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Verlegenheiten zu bereiten. Zu diesem Behufe wurde in Kroatien ein Kossuth-Cultus provocirt, an dem sich auch unsere tschechischen Brüder betheiligen wollten, und als sich die Herren daselbst überzeugt, daß sie der Kossuth-Cultus auf eine schiefe Ebene führe, die sie nur noch abwärts bringen könne, versuchte man es, dahin gegangenen bisherigen Bestrebungen zu dementiren. Die Regierung trat diesen Dementi's mit der entschiedenen Erklärung entgegen, daß sie Beweise dafür in Händen habe, welche sie jedoch für jest nicht veröffentlichen wolle. Diese Beweise der ungarischen Regierung wurden, wie dies in Böhmen leider sehr häufig schon mit geheimen Circularien, vertraulichen Amtsstücken und selbst Privatbriefen geschehen, von der oppositionellen Partei in ihren Organen, diesmal in der hier erscheinenden "Politik" abgedruckt. Daß dieses Blatt, oder richtiger gesagt, die oppositionelle Partei nicht auf rechtlichem Wege zu diesen Aktenstücken gelangt sein konnte, ist einleuchtend, allein der Zweck heiligt die Mittel, und der Regierung blieb nichts übrig, als das betreffende Blatt zu confisciren.

Da es aber der Opposition darum zu thun war, diese Aktenstücke, wegen der daran geknüpften Erklärung ihrer Unechtheit zu publiziren, wurden sie hierauf in Form einer kleinen Broschüre herausgegeben. Der Inhalt derselben bestand erstlich aus einem Promemoria über eine Sigung der kroatischen Oppositionsführer, in der Stroyschowsky und Bliva eine vom Grafen ClamMartinig und Rieger ausgegangene, in französischer Sprache abgefaßte, Aufforderung übergaben, mit den Tschechen gemeinschaftlich Kossuth zur Rückkehr in sein Vaterland zu veranlassen.

Das zweite Aktenstück, ebenfalls ein Promemoria, enthält Andeutungen über die Unterstüßung der südslavischen Revolution durch die Nationalpartei in Kroatien, welche wohl keine bewaffnete Hülfe leisten könne, doch die Haltung der auswärtigen österreichischungarischen Politik beeinflussen werde, damit die Monarchie genöthigt sei, neutral zu bleiben. Endlich würde ste aber der Revolution die möglichste materielle Unterstüßung zukommen lassen, und zu diesem Zwecke eine Sammlung milder Gaben, eine Sammlung von Geld und Kriegsmaterial, so wie die Werbung intelligenter Jünglinge u. s. w. veranstalten. In demselben Aktenstücke waren auch Andeutungen über das Verhalten der russischen Regierung gegenüber der kroatischen Agitation.

Das dritte Aktenstück, welches in der confiscirten Broschüre aufgenommen war, ebenfalls die Aufschrift „Promemoria“ trug, enthielt die Verhandlung über die Informirung des Grafen Lonyay, bezüglich der beiden früher genannten tschechischen Abgeordneten; die Mittheilung über ein Schreiben an Daniel von Irányi, in welchem ihm der Dank für seine Haltung und die wärmsten Sympathieen für die ungarische Linke ausgesprochen werden; endlich einen Bericht aus Semlin über die Einleitungen, um im serbisch-banaten und südlichen Theile Ungarns einen bewaffneten Aufstand zu erheben, sobald die Entwaffnung der Militärgränze in die Hand genommen oder Zwangsmaßregeln gegen die Serben Ungarns angeordnet werden.

Endlich enthielt die Broschüre als „Promemoria“ den Rechnungsbericht des Comité-Rechnungsführers der Nationalpartei nebst dessen Erklärung, daß man zu den herannahenden Wahlen Geld, Geld und abermals Geld brauche, zu welchem Behufe von der in Prag bestehenden (tschechischen),,Živnostenská banka“ 60,000 fl. entlehnt worden, von dem Petersburger slavischen Hülfsverein 18,000 fl., vom slavischen Hülfscomité in Moskau 15,000 fl. und vom slavischen Hülfsverein aus Odessa 35,000 fl. als Unterstüßungen eingelaufen, endlich aus dem Dispositionsfond der fürstlich serbischen Regierung 27,500 fl. zu gleichem Zwecke eingeschickt wurden.

