die socialen Mißstände (sofern Ihr etwas von Volkswirthschaft verfteht), kämpft für Eure Ideale, macht Euch lustig so viel —

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Die „Philosophie des Unbewußten“ und die Naturforschung. *) In der obschwebenden Sache des Hrn. von Hartmann haben nur Zwei zugleich endgiltig zu entscheiden, der Philosoph und der Naturforscher. Freilich muß es ein Philosoph sein, der in der Naturforschung gründlich bewandert ist, aber auch ein Naturforscher, der die großen Errungenschaften der Philosophie aufs Genaueste kennt. Mögen die Einseitigen noch so stark protestiren, beide Wissenschaften, Philosophie und Naturwissenschaft, find be reits so weit gediehen, daß Metaphysik ohne Physik gar nicht mehr fortzukommen vermag, aber auch Physik ohne Metaphysik stets im Dunkeln tappt, indem sie nie we'ß, was sie an den Erscheinungen hat. Allem abstrakten Denken fehlt jeder reale Boden, und allem concreten Experimentiren fehlt jeder ideale Gehalt. Wir hätten gewünscht, daß der Verfasser vorliegender Schrift auch die Rechte der Philosophie mehr in Anwendung gebracht hätte. Wir gehen hier in unserm Urtheil vom Standpunkte der Philos sophie aus. So viel steht schon von vorn herein fest, Herr von Hartmann ist von der edelsten Gesinnung erfüllt. Er ist reich an Geist, er besitzt philosophische Produktivität, er ift gründe lich und vielseitig bewandert auf den Gebieten der spekulativen und empirischen Wissenschaften, und er hat eine außerordentliche Darstellungsgabe.

Herr von Hartmann hat sich durch sein Werk ein großes, doppeltes Verdienst erworben, einmal, daß er das Wesen des Unbewußten einer speciellen Durchforschung unterzog, sodann daß er, was jest unumgänglich nöthig geworden, die philosophische Thätigkeit mit der naturwissenschaftlichen vereinigt. Beide Ver dienste fassen wir darin zusammen, daß unser Denker durch seine Philosophie des Unbewußten ein Ferment, ein befruchtendes Element in die Gesammtwissenschaft geworfen hat, welches von unabsehbaren, günstigen Folgen sein wird, ein Verdienst, welches ihm bleibt, und durch noch so viele Gegner nie beeinträchtigt werden kann. Indem wir solches unumwunden anerkennen, gehört doch auch dies zu unserer Offenheit, daß wir es darlegen, wie wir in unserer Weltanschauung, in den Ergebnissen unseres Nachdenkens mit den Resultaten Hartmann's im Princip, wie in der Durchführung fast ganz auseinandergehen, wenn wir in manchem Einzelnen uns auch wieder berühren. Halten wir das System Schopenhauer's für durchaus irrig, ja künftig sogar für unmöglich, so wird, obwohl die Hartmann'sche Darlegung eine selbständige Consequenz der Schopenhauer'schen ist, von der Philosophie des Unbewußten doch keineswegs das Gleiche gelten. Denn das Unbewußte ist unleugbar, es ist der Tiefgrund im Leben der Pflanze, des Thieres, des Menschen, zumal schon im Kinde, im Genius, wenigstens in dessen primitivem Schaffen, im

*) Philosophie gegen naturwissenschaftliche Ueberhebung. Eine Zurechtweisung des Dr. med. Geo. Stiebeling, von A. T. Berlin, Carl Dunder's Verlag (C. Heymons), 1872. (104 S.)

Wahnsinn, in der Krankheit des Körpers, im Wiederherstellungs- | zwischen Wille und Vorstellung vorhanden, in seiner Erhebung proceß der Natur, im Wachen, wie im Traume, im Vorgefühl des Todes. Aber das Unbewußte als solches? Hr. v. Hartmann hat in der Untersuchung deffelben eine Nordpol-Expedition unternommen, die, ungeachtet großer Gefahren, dem kühnen | Segler vielfach geglückt ist. Aber die Erde ist noch lange nicht das Universum, und das Universum ist noch lange nicht dessen Urheber. Die Entdeckung einer Durchfahrt aus dem Unbewußten in's absolut Bewußte ist bis dahin unserm Denker noch nicht gelungen. Wir hoffen sie zuversichtlich von seiner Zukunft. In jenen arktischen Gebieten des Unbewußten ist es zuleßt doch unheimlich; es kommt in ihrem Eise auf die Länge kein Menschenleben mehr fort. Im Grimm der Kälte erfriert auch das Denken.

