Billeder på siden
PDF
ePub

diesen noch vielfach erst zu hebenden Schäßen wachgerufen, erregt Alles, was sich auf diesem Gebiet ereignet, lebhafte Theilnahme, besonders wenn es einen so bedeutenden Gegenstand betrifft,❘ wie den, welchen Professor Teza behandelt. Ein Werk, das dem wichtigen Kreise der alten indischen Schriften über Politik angehört und einen neuen, interessanten Beitrag zu den Acten der erwähnten Forschungen verspricht, darf stets einer dankbaren Aufnahme versichert sein. Durch die vorliegende neue Herausgabe der alten, 1583 in Ferrara gedruckten italiänischen Uebersezung des Kalilah und Dimnah hat sich Professor Teza den Dank Aller verdient, welche sich mit derartigen Forschungen beschäftigen. Das alte, überaus selten gewordene Werk ist eine italiänische Uebersetzung von Simeron Seth's etwa um 1080 abgefaßter griechischer Bearbeitung des Kalilah und Dimnah, die in letter Instanz auf dem alten indischen Grundwerk ruht, dessen Pehlewi-Ueberseßung in das Arabische übertragen und aus dieser Sprache in das Griechische überseßt ward. Der vollständige, alte Titel lautet: Del governo de' regni sotto morali essempi di animali ragionanti tra loro tratti prima di lingua indiana in agarena") da Lela Demno**) saraceno: et poi dall' agarena nella greca da Simeone Setto philosopho antiocheno: ed ora tradotti di greco in

italiano."

Das alte italiänische Werk bietet besonders auch durch manche eigenthümliche Abweichungen, welche auf andere, als die bis jet bekannten Recensionen des antiochischen Philosophen Seth schließen lassen, und auf die hier näher einzugehen, wohl zu weit führen würde, viel Interessantes und veranlaßte daher schon lange zu dem Wunsche einer kritischen Wiederherausgabe.

In den Rahmen einer Belehrung über die Kunst des Regierens, welche der Philosoph (der Bidzai des Arabischen) dem indischen König Abesalon auf deffen Befragen in der Form mit einander redender Thiere ertheilt, werden viele kleinere Erzählungen eingeschoben, die immer dazu dienen, einen Erfahrungssatz zu illustriren, altindische Staatsweisheit in angenehm lesbarer, unterhaltender Form. Referent fühlte sich häufig lebhaft an unser Thier-Epos erinnert, und kann, trotz aller Einsprache gelehrter Literarhistoriker, nicht umhin, der Ansicht beizupflichten, daß auch dieser Zweig der Volksliteratur indischen Ursprungs sei. Das zum Thierstaat gewordene Thierreich unter der Herrschaft des Königs Löwe tritt uns hier in ähnlicher Weise entgegen, wie in unserem alten Bekannten, dem Reineke. Die alte Uebersetzung ist freilich auch abgesehen von den zuvor erwähnten interessanten Abweichungen nicht immer ganz streng, und auch nicht vollkommen frei geblieben von den Einflüssen und Ansichten der Zeit ihrer Entstehung, welche hier und da hineinspielen. Sie ist von dem Verleger, Domenico Mammarelli, in einer liebenswürdigen Dedication einer Dame, Luzia Malpigli di Buonvisi, gewidmet. Der Widmung in Prosa folgt ein Sonett an dieselbe Dame von Giulio Nuti, was Herrn W. Pertsch veranlaßte, den Dichter für den Verfasser der italiänischen Uebersetzung zu halten, eine Ansicht, welche Professor Teza mit verschiedenen Gründen widerlegt. Die vorliegende neue Ausgabe hat der italiänische Gelehrte dem deutschen Forscher gewidmet: ,,al nome onorato di Teodoro Benfey, dell' uomo che si acutamente e con tante diligenza congiunge ed illustra l'oriente coll' occidente." Wir wollen diese kurze Anzeige nicht schließen, ohne zu erwähnen, daß „,Del governo de' regni" einen Theil eines Unter

[ocr errors]

*) Agarena für arabisch, weil die Araber Nachkommen der Hagar. Siehe Benfey, Pantschatantra I., S. 9.

**) Mißverständniß des arabischen Titels Kalilah und Dimnah. Siehe w. o.

nehmens bildet, welches sich die Aufgabe stellt, eine Auswahl seltener oder unedirter literarischer Erzeugnisse des 13. bis 17. Jahrhunderts herauszugeben und schon eine ziemlich bedeutende Anzahl interessanter Werke in eleganter Ausstattung veröffentlicht hat, ein sehr dankenswerthes Bestreben, dem wir auch fernerhin den besten Erfolg wünschen.