Nachdem noch am Schluffe dieser Broschüre, welche bei Skrej schowsky gedruckt und in dessen Verlag erscheinen sollte, eine Er klärung beigegeben ist, aus welcher das Publikum entnehmen sollte, daß der Inhalt des Ganzen eine Erfindung, etwa der ungarischen Regierung sei, wurde ein Pflichteṛemplar der Behörde vorgelegt, was 24 Stunden vor der Ausgabe einer Schrift, die nicht über fünf Bogen enthält, geschehen muß. Die Staatsanwaltschaft erkannte nach der Vorlage, daß diese Broschüre zu confisciren sei, und als die Behörde zu diesem Behufe in Strej schowsky's Officin erschienen, war kein Exemplar derselben auf findbar. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß sie noch vor Vorlage des Pflichteremplars verschickt worden ist; indessen dürfte der Inhalt derselben auch in anderer Weise in die Hände des sich dafür interessirenden Publikums gelangt sein, denn ein oppositionelles Blatt berichtet aus Agram, daß wenn auch der (bereits eingegangene) „Neue Wanderer" und das „Vaterland", welche den Inhalt der Broschüre brachten, confiscirt wurden, andere Zeitungen, welche auch den Tert hatten, durchgelaffen wurden.

Prag, Anfang Mai, 1872.

Orient.

Die Judenverfolgungen im Orient.

Dr. -s-r.

Von Heinrich Freiherrn von Malzan.

II.

Die alten Raubftaaten und das neue Rumänien.

Damit man nicht glaube, daß ich zu viel gesagt, will ich Beispiele anführen und zwar aus neuester Zeit. Man möchte mir sonst wohl einige vereinzelte Fälle, in welchen beraubte Juden entschädigt wurden, entgegenhalten. Solche Fälle kommen allerdings vor. Aber erstens sind sie im Verhältniß zu den Gewaltthaten selten; dann finden sie auch nur da, wo der Raub gewissermaßen unter den Augen der Consuln geschah, statt, und endlich betreffen sie meist solche Juden, die in großen Verkehrspläßen und an Seehäfen lebend, sich schon halb europäisirt haben, die also bereits eine Ausnahmsstellung einnehmen. Von den eigentlichen europäischen Juden, die im Orient wohnen, ist hier überhaupt nicht die Rede, denn ihr Judenthum ist den Moslems meist unbekannt. Man weiß, daß sie Europäer sind, das genügt. Nach der Religion fragt man beim Europäer nicht. Aber neun Zehntel der Vergewaltigungen bleiben ohne alle Sühne. Von vielen freilich erfahren die Consuln nichts, da sich die Juden nicht trauen, sich zu beschweren, und zwar aus Furcht vor Repreffalien. So ist es unter Anderm auch in Marokko, und dies wirft wohl das traurigste Licht auf ihre Schuhlosigkeit und auf das Illusorische des zu ihren Gunsten erlassenen Edikts.

Also Beispiele; vorerst aus dem gepriesenen Marokko, dem Lande der „Gleichstellung“ von Juden und Moslems. Als im Frühjahr 1871 der amerikanische General-Conful, Colonel Mathews, auf der Reise zum Hoflager des Sultans in Fez durch die Stadt Alkaffar kam, fand er daselbst eine große Festlichkeit im Gange, zu der die Berber (die autochthonen Eingebornen) der benachbarten Berge massenhaft herbeigeströmt waren.") Diese fingen,

*) Bates, Illustrated Travels, Vol. II, für 1871, S. 279.

wahrscheinlich um die Festlichkeit zu erhöhen, damit an, Häuser und Läden der Juden auszuplündern, wobei vielfache persönliche Gewaltthaten vorkamen. Dies geschah so zu sagen unter den Augen des Consuls, aber man hat nie etwas von einer Beschwerde deffelben gegen solchen Vertragsbruch gehört. Dergleichen kommt übrigens in allen Städten der Berberei bei festlichen Anlässen vor; sogar in Algier fanden noch vor Kurzem ähnliche Ausschreitungen statt, denen jedoch die französische Regierung steuerte. Die Juden sind überall sonst hoffnungslos ihren Peinigern preisgegeben.

Welch ein Hohn auf die Wirklichkeit jene sogenannte „Gleich- | stellung" der Juden mit den Moslems ist, geht auch aus folgender, von einem Begleiter des Consuls gemachten Beschreibung des Wohnorts und der Lage der Juden in Fez, der ersten Hauptstadt Marokko's (die Stadt Marokko ist nur die zweite) hervor.

„Das jüdische Viertel", sagt er, „ist ohne Trinkwasser und gleicht einem stagnirenden Sumpf. Es ist ummauert und nach Sonnenuntergang darf kein Jude hinaus. Die Israeliten können die arabische Stadt nur betreten, wenn sie sich der Demüthigung unterziehen, baarfuß zu gehen. Sie dürfen nur dunkle Gewänder und schwarze Mützen tragen u. s. w." Ganz so war es in Marokko vor 20 Jahren, als ich dieses Land zum erstenmal bereiste. Wo sind also die Folgen jenes aufgeklärten Edikts?