Was nun aber das Unbewußte betrifft — es müßte doch vor Allem festgestellt werden; soll damit das bezeichnet werden, was wenigstens der Mensch nicht weiß; dagegen wäre gar nichts zu sagen. Oder soll es das bedeuten, was auch an und für sich das Unbewußte ist, es stets gewesen und ewig bleiben wird. Ein solch absolut unbewußtes ist schlechterdings unmöglich. Alles Unbewußte kann nur einstweilig sein. Es verhält sich mit dem Unbewußten und Bewußten ähnlich, wie mit dem Negativen im Verhältniß zum Positiven. Alles Negative ist nur am Positiven, nicht auch umgekehrt. Wäre nichts Positives, was könnte die Negative denn verneinen? Auch das Unbewußte drückt einen Mangel aus. Es ist nur unter der Voraussetzung möglich eines ewigen Sichbewußten. Das Unbewußte kann nur eingetreten sein, und muß wieder aufhören. Alles Unbewußte ist nur Heruntergekommenheit aus der Sphäre des Bewußten und Bewußtseins. Kurz, das Unbewußte ist kein prius, sondern nur ein posterius. Daher kann es auch nie Princip sein.

Dasselbe gilt vom Willen, wenn er blind oder gar dumm, aber auch, wenn er nur unbewußt ist. Nun aber ist der Schopen hauer'sche Wille doch auch das Princip unseres Philosophen, ein Wille, dem dann die Vorstellung zur Seite, oder vielmehr zunächst untergeben ist. Bloß naturwissenschaftlich kann gar nichts über die eigentliche Berechtigung des Unbewußten entschieden werden, daher wir die unten angezeigte Vertheidigungsschrift auch erst später in Betracht nehmen, welche sich gegen Hrn. Dr. Stiebeling richtet; dieser ist Materialist. Ein solcher hat gar kein Urtheil über Philosophie; er versteht nichts davon.

Das ist aber der gewaltige Fortschritt Hartmann's über Schopenhauer hinaus, daß er den Willen desselben mehr vertieft, mehr Licht über solchen verbreitet, wenn es auch das Licht über einem Abgrunde ist. Daher ist die Hartmann'sche Philosophie auch keine bloße Abzweigung der Schopenhauer'schen, sondern Hartmann hat sein eigenes System. Zwar es bleibt auch in diesem dabei, daß der Wille dumm ist, die Vorstellung anfangs nicht minder, aber Hartmann weist scharf nach, daß der Abgrund des Willens das Unbewußte ist, also ein grundloser Grund, freilich ein Widerspruch, der indessen für die Hartmann'sche Zukunft sehr erfolgreich sein kann. Obwohl es zwischen jenen beiden Denkern unzählige Uebereinstimmungen giebt, so ist das doch bei dem unsrigen eben der Fortschritt, daß es bei ihm zu einem entschiedenen Bruche zwischen dem Willen und der Vorstellung (Intellekt) kommt. Er holt viel tiefer aus, als Schopenhauer. Sein Unbewußtes hat etwas von Spürkraft, von präeristentieller Erinnerung an das Bewußte. Indem er den Ansatz zu seinem Fortschritt aus dem Unbewußten nimmt, holt er nur nicht weit genug aus, um zu entdecken, daß der allein rationelle Grund des Unbewußten das Bewußte ist.