-

Kleine literarische Revue.

Die Oden Friedrich's des Großen*) haben in Frl. Emilie Schröder eine ebenso geschickte wie liebevolle Ueberseßerin gefunden und wir verfehlen nicht, das sauber ausgestattete Heft, das mit der Uebersetzung gleichzeitig auch die Originaldichtungen veröffentlicht, anzuzeigen und der gelungenen Arbeit unsere Anerkennung zu zollen. Troßdem, daß es keinen Gebildeten in Deutschland giebt, der nicht die Oden Friedrich's des Großen in ihrem französischen Gewande zu lesen und zu verstehen vermag, ist doch eine solche Uebertragung gewiß Vielen, die nicht leicht Gelegenheit haben, die Originale der vorliegenden edeln Dich tungen des großen Königs kennen zu lernen, sehr willkommen. Die Uebersetzerin hat zu diesem Zwecke eilf der berühmtesten Oden Friedrich's ausgewählt.

[blocks in formation]

Reiseschule für Tourißten und Kurgäßte.**) Wir haben vor drei Jahren die erste Auflage dieses Buches, das kein gewöhnlicher „Murray“ oder „Bädeker“ ist, sondern mehr mit Reisebüchern, wie die von Yorik (Sterne) und Thümmel verglichen werden könnte, als eine ebenso unterhaltende wie belehrende Reiselectüre empfohlen. Wir haben es hier nicht sowohl mit einem Führer, als mit einem Kritiker zu thun, der das Reisen als eine schöne, lohnende Kunst behandelt und Fingerzeige giebt über die Art und Weise, von dieser Kunst den meisten, nachhaltigsten Genuß sich zu verschaffen. Eines der sehr zahlreichen Kapitelchen dieser Reiseschule ist überschrieben: „Kunst, mit Anstand und guter Laune krank zu sein“; ein anderes heißt: „Warnung vor den besten Freunden“; ein drittes: „Misanthropen, Griesgrame, Sonderlinge, Hypochonder"; daraus können unsere Leser ungefähr entnehmen, daß sie ein reiches Vademecum mit diesem Reisebuche sich anschaffen.

*) Nach dem Versmaße des Originals überseßt von Emilie Schröder. Berlin, K. Gey. Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker), 1872. (94 S. gr. 8.)

**) Von Arthur Michelis. Zweite verbesserte Auflage. Leipzig Adolf Gumprecht, 1872.

Bwei Kriminalgeschichten. Aus der Feder zweier unserer gewandtesten Schriftsteller auf diesem Gebiete liegen uns zwei Kriminalgeschichten vor, welche mit kundiger Hand Bilder aus jenem Reiche vor une entrollen, in welchem die strenge Themis mit Wage und Schwert waltet.

Adolph Streckfuß giebt in dem Roman Der verlorene Sohn"*) ein farbenreiches Gemälde aus dem Leben eines reich | begabten, durch eigene Schuld gesunkenen und versunkenen Menschen, und weiß in außerordentlich geschickter Weise die Fäden der Lebensschicksale sämmtlicher in dem Romane handelnd auftretender Personen dergestalt zu verschlingen, daß der Leser fortdauernd in Spannung gehalten und ihm doch nicht zugemuthet wird, Unglaubliches und Unwahrscheinliches mit in den Kauf zu nehmen. Die Lösung geschieht vielmehr in einer ebenso befriedigenden wie harmonischen Weise.

Handelte es sich in dem Romane von Streckfuß vornehmlich um die Auffindung eines verloren gegangenen Erben, der sich schließlich nicht, wie man erwartet, als ein „verlorener Sohn“, sondern als eine verlorene und wiedergefundene Tochter entpuppt, und im Anschluß daran um die Frage, wem ein großes Vermögen zufallen soll, so dreht sich die zweite Erzählung,,,Die Baronin“**), deren Verfasser E. H. von Dedenroth ist, um ein Verbrechen, und bewahrheitet wieder den durch viele traurige Erfahrungen und Justizmorde als berechtigt hingestellten Sah, daß bei den anscheinend überzeugendsten Beweisen doch ein Unschuldiger verurtheilt werden kann. Die Baronin, welche in dem Verdachte steht, den Tod ihres Gatten, wenn auch nicht direct bewirkt, so doch veranlaßt zu haben, wird glänzend gerechtfertigt durch die Energie eines jungen Rechtsgelehrten, der unverbrüchlich an sie glaubt, weil er sie liebt, und dessen Glaube durch ihre Reinigung von jeglichem Verdachte, deffen Liebe durch ihre Hand belohnt wird.