"

Ein Beispiel aus anderer Quelle. Ich kannte einen französischen Kaufmann, der im Jahre 1868 (also auch schon nach Erlassung des Edikts) eben diese Hauptstadt Fez auf einer Handelsreise besuchte. Er ließ sich im Bazar von einem Juden herumführen. Dieser arme Mensch hatte das Unglück, einem jener verrückten Heiligen, die im Orient frei herumlaufen und denen man Alles gestattet, zu begegnen und durch seine Erscheinung dessen Zorn zu erregen. Der Franzose erzählte mir in Bezug auf diesen Heiligen" etwas, das unglaublich klingt, das ich aber gleichwohl für möglich halte. Dieser Mensch hatte von der Regierung einen Soldaten zum Begleiter bekommen, durch welchen er alle diejenigen, welche ihm mißfielen, unbarmherzig durchprügeln ließ. Solche Heimsuchungen von Seiten eines Heiligen" werden nun freilich von den abergläubischen Marokkanern für Segnungen angesehen. Der Jude mußte sich also geduldig vom Trabanten des Verrückten durchprügeln lassen. Aber das war dem Heiligen nicht genug.. Er entriß den Stock dem Soldaten, schlug den Juden zu Boden, warf sich auf ihn, biß ihn in die Nase und riß ihm ein Auge aus. Der Franzose wurde, als er helfen wollte, von Fanatikern festgehalten. Alles dies geschah unter dem Jubel der Umstehenden. Der arme Mißhandelte schleppte sich blutend und halbblind nach Hause. Von einer Klage war natürlich nicht die Rede.

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ein consularisches Aktenstück, daß ich in meiner „Reise in den Regentschaften Tunis und Tripolis“ abgedruckt habe, constatirt, daß im J. 1868 in der Stadt Tunis, also unter den Augen der Consuln, nicht weniger als 17 (sage stebzehn) Israeliten aus Fanatismus ermordet wurden, ohne daß ihre Mörder zur Rechenschaft gezogen worden wären. Die großen Matadore der Handelswelt in Tunis (meist Juden) werden freilich nicht angetastet. Aber das arme schußlose Volk, und das ist die große Mehrheit, wird schmählich mißhandelt.

In Tripolis ist es nicht viel besser, d. h. die Stellung der Juden ist dort eine tiefere, als in Tunis, man hört jedoch nicht so viel von blutigen Thaten, wohl aber oft von geringeren Mißhandlungen. So sah ich dort mit eigenen Augen, wie ein roher | Neger einen alten Juden aus fanatischem Muthwillen halb zu Tode prügelte. Er hätte ihn wahrscheinlich auch todtgeschlagen, wäre ich nicht zur rechten Zeit zu Hülfe gekommen. Der Barbar konnte gar nicht begreifen, warum ich mich des Mißhandelten annehme.. Diese moslimischen Neger sind oft fanatischer und grausamer gegen Andersgläubige, als die Araber, ein Ausspruch, der freilich unsern sentimentalen Negerfreunden nicht gefallen mag, den ich aber als wahr verbürgen kann.

Wie ist solchen schreienden Uebelständen abzuhelfen? Diese Frage glaube ich schon oben beantwortet zu haben: dadurch nämlich, daß die Consuln ihre Schuldigkeit thun und die Behörden in deren Behandlung der Juden überwachen. Dies gilt jedoch nur in den mohammedanischen Staaten. Schwieriger ist die Sache in den christlichen Schußstaaten der Türkei und vor Allem in Rumänien, diesem pseudo-civilisirten Lande. Hier ist der Uebelstand, daß gerade die sogenannte liberale oder ultraliberale Partei (die bekannten „Rothen"), auf welche die europäischen Mächte viel weniger Mittel zum Einwirken haben, als auf den Fürsten und die Regierungspartei, die schlimmste Feindin der Juden ist, und daß die Judenhehen dort ein politisches Mittel sind, um der Regierung Verlegenheiten zu bereiten. Um ihr solche zu ersparen, haben auch bis jetzt die europäischen Mächte sich der rumänischen Juden nur schwach angenommen. Sie wissen, daß die Regierung den besten Willen, aber nur sehr wenig Macht hat. Von seinem guten Willen hat erst vor einigen Tagen der Fürst wieder einen eclatanten Beweis geliefert, indem er die so ungerecht verurtheilten Juden von Ismail, Kohul und Vilcov begnadigte. Es klingt freilich ironisch dieses Wort „begnadigen“, wenn man bedenkt, daß die Leute ganz widerrechtlich verurtheilt waren. Die Ohnmacht der Regierung zeigt aber der Umstand, daß die Freisprechung der Veranstalter der Judenheßen aufrecht erhalten wurde.