Auch bei Schopenhauer ist schon der Versuch zu einem Bruche

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zu den Platonischen Ideen, in seiner Anschauung des Kunstwerks, in seiner Askese, in seiner Anerkennung der Wiedergeburt, selbst der christlichen, wo der Wille, sage: der Wille, selbst bei dem Frankfurter frei wird! aber es hält nicht lange vor. Der Bruch dagegen bei Hartmann ist ein viel ernsterer; er ist ein erhabener, ein tief tragischer, denn er hat sogar einen großartigen, poetischen Charakter; er ist mit einer Wucht ausgeführt, mit einer spekulativen Phantasie, die in der Darstellung hinreißt; ein Drama für die dichterische Schöpferkraft eines Kalidasa. Dies ist der Wunsch des echten Genius in dem Hartmann'schen Werke. Hier steht der Denker auf dem Culminationspunkte seiner Spekulation. Von dieser Höhe aus hätte er das Gelobte Land aller Religion, Wissenschaft und Kunst sehen müssen. Sieht er es? Nein, daher er auch jählings wieder in seinen Abgrund des Unbewußten hinunterfällt, wenigstens metaphysisch, wenn auch nicht ethisch. Denn, ehe man sich dessen versteht, ist auch der Intellekt schon wieder der ganzen Despotie des blinden Willens verfallen. Folge daraus ist ein Pessimismus, der den Schopenhauer'schen noch um Vieles übertrifft, da Schopenhauer doch wenigstens zugiebt, es könnte sehr wohl in dem Dinge an sich eine ganz neue Ordnung der Welt sich vorfinden. Das, was Hartmann wieder vortheilhaft von Schopenhauer unterscheidet, ist, daß er doch einen Totalzweck der Geschichte und Eristenz herausbringt, aber worin besteht dieser? Entseßlich! Darin, daß das menschliche Individuum, ebenso wie bei Schopenhauer, in's Nichts versinkt, daß die Erlösung nur in der Loskettung durch den Tod vom bisherigen Jammer sich bewährt, wie die sittliche Ausdauer nur darin, daß wir wirken nach wie vor, daß wir bereitwillig als Opfer fallen für Nichts und wider Nichts. Wir sehen aus dieser Philosophie Hartmann's in ihrem Finale, daß unser Denker mit dem Unbewußten auch von dem unerschöpflichen Tiefsinne seines Bruches mit dem Willen durch den Intellekt kein rechtes Bewußtsein hat, wie weit solche Tiefe reicht. Er scheint nichts zu ahnen von der Herrlichkeit jenes Abgrundes, den er selbst gegraben hat, nichts davon, wie jener Bruch den des Geistes mit der egoistischen Natur, in höchster Instanz bedeutet, die Höllenfahrt des ringenden, natürlichen Menschen, aber auch die Himmelfahrt der Ver| söhnung des Geistes mit der Natur, der tiefste Lebensnerv der christlichen Erlösung. „,0, felix culpa, quae dedisti talem redemptorem!"

Jener Kampf bei Hartmann zwischen dem Eigenwillen und dem Intellekt ist, recht betrachtet, der Dualismus zwischen Materie und Geist, zwischen dem Unbewußten und dem Gottesbewußtsein, zwischen Knechtschaft und Erlösung, daher das Wesen der christlichen Wiedergeburt; ein Dualismus, der auch für Wissenschaft und Kunst von tieffter Bedeutung ist. Auch das Christenthum deutet in seiner Wiedergeburt auf das Unbewußte in solchem Vorgange hin („Aber du weißest nicht, von wannen er kommt"). Kurz, jener Bruch und Kampf zwischen Wille und Intellekt bei Hartmann ist der Anlage nach eine ganze Tragödie; er ist schon an sich das Brechen vom Baume der halben Erkenntniß, aber für Hartmann, auf seinem jezigen Standpunkte, noch nicht das ganze Bewußtsein vom Baume des Lebens und dessen reifer Frucht. Wir bringen bei dieser Gelegenheit einen andern der größten Genien aller Jahrhunderte, den heutigen Deutschen, die so leicht vergessen, in Erinnerung, der die Idee des Unbewußten in der vortrefflichsten Weise bereits mehrfach in Betracht zieht, die Hartmann'sche Untersuchung in mancher Hinsicht bestätigt, aber auch nicht die Gränze unangedeutet läßt. Wir wissen nicht, ob Herr von Hartmann vermuthet, wen wir meinen; wir bezweifeln

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es sogar stark, daß er die betreffenden Stellen schon kennt. Wir verschweigen hier absichtlich den Namen jenes Unvergeßlichen, um ihn in einer andern Erörterung namhaft zu machen.