Wir haben in beiden Erzählungen Arbeiten vor uns, die bei aller Spannung, welche sie erregen, doch weit über der gewöhnlichen Sensations-Literatur stehen und die wir deshalb gern empfehlen.

berger in Brüffel liefert einen Artikel „Lilien und Camelien", worin er diese beiden lieblichen, durch das alte und das moderne Frankreich herabgekommenen Blumen in einen pikanten Gegensaß bringt. Gustav zu Putlih sezt das Tagebuch seiner Theater - Erinnerungen fort, Paul d'Abrest schildert neuere Pariser Theater-Zustände, und Adolf Ebeling endlich liefert Skizzen aus dem grollenden, in französische Erinnerungen versunkenen und nicht wie Straßburg im Stillen sich mit deutschen Hoffnungen nährenden Meß.

"

Literarischer Sprechfaal.

Herr Lauth, Maire von Straßburg, hat sich bekanntlich mit der von ihm präsidirten Municipalität der alten deutschen Reichsstadt in einem Aufruf an das Ausland gewendet, worin er um milde Beiträge für die Erneuerung der im letzten Kriege zerstörten Stadtbibliothek" bittet, welche Lestere er von der ,,alten akademischen Bibliothek", die gar nicht abgebrannt sei, unterschieden wissen will. Es ist gewiß nicht zu tadeln, wenn der Magistrat von Straßburg neben der „Universitäts- und Landes-Bibliothek", die jezt zu Stande gekommen und eine der edelsten Zierden der Hauptstadt des Elsaß sein wird, auch noch eine besondere „Stadtbibliothek“ besißen will. Es giebt eine solche in sehr vielen deutschen Städten, in welchen außerdem Landes- und Universitäts-Bibliotheken sich befinden. Aber wenn Herr Bürgermeister Lauth in seinem Aufrufe zu verstehen giebt, daß die deutschen und ausländischen Comités, welche sich das Verdienst der Gründung der neuen, großartigen Straßburger Universitäts- und Landes-Bibliothek erworben, in ihren Aufrufen die Donatoren getäuscht hätten, und zwar zum directen Schaden der Bürgerschaft von Straßburg, so ist dies als ein echt jesu i tisches Verfahren zu kennzeichnen. Ein Protest, den in dieser Beziehung Nr. 79 des Londoner Literary Record von Trübner enthält, sagt unter Anderem: „Die Municipalität von Straßburg hat in ihrem Aufrufe ganz unerwähnt gelassen, daß sie von der deutschen Reichsregierung eine Schadloshaltung von 600,000 Francs für ihre zerstörte Bibliothek empfangen. Und wenn sie troß dieser Gabe, die doch jedenfalls keinen Zweifel in Bezug auf das gerechte und unparteiliche Verfahren der Regierung zuläßt, an die Mildthätigkeit des Publikums sich wendet, so hätte man doch mindestens das von ihr erwarten dürfen, daß ste keine scheelen Blicke auf die neue Universitäts- und Landes- Bibliothek wirft und die Thätigkeit der bestehenden deutschen und englischen Comités nicht durch Andeutungen beeinträchtigt, die sehr verschiedenartigen Interpretationen unterliegen. ... Ja, es ist ungemein zu bedauern, daß man versucht hat, wenn auch nur indirect, eine Bewegung in Mißkredit zu bringen, welche lediglich zu dem Zwecke stattfand, der Stadt Straßburg eine neue Zierde und allen ihren Bürgern, welche ebenso, wie Studirende und Gelehrte, Genuß und Nußen von der neuen Anstalt haben werden, einen geistigen Vortheil zu verschaffen.“

- Der Salon, herausgegeben von Julius Rodenberg,***) fährt fort, sich als eine der gediegensten bellettristischen Monatsschriften Deutschlands zu bewähren. Seine uns vorliegende neueste Nummer (Band X, Heft 8) enthält wiederum poetische, novellistische, descriptive und artistische Beiträge der mannigfaltigsten Art aus Deutschland und aus dem Auslande. Neben Erzählungen von Theod. Storm (,,Draußen im Haidedorf"), Ernst Eckstein („Eine Partie zu Vieren“) und Meta Winzer („Der Verschwundene“), bringt dieses Monatsheft aus dem Leben zweier interessanten Frauen, der Gräfin Dora d'Istria (mit Portrait derselben) und der Marquise von Montagu, Momente zur Charakteristik der literarischen Bewegungen unseres Jahrhunderts, Erstere von Heinrich Kurz und Lettere von Rodenberg dargestellt. Die französische Marquise von Montagu, die, als Emigrantin, gegen Ende des vorigen Jahrhunderts mit ihrem Schwager, dem General Lafayette und seiner streng katholischen Frau auf einem Gute bei Eutin lebte, hat in Verbindung mit französischen Jesuiten in dem berühmten Intriguenstücke: Wie Friz Stolberg ein Unfreier wurde", eine Hauptrolle mitgespielt. Mit W. Rullmann machen wir einen mit Bildern illustrirten „Ausflug ins Rhone - Thal“ des Cantons Genf, und Max Sulz-| schreitende Volksbewegung für das vlamische Nationalleben ein.