Selbst die Consuln besißen in Rumänien de facto nicht die ihnen de jure zukommende Macht, denn sogar solche Juden, die Unterthanen europäischer Staaten sind, werden vor die rumänischen Tribunale gezogen und von diesen verurtheilt, während nach den Capitulationen, die für Rumänien noch ebenso gut gelten, wie für die ganze Türkei, nur ihren Consuln die Jurisdiction über ste zusteht. So war der in Buzeo mitverurtheilte Rabbiner österreichischer Unterthan, und wenn es auch den ener

Auch im neuesten Heft der Berliner „Zeitschrift für Erdkunde" (1872, S. 72) bespricht Gerhard Rohlfs das traurige Loos der Juden in Marokko. Dort sagt er unter Anderm: „Die Jüdinnen, die sich durch Schönheit auszeichnen, müssen oft genug, führt sie ihr Geschick in die Nähe eines Großen und Vornehmen, in dessen Harem eintreten." Also nicht einmal die Familien-Ehre ist gesichert, was doch z. B. in Südarabien, wo die Juden sonst schlecht|gischen Vorstellungen der österreichischen Regierung zu danken genug behandelt werden, der Fall ist.

In andern Ländern des Orients ist es mit dem Schuß der Juden nicht besser, ja manchmal noch schlimmer bestellt. Seltsam, daß gerade in solchen Ländern, die man als fortgeschrittnere rühmt, weil sie lebhafteren Verkehr mit Europa haben und ein zahlreiches consularisches Corps dort befindlich ist, oft die schändlichsten Grausamkeiten vorkommen, z. B. in Tunis. Es ist durch

ist, daß die armen Märtyrer rumänischer Schmachjustiz nicht länger die unverdiente Criminalstrafe erdulden, so ist dies eben doch nicht auf dem Rechtswege, sondern auf dem der Begnadigung geschehen. Zu seinem eigentlichen „Recht" ist jener öfterreichische Unterthan dadurch nicht gekommen. Nach dem Recht hätte er nur von seinem Consul gerichtet werden können.

Wird nun die von dem neu gegründeten deutschen israeliti

Südstaaten theilnehmen. Die das Elend des Landes constatirenden Thatsachen werden jedoch von beiden Seiten als richtig zugegeben. Wir entlehnen dem Berichte Nachstehendes:

schen Gemeindebund angerufene Vermittlung des Reichskanzlers | ligen Sklaven-Barone hingeschickt, während die Freunde der Rediesen Uebelständen wirksam steuern? Ich möchte es hoffen kön- gierung hauptsächlich den emancipirten Schwarzen und den Far nen, muß aber gestehen, daß es mir nicht sehr wahrscheinlich | bigen die Schuld beimessen, die jetzt an der Verwaltung der dünkt, denn die Action der europäischen Mächte hat sich in den lezten Jahren in Rumänien fast immer erfolglos gezeigt. Zumal ist Alles, was von Deutschland ausgeht, dort unliebsam und verdächtig. Nur durch einen Machtspruch könnte der Reichskanzler etwas durchseßen. Diesem müßte aber auf irgend eine handgreifliche Weise Nachdruck gegeben werden, und es ist nicht abzusehen, wie das jezt geschehen kann. Auf rein diplomatischem Wege wird Deutschland von Rumänien schwerlich viel erlangen. Es wird nur dem Fürsten neue Verlegenheiten bereiten und dessen ohnehin schon schwankende Stellung noch unhaltbarer machen. Ganz anders dürfte der Erfolg sein, wenn Frankreich sich dazu herbeiließe, diplomatisch in Rumänien einzugreifen, denn gerade die rothe Partei, die Veranstalterin der Judenheßen, schwärmt für Frankreich. Früher hat wenigstens die „israelitische Allianz", die ihr Centrum in Paris hat, bei der französischen Regierung zuweilen ein wirksames Einschreiten zu Gunsten verfolgter Juden durchgefeßt. Aber in der rumänischen Frage hat man noch nichts Aehnliches gehört. Vielleicht will man jezt auch in Frankreich aus Gründen sogenannter höherer Politik" nicht einschreiten, da das Aufhören der Judenheßen nur die Stellung des Fürsten befestigen würde, der als Deutscher dort natürlich unliebsam ist.