Sicher aber war es für Hartmann eine schwere Aufgabe, auf einem neuen Grunde das Gebäude einer Metaphysik zu erheben, und in dasselbe die großen Entdeckungen der Physik (Naturwissenschaft) einzuarbeiten. Er hat sie bewundernswürdig gelöst, wenigstens zum Theil gelöst, freilich mit der gefährlichen Hinzunahme der problematischen Hypothese: Seßen wir den Fall, es gebe ein Urunbewußtes. Steht also dieser ganze Bau auch auf keinem unwandelbaren Grunde, eben weil das Unbewußte nur das mangelnde Bewußtsein, wie die Höhe der erfüllte Abgrund ist, so hat sich unser Denker doch durch jenen Ausbau der Mittel versichert, eine Philosophie des Bewußten emporzurichten, welche das Wissen zur positiven Ausführung bringt, während das Unbewußte gar nicht gewußt werden kann, und wir werden den ersten Bau höchst schäßenswerth finden, weil er den zweiten zur Folge hat. Wie komme ich, muß unser Denker sich fragen, zu dem ersten Ansaß, ja zu dem Objekte eines Unbewußten, wie gelange ich auf dem Wege meiner Untersuchung dazu, auszusagen, was ich als Wissen erkannt habe, so daß ich später mit ganz bestimmten Größen spekulire, wenn das Unbewußte nur ein X, nur imaginäre Größe, nur Illusion ist? Und wir antworten in seinem Namen, weil sich in jenem Unbewußten schon ein Subjekt ankündigt, welches der Träger desselben, welches unbedingtes Wissen, daher Ursubjekt ist, vor dem auch alle späteren „Illusionen“ Hartmann's in Nichts zerfließen. Hartmann ahnt dieses, daher spricht er so oft im Verlaufe sein Wissen aus. Freilich muß er durch eine Menge von Widersprüchen hindurch, wie sie aber in jedem Systeme sich nachweisen lassen, und aus denen Hartmann's Gegner viel zu viel machen, weil ste nicht wissen, was philosophiren heißt. Zu diesen Widersprüchen ge hört, daß sein Weltwille selbst unbewußt, sogar dumm" ist, die Vorstellung nicht minder, dann jedoch wissen sie plößlich wieder, dann auf lange wieder nicht, und dennoch gelangt der Denker zu der Idee einer Zweckmäßigkeit in der Natur, für die es bei ihm gar keinen Anhalt giebt, wenn der Wille, der Zwecke erreicht, nicht weiß, was er will. Das genirt aber unsern Forscher nicht, und auch das ist ein Moment seiner Denkergröße, daß er sich darum nicht kümmert, weil es ihn zu hastig fortdrängt zu weiteren Ergebnissen. Gleichwohl bleiben jene Nachweisungen eines erstaunenswerthen Zweckverfolgs in der Natur eine der imposantesten Partieen in der Philosophie des Unbewußten", allerdings mit dem Deficit, daß Der nicht erkannt wird, der allein Zwecke haben und erreichen kann, da in ihm Bewußtsein und Vollkommenheit Eins sind. Man muß bei den materialistischen Gegnern Hartmann's, wie bei ihm selbst, der ein Mann von so umfassendem Wissen und ein so geistreicher Denker ist, sowie beim Verfasser der vorliegenden Vertheidigungsschrift oft unwillkürlich ausrufen: also das soll schon Bewußtsein, das schon Wille sein! 3. B. bei „geköpften Fröschen“ und bei Gelegenheit der thierischen „Nervencentra“ (S. 21), wo von einem „klarer oder dunkler bewußten Willen" gesprochen wird. Wille kann auf unserm Planeten nur dem Menschen zugeschrieben werden, ja der Wille ist bei diesem, sobald das Bewußtsein beginnt, nie abwesend, nie vollständig gleich Null. Es giebt keinen vernünftigen, sich bewußten, bloß latenten Willen. Aller Wille ist nothwendig und frei zugleich, freilich stets auch von einem Urbewußtsein abhängig. Ein Wille, der von sich nichts weiß, ein Wille, der nicht kann, was er will, ist gar kein Wille.