"

*) Verlag von B. Brigl in Berlin, 1872. **) ibid.

***) Verlag von J. Payne in Leipzig.

Aus Brüssel gehen sehr erfreuliche Nachrichten über die fort

Erst wenn das Lettere in seine vollen Rechte getreten sein wird, kann Belgien, das bisher ein unerquickliches Bastard-Leben in der europäischen Kulturwelt geführt hat, auf eine gesicherte Zu

kunft seiner politischen und moralischen Existenz zählen. In der Hauptstadt hat sich ein Wahlverein (Vlaamsche Kiezersbond) gebildet, der für die bevorstehenden Wahlen zum Abgeordneten Hause, als Vertreter von Brüssel folgende Männer vorgeschlagen hat: Hendrik Conscience, Lucian Jottrand, Eugen Stroobant, Felix van de Sande, Dr. Koops, Aug. Couvreur, Gust. Jottrand, Adolf Demeur, Jul. Guillery und Ant. Dansaert. Viele dieser Männer, besonders die beiden Erstgenannten, würden von allen Gebildeten Europa's als die würdigsten Volksvertreter Belgiens, dieses Heimatlandes der ältesten Kunst und des ältesten Gewerbfleißes unseres Welttheiles,

begrüßt werden. Mögen die Hoffnungen des wackeren vlamischen

Wahlvereines sich erfüllen!

Wir verbinden damit mit Vergnügen die Anzeige einer neuen, in Antwerpen erscheinenden Ausgabe der klassischen, vlamischen Dichtungen von Jan van Beers. Besonders seine „JünglingsTräume" (Jongelingsdroomen),,,Lebensbilder“ (Levensbeelden) und sein Poem „Gefühl und Leben" (Gevoel en Leven) verdienen auch in Deutschland bekannt und nach ihrem Werthe geschätzt zu werden.

Ueber die altkatholische Kirche des Erzbisthums Utrecht, die nicht eine Frucht des Infallibilitäts-Dogmas, sondern eine historisch-religiöse Ueberlieferung des freien Niederlands ift, hat Herr Professor Fr. Nippold soeben eine Schrift herausgegeben), die er als eine geschichtliche Parallele zur altkatholischen Gemeinde Bildung in Deutschland“ bezeichnet. Der 81jährige Pfarrer der Altkatholiken Utrecht's, Herr de Rijk, ist ein entschiedener Gegner alles Ultramontanismus und Jesuitenthums, aber er und seine zahlreiche Gemeinde hören nicht auf, sich zur katholischen Kirche und zu deren wahrhaft religiösen Inftitutionen zu bekennen. Obwohl von der evangelischen Auffassung des Christenthums abweichend, sind doch die Glaubensnormen der niederländischen Altkatholiken so rein und geläutert, daß dadurch in ihnen eine stetige sittliche Begeisterung und innerliche Frömmigkeit rege erhalten wird. Ihr Cultus ist, wie ihre Lehre, katholisch, aber beide werden gleicherweise von einem tief ethischen Geiste getragen. Von allen Ueberlieferungen des früheren Jansenismus, aus dem die niederländischen Altkatholiken hervorgegangen, ist ihnen hauptsächlich die verblieben, die das eigene Lesen der heiligen Schrift zur Pflicht macht. Die niederländische Regierung hat, treu dem Principe unbeschränkter Religionsfreiheit, auf welchem die dreihundertjährige Verfassung des Reiches ruht, den Altkatholiken des Erzbisthums Utrecht stets den ausreichendsten Schuß gegen alle Verfolgungen gewährt, die von Rom aus gegen sie gerichtet wurden.

Die Anglo-Jewish-Association in London, ein mit der Alliance Israélite universelle in Paris in Verbindung stehender Verein zum Beistande von Israeliten, die um ihres Glaubens willen unterdrückt und verfolgt werden, hat kürzlich einen Aufruf an die Schußmächte Rumäniens gerichtet, sich der Menschenrechte der ebenfalls unter ihrem Schuße stehenden Juden in Rumänien anzunehmen.") Es liegen, heißt es in dieser Schrift, den JudenVerfolgungen in Rumänien augenscheinlich geheime politische Motive zum Grunde, die ein durchaus frieden-störendes Ziel im Auge hätten, das leicht große europäische Verwickelungen herbei

Heidelberg, Fr. Baffermann, 1872.