Das Unglück für Rumänien ist, daß es eine Verfassung besigt, für die sein Volk vielleicht erst in zweihundert Jahren reif sein wird, in Folge deren ein humaner Fürst ohnmächtig ist und die größten Barbareien von einer sich liberal nennenden Partei im Namen des Fortschritts begangen werden können. Wie unreif es für liberale Institutionen ist, beweist das GeschworenenGericht von Buzeo, das die Mörder der Juden freispricht, die Opfer der Raubsucht aber zum Kerker verurtheilt. Auch hierin hat der europäische (namentlich der französische) Journalismus viel gesündigt, der seiner Zeit das „liberale" Rumänien und seine „freisinnigen" Institutionen in den Himmel hob (wer erinnert sich nicht der Schwärmerei für Rumänien, die nach dem Krimkriege Mode war?) und dieses an und für sich schon so eitle Volk in seiner Ueberhebung bestärkte. Wie es mit diesem damals so gepriesenen „Liberalismus" steht, das sehen wir jetzt. Eine Besserung jener Zustände kann nur von einer Erstarkung der Regierung erwartet werden, sei es, daß dies (was ich jedoch bezweifle) auf constitutionellem Wege gelingt, oder daß, wie ja die Zeitungen vor Kurzem angedeutet haben, nach dem Abzug des Fürsten, der alte Despotismus der Hospodare wiederhergestellt würde, was jedenfalls die Rumänier für ihre unmensch- | liche Verfolgung friedlicher Bürger verdient hätten.

Nord-Amerika.

Der Jammer und das Elend der amerikanischen Südstaaten.

Eine Korrespondenz in der „Allg. Ztg." aus Newyork giebt über die jeßige Lage der bei der Rebellion betheiligt gewesenen Südstaaten einen Bericht, der wahrhaft schaudererregend ist. Die Schuld an dieser unglücklichen Lage des Landes wird von den Gegnern der Regierung des Präsidenten Grant ihren Beamten und Proconsuln gegeben, die sie zur Niederhaltung der ehema

„Das Eigenthum der elf in der Rebellion verwickelt gewese. nen Staaten belief sich im Jahre 1860 mit Ausschluß der Sklaven auf 2,728,825,006 Dollars. Die Rebellion kostete nun diesen Staaten, wiederum mit Ausschluß der Sklaven, deren Werth ihnen durch die Emancipation verloren gegangen war, 1,272,900,390 Doll., somit nahezu die Hälfte ihres ganzen Eigenthums vor dem Kriege. | Hierin sind jedoch keineswegs die Kriegsschulden der RebellenStaaten einbegriffen, die sich nach einer Schäßung unseres KriegsSecretärs Belknap am 1. April 1865 auf 2,345,297,823 Dollars beliefen! Addirt man die beiden Posten zusammen, so ergiebt der Gesammtverlust der Rebellen Staaten die Summe von 5,262,303,554 Doll., also fast den doppelten Werth alles südlichen Eigenthums im Jahre 1860, mit Ausschluß der Sklaven. Das | sind furchtbare Zahlen, welche nackt und ungeschminkt den finanziellen und ökonomischen Ruin in ihren Zügen tragen.

„Und in ein so ruinirtes Land, das der größten Nachsicht und Fürsorge bedürftig war, hat die gewalthabende Partei römische Prätoren geschickt, um ihm den lezten Lebenstropfen auszuziehen. Und in welcher Weise haben die von der Central-Regierung ein gesezten Gouverneure gewirthschaftet! Der Staat Alabama z. B. hatte im Jahr 1866 durch den Krieg sich eine Schuldenlaft von 5 Millionen aufgebürdet; im Jahr 1871 war die Schuldenlast bei einer Bevölkerung von 996,992 Seelen auf 24 Millionen angeschwollen. Also die fünf Friedensjahre haben dem Staate fast das Vierfache der fünf Kriegsjahre gekostet. Die Schulden des Staates Süd-Carolina beliefen sich im Jahr 1860 auf 14 Millionen, 1865 nach seiner Unterwerfung auf 20 Millionen, und 1871 auf 54 Millionen bei einer Bevölkerungszahl von 705,606 Seelen. Ist es da ein Wunder, wenn die Leute denken, der Krieg sei wenigstens um die Hälfte wohlfeiler als der Friede, und in ihren Kuklur-Organisationen in einer Art von GuerillaKampf leben?

„Doch wozu, so fragt man unwillkürlich, wurden diese ungeheuren Staatsschulden contrahirt? Die Rebellen - Schuld der Conföderation ist repudiirt worden, die Zinsentilgung und die Abtragung der Nationalschuld werden aus Zöllen und indirecten Steuern bestritten; der Volksunterricht ist gerade noch so vernachlässigt wie vor dem Kriege; Landstraßen und Eisenbahnen erhalten nur wenig Unterstützung – also wozu? Einfach um diejenigen, welche diese unglücklichen Staaten regieren, zu bereichern; und da der Credit dieser Staaten ein verschwindend geringer ist, so müssen Millionen Noten ausgegeben werden, um ein paar tausend Dollars dabei zu „machen“. Von den nördlichen Faiseurs haben die südlichen Neger das einzige seit ihrer Emancipation gelernt, nämlich das „Machen“. Jene bilden die Executive in den „reconstruirten" Staaten, diese die Legislative; die eine ist der anderen vollkommen würdig. Süd - Carolina scheint sich der besonderen Vorliebe der schwarzen und der weißen Räuber zu erfreuen. In der einzelnen County Kershaw, welche 11,000 Seelen zählt, wurden 36,00 Steuer-Executionen erlassen; 1870 war die Steuer-Umlage 2,365,047 Doll. und 1871 4,730,094 Dollars! 1860 zahlte Süd-Carolina für die Unterhaltung seiner Beamten 123,800 und 1871 581,640 Dollars.