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Noch ist zu bemerken, wie sehr sich so Viele der Heutigen

sträuben, das Ursubjekt, Gott, zu erkennen, anzuerkennen. Sie sprechen von der Natur, ste sprechen vom All, ste machen der Philosophie mit Herrn Häckel bedeutende Zugeständnisse, ste sprechen vom Geist, aber sie winden sich, was sie können, Gott zu nennen. Als wäre nicht Gott Geist vor allem! Und dann, wie kommt ihr dazu, auch den Ausdruck All zu brauchen? Von Standpunkten des Unbewußten her, der in die Unendlichkeit unausmeßbar weit hinausstrebenden Natur wißt ihr nichts vom All. Vom Universum kann nur da die Rede sein, wo man die Idee desselben mit Recht für eine uns angeborene und nicht bloß anabstrahirte erkennt, und sie aus einem Urbewußtsein und nicht aus dem Unbewußten und der Natur ableitet.

Doch wir wenden uns jeßt der früher angezogenen Schrift: Zurechtweisung des Dr. med. Geo Stiebeling" zu. Der Verfaffer derselben, A. T., hat seine Vertheidigung Hartmann's gegen Stiebeling mit vieler Umsicht, mit Gewandtheit und Schärfe der Waffen geführt. Er weist nach, er motivirt, daß Herr Stiebeling die „Philosophie des Unbewußten“ keineswegs studirt, daß er sie nicht einmal ganz gelesen habe. Das wäre allerdings stark, und berechtigte in keiner Weise, mit solcher Polemik gegen Herrn von Hartmann zu verfahren. Selbst wenn Herr Stiebeling nur die Absicht gehabt hat, gegen Hartmann's naturwissenschäftliche Behauptungen aufzutreten, so hatte er auch dazu kein Recht, da in jenem Werke die Resultate des Naturforschers mit dem des Denkers auf's Genaueste zusammenhängen. Der Verfasser der angeführten Broschüre giebt schlagende Beweise von der Flüchtigkeit, von dem einseitigen Verfahren, von der Unbekanntschaft mit der Gesammtheit der Naturwissenschaft, mit ihrer neuesten Literatur bei seinem Gegenmanne, so daß man vermuthen muß, Herr Stiebeling habe meist aus dem Beweise seiner zufälligen Wahrnehmungen, seiner Erfahrungen als praktischer Arzt, seiner ephemeren Lektüre, seiner materialistischen Handhabe agirt. An vielen Stellen überzeugt uns der Vertheidiger vollständig, an einigen schwanken wir, wem von Beiden wir Recht geben sollen; an den meisten müssen wir, was die Beobachtung der physikalischen Objekte betrifft, so weit es sich nicht um das Unbewußte der* Metaphysik handelt, die Seite Hartmann's und des Verfassers nehmen. Nun tritt hier freilich ein Uebelstand zu Tage. Was ich mathematisch, logisch erkannt, was ich selbst gedacht und zum Wissen gebracht habe, das weiß ich. Das ist die ewige Unfehlbarkeit der Vernunft, der Wissenschaft als solcher, demnach der Philosophie. Sogar das, was ich naturwissenschaftlich selbst, und zwar denkend, wahrgenommen, mir evident gemacht habe, das weiß ich ein- für allemal. Anders verhält es sich mit den blos empirischen Forschungen eines Anderen. Und hier stoßen wir an die Gränze, an die Schranke aller Naturforschung, wie sehr diese auch für sich ausschließlich das Erakte in Anspruch zu nehmen pflegt. Bin ich selbst nicht beim Erperiment, bei der Zergliederung zugegen gewesen, und nicht dies allein, habe ich nicht selbst experimentirt, zerlegt, so muß ich auf Tren und Glauben hinnehmen, was der Beobachter erkannt zu haben versichert. Ja noch mehr! Empirische Thatsachen reichen nie aus. Dem schärfften Physiker können Täuschungen begegnen. Kurz, es giebt auf dem Gebiete der blos physikalischen Untersuchungen, Versuche, Beobachtungen, gar kein unumstößliches Wissen. Es giebt nur metaphysische Beweise, aber keine physischen.

Dennoch hat Herr T. die größte Wahrscheinlichkeit in den meisten Fällen für sich, und wir empfehlen unsererseits seine Apologie hiermit auf's Angelegentlichste, um Herrn von Hartmann vollauf gerecht zu werden. Schon das Inhaltsverzeichniß

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