**) The Jews in Roumania. A short Statement of their Recent History and Present Situation. By Israel Davis. London, Trübner & Co.

führen könne. Darum sei es die Aufgabe der Mächte, die den Frieden im Orient aufrecht erhalten wollten, auch diese Aussaat zur Herbeiführung von Conflicten so rasch und entschieden als möglich im Keime zu ersticken.

Einem Vortrage, den der Präsident der geographischen Gesellschaft von Newyork, Herr Thompson, in der Mai-Sizung der Berliner geographischen Gesellschaft, über die „physikalische Geographie der Vereinigten Staaten, als eine wesentliche Bedingung der Einheit derselben" in deutscher Sprache gehalten, entlehnen wir nachstehenden Passus über die Absorbirung der deutschen Nationalität in den V. St. durch die anglo-amerikanische, der vielleicht eine Berichtigung von Seiten derer erfahren wird, die mit den statistischen und den Familien- Ver hältnissen der Deutschen in Amerika näher vertraut find:

„Die Rassen-Einheit der Nordamerikaner erscheint als eine beschränkte, wenn man bedenkt, daß gegenwärtig fast 16 pCt, nämlich 5,566,000 unter ihnen dem Auslande entstammen, aber die Assimilations-Kraft des Kernes dieser Bevölkerung ist eine so starke, daß man dieselbe im Ganzen nur als eine Spielart des anglosächsischen Stammes bezeichnen kann. Dies wird bestätigt durch ihre Sprachverhältnisse. Obwohl dieselbe bereits 1,600,000 Deutsche,*) über 200,000 Franzosen, 85,000 Schweden, Dänen und Holländer, 50,000 Chinesen und eben so viele Schweizer in sich aufgenommen hat, so bilden diese fremden Sprachen doch kaum 5 pCt. im Verhältniß zur englischen, und die Kinder aller naturalisirten Ausländer werden, mit Ausnahme der Juden, in der dritten Generation nach Sprache, Sitten und Ideen vollständig zu Amerikanern. Daher denn auch die Thatsache, daß von den 1,500,000 Mann der Armee, welcher die Erhaltung der Union zu danken war, mehr als 80 pCt. einge borne Bürger der Vereinigten Staaten waren, und daß von den Verwundeten und Kranken am Schluffe des Krieges weniger als 20 pCt. die Hospital - Versorgung annahmen, ein Beweis, daß die ungeheure Majorität der Armee aus Familien hervorging. Der Krieg für die Union hat überhaupt ein tieferes Verständniß des einheitlichen nationalen Lebens wachgerufen, wie ähnlich der jüngste Krieg in Deutschland. Endlich, wenn die Geschichte der Vereinigten Staaten eine junge ist, so ist sie andererseits kurz genug, um leicht begriffen zu werden."

Der Frauen-Verein zur Beförderung Fröbel'scher Kinder gärten und der Verein für Familien- und Volks - Erziehung in Berlin haben eine neue Preisfrage zur Beantwortung bis zum 31. December 1872 ausgeschrieben. Diese Frage lautet: „Es soll die Nothwendigkeit des Zeichnen-Unterrichts für alle Stufen der Volksschule nachgewiesen und auf Grund der Schriften Friedrich Fröbel's und seiner Anhänger, wie der in den Kindergärten ge machten Erfahrungen, eine für die Volksschule zweckmäßige Methode des Zeichnen-Unterrichts dargestellt werden." Der Umfang der Beantwortung, die mit den üblichen Formalitäten an den Schulvorsteher Luther in Berlin (Melchior-Straße 10) einzusenden, darf vier Druckbogen nicht überschreiten.

[blocks in formation]

Erscheint jeden Sonnabend.

41. Jahrg.]

Inhalt.

Herausgegeben von Joseph Lehmann.

[merged small][ocr errors]

Deutschland und das Ausland. Felix Eberty's Geschichte des
Preußischen Staats. 1806-1815. 307. Deutsche Männer des
Elsaß. Jobann Tauler von Straßburg. 308. Die deutsche
Musik und die romantische Literatur. Robert Schumar.n. 309.
A. Bastian: Ethnologische Forschungen. 310.
Schweiz. Zur Klärung des sozialen Problems. I. Der Kampf um
das Dasein. 310.

Italien. Italien und Deutschland. 312.

Frankreich. Das schreckliche Jahr Victor Hugo's. 312.

Desterreich-Ungarn. Das Judenthum in Ungarn, nach magyarischer Darstellung. 314.

Kleine literarische Revue. . W. Bergmann's neue mythologische und sprachliche Studien. 317. Avé-Lallemant's Fata Morgana. 317. Die Schlesischen Provinzialblätter. 317.