Kleine literarische Revue.

- Deutsche Sage im Elsaß. Im Schwabenland ist ein schönes Buch zur Geschichte der romantischen deutschen Sagen des Elsaß erschienen*), das ein Freund und Schüler Uhland's in sinniger Weise zusammengestellt hat. Mit der „mythischen Sage" beginnend, geht die Darstellung zu den Heldensagen der Nibelungen und des treuen Eckhart über, deren Schaupläße größten theils die Berge und Thäler des Wasgaues sind. Auch an die Karolinger, die sich gern zur Jagd im Elsaß aufhielten, knüpfen sich viele alte deutsche Sagen. Fast alle deutschen Kaiser haben Sagen Spuren im Elsaß zurückgelassen. Mit besonderer Liebe hingen die Elsässer an den Hohenstaufen, ihren alten Herzogen, deren Lieblingssiß hinwiederum Hagenau war, an welches sich eine liebliche Gründungssage durch den Vater Friedrichs des Rothbarts, Herzog Friedrich den Einäugigen, knüpft. Unter Rudolf von Habsburg wurde der Hauptbau des Straßburger Münsters vollendet, dessen Meister der Schleier der Sage bedeckt, und um welchen selbst sich das Schlinggewächs der Mythe in den üppigsten Ranken windet. Von Kaiser Sigismund wird der lustige Straßburger Tanz erzählt, zu dessen Gedächtniß sich noch heut ein Schnabelschuh als Wetterfahne auf einem alten Haus in der Corduangasse dreht. Wenige Jahre nach Sigismunds Anwesenheit in Straßburg kam dorthin ein aus Mainz geflüchteter junger Patrizier, Henne Gensfleisch zum Gutenberg, der in dem abgelegenen Hause außerhalb der Thore, wo er einzog, allerlei Teufelskunst trieb und bei der Gelegenheit die Buchdruckerkunst erfand. Die lezte Sage Straßburgs aus deutscher Zeit betrifft ein Vorzeichen des nahen Falles. In einer Septembernacht des Jahres 1680 hören zwei in der Nähe des Münsters wohnende Männer in demselben von hellen Knabenstimmen fingen:

Nach Leib und Leben sie uns stahn;

Deß wird sich Gott erbarmen!

Sie stellen uns wie Keßern nach, Nach unserm Blut sie trachten.

Ein Jahr nachdem diese klagende Stimme in der einsamen Nacht des Münsters erklungen war, sammelte sich die protestantische Gemeinde zum letztenmal an der heiligen Stätte, und der Choral: „Aus tiefster Noth schrei' ich zu Dir", verhallte hoffnungslos in den weiten Räumen,

Die Fahrten des Sajjid Batthâl.**) Dieser berühmte alt. türkische Volks- und Sittenroman begegnet uns hier zum erstenmale vollständig in's Deutsche übersetzt. Der Ueberseßer und Verfasser hat sich offenbar der mit manchen Schwierigkeiten verbundenen Arbeit mit großem wissenschaftlichen Interesse unterzogen. Alle sechs in Deutschland vorhandenen Handschriften, die altosmanischen sowohl wie die im Privatbesitz des Prof. Fleischer befindliche tatarische, sind von ihm benutzt worden. Da keine derjelben ganz vollständig ist, sie sich aber gegenseitig in trefflicher Weise ergänzen, so glaubt der Verfasser in der Uebersehung ein Werk ohne jegliche Lücke geliefert zu haben. Freilich hat er,

*) Deutsche Sage im Elsaß. Von Wilhelm Herz. Stuttgart, A. Kröner, 1872.

**) Uebersezt von Dr. Hermann Ethé, Privatdocenten an der Universität München. 2 Bände. Leipzig, F. A. Frockhaus, 1871.

jedoch ohne der Treue in der Uebertragung zu nahe zu treten, die Sprache ein wenig modernisiren müssen. Es ist uns vorgekommen, als ob er darin stellenweis ein wenig zu weit gegangen wäre. Der Gebrauch zahlreicher, aus dem Französischen in's Deutsche herübergenommener Fremdwörter liegt unseres Erachtens nicht im Interesse einer Arbeit, welche sich auf Vor

gänge im Mittelalter und im fernen Asten bezieht. Im Uebrigen

ist die Arbeit, namentlich auch in Anbetracht der vielen wiffen

schaftlichen Anmerkungen, eine sehr verdienstvolle. Was den Roman selbst betrifft, so stammt er, wie der Uebersezer mit Fleischer annimmt, aus der Zeit zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert und gehört dem mohammedanisch- neuarabischen Sagenfreise an. Der Verfasser ist unbekannt; das Werk ist als Produkt des dichtenden Volksgeistes zu betrachten. Sajjid Batthâl (der Kämpfer) erscheint als ein Held ohne Gleichen; er repräsentirt den großen Vernichtungskrieg des Islam gegen das chriftliche Byzanz. Seine Thaten sind übermenschlich; er persönlich trägt nicht allein im Zweikampf jeden Sieg davon, sondern schlägt auch ganze Heere; jede List, jede Absicht gelingt ihm, doch ist seine Laufbahn, wie hinzugefügt werden muß, von „Sr. Hoheit dem Gottgesandten Mohammed" und von „Gabriels, des offenbarungsbetrauten Engels, Excellenz" wohl vorbereitet. Der Roman bewegt sich mit Behaglichkeit in dem weiten Meere der Romantik. Leider geht im eigentlich jede geschichtliche Basis ab, und so ist ihm nur noch eine literarhistorische und vielleicht, doch auch nur mit Vorbehalt, eine sittengeschichtliche Bedeutung zuzuschreiben.

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vom Verfasser revidirte, überaus elegant (in Einbänden mit dem in Leder gepreßten Bildnisse des Dichters) ausgestattete Ausgabe von Spielhagen's Werken erschienen.) Sie ist folgend ermaßen zusammengesezt:

1. und 2. Band: Problematische Naturen. Vierte Auflage. 3. Band: Novellen: Auf der Düne. Röschen vom Hofe. Clara Vere. In der zwölften Stunde.

4. Band: Die von Hohenstein. Dritte Auflage.

5. und 6. Band: In Reih' und Glied. Dritte Auflage. 7. Band: Vermischte Schriften. Zweite Auflage. Amerikanische Gedichte. Dritte Auflage.

8. Band: Novellen: Der Vergnügungs- Commissar. Die schönen Amerikanerinnen. Hans und Grete. Die Dorfcoquette. Deutsche Pioniere.

9. und 10. Band: Hammer und Amboß. Vierte Auflage.

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Meurer's Spiritische Beitschrift. Es sind uns die beiden ersten Monats-Hefte einer von Julius Meurer und Oswald Muße herausgegebenen, im April d. J. begründeten „Spiritischrationalistischen Zeitschrift“ zugegangen.*) Durch die ihrer spiritischen Eigenschaft beigefügte „rationalistische“ Bezeichnung will die Zeitschrift andeuten, daß sie mit dem amerikanischen Humbug des Geisterklopfens und des Tischrückens nichts zu thun habe. Die Herausgeber wollen, gleich der Dialectical Society in London, ihre Aufmerksamkeit lediglich auf die in der physischen Welt erkennbaren, wissenschaftlich nachzuweisenden Spuren rein geistiger Kräfte richten und dadurch einen Beitrag zur Bekämpfung der Paradorieen und Anmaßungen des heutigen Materialismus liefern. Wie sehr es der Zeitschrift dabei um Unparteilichkeit zu thun, das will sie bereits in ihren ersten Heften durch wissen schaftliche Würdigung der in Darwin's und G. Büchner's Werken enthaltenen relativen Wahrheiten beweisen.

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,,um Scepter und Kronen", ist der Titel eines historischen Romans der Neuzeit, der jest in acht Halbbänden (die bis zum Herbste d. J. beendigt sein sollen) bei Ed. Hallberger in Stuttgart und gleichzeitig in dessen illustrirtem Journal „Ueber Land und Meer" erscheint.**) Der uns vorliegende erste Halbband macht auf uns den Eindruck, daß wir es hier mit keinem gewöhnlichen, auf das Sensations-Bedürfniß des Publikums speculirenden Romane, sondern mit der künstlerischen Arbeit eines wohlunterrichteten, besonders aber auch mit diplomatischen und politischen Kreisen näher, als es unsere deutschen Novellisten zu sein pflegen, vertrauten Mannes zu thun haben. Es wird in diesem Romane gewissermaßen die geheime diplomatische Geschichte der Entstehung des Krieges von 1866 enthüllt. Nicht etwa, daß wir, die wir niemals an die Behauptung von PreuBens muthwilliger Provocirung dieses Krieges geglaubt, etwas Neues oder Unerwartetes dadurch erfahren; aber die sichtbar den Stempel der Ungezwungenheit und Wahrheit tragende Erzählung der Hergänge in Berlin, Wien, Hannover und Paris, kurz vor und während der Entwickelung der Conflikte von 1866, muß, gleichwie auf uns, auf jeden unbefangenen deutschen Leser einen durchaus befriedigenden Eindruck machen. Besonders weisen wir auf die, eine ebenso künstlerisch als objectiv wahre Färbung tragende Unterredung hin, welche Seite 121-131 zwischen dem edeln, aber schwachen österreichischen Minister-Präsidenten, General Grafen v. Mensdorff, und seinen beiden diplomatischen Räthen, den bekannten Herren v. Biege

*) Leipzig, Oswald Muze.