Literarischer Sprechsaal. Die niederländischen Altkatholiken. 317. Clericale, Liberale und Nationale in Belgien. 318. — Prinz Grant in Konstantinopel. 318. Aus dem amerik. Buchhändler-Wochen. blatt. 318.

Deutschland und das Ausland.

Felix Eberty's Geschichte des Preußischen Staats.")
1806-1815.

Der vor Kurzem erschienene VI. Band dieser Geschichte des preußischen Staates umfaßt die bewegte Zeit von der Schlacht bei Jena bis zur Begründung des weiland deutschen Bundes im Jahre 1815. Nicht allein seines Inhaltes wegen, sondern auch vermöge der meisterhaften Darstellung des Stoffes, ist es einer der anziehendsten der bisher erschienenen Theile des Werkes.

Ueber den Inhalt gilt das der Arbeit bisher gewidmete allgemeine Urtheil. Auch durch diesen Band wird das Bild der darin behandelten Zeit, wie es vor unsern Augen schwebt, niht wesentlich verändert, und so lange die bisherigen Grundsäße über die Benutzung der preußischen Archive festgehalten werden, wird es kaum einem Historiker gelingen, die Geschichte jener Periode durch bedeutende neue Materialien wesentlich zu bereichern. Es kann immer nur von der Berichtigung geringfügiger Thatsachen, von der Hinzufügung kleiner Pinselstriche zur Verfeinerung der Detailmalerei in dem sonst fertigen Bilde die Rede sein. Die guten Verbindungen des Verfassers haben ihn in den Stand gesezt, manchen Zug von seinem Interesse einzufügen; wir müssen jedoch anerkennen, daß er, um die schöne Plastik seiner Darstellung nicht zu beeinträchtigen, der Versuchung, hier und da in's Breite zu malen, mannhaft widerstanden hat.

Einen Punkt glauben wir hier zur Sprache bringen zu müssen, welcher seit Perz' Biographie Gneisenau's die Historiker in einige Verwirrung gebracht hat und auch bei Eberty zu keiner befriedigenden Klarheit gelangt ist. Ja, in das Charakterbild Königs Friedrich Wilhelm III., um das es sich hierbei handelt, ist durch Erwähnung der Sache ein so räthselhafter Zug gebracht worden, daß weitere Forschungen im psychologischen Interesse nicht zu

*) Geschichte des Preußischen Staats. Von Dr. Felix Eberty, Prof. in Breslau. Sechster Band, 1806-1815. Breslau, E. Trewendt, 1872.

Preis vierteljährlich 1 Thlr.

[No. 24.

umgehen sein werden. Es ist bekannt, wie der König in seiner damals auf's höchste gespannten Lage die That York's in der Convention von Tauroggen öffentlich be- und verurtheilen mußte. „Da möchte Einen ja der Schlag auf der Stelle rühren!" foll er ausgerufen haben, als er spät in der Nacht die Nachricht erhielt. Noch um Mitternacht ließ er dem französischen Gesandten sagen, er werde sogleich Befehl ertheilen, York abzusehen und zu arretiren. Lange Zeit ist man im Zweifel darüber gewesen, wie der König im Innersten seines Herzens die Sache ansah. Seine persönliche Haltung York gegenüber mußte die Annahme unterstüßen, daß er des Generals eigenmächtige That als schweres Subordinations-Vergehen mißbilligte. Nun hat aber eine Autorität, die gewiß von Niemand angezweifelt werden wird, nämlich Kaiser Wilhelm, dem Historiker Perk die bestimmteste und unzweideutigste Mittheilung gemacht, daß der König, sein Vater, sich schon damals durch das, was geschehen, im Wesentlichen sehr befriedigt gefühlt. Wenn nun die Zurückseßungen, die York in der Folge so oft von des Königs Seite erfuhr, die Mißstimmungen, die der Monarch dem Retter des Vaterlandes sogar nach ruhmvoll wiedererlangtem Frieden noch zu fühlen gab, immer wieder auf die disciplinwidrige Kühnheit von Tauroggen zurückgeführt werden, so ist damit ein Widerspruch ausgedrückt, dessen Erklärung nicht füglich nur in dem Charakter des Königs gesucht werden kann. Dieser Punkt wird in den Geschichtsbüchern anders als bisher behandelt werden müssen, und gewiß werden sich bei genauerer Forschung noch weitere Gründe des peinlichen Verhältnisses zwischen dem Könige und York nachweisen lassen.

Im Uebrigen: welch' ein Spiegel ist der Strom der Begebenheiten, den dieser Band preußischer Geschichte an unserm Auge vorüberfließen läßt, für die Ereignisse der letzten beiden Jahre! Kein Zweifel, dieser Spiegel strahlt die Personen, Thatsachen und Verhältnisse unserer Zeit in der günstigsten Weise zurück. Und Gott Lob! der Spiegel schmeichelt nicht. Die Zeit, in welcher zu leben uns vergönnt ist, erscheint nicht nur, sondern ist erhebender, wirkungsvoller, vertrauenerweckender als die, in welcher unsere Väter gelebt, gekämpft, gestegt und gehofft haben. Nicht nur die reiche Erfüllung der Sehnsucht einer Nation in politischen Dingen ist es, die so stolz aus dem Spiegel hervortritt; sie ist vielmehr umgeben von wahrhaften, dauernden Fortschritten der Humanität und der Religion. Wenn die Barbarei des Krieges, wie behauptet wird, eine unausrottbare Nothwendigkeit ist, so dürfen wir doch mit Genugthuung auf den rühmlichen Unterschied zwischen der jeßigen und derjenigen Krieg führung hinweisen, welche noch in den Jahren der sogenannten Befreiung unvermeidlich war. Man lese in der Geschichte jener Zeit auch nur von dem grausenerregenden Schicksale der verwundeten Vaterlands - Vertheidiger, und man wird sich glücklich fühlen, sich aller Zweifel an der vorwärtsgehenden Bewegung der Menschheit entschlagen zu können.

Deutsche Männer des Elsaß.

Johann Lauler von Straßburg.")

Es ist wohl keine zu kühne Benennung, wie jeder Literaturkundige zugestehen wird, die Werke des großen Straßburger Kanzelbeherrschers Johann Tauler mit dem Ehrenprädikate „national" zu belegen. Die Mystiker des Mittelalters, Hermann von Frizlar, Nikolaus von Straßburg, Eckart, Joh. Tauler, dessen Schüler Heinr. von Nördlingen, Heinr. Suso u. A. erwarben sich ja für unsere Literatur im 14. Jahrhundert das nicht geringe Verdienst, die didaktische Prosa begründet zu haben, was gewiß nicht zu unterschäßen ist, wenn auch sonst die Mystik, ein letter schwacher Versuch, die allmählich verfallende Scholastik zu halten, ein durch und durch unsolides Phantasie-Gebäude war, das uns heutzutage allzu naiv und man könnte sagen als ein kindischblindes Stüßen auf die eigene, allerdings in derselben Weise vertauensvoll, als auf unmittelbare Erleuchtung basirend, ange= nommene Erkenntniß erscheint. Freilich scheinen Scholastik und Mystik an sich Gegensäße zu sein. Hier haarspaltende Distinction, rein förmliche Verstandes-Operation, da unmittelbare Intuition, innere Erleuchtung! Doch Beides war nur die Fortentwicklung des schon im 12. Jahrhundert im Schoße der Kirche verbreiteten Strebens, die Philosophie und sollte es auch nur die Form sein zum Ausgangspunkt der Theologie zu machen. Die Scholastik, die sich bald als leeres Floskelthum herausstellte, fand immer weniger Solidität in sich, immer weniger Halt nach Außen; man dachte an eine Verbesserung derselben, und da sich schon frühzeitig in der Scholastik ein Gegensatz zwischen rein praktischer Auffassung derselben und einer rein wissenschaftlichen herausgestellt hatte, so wurde jest, kurz vor Beginn der Refor= mation, die Mystik als Gegensatz zu der speculativen VernunftErkenntniß (Gnosis) die Grundlage der theologischen Wissenschaft, die zwar in ihrer Art gegensätzlich zur bisherigen Methode auftrat, doch im Wesen nichts anderes war, als eine einseitige Ausbildung der Scholastik. Bedeutende Männer, wie die oben angeführten, ließen sich in die Mystik hineinlenken, und da diese die Form und das Gewand der Theologie werden sollte, da ferner in der Kirche und Hierarchie arge Uebelstände herrschten, die gründlicher Abhülfe bedurften, diesen Männern aber Einsicht und guter Wille nicht mangelte und sie für das Heil der Kirche thatkräftig einstehen wollten, so wandten sie sich — nicht an die Prälaten der Kirche, die hohen Würdenträger derselben, die ja hauptsächlich selbst die Schuld an der Unordnung und der Zerfahrenheit in den kirchlichen Verhältnissen waren, sondern an das Volk, um durch Wort und Schrift eine bessere Gestaltung der Dinge zu bewirken. Da war es nöthig, die Sprache des Volkes zu reden, in der Sprache des Volkes zu schreiben; ste thaten es in unermüdlicher Weise und hoben und bereicherten dieselbe, die bis jezt vernachlässigt gewesen, und schufen dadurch die didaktische Profa.

Sind die Mystiker und im vorzüglichen Sinne der geistesstarke, nie schüchterne Tauler dadurch von großer Bedeutsamkeit für die Entwicklung unserer Prosa geworden, so waren sie auch die Vorarbeiter und Vorläufer einer anderen Thatsache von gcößter Bedeutung der Reformation! Die Mystiker sind also un

*) Johann Tauler's, Medulla animae", (,,Kern und Inbegriff der sämmtl. Schriften Tauler's") überseßt nach der lateinischen Ausgabe des L. Surius von Nikl. Caffeder. Zweite Auflage. Prag, F. Tempsky, 1872.

bezweifelt von nationaler Bedeutung, und von Allen Johann Tauler am Ausgesprochensten.

Ein anderes Moment in Tauler's Entwicklungs - Geschichte macht ihn, außer der Bedeutung, von der er für die Begründung einer didaktischen Prosa wurde, noch zu dem Begründer der praktischen, volksthümlichen Prosa im engeren und engsten Sinne. Als er schon als Prediger großen Ruhm erworben hatte, wurde er von Nikolaus von Basel, dem Oberhaupte der „Gottesfreunde“, aufmerksam gemacht, daß er in seinen Predigten durch gesuchten Schwung der Rede und durch gelehrte Manier vorerst nur sich und seinen Ruhm in den Augen habe und also gewissermaßen einen tadelnswerthen Egoismus befriedige. Diese Ausseßung war auf Tauler vom größten Einflusse. Er mied von nun an jeden Schein, der Anlaß zu neuer, solcher Rüge geben könnte und wurde der praktischste, volksthümlichste, herzenbewegendste Redner seiner Zeit, deffen Schriften für die Entwicklung unserer Sprache von wesentlichem und dauerndem Einfluffe waren.

Wie schon erwähnt, wurden die Mystiker die Vorkämpfer der Reformation. Auch in dieser Hinsicht gebührt Tauler der erste Play. Kühn deckte er die Mißverhältnisse in der Kirche auf und strebte rastlos, von jeder Befangenheit frei, nach Wahrheit, die er um ihrer selbst willen suchte, nicht etwa erst von einer Autorität als solche herzuleiten sich bemühte, wie andere Zeitgenossen thaten, die, wenn sie auch gegen die damalige erbärmliche Ge staltung in der Kirche auftraten, doch an dem Wesen des dogmatischen Inbegriffes nicht zu rütteln wagten. Dieser Eifer für die Wahrheit zog auch Tauler Verfolgung und Bann zu und machte ihn also im wahren Sinne zum Vorläufer der Reformation. Luther erkannte und anerkannte dies sehr wohl und studirte eifrigst Tauler's Schriften, aus denen er sich auch Vieles aneignete.

Bedauern müssen wir nur, daß Tauler's Schriften erst in späten Ausgaben gedruckt wurden und uns in diesen der Typus der Sprache, der didaktischen und Volks-Prosa zu ihrer Entste hungszeit nicht so ganz vollkommen gegeben ist. Die Sprache hatte sich mittlerweile doch erneut und die Authenticität des Tertes mußte durch Hinzufügen und Auslassen der späteren Editoren doch sehr leiden.

Die Caffeder'sche Ausgabe, die in erster Auflage 1821 erschienen ist, verbindet mit einem materiellen Vorzug, mit der vollständigeren Genauigkeit des Inhaltes einen formalen Mangel, der aber um des ersteren willen nicht zu vermeiden ist. Nikol Casseder benutzte nicht die alten deutschen Frankfurter Ausgaben aus den Jahren 1565, 1644 und 1681, sondern die lateinische des L. Surius. „Dazu bewog mich," sagt der Herausgeber in der Vorrede, vorzüglich die Vollständigkeit und die genaue Richtig keit dieser Ausgabe, da jeder, der diese mit den Frankfurter genannten vergleichen will, mit mir finden wird, daß in diesen gar Manches und Vieles übergangen, oder sonst bei Seite gelassen worden ist; so fehlt, um Beweise anzuführen, in den fraglichen deutschen Ausgaben beinahe die Hälfte des vierten Kapitels nach Surius; zwischen dem 16ten und 17ten Kapitel fehlt ein ganzes desgleichen; im 28 sten Kapitel nach Surius fehlt bei jenen beinahe der dritte Theil desselben.“

Das Buch enthält auch Joh. Tauler's „Briefe an seine geistlichen Freunde und Kinder," da solche „immer als Mitbestandtheil der sogenannten Medulla angesehen wurden." Nbr.

« ForrigeFortsæt »