**) Um Scepter und Kronen. Zeitroman von Gregor Samarow. Erster Band, erste Hälfte (144 S.). Stuttgart, Hallberger.

leben und v. Meysenbug, wiedergegeben ist. Hier wird uns das ganze Gewebe der damaligen Intriguen Oesterreichs gegen Preußen bloßgelegt. Ob es dem Verfasser geglückt, ebenso treu und erschöpfend wie die Charaktere der maaßgebenden Diplomaten in Wien, Dresden und Hannover, auch den des leitenden Staatsmannes in Berlin zu schildern, wollen wir dahingestellt sein lassen, doch ist es ihm jedenfalls gelungen, auch hier einige psychologische Studien zu liefern, deren weitere Fortseßung wir mit gespanntem Interesse erwarten. Das Buch wird mit einer sehr anziehenden Unterredung des alten und des neuen Preußens, der beiden Minister-Präsidenten v. Manteuffel und v. Bismarck, eröffnet, die einen würdigen Introitus zu dem großen historischen Drama bildet, das in den folgenden Acten und Scener sich abspielt.

Zur Feier der Erinnerung an Lucas Cranach den Aelteren den Maler der Reformation, dessen vierter Säcular-Geburtstag in das Jahr 1872 fällt (er starb 1551), ist so eben eine von einem „dankbaren Enkel" abgefaßte Schrift erschienen, die wir gern einem größeren Leserkreis empfehlen. Möchte der Wunsch des Verfassers, daß das nächste Reformationsfest, am 31. October, die Verehrer Luthers und seines künstlerischen Freundes zu einer Cranach-Feier in Wittenberg vereinige, in Erfüllung gehen!

Das Londoner Comité zur Herbeiführung eines neuen eng lischen Gesetzes über das Eigenthumsrecht verheirateter Frauen hielt kürzlich eine Sihung, bei welcher Mr. Pears eine Geschichte der englischen Gesetzgebung in diesem Punkte gab und Miß Becher den gegenwärtigen Stand der Angelegenheit erör terte. Nach längerer Debatte wurde endlich die folgende Reso lution einstimmig angenommen: „Das Geseß über das Eigenthum verheirateter Frauen (Married Women's Property) vom Jahre 1870 ist in seinen Principien vollständig ungesund und die Einbringung einer Bill durch Herrn Stavely Hill, welche einige der schreiendsten Anomalien dieses Gesetzes verbessern will, bietet die beste Gelegenheit, von der Gesetzgebung zu verlangen, daß ste nicht nur die in dieser Bill, welche als noch lange nicht ausreichend erklärt wurde, gerügten Uebelstände abstelle, sondern auch alle andern im Gefeße enthaltenen Härten entferne und den Frauen ganz dieselben Rechte in Bezug auf Eigenthum, Kauf und Verkauf, Abschließen von Verträgen u. s. w. zugestehe, wie dem Manne."

Von Herrn Dr. jur. H. B. Oppenheim geht uns soeben eine kleine, scharfsinnige Schrift zu: „Die Judenverfolgungen in Rumänien" (20 S. Berlin, G. Stilke) — ein Seitenstück zu den graphischen Schilderungen der Toleranz-Edikte der Sultane und der Religions-Barbarei in den Raubstaaten und in Rumänien, die Herr Baron v. Malzan geliefert. Herr Oppenheim weist nach, daß der Haß gegen die Juden mit dem Hasse und den Nichtswürdigkeiten gegen die Deutschen in Rumänien eng zusammenhänge. Mit Recht sagt er, daß ein Staat, dessen Rechtsschuß und Rechtspflege unter das Niveau der selbst in der Türkei geachteten, öffentlichen Sittlichkeit herabgesunken sei, dadurch jeden Anspruch auf politische Selbständigkeit verwirkt habe.

Verantw. Redacteur: Joseph Lehmann in Berlin, Matthäikirchstraße Nr. 16. Berlegt von Ferd. Dümmler's Berlagsbuchhandlung (Harrwis und Goßmann) in Berlin, Wilbelmsstraße Nr. 86. Drud von Eduard Krauje in Berlin, Franzöftscheftraße Nr. 51.